Peyo
Kry madh
FUSSBALL | INTERNATIONAL
Schriftgröße:
22.06.2009
„Fußball-Ghetto“ Kosovo
Spieler des KF Hysi feiern den Pokalsieg mit landesüblicher Pyrotechnik
Zehn Jahre sind seit dem Krieg im Kosovo vergangen. Inzwischen ist das Land unabhängig. Auf fußballerischer Ebene fristet der kleine Balkanstaat noch ein Schattendasein. Weder FIFA noch UEFA lassen trotz massiven Bestrebens des Verbandes eine Mitgliedschaft zu. sportal.de hat sich im jüngsten Staat der Welt umgesehen.
„Newborn" - „Neugeboren"! Große gelbe Buchstaben aus Blech bilden das Wort auf einem Platz im Zentrum der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Das Monument ist Symbol für die Unabhängigkeit des Landes geworden. Seit Februar letzten Jahres ist der Kosovo eine eigenständige Republik und damit der jüngste Staat der Welt. Die Zukunftsaussichten sind allerdings alles andere als rosig. Die Armut ist groß, die Zahl der Arbeitslosen hoch.
Von den Problemen ist an diesem warmen Mittwochabend im Juni auf den Straßen der Hauptstadt jedoch wenig zu spüren. Die vielen Cafés und Restaurants sind voll mit jungen Leuten. Rund die Hälfte der etwas über zwei Millionen Einwohner des Landes sind unter 25 Jahre alt. Auf den Straßen in der Innenstadt ist viel los. Vorbei am „Newborn"strömen die Menschen Richtung Stadion, das mitten im Herzen der Stadt liegt. Es ist der Tag des Pokalendspiels zwischen dem FC Pristina und dem Klubi Futbollistik Hysi.
Pyro-Show in Pristina
Rund 10.000 Zuschauer kommen bei freiem Eintritt in das völlig marode Rund mit seinen hellblauen und weißen Plastiksitzen. Das Spiel ist auf schwachem Niveau, die Bodenverhältnisse schlecht. Trotzdem ist es spannend. Außenseiter Hysi - in der Meisterschaft nur im Mittelfeld der Tabelle stehend - gewinnt gegen den schon vor Saisonende als Meister feststehenden Favoriten nach 90 Minuten mit 2:1.
Unterhaltsamer als der Kick auf dem Rasen ist das Spektakel auf den Tribünen. Die Anhänger beider Lager liefern sich eine über die gesamte Spielzeit dauernde Pyro-Show vom Feinsten. Während die Partie läuft, werden ganze Batterien mit Leuchtraketen in die Luft geschossen. Bengalos in allen Farben brennen im Block. Das ändert sich auch nicht, als der kosovarische Präsident Fatmir Sejdiu Mitte der ersten Halbzeit auf der Haupttribüne Platz nimmt, in unmittelbarer Nähe der Fans des KF Hysi. Dort wird unter den Augen der Polizei weiter gezündelt, was die Vorräte hergeben. Oder der gegnerische Trainer mit vollen Plastiktrinkflaschen beworfen. Die Balljungen am Spielfeld machen sich währenddessen einen Spaß daraus, abgefackelte, noch glimmende Leuchtfeuer zurück auf die Tribüne zu werfen.
Keine Mitgliedschaft in den Fußballweltverbänden
Zum Anpfiff halten Fans des FC Pristina ein Plakat in die Höhe: „UEFA, where are you?"- „UEFA, wo bist du?" ist darauf zu lesen. Die Frage ist mehr eine Anklage und spricht ein brisantes Problem an. Trotz seiner Unabhängigkeit ist der Kosovo noch nicht Mitglied der UEFA oder FIFA. Beide Verbände verwehren dem Land den Beitritt. UEFA-Präsident Michel Platini verweist auf die Statuten, nach denen ein Land nur aufgenommen werden kann, wenn es zu den Vereinten Nationen gehört. Doch das tut der Kosovo nicht, denn nicht alle Länder haben die Souveranität des Staates anerkannt (bislang sind es 60, darunter auch Deutschland).
Zum Beispiel Russland, Griechenland und vor allem Serbien. Serbien beansprucht den Landstrich auch nach dem Krieg mit der NATO 1999 für sich. Unter dieser politisch heiklen Situation leidet der kosovarische Fußball. „Wir fühlen uns wie im Ghetto", sagt Eroll Salihu, Generalsekretär des Fußballverbandes und fordert den europäischen Verband auf, so schnell wie möglich eine Anerkennung möglich zu machen. „Wir nennen den Umgang mit uns Diskriminierung! Seit 1946 waren unsere Vereine und Spieler Teil des jugoslawischen Verbandes. Genau wie es Montenegro oder Mazedonien einmal waren. Die sind heute Mitglieder, nur wir nicht."
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
So bleibt den im Moment 16 Clubs (nächste Saison sind es nur noch 12) der Superliga der Zugang zu den europäischen Wettbewerben versperrt. „Das ist bitter für unsere Entwicklung", sagt Remzi Ejupii, Präsident des 1922 gegründeten FC Pristina und Geschäftsmann, der sein Geld unter anderem mit einer eigenen Fluggesellschaft verdient. „Dabei gibt es hier ein großes Potenzial. Unser Land liegt im Herzen Europas, es gibt so viele junge Menschen und viele fußballerische Talente."
Doch wer am Ball etwas kann, ist schnell weg aus dem Kosovo. Der Clubboss glaubt dennoch an eine positive Entwicklung. Demnächst bekommt das Stadion seines Vereins eine neue, moderne Haupttribüne, finanziert durch ihn und Sponsoren. Auch Pokalgegner Hysi hat Mittel im Hintergrund. Der 2002 gegründete Club aus einem Vorort der kosovarischen Haupstadt ist nach einer gleichnamigen Handelsgruppe benannt, die die Fäden zieht. Von solchen Geldgebern wird es abhängen, wie schnell die Entwicklung des Fußballs im Land voran geht.
Im Moment sind die Probleme groß, die Infrastruktur extrem schlecht. Sogar der FC Pristina, größter Verein und Rekordmeister, verfügt über keinen eigenen Trainingsplatz. Die erste Mannschaft sowie alle Jugendteams müssen im Stadion oder auf kleinen, überdachten Kunstrasenplätzen trainieren.
Doch es war alles schon viel schlimmer. Unter serbischer Vorherrschaft im Land wurden die Vereine und der Verband der Kosovo-Albaner, die über 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, aufgelöst. Ihnen blieb nur eine inoffizielle Liga, die auf kleinen Plätzen auf dem Land ausgetragen wurde. Die großen Stadien blieben für die serbischen Teams reserviert.
Keine offiziellen Länderspiele
Bis zur Anerkennung von FIFA und/oder UEFA wird auch die kosovarische Nationalmannschaft nur inoffizielle Freundschaftsspiele austragen können. Das aktuelle Team besteht aus relativ namenlosen Fußballern. Das könnte aber auch anders sein. Schließlich gibt es einige bekannte Akteure. Allen voran Lorik Cana, zurzeit bei Olympique Marseille unter Vertrag und zuletzt auch beim HSV im Gespräch. Geboren ist er in Pristina, seit 2003 spielt er für das albanische Nationalteam.
Oder Valon Behrami, der in Mitrovica, im Norden Kosovos, auf die Welt gekommen ist. 1990 flüchtete seine Familie in die Schweiz, da war er fünf Jahre alt. In seiner neuen Heimat wurde er eingebürgert und schließlich Nationalspieler. Er sagt: „Hätte es damals schon einen unabhängigen Staat Kosovo gegeben, ich hätte mich gegen die sportlichen Perspektiven entschieden und würde heute für Kosovo spielen." In Deutschland bekannt dürfte außerdem noch Besart Berisha sein. Heute bei Burnley unter Vertrag, früher beim HSV. Auch er ist Teil der albanischen Auswahl. Sie alle werden fehlen, wenn der Kosovo am 24.6. auswärts beim schwedischen Meister Kalmar FF antritt. Auch dann werden wieder zahlreiche im Ausland lebende kosovarische Fußballfans auf den Tribünen ihre Auswahl anfeuern. In der Hoffnung, ihr Land darf irgendwann an einer EM- oder WM-Qualifikation teilnehmen.
Felix Hoffmann
Sportnachrichten - Fußball International - „Fußball-Ghetto“ Kosovo - Sport Live bei sportal.de
Da sagt mir noch einer Sport hat nchts mit Politik zu tun
Ps. Das Spiel gegen Kálmar ging 2-1aus.
Schriftgröße:
22.06.2009
„Fußball-Ghetto“ Kosovo
Zehn Jahre sind seit dem Krieg im Kosovo vergangen. Inzwischen ist das Land unabhängig. Auf fußballerischer Ebene fristet der kleine Balkanstaat noch ein Schattendasein. Weder FIFA noch UEFA lassen trotz massiven Bestrebens des Verbandes eine Mitgliedschaft zu. sportal.de hat sich im jüngsten Staat der Welt umgesehen.
„Newborn" - „Neugeboren"! Große gelbe Buchstaben aus Blech bilden das Wort auf einem Platz im Zentrum der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Das Monument ist Symbol für die Unabhängigkeit des Landes geworden. Seit Februar letzten Jahres ist der Kosovo eine eigenständige Republik und damit der jüngste Staat der Welt. Die Zukunftsaussichten sind allerdings alles andere als rosig. Die Armut ist groß, die Zahl der Arbeitslosen hoch.
Von den Problemen ist an diesem warmen Mittwochabend im Juni auf den Straßen der Hauptstadt jedoch wenig zu spüren. Die vielen Cafés und Restaurants sind voll mit jungen Leuten. Rund die Hälfte der etwas über zwei Millionen Einwohner des Landes sind unter 25 Jahre alt. Auf den Straßen in der Innenstadt ist viel los. Vorbei am „Newborn"strömen die Menschen Richtung Stadion, das mitten im Herzen der Stadt liegt. Es ist der Tag des Pokalendspiels zwischen dem FC Pristina und dem Klubi Futbollistik Hysi.
Pyro-Show in Pristina
Rund 10.000 Zuschauer kommen bei freiem Eintritt in das völlig marode Rund mit seinen hellblauen und weißen Plastiksitzen. Das Spiel ist auf schwachem Niveau, die Bodenverhältnisse schlecht. Trotzdem ist es spannend. Außenseiter Hysi - in der Meisterschaft nur im Mittelfeld der Tabelle stehend - gewinnt gegen den schon vor Saisonende als Meister feststehenden Favoriten nach 90 Minuten mit 2:1.
Unterhaltsamer als der Kick auf dem Rasen ist das Spektakel auf den Tribünen. Die Anhänger beider Lager liefern sich eine über die gesamte Spielzeit dauernde Pyro-Show vom Feinsten. Während die Partie läuft, werden ganze Batterien mit Leuchtraketen in die Luft geschossen. Bengalos in allen Farben brennen im Block. Das ändert sich auch nicht, als der kosovarische Präsident Fatmir Sejdiu Mitte der ersten Halbzeit auf der Haupttribüne Platz nimmt, in unmittelbarer Nähe der Fans des KF Hysi. Dort wird unter den Augen der Polizei weiter gezündelt, was die Vorräte hergeben. Oder der gegnerische Trainer mit vollen Plastiktrinkflaschen beworfen. Die Balljungen am Spielfeld machen sich währenddessen einen Spaß daraus, abgefackelte, noch glimmende Leuchtfeuer zurück auf die Tribüne zu werfen.
Keine Mitgliedschaft in den Fußballweltverbänden
Zum Anpfiff halten Fans des FC Pristina ein Plakat in die Höhe: „UEFA, where are you?"- „UEFA, wo bist du?" ist darauf zu lesen. Die Frage ist mehr eine Anklage und spricht ein brisantes Problem an. Trotz seiner Unabhängigkeit ist der Kosovo noch nicht Mitglied der UEFA oder FIFA. Beide Verbände verwehren dem Land den Beitritt. UEFA-Präsident Michel Platini verweist auf die Statuten, nach denen ein Land nur aufgenommen werden kann, wenn es zu den Vereinten Nationen gehört. Doch das tut der Kosovo nicht, denn nicht alle Länder haben die Souveranität des Staates anerkannt (bislang sind es 60, darunter auch Deutschland).
Zum Beispiel Russland, Griechenland und vor allem Serbien. Serbien beansprucht den Landstrich auch nach dem Krieg mit der NATO 1999 für sich. Unter dieser politisch heiklen Situation leidet der kosovarische Fußball. „Wir fühlen uns wie im Ghetto", sagt Eroll Salihu, Generalsekretär des Fußballverbandes und fordert den europäischen Verband auf, so schnell wie möglich eine Anerkennung möglich zu machen. „Wir nennen den Umgang mit uns Diskriminierung! Seit 1946 waren unsere Vereine und Spieler Teil des jugoslawischen Verbandes. Genau wie es Montenegro oder Mazedonien einmal waren. Die sind heute Mitglieder, nur wir nicht."
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
So bleibt den im Moment 16 Clubs (nächste Saison sind es nur noch 12) der Superliga der Zugang zu den europäischen Wettbewerben versperrt. „Das ist bitter für unsere Entwicklung", sagt Remzi Ejupii, Präsident des 1922 gegründeten FC Pristina und Geschäftsmann, der sein Geld unter anderem mit einer eigenen Fluggesellschaft verdient. „Dabei gibt es hier ein großes Potenzial. Unser Land liegt im Herzen Europas, es gibt so viele junge Menschen und viele fußballerische Talente."
Doch wer am Ball etwas kann, ist schnell weg aus dem Kosovo. Der Clubboss glaubt dennoch an eine positive Entwicklung. Demnächst bekommt das Stadion seines Vereins eine neue, moderne Haupttribüne, finanziert durch ihn und Sponsoren. Auch Pokalgegner Hysi hat Mittel im Hintergrund. Der 2002 gegründete Club aus einem Vorort der kosovarischen Haupstadt ist nach einer gleichnamigen Handelsgruppe benannt, die die Fäden zieht. Von solchen Geldgebern wird es abhängen, wie schnell die Entwicklung des Fußballs im Land voran geht.
Im Moment sind die Probleme groß, die Infrastruktur extrem schlecht. Sogar der FC Pristina, größter Verein und Rekordmeister, verfügt über keinen eigenen Trainingsplatz. Die erste Mannschaft sowie alle Jugendteams müssen im Stadion oder auf kleinen, überdachten Kunstrasenplätzen trainieren.
Doch es war alles schon viel schlimmer. Unter serbischer Vorherrschaft im Land wurden die Vereine und der Verband der Kosovo-Albaner, die über 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, aufgelöst. Ihnen blieb nur eine inoffizielle Liga, die auf kleinen Plätzen auf dem Land ausgetragen wurde. Die großen Stadien blieben für die serbischen Teams reserviert.
Keine offiziellen Länderspiele
Bis zur Anerkennung von FIFA und/oder UEFA wird auch die kosovarische Nationalmannschaft nur inoffizielle Freundschaftsspiele austragen können. Das aktuelle Team besteht aus relativ namenlosen Fußballern. Das könnte aber auch anders sein. Schließlich gibt es einige bekannte Akteure. Allen voran Lorik Cana, zurzeit bei Olympique Marseille unter Vertrag und zuletzt auch beim HSV im Gespräch. Geboren ist er in Pristina, seit 2003 spielt er für das albanische Nationalteam.
Oder Valon Behrami, der in Mitrovica, im Norden Kosovos, auf die Welt gekommen ist. 1990 flüchtete seine Familie in die Schweiz, da war er fünf Jahre alt. In seiner neuen Heimat wurde er eingebürgert und schließlich Nationalspieler. Er sagt: „Hätte es damals schon einen unabhängigen Staat Kosovo gegeben, ich hätte mich gegen die sportlichen Perspektiven entschieden und würde heute für Kosovo spielen." In Deutschland bekannt dürfte außerdem noch Besart Berisha sein. Heute bei Burnley unter Vertrag, früher beim HSV. Auch er ist Teil der albanischen Auswahl. Sie alle werden fehlen, wenn der Kosovo am 24.6. auswärts beim schwedischen Meister Kalmar FF antritt. Auch dann werden wieder zahlreiche im Ausland lebende kosovarische Fußballfans auf den Tribünen ihre Auswahl anfeuern. In der Hoffnung, ihr Land darf irgendwann an einer EM- oder WM-Qualifikation teilnehmen.
Felix Hoffmann
Sportnachrichten - Fußball International - „Fußball-Ghetto“ Kosovo - Sport Live bei sportal.de
Da sagt mir noch einer Sport hat nchts mit Politik zu tun
Ps. Das Spiel gegen Kálmar ging 2-1aus.