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Nachrichten aus Griechenland


Griechenland zwischen den Fronten

Die Ankunft immer neuer Flüchtlinge auf den Ägäis-Inseln stellt den griechischen Staat vor beständig wachsende Herausforderungen. Protestierende Bürger und innerparteiliche Gegner treiben Kyriakos Mitsotakis vor sich her. Durchsichtig undurchsichtig ist die Rolle von Nicht-Regierungs-Organisationen und der benachbarten Türkei.

Wie er durch Andeutungen in einem Gespräch mit dem Historiker Niall Ferguson deutlich machte, hegt der griechische Premier kaum mehr einen Zweifel daran, dass die türkische Seite mit dem Zulassen der Migrantenboote Druck auf Griechenland und seine europäischen Partner ausüben will – egal ob es dabei um Geld oder um diplomatische Zugeständnisse der EU geht.

1. Die Türkei: Erpressung und Unterwanderung

Dass die Ziele des türkischen Präsidenten noch weiter gehen könnten, legen die Recherchen einer griechischen Tageszeitung nahe. Die konservative »Estia« hat nun die Gesprächsinhalte einer Versammlung türkischer Studenten im griechischen Westthrakien aufgedeckt.

In der östlichsten Festlandprovinz Griechenlands lebt seit langem eine mit Sonderrechten ausgestattete türkisch-muslimische Minderheit. Muslime aus Westthrakien studieren häufig an türkischen Universitäten. Im März 2018 gründeten die westthrakischen Studenten dort die »Vereinigung der Studenten Westthrakiens«, der sie offenbar auch nach ihrer Rückkehr nach Griechenland die Treue halten. Die Zeitung beschreibt sie als muslimische Erdogan-Jugend in Griechenland; häufig sprechen Mitglieder der Grauen Wölfe auf den Versammlungen des Studentenbunds. Auf ihrer Versammlung im griechischen Komotini sollen die Mitglieder nun Anweisungen Ankaras besprochen haben, wonach sie muslimischen Einwanderern Hilfe anbieten und sie so gleichsam als fünfte Kolonne Erdogans in Griechenland gewinnen sollen. Angesichts der wachsenden Migrantenströme in der Ägäis titelt die Zeitung: »Die Türkei betreibt die Islamisierung Griechenlands«.

Ursprünglich war Westthrakien mit seiner muslimischen Minderheit das griechische Gegenstück zum türkisch gebliebenen Konstantinopel, in dem der griechisch-christliche Bevölkerungsteil nach dem großen Bevölkerungsaustausch von 1923 ein Wohn- und Bleiberecht haben sollte. Dieses Bleiberecht haben die Türken im Jahr 1955 durch ein Pogrom gegen Griechen, Juden und Armenier geschleift, so dass ein Teil der Armenier und die überwiegende Mehrzahl der Juden und Griechen die Bosporus-Metropole Richtung Ausland verließen. Auf eine Ansiedlung muslimischer Einwanderer in Griechenland reagiert man nach dieser Vorgeschichte naturgemäß sehr vorsichtig.

2. Die NGOs: heimliches Schleppertum, offene Drohungen und Anstachelung zur Gewalt?

Daneben gerät die Rolle der Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) in der östlichen Ägäis in den Zoom der griechischen Medien. Anwohner auf Lesbos berichten von Aktivisten, die mit Ferngläsern das Meer zwischen der griechischen Insel und der Türkei beobachten – eben an jenen Stellen, an denen später Boote mit Migranten ankommen. Angeblich sollen Aktivisten auch nachts mit Autoscheinwerfern den Weg für die Migrantenboote weisen. Das bleiben freilich Gerüchte und Berichte vom Hörensagen. Erhärtet scheint inzwischen aber ein Vorwurf aus dem Jahr 2018, nach dem Aktivisten die Schlepperrouten sogar auf einer Website dokumentierten.

Die Regierung will die NGOs nun besser – oder überhaupt einmal – kontrollieren. Im ganzen Land sind angeblich 400 Organisationen im Zusammenhang mit Migranten tätig, doch nur 90 von ihnen haben eine offizielle Lizenz. 35 Aktivisten stehen inzwischen im konkreten Verdacht, mit türkischen Schleppern zusammenzuarbeiten. Nun sollen die NGOs und ihre Mitarbeiter erstmals ordentlich registriert werden. Auch Regierungsvertreter sprechen von den zwielichtigen Aktivitäten der Aktivisten, die im Verbund mit korrupten Ärzten und Rechtsanwälten Geld an der Migration verdienten.

Das neue Gesetz macht natürlich nicht alle froh: Laut Berichten über Social Media und Nachrichten-Websites sollen »Anarchisten« die Lagerbewohner seitdem zu Protesten und Aufständen anstacheln. Anfang Februar marschierten an die 2.000 Migranten aus dem Lager Moria auf Lesbos in die nahegelegene Inselhauptstadt Mytilini und legten nach einigen Schlachten mit der örtlichen Polizei Feuer in der Nachbarschaft des Elektrizitätswerks der Stadt. Der Schlachtruf der Migranten lautet dabei »Freiheit« – damit meinen sie ihre Verbringung aufs Festland. Nach weiteren Sitzprotesten auf verschiedenen Verkehrsachsen bewegte sich der Zug, begleitet von der Polizei, wieder in Richtung Moria. Als man das im gleichnamigen Dorf erfuhr, läuteten die Kirchenglocken, die Dorfbewohner versammelten sich, um die Passage der Migranten durch das Dorf zu verhindern. Das gelang, die Polizei wählte nun einen anderen Weg zurück zum Lager. Am Abend und in der Nacht desselben Tages wurden weitere Feuer in und um Moria gemeldet, unter anderem in einem unbewohnten Haus. Die Einheimischen haben inzwischen begonnen, ihr Dorf zu bewachen. Und wieder ertönt der Refrain des Inselwiderstands: »Wir verlangen unser Leben, unsere Häuser und unseren Besitz zurück. Wir wollen keine Flüchtlinge mehr in unserem Dorf.« Ja, Moria ist auch ein Dorf.

Daneben berichten Einheimische von Aktivisten, die sie mit Drohungen zur Vermietung von Häusern und Olivenhainen drängen, um dort Migranten unterzubringen. Andernfalls würde man die Olivenhaine verwüsten; das sei freilich schon der Fall, ergänzt die Besitzerin. Auch in der nordgriechischen Großstadt Thessaloniki bieten NGOs doppelte Mieten, wenn die Vermieter je fünf bis sieben Migranten pro Wohnung einquartieren. Ein zentrales Problem dürfte darin bestehen, dass der griechische Staat unter der Regierung Tsipras Aufgaben an die NGOs übertragen hatte, die er nun wieder selbst wahrnehmen sollte. Premierminister Kyriakos Mitsotakis würdigte in seiner üblichen vermittelnden Art zwar die Hilfe der NGOs, stellte aber zugleich klar, dass sich einige von ihnen daneben benähmen und für ihre Fehler zur Rechenschaft gezogen würden.

3. Die Bürger: Protest und Verweigerung

Der Aufstand der Bürger setzt sich unterdessen ebenfalls fort. Auf Lesbos haben die Bürgermeister eine Ausweisung von Bauland für die geplanten neuen Abschiebezentren geschlossen verweigert, so dass die Regierung zur Konfiszierung von Grundstücken als letztem Mittel griff. Von der Beschlagnahmung der Bauflächen erfuhr der Regionalgouverneur Kostas Moutzouris angeblich eine halbe Stunde, bevor sie öffentlich wurde. Moutzouris, der Wortführer des Generalstreiks auf Lesbos und den anderen betroffenen Inseln, zeigte sich erzürnt und fragte, warum nicht auch in anderen Regionen des Landes solche Zentren entstehen.

Laut dem Minister sollen die neuen Abschiebezentren – eins auf jeder der fünf Inseln – viel weniger Asylbewerber aufnehmen, als jetzt in und um die bestehenden Einrichtungen leben. Die bisherigen Lager sind bekanntlich um ein Vielfaches überlastet. Auch auf dem Festland, wohin inzwischen 9.000 Migranten gebracht worden sind, will man Einrichtungen bauen (geplant sind Lager auf der Peloponnes, Kreta und in Zentralgriechenland). Langfristig sollen 20.000 Asylbewerber in Lager auf dem Festland gebracht werden. Das wäre nicht einmal die Hälfte der derzeit 42.000 Migranten auf den Ägäis-Inseln. Was aber passiert mit den Neuankömmlingen? Ob sie in den Zentren Platz finden, wird vorerst davon abhängen, wie weit es dem griechischen Staat gelingt, die Asylverfahren effektiv zu straffen und zu einem Abschluss zu bringen.

Jedenfalls, so der Minister weiter, sei aber auf den Inseln der Grenzregion »kein dauerhafter Aufenthalt« von Migranten vorgesehen. Die neuen Zentren sollen »multifunktional« sein und so zur Entlastung der Inseln beitragen – mit anderen Worten, sie sind für den Abschluss der Asylverfahren ebenso wie für die Abschiebung zuständig. Auch die geplanten schwimmenden Barrieren seien ein »starkes Signal« der auf Verminderung der Migrantenströme gerichteten Politik, beharrte der Minister (bei TE sah man das zum Teil anders). So weit die noch an der Praxis zu testende Theorie.

In einer Karikatur wurde die Absurdität der Inselrealität auf den Punkt gebracht: Da schlägt ein Regierungsvertreter vor, man solle doch einfach Fußballspiele zwischen Einheimischen und Migranten veranstalten, um die Spannungen abzubauen. Irgendwo hat man das schon mal gehört.

4. Der Konkurrent: Die Rückkehr des Antonis Samaras

Wie sich nun deutlicher zeigt, darf man den Gouverneur der nördlichen Ägäis durchaus als Faktor in der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia ansehen. Moutzouris trat zwar als unabhängiger Kandidat mit einem Regionalbündnis an, zeigt aber durch politische Kontakte und Rhetorik, dass er mit dem nationalkonservativen Flügel um den Ex-Premier Antonis Samaras paktiert. Samaras hatte im Dezember den Ton gesetzt, als er auf einem konservativen Parteitag von »illegalen Einwanderern« und »Eindringlingen« sprach, die es zurückzuweisen gelte. Er selbst habe von 2012 bis 2014 keine illegale Einwanderung aus der Türkei geduldet. Wen immer die griechischen Behörden damals aufgriffen, der wanderte zunächst in eines der geschlossenen Auffanglager (das bekannteste stand im attischen Amygdaleza) und sei zumeist freiwillig in sein Heimatland zurückgekehrt. In die Türkei habe man keine Migranten abschieben müssen.

Erst nach 2014, so Samaras weiter, habe die Regierung Tsipras die Grenzen geöffnet und die NGOs als »Staat im Staate« agieren lassen, was zu den »schändlichen Marterhöllen« von Moria und anderswo geführt habe. Die Tolerierung dieser Zustände sei der »einzige Makel« in Kyriakos Mitsotakis’ bisheriger Regierungsbilanz, so Samaras im Dezember.

Der Applaus, den Samaras für seine Rede auf dem Parteitag erhielt, dürfte Mitsotakis darin bestärkt haben, eine schärfere Asylpolitik zu initiieren – obwohl er selbst wohl als liberaler Zentrist gelten darf oder diesen Ruf zumindest pflegt. Es ist also ein beständiger Kompromiss, der in Athen die Zügel in der Hand hält. Die »wirklichen Flüchtlinge«, so war sich auch Samaras sicher, seien inzwischen sehr, sehr wenige. Die illegale Einwanderung und der »Menschenschmuggel« überwögen deutlich. Der Applaus der Konservativen brandete vor allem bei diesem Wort auf, das man auch als »klandestine Einwanderung« übersetzen könnte, die sich also mit heimlichem Grenzübertritt und Schleppertum verbindet.

5. Der ägäische Vizekönig

In Gestalt des Inselgouverneurs Moutzouris bleibt dem jetzigen Premier eine nationalkonservative Nemesis samaranischen Gepräges anscheinend dauerhaft erhalten. Doch was jetzt auf den Ägäis-Inseln passiert, ist zugleich mehr als eine bloße Parteikabale. Am Dienstagnachmittag beschloss der Regionalrat die Zusammenarbeit mit der Zentralregierung so lange zu unterbrechen, bis Athen die Beschlagnahmungen zurücknimmt. Zugleich will man wegen des Vorgehens vor Gericht ziehen, die Landstücke eventuell auch in zivilem Ungehorsam blockieren. Die Inselbürgermeister und der Gouverneur beharren auf ihrer Forderung, dass die bestehenden Lager geschlossen werden müssen, ohne dass neue entstehen.

In dieser Frage gibt sich der Regionalgouverneur siegesgewiss: »Die Gesellschaft wird reagieren. Als Inselverwaltung respektieren wir den politischen Willen der Bürgerschaft vor Ort, und als Ingenieur habe ich eines gelernt: Wenn die Bürgerschaft ein Bauvorhaben nicht will, kann es auch nicht umgesetzt werden.« Den Kampf gegen die neuen Zentren wolle man mit Ruhe und Besonnenheit führen, ohne die Leidenschaften weiter zu entfachen; vielmehr wolle man im Rahmen der Gesetze das tun, was notwendig sei.

Man hört den Worten an: Die Leidenschaften brennen bereits erheblich. Der Gouverneur muss da kein Brennholz mehr hinzufügen. Moutzouris beschreibt die Inseln als ein Pulverfass, das jeden Moment hochgehen kann – und zwar sowohl durch die Bürger wie durch die Migranten. In einem Radio-Interview äußerte er zudem seinen Unglauben, dass die neuen Zentren für die Aufnahme der beständig fließenden Migrantenströme ausreichen würden. Gegenüber den jetzt 27.000 auf Lesbos lebenden Migranten müsste man deren Zahl dann beständig auf 5.000 bis 7.000 senken. Doch selbst das wäre dem Gouverneur noch zu viel. »In Westeuropa«, so sagte er auf der großen Demonstration im Januar, »mag es große Zahlen an Ausländern geben, die sind aber über die Jahrhunderte aus den ehemaligen Kolonien dorthin gelangt. Hier ist es nicht dasselbe. […] Ich will nicht von den Sitten und Gebräuchen dieser Menschen sprechen, an denen sie hartnäckig festhalten werden. Sie wollen sich nicht anpassen, wollen vielmehr uns so verändern, dass wir ihre Sitten annehmen.«

6. Der Premierminister: Regiert er zu viel oder zu wenig?

Einer der witzigeren Karikaturisten des Landes zeichnet hin und wieder den aktuellen Premierminister im Gespräch mit seinem verstorbenen Vater, Konstantinos Mitsotakis. In einer Zeichnung vom Januar machte sich der Premier Sorgen, warum man ihn in Berlin nicht wolle, während man den Vorgänger Tsipras hofiert hatte. Sein Vater erwidert altersweise: »Tsipras wusste nicht, wie ihm geschieht. Du schon. Tsipras lud man ein, weil er den Schlauen gab. Dich wird man einladen, wenn du den Dummen gibst.«

In einer Karikatur von Anfang Februar führen Vater und Sohn nun den folgenden Dialog: »Vater, ich fange an Fehler zu machen.« – »Das heißt, dass du anfängst zu regieren.« – »Ja, aber ich mache viele davon.« – »Dann solltest du weniger regieren.«

Folgt Mitsotakis junior den beiden Ratschlägen? Einstweilen noch nicht im Übermaß. Er tut relativ viel, handelt auch mit einiger Intelligenz, was manchen sicher stört. Paradoxerweise zementiert der Premier aber gerade damit einen Teil des Status quo: Die Inseln der östlichen Ägäis werden Hotspots der Migration bleiben und sollen einen Hauptteil der entstehenden Lasten tragen, auch wenn Athen ihnen finanzielle Unterstützung angeboten hat. Doch diese »dreißig Silberlinge« hat Gouverneur Moutzouris schon zurückgewiesen. Er fordert vor allem den Schutz der Seegrenzen (»kein kosmetisches Frontex«) und die wirksame Abschreckung der Migrantenströme.

Im europäischen Konzert steht Mitsotakis, rhetorisch wie in der Sache, etwa in der Mitte zwischen den Merkelisten und Sebastian Kurz. Das hat auch mit der geographischen Lage des Landes zu tun. Denn der Zustrom von außen wird vermutlich fürs Erste anhalten, und Griechenland ist als EU-Land mit Außengrenze dazu verpflichtet, Asylverfahren zuzulassen und durchzuführen. Das Beharren auf alten, uns allzu bekannten Lösungsansätzen in Sachen Asyl und Migration erscheint daneben aber auch als internationale Versuchung, die weiterhin aus der Mitte des Kontinents ausstrahlt. So erklärte noch jüngst ein Kommentar in der WELT, dass die NGOs unseren Respekt verdienen, der griechische Staat dagegen nicht. Immerhin darf man hoffen, dass Mitsotakis in dieser Sache nicht so bald und nicht zu sehr den Dummen gibt. Dazu ist die Ungeduld seiner Bürger zu groß.
 
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schwarzseher


Das kommt davon, wenn man Erpressern nachgibt, in der Hoffnung, dann in Ruhe gelassen zu werden. In der Praxis fühlt sich der Erpresser allerdings ermutigt, immer weitergehende Forderungen zu stellen. Und genau das macht Erdogan mit den deutschen und den EU Weicheiern und vor allem den Weicheierinnen. Eine selbstbewußte und auf die Interessen ihrer Bürger bedachte EU hat Dutzende Möglichkeiten, Erdogan in die Schranken zu weisen. Kein Geld mehr, keine Waffen mehr, Sozialverträge umgehend kündigen, EU Beitritt rigoros ausschließen, keine Ferienflieger in die Türkei, Entzug doppelter Staatsbürgerschaft, Einreisebeschränkungen für türkische Staatsbürger und Rückführung nicht Aufenthaltsberechtigter. Auch ein Ausschluß aus der NATO wäre sinnvoll, da die Sovietunion schon lange nicht mehr existiert und Rußland für Europa keinerlei Bedrohung darstellt. Im Gegenteil. Eine wirtschaftliche Zusammenrbeit, wäre zum Vorteil beider Seiten und würde Rußland zu einem Partner machen. Leider verhindern die USA dies mit Hilfe ihrer Satrapen erfolgreich, da dies erhebliche wirtschaftliche Nachteile für sie haben würde. Und wenn die Deutschen Merkel endlich zum Teufel jagen, die Grenzen schließen und abgelehnte Asylbewerber umgehend und ausnahmslos zurückschicken würden, hätten die Griechen keine Probleme mit den Invasoren. Aber leider werden wir von Opportunisten und Dummen regiert, die von Ihresgleichen immer wieder gewählt werden.
 

Griechenland zwischen den Fronten

Die Ankunft immer neuer Flüchtlinge auf den Ägäis-Inseln stellt den griechischen Staat vor beständig wachsende Herausforderungen. Protestierende Bürger und innerparteiliche Gegner treiben Kyriakos Mitsotakis vor sich her. Durchsichtig undurchsichtig ist die Rolle von Nicht-Regierungs-Organisationen und der benachbarten Türkei.

Wie er durch Andeutungen in einem Gespräch mit dem Historiker Niall Ferguson deutlich machte, hegt der griechische Premier kaum mehr einen Zweifel daran, dass die türkische Seite mit dem Zulassen der Migrantenboote Druck auf Griechenland und seine europäischen Partner ausüben will – egal ob es dabei um Geld oder um diplomatische Zugeständnisse der EU geht.

1. Die Türkei: Erpressung und Unterwanderung

Dass die Ziele des türkischen Präsidenten noch weiter gehen könnten, legen die Recherchen einer griechischen Tageszeitung nahe. Die konservative »Estia« hat nun die Gesprächsinhalte einer Versammlung türkischer Studenten im griechischen Westthrakien aufgedeckt.

In der östlichsten Festlandprovinz Griechenlands lebt seit langem eine mit Sonderrechten ausgestattete türkisch-muslimische Minderheit. Muslime aus Westthrakien studieren häufig an türkischen Universitäten. Im März 2018 gründeten die westthrakischen Studenten dort die »Vereinigung der Studenten Westthrakiens«, der sie offenbar auch nach ihrer Rückkehr nach Griechenland die Treue halten. Die Zeitung beschreibt sie als muslimische Erdogan-Jugend in Griechenland; häufig sprechen Mitglieder der Grauen Wölfe auf den Versammlungen des Studentenbunds. Auf ihrer Versammlung im griechischen Komotini sollen die Mitglieder nun Anweisungen Ankaras besprochen haben, wonach sie muslimischen Einwanderern Hilfe anbieten und sie so gleichsam als fünfte Kolonne Erdogans in Griechenland gewinnen sollen. Angesichts der wachsenden Migrantenströme in der Ägäis titelt die Zeitung: »Die Türkei betreibt die Islamisierung Griechenlands«.

Ursprünglich war Westthrakien mit seiner muslimischen Minderheit das griechische Gegenstück zum türkisch gebliebenen Konstantinopel, in dem der griechisch-christliche Bevölkerungsteil nach dem großen Bevölkerungsaustausch von 1923 ein Wohn- und Bleiberecht haben sollte. Dieses Bleiberecht haben die Türken im Jahr 1955 durch ein Pogrom gegen Griechen, Juden und Armenier geschleift, so dass ein Teil der Armenier und die überwiegende Mehrzahl der Juden und Griechen die Bosporus-Metropole Richtung Ausland verließen. Auf eine Ansiedlung muslimischer Einwanderer in Griechenland reagiert man nach dieser Vorgeschichte naturgemäß sehr vorsichtig.

2. Die NGOs: heimliches Schleppertum, offene Drohungen und Anstachelung zur Gewalt?

Daneben gerät die Rolle der Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) in der östlichen Ägäis in den Zoom der griechischen Medien. Anwohner auf Lesbos berichten von Aktivisten, die mit Ferngläsern das Meer zwischen der griechischen Insel und der Türkei beobachten – eben an jenen Stellen, an denen später Boote mit Migranten ankommen. Angeblich sollen Aktivisten auch nachts mit Autoscheinwerfern den Weg für die Migrantenboote weisen. Das bleiben freilich Gerüchte und Berichte vom Hörensagen. Erhärtet scheint inzwischen aber ein Vorwurf aus dem Jahr 2018, nach dem Aktivisten die Schlepperrouten sogar auf einer Website dokumentierten.

Die Regierung will die NGOs nun besser – oder überhaupt einmal – kontrollieren. Im ganzen Land sind angeblich 400 Organisationen im Zusammenhang mit Migranten tätig, doch nur 90 von ihnen haben eine offizielle Lizenz. 35 Aktivisten stehen inzwischen im konkreten Verdacht, mit türkischen Schleppern zusammenzuarbeiten. Nun sollen die NGOs und ihre Mitarbeiter erstmals ordentlich registriert werden. Auch Regierungsvertreter sprechen von den zwielichtigen Aktivitäten der Aktivisten, die im Verbund mit korrupten Ärzten und Rechtsanwälten Geld an der Migration verdienten.

Das neue Gesetz macht natürlich nicht alle froh: Laut Berichten über Social Media und Nachrichten-Websites sollen »Anarchisten« die Lagerbewohner seitdem zu Protesten und Aufständen anstacheln. Anfang Februar marschierten an die 2.000 Migranten aus dem Lager Moria auf Lesbos in die nahegelegene Inselhauptstadt Mytilini und legten nach einigen Schlachten mit der örtlichen Polizei Feuer in der Nachbarschaft des Elektrizitätswerks der Stadt. Der Schlachtruf der Migranten lautet dabei »Freiheit« – damit meinen sie ihre Verbringung aufs Festland. Nach weiteren Sitzprotesten auf verschiedenen Verkehrsachsen bewegte sich der Zug, begleitet von der Polizei, wieder in Richtung Moria. Als man das im gleichnamigen Dorf erfuhr, läuteten die Kirchenglocken, die Dorfbewohner versammelten sich, um die Passage der Migranten durch das Dorf zu verhindern. Das gelang, die Polizei wählte nun einen anderen Weg zurück zum Lager. Am Abend und in der Nacht desselben Tages wurden weitere Feuer in und um Moria gemeldet, unter anderem in einem unbewohnten Haus. Die Einheimischen haben inzwischen begonnen, ihr Dorf zu bewachen. Und wieder ertönt der Refrain des Inselwiderstands: »Wir verlangen unser Leben, unsere Häuser und unseren Besitz zurück. Wir wollen keine Flüchtlinge mehr in unserem Dorf.« Ja, Moria ist auch ein Dorf.

Daneben berichten Einheimische von Aktivisten, die sie mit Drohungen zur Vermietung von Häusern und Olivenhainen drängen, um dort Migranten unterzubringen. Andernfalls würde man die Olivenhaine verwüsten; das sei freilich schon der Fall, ergänzt die Besitzerin. Auch in der nordgriechischen Großstadt Thessaloniki bieten NGOs doppelte Mieten, wenn die Vermieter je fünf bis sieben Migranten pro Wohnung einquartieren. Ein zentrales Problem dürfte darin bestehen, dass der griechische Staat unter der Regierung Tsipras Aufgaben an die NGOs übertragen hatte, die er nun wieder selbst wahrnehmen sollte. Premierminister Kyriakos Mitsotakis würdigte in seiner üblichen vermittelnden Art zwar die Hilfe der NGOs, stellte aber zugleich klar, dass sich einige von ihnen daneben benähmen und für ihre Fehler zur Rechenschaft gezogen würden.

3. Die Bürger: Protest und Verweigerung

Der Aufstand der Bürger setzt sich unterdessen ebenfalls fort. Auf Lesbos haben die Bürgermeister eine Ausweisung von Bauland für die geplanten neuen Abschiebezentren geschlossen verweigert, so dass die Regierung zur Konfiszierung von Grundstücken als letztem Mittel griff. Von der Beschlagnahmung der Bauflächen erfuhr der Regionalgouverneur Kostas Moutzouris angeblich eine halbe Stunde, bevor sie öffentlich wurde. Moutzouris, der Wortführer des Generalstreiks auf Lesbos und den anderen betroffenen Inseln, zeigte sich erzürnt und fragte, warum nicht auch in anderen Regionen des Landes solche Zentren entstehen.

Laut dem Minister sollen die neuen Abschiebezentren – eins auf jeder der fünf Inseln – viel weniger Asylbewerber aufnehmen, als jetzt in und um die bestehenden Einrichtungen leben. Die bisherigen Lager sind bekanntlich um ein Vielfaches überlastet. Auch auf dem Festland, wohin inzwischen 9.000 Migranten gebracht worden sind, will man Einrichtungen bauen (geplant sind Lager auf der Peloponnes, Kreta und in Zentralgriechenland). Langfristig sollen 20.000 Asylbewerber in Lager auf dem Festland gebracht werden. Das wäre nicht einmal die Hälfte der derzeit 42.000 Migranten auf den Ägäis-Inseln. Was aber passiert mit den Neuankömmlingen? Ob sie in den Zentren Platz finden, wird vorerst davon abhängen, wie weit es dem griechischen Staat gelingt, die Asylverfahren effektiv zu straffen und zu einem Abschluss zu bringen.

Jedenfalls, so der Minister weiter, sei aber auf den Inseln der Grenzregion »kein dauerhafter Aufenthalt« von Migranten vorgesehen. Die neuen Zentren sollen »multifunktional« sein und so zur Entlastung der Inseln beitragen – mit anderen Worten, sie sind für den Abschluss der Asylverfahren ebenso wie für die Abschiebung zuständig. Auch die geplanten schwimmenden Barrieren seien ein »starkes Signal« der auf Verminderung der Migrantenströme gerichteten Politik, beharrte der Minister (bei TE sah man das zum Teil anders). So weit die noch an der Praxis zu testende Theorie.

In einer Karikatur wurde die Absurdität der Inselrealität auf den Punkt gebracht: Da schlägt ein Regierungsvertreter vor, man solle doch einfach Fußballspiele zwischen Einheimischen und Migranten veranstalten, um die Spannungen abzubauen. Irgendwo hat man das schon mal gehört.

4. Der Konkurrent: Die Rückkehr des Antonis Samaras

Wie sich nun deutlicher zeigt, darf man den Gouverneur der nördlichen Ägäis durchaus als Faktor in der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia ansehen. Moutzouris trat zwar als unabhängiger Kandidat mit einem Regionalbündnis an, zeigt aber durch politische Kontakte und Rhetorik, dass er mit dem nationalkonservativen Flügel um den Ex-Premier Antonis Samaras paktiert. Samaras hatte im Dezember den Ton gesetzt, als er auf einem konservativen Parteitag von »illegalen Einwanderern« und »Eindringlingen« sprach, die es zurückzuweisen gelte. Er selbst habe von 2012 bis 2014 keine illegale Einwanderung aus der Türkei geduldet. Wen immer die griechischen Behörden damals aufgriffen, der wanderte zunächst in eines der geschlossenen Auffanglager (das bekannteste stand im attischen Amygdaleza) und sei zumeist freiwillig in sein Heimatland zurückgekehrt. In die Türkei habe man keine Migranten abschieben müssen.

Erst nach 2014, so Samaras weiter, habe die Regierung Tsipras die Grenzen geöffnet und die NGOs als »Staat im Staate« agieren lassen, was zu den »schändlichen Marterhöllen« von Moria und anderswo geführt habe. Die Tolerierung dieser Zustände sei der »einzige Makel« in Kyriakos Mitsotakis’ bisheriger Regierungsbilanz, so Samaras im Dezember.

Der Applaus, den Samaras für seine Rede auf dem Parteitag erhielt, dürfte Mitsotakis darin bestärkt haben, eine schärfere Asylpolitik zu initiieren – obwohl er selbst wohl als liberaler Zentrist gelten darf oder diesen Ruf zumindest pflegt. Es ist also ein beständiger Kompromiss, der in Athen die Zügel in der Hand hält. Die »wirklichen Flüchtlinge«, so war sich auch Samaras sicher, seien inzwischen sehr, sehr wenige. Die illegale Einwanderung und der »Menschenschmuggel« überwögen deutlich. Der Applaus der Konservativen brandete vor allem bei diesem Wort auf, das man auch als »klandestine Einwanderung« übersetzen könnte, die sich also mit heimlichem Grenzübertritt und Schleppertum verbindet.

5. Der ägäische Vizekönig

In Gestalt des Inselgouverneurs Moutzouris bleibt dem jetzigen Premier eine nationalkonservative Nemesis samaranischen Gepräges anscheinend dauerhaft erhalten. Doch was jetzt auf den Ägäis-Inseln passiert, ist zugleich mehr als eine bloße Parteikabale. Am Dienstagnachmittag beschloss der Regionalrat die Zusammenarbeit mit der Zentralregierung so lange zu unterbrechen, bis Athen die Beschlagnahmungen zurücknimmt. Zugleich will man wegen des Vorgehens vor Gericht ziehen, die Landstücke eventuell auch in zivilem Ungehorsam blockieren. Die Inselbürgermeister und der Gouverneur beharren auf ihrer Forderung, dass die bestehenden Lager geschlossen werden müssen, ohne dass neue entstehen.

In dieser Frage gibt sich der Regionalgouverneur siegesgewiss: »Die Gesellschaft wird reagieren. Als Inselverwaltung respektieren wir den politischen Willen der Bürgerschaft vor Ort, und als Ingenieur habe ich eines gelernt: Wenn die Bürgerschaft ein Bauvorhaben nicht will, kann es auch nicht umgesetzt werden.« Den Kampf gegen die neuen Zentren wolle man mit Ruhe und Besonnenheit führen, ohne die Leidenschaften weiter zu entfachen; vielmehr wolle man im Rahmen der Gesetze das tun, was notwendig sei.

Man hört den Worten an: Die Leidenschaften brennen bereits erheblich. Der Gouverneur muss da kein Brennholz mehr hinzufügen. Moutzouris beschreibt die Inseln als ein Pulverfass, das jeden Moment hochgehen kann – und zwar sowohl durch die Bürger wie durch die Migranten. In einem Radio-Interview äußerte er zudem seinen Unglauben, dass die neuen Zentren für die Aufnahme der beständig fließenden Migrantenströme ausreichen würden. Gegenüber den jetzt 27.000 auf Lesbos lebenden Migranten müsste man deren Zahl dann beständig auf 5.000 bis 7.000 senken. Doch selbst das wäre dem Gouverneur noch zu viel. »In Westeuropa«, so sagte er auf der großen Demonstration im Januar, »mag es große Zahlen an Ausländern geben, die sind aber über die Jahrhunderte aus den ehemaligen Kolonien dorthin gelangt. Hier ist es nicht dasselbe. […] Ich will nicht von den Sitten und Gebräuchen dieser Menschen sprechen, an denen sie hartnäckig festhalten werden. Sie wollen sich nicht anpassen, wollen vielmehr uns so verändern, dass wir ihre Sitten annehmen.«

6. Der Premierminister: Regiert er zu viel oder zu wenig?

Einer der witzigeren Karikaturisten des Landes zeichnet hin und wieder den aktuellen Premierminister im Gespräch mit seinem verstorbenen Vater, Konstantinos Mitsotakis. In einer Zeichnung vom Januar machte sich der Premier Sorgen, warum man ihn in Berlin nicht wolle, während man den Vorgänger Tsipras hofiert hatte. Sein Vater erwidert altersweise: »Tsipras wusste nicht, wie ihm geschieht. Du schon. Tsipras lud man ein, weil er den Schlauen gab. Dich wird man einladen, wenn du den Dummen gibst.«

In einer Karikatur von Anfang Februar führen Vater und Sohn nun den folgenden Dialog: »Vater, ich fange an Fehler zu machen.« – »Das heißt, dass du anfängst zu regieren.« – »Ja, aber ich mache viele davon.« – »Dann solltest du weniger regieren.«

Folgt Mitsotakis junior den beiden Ratschlägen? Einstweilen noch nicht im Übermaß. Er tut relativ viel, handelt auch mit einiger Intelligenz, was manchen sicher stört. Paradoxerweise zementiert der Premier aber gerade damit einen Teil des Status quo: Die Inseln der östlichen Ägäis werden Hotspots der Migration bleiben und sollen einen Hauptteil der entstehenden Lasten tragen, auch wenn Athen ihnen finanzielle Unterstützung angeboten hat. Doch diese »dreißig Silberlinge« hat Gouverneur Moutzouris schon zurückgewiesen. Er fordert vor allem den Schutz der Seegrenzen (»kein kosmetisches Frontex«) und die wirksame Abschreckung der Migrantenströme.

Im europäischen Konzert steht Mitsotakis, rhetorisch wie in der Sache, etwa in der Mitte zwischen den Merkelisten und Sebastian Kurz. Das hat auch mit der geographischen Lage des Landes zu tun. Denn der Zustrom von außen wird vermutlich fürs Erste anhalten, und Griechenland ist als EU-Land mit Außengrenze dazu verpflichtet, Asylverfahren zuzulassen und durchzuführen. Das Beharren auf alten, uns allzu bekannten Lösungsansätzen in Sachen Asyl und Migration erscheint daneben aber auch als internationale Versuchung, die weiterhin aus der Mitte des Kontinents ausstrahlt. So erklärte noch jüngst ein Kommentar in der WELT, dass die NGOs unseren Respekt verdienen, der griechische Staat dagegen nicht. Immerhin darf man hoffen, dass Mitsotakis in dieser Sache nicht so bald und nicht zu sehr den Dummen gibt. Dazu ist die Ungeduld seiner Bürger zu groß.

Also wenn schon ND, dann am besten unter Samaras. Das was Koulis veranstaltet beim Flüchtlingsproblem ist unter aller Kanone. Und wenn man schon dabei ist, kann man diese Studenten gleich mit abschieben. Pass beschlagnahmen und zur Persona Non Grata erklären. Samaras muss dann auch härtere Töne einschlagen gegen die Mongolen. Die agieren immer mehr aggressiver und unberrechenbarer. Der Text beweist es.
 
Samaras ist zwar auch ein Verbrecher, aber unter all dem Abschaum, der Griechenland die letzten 45 Jahren regiert, war er wirklich der mit Abstand Beste. Hat leider die falsche Zeit, mitten in der Krise, erwischt.
Der Unterschied wie das Land heute dastehen würde, wenn er anstelle von Tsipras und Mitsotakis die letzten Jahre regiert hätte, wären schon enorm.
 
Samaras ist zwar auch ein Verbrecher, aber unter all dem Abschaum, der Griechenland die letzten 45 Jahren regiert, war er wirklich der mit Abstand Beste. Hat leider die falsche Zeit, mitten in der Krise, erwischt.
Der Unterschied wie das Land heute dastehen würde, wenn er anstelle von Tsipras und Mitsotakis die letzten Jahre regiert hätte, wären schon enorm.


Vll schafft es ja samaras ihn zum abdanken zu bringen
 
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