Streit um Ölvorkommen vor Mittelmeerinsel. Ankara entsendet Kriegsschiffe.
Ankara. Der verworrene Zypernkonflikt ist um eine Dimension reicher: einen heftigen Streit um Erdöl- und Erdgasreserven im Meer rund um die geteilte Insel. Das türkische Außenministerium protestierte gegen einen Vertrag über Ölsuche, den der Libanon am 17. Jänner mit der Republik Zypern abgeschlossen hat. Der türkisch-zypriotische Volksgruppenführer Mehmet Ali Talat warnte sogar, Ankara werde eine Ölsuche ohne türkische Genehmigung als "Kriegsgrund" einstufen.
Laut dem Nachrichtensender "CNN Türk" hat eine norwegische Firma Ölreserven im Wert von 400 Mrd. US-Dollar im Meer um Zypern festgestellt. Schon 2003 hatte die Türkei erstmals gegen einen Öl-Vertrag Zyperns mit Ägypten protestiert. Nach Darstellung des damaligen "Außenministers" der nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, Serdar Denktasch, vertrieb die türkische Marine damals ein Forschungsschiff aus den Gewässern um Zypern. Auch jetzt wurden laut TV-Berichten Kriegsschiffe entsandt, was vom türkischen Militär aber als "Patrouillenfahrt" abgetan wurde.
Ankaras Standpunkt ist, dass sich die Anrainer des östlichen Mittelmeers über die Nutzung der Bodenschätze verständigen sollten. Dies ist derzeit unmöglich, da die Türkei die Republik Zypern nicht anerkennt, sondern nur den türkischen Nordteil der Insel, der wiederum von sonst niemandem anerkannt wird. Damit ist eine Lösung der Erdölfrage ohne Lösung des gesamten Zypernkonfliktes nicht möglich. Eine ähnliche Situation besteht seit Jahren in der Ägäis. 1987 wäre es wegen der dort lagernden Bodenschätze fast zum Krieg zwischen der Türkei und Griechenland gekommen.
Das türkische Parlament hat die Regierung ermächtigt, Griechenland den Krieg zu erklären, falls es seine Hoheitsgewässer auf die international üblichen zwölf Meilen ausdehnt. Diese Drohung wurde bis heute nicht aufgehoben.
Bei Zypern ist die Lage noch komplizierter: Im Falle einer Wiedervereinigung der Insel will die Türkei darauf bestehen, dass der türkische Teilstaat eigene Hoheitsrechte auf dem Meer bekommt. Einfacher und wahrscheinlich vorteilhafter wäre es für die türkische Seite aber, wenn die Insel-Teilung international anerkannt würde.
Damit gerät jede türkische Regierung, die eine Einigung auf Zypern vorantreibt, im eigenen Land unter Verdacht, Reichtümer zu verschenken. Durch den Streit um die angeblichen Ölreserven droht eine Einigung auf Zypern also in noch weitere Ferne zu rücken.