Mazedonien arbeitet an EU Platz
Sechs Jahre nach dem Friedensabkommen von Ohrid arbeitet sich Mazedonien an die Europäische Union heran
Heikler Versöhnungsprozess zwischen Mazedoniern und Albanern.
Aufzählung Hoffnung auf Reiseerleichterungen durch Kurs auf EU.
Skopje. Multiethnisch war Skopje lange bevor es das Wort überhaupt gab. In der mazedonischen Hauptstadt wohnten mazedonisch-orthodoxe Mazedonier neben muslimischen Albanern, Türken, Serben, Roma. Die Gebäudezeile, die die Altstadt fast umschließt und nach dem Erdbeben 1963 entstand, hat ein japanischer Architekt entworfen, die St. Kyrill und Method-Universität ein slowenischer. Die fast 500 Jahre währende Dominanz des Osmanischen Reiches ist in den Minaretten und Kuppeldächern der türkischen Badeanstalten sichtbar. Und über all dem thront seit 2000 das Millenniums-Kreuz, eine 76 Meter hohe Stahlkonstruktion auf dem Berg Vodno. In der Nacht beleuchtet scheint es über der Stadt zu schweben.
Auf das Zusammenleben verschiedener Völker weisen mazedonische Politiker gern hin. "Wir fühlen uns als Europa im Kleinen", beschreibt es Außenminister Antonio Milososki. Das Ohrid-Abkommen, das das Zusammenleben regeln soll, sei "eine gute Basis für einen multiethnischen Staat im Herzen des Balkan", sagt auch die Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokraten, Radmila Sekerinska. In Ohrid haben sich 2001 die wichtigsten mazedonischen Parteien auf einen Vertrag geeinigt, der der albanischen Minderheit – rund ein Viertel der Bevölkerung – mehr Rechte einräumt. Zuvor ist es zu Kämpfen zwischen albanischen Separatisten und staatlichen Sicherheitskräften gekommen, bei denen 200 Menschen starben.
Nebenstatt Miteinander
"Wir wollen nicht als Ausländer in unserem Land behandelt werden", erklärt der ehemalige UCK-Führer und jetzige Vorsitzende der größten Albaner-Partei DUI (Demokratische Integrationsunion), Ali Ahmeti. "Wir wollen unsere Sprache, das Recht auf unsere Kultur und Bildung." Doch auch er räumt ein, dass sich die Situation gebessert habe – und zählt auf: Ende 2001 gab es nur 117 albanische Polizisten in Mazedonien, vier Jahre später waren es rund 2000. In der öffentlichen Verwaltung ist der Anteil an albanischen Mitarbeitern von 5 auf 16,3 Prozent gestiegen.
Allerdings macht auch Ahmeti klar, dass die Volksgruppen mehr nebendenn miteinander leben: "Das Land ist ethnisch geteilt." Albaner wählen meist Albaner-Parteien, Mazedonier andere. Der Riss geht auch durch das Parlament. Im Vorjahr hat die stimmenstärkste national-konservative Partei, VMRO-DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionsorganisation – Demokratische Partei für die Einheit Mazedoniens), mit der DPA (Demokratische Partei der Albaner) eine Regierungskoalition gebildet. Die höhlt aber die Rechte der Albaner aus, befand DUI – und zog aus dem Parlament aus. DUI hätte zu hohe Forderungen gestellt und wolle sich nun nicht mit der Oppositionsrolle begnügen, ist hingegen die Begründung in Regierungskreisen.
Auch im Alltag ist Mazedonien von einer Durchmischung der Volksgruppen entfernt. In Skopje gibt es zwar ein Albaner-Viertel, aber zweisprachige Ortstafeln sind rar. In Tetovo wiederum, wo vier Fünftel der knapp 90.000 Einwohner Albaner sind, überwiegen albanische Aufschriften. In zweisprachigen Schulen lernen mazedonische Kinder auf Mazedonisch, albanische auf Albanisch – und das getrennt.
EU-Recht bis 2010
Dennoch bescheinigt auch die Europäische Union Mazedonien Fortschritte bei der Achtung von Minderheitenrechten. Und wieviel Wert sie auf eine positive Meinung in Brüssel legen, betonen alle Parteien. Immerhin gehören Nato- und EU-Beitritt seit Jahren zu den Prioritäten der jeweiligen Regierungen.
Mittlerweile ist Mazedonien EU-Beitrittskandidat; ein Datum für eine Mitgliedschaft gibt es aber noch nicht. Die Regierung hofft auf den Beginn von Verhandlungen im kommenden Jahr. Bis 2010 werde das Land jedenfalls vollständig das EU-Recht übernommen haben, kündigt die für Europäische Angelegenheiten zuständige Vizeministerpräsidentin Gabriela Konevska-Trajkovska an. Ihren Aussagen zufolge unterstützen 90 Prozent der Mazedonier den Annäherungskurs an die EU.
Viele von ihnen erhoffen sich dadurch nicht zuletzt Reiseerleichterungen. Denn derzeit ist die Erlangung eines Visums mit enormem bürokratischen Aufwand und Kosten verbunden. Visa für eine vierköpfige Familie machen 140 Euro aus – nur etwas weniger als ein Durchschnittsgehalt. Die Zeiten der relativen Reisefreiheit in Jugoslawien sind Vergangenheit. "Wir leben wie in einem Reservat", sagt ein Mazedonier. Allein das zu ändern wäre ihm einen Beitritt zur Europäischen Union wert.
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