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Der Sarkophag von Tschernobyl ist marode. Längst sollte eine neue, gigantische Schutzhülle gebaut werden - doch es fehlt an Geld und Willen. Immerhin hilft der Westen jetzt. Von Niels Kruse, Tschernobyl
Er hätte schon 1998 fertig sein sollen, doch nichts geschah. Dann stand als nächster Termin 2005 fest. Auch diese Frist verstrich. Also wurde 2010 anvisiert, wieder vergeblich. Zuletzt war die Rede vom Jahr 2015 und mittlerweile haben es alle Seiten aufgegeben, sich auf ein Datum festlegen, ab dem eine neue Schutzhülle die Reaktorruine von Tschernobyl sichern soll. "Wenn die Arbeiten in diesem Tempo weitergehen, brauchen wir noch das ganze Jahrtausend für den neuen Sarkophag", sagt Michail Umanetz, ehemaliger Leiter des Atomkraftwerks Tschernobyl. "Dabei brauchen wir ihn nicht seit gestern, sondern seit vorgestern."
Als die Atomkraft ihre Unschuld verlor
Zeit wäre es wohl, das zeigt schon ein flüchtiger Blick auf den Sarkophag, der nun bereits seit dem Unglück vor 25 Jahren steht: Am zerborstenen Unglückreaktor 4 türmen sich die Betonblöcke stufenweise hoch und schirmen die Strahlung mehr schlecht als recht von der Außenwelt ab. Aus den Ritzen der meterdicken Klötze fressen sich Rostflecken, Regen und Wind haben der Schutzhülle ein apokalyptisches Grau verpasst. Seit 2008 stützt zudem ein schweres Stahlgerüst den Sarkophag, weil der zur Seite wegzukippen drohte.
15 Jahre lang soll diese Behelfskonstruktion halten, sagen die Optimisten. Pessimisten dagegen befürchten, dass das in nur in einem halben Jahr unter enormen Widrigkeiten von 300.000 Mann hochgezogene Provisorium auch trotz der neuen Stütze jederzeit in sich zusammenbrechen könnte. Diese Warnung wiederholen sie freilich schon seit vielen Jahren, wenn die Rede auf die Atomkatastrophe vom 26. April 1986 kommt.
"Eine neue Kettenreaktion ist nicht auszuschließen"
Was den Reaktor zur tickenden Zeitbombe macht, sind nach wie vor die enormen Mengen an Radioaktivität, die in der Ruine vor sich hinstrahlen. Schätzungen zufolge sind bei dem Super-GAU gerade einmal fünf Prozent des "Interieurs", also der Brennstoffe, ausgetreten. Das heißt: 95 Prozent des strahlenden Materials befinden sich noch in den Trümmern. "Nach unseren Berechnungen befinden sich 2000 Kilo Uran 235 und 480 Kilo Plutonium 238 in Block 4", sagt Ex-Direktor Michail Umanetz - die ebenfalls hochradioaktiven Abfälle noch nicht mal mit eingerechnet. Das Problem dabei: "Die geschmolzenen Brennstäbe zerfallen langsam zu Staub, der durch den brüchigen Sarkophag entweichen kann."
Ein ebenfalls beunruhigendes Szenario skizziert Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace: "Wenn sich diese Reste mit Regenwasser mischen, ist es durchaus möglich, dass wieder eine nukleare Kettenreaktion beginnt." In anderen Worten: Die Kernspaltung setzt sich selbst wieder in Gang. Zwar sei die nicht vergleichbar mit der in einem laufenden AKW, aber dafür unkontrollierbar. Ob und wann das passiert, weiß niemand, aber Umanetz ist sicher, dass zumindest schon seit Jahren Wasser durch die Ritzen der Hülle eindringt, denn die Strahlung zermürbt langsam aber sicher den Beton und das Metal, das die Ruine umgibt.
Die neue Schutzhülle soll bis zu 200 Jahre halten
Noch im Unglücksjahr hatte das damalige sowjetische Bauministerium prognostiziert, dass der Sarkophag 30 Jahre halten würde. Also bis 2016. Bislang aber deutet nichts darauf hin, dass in den nächsten fünf Jahren irgendetwas Entscheidendes passieren wird. Dabei steht zumindest schon grundsätzlich der Plan, wie der Reaktor und die marode Hülle künftig gesichert werden könnte: Nichts weniger als das größte mobile Gebäude der Welt soll in der Nähe des AKW gebaut und auf Schienen über den Block 4 gestülpt werden. Experten gehen davon aus, dass die Halle von der doppelten Größe des Hamburger Hauptbahnhofs zwischen 100 und 200 Jahre halten soll. Doch leider mangelt es an Geld - seit Jahren schon.
So wird die neue Schutzhülle gebaut
1,6 Milliarden Euro sind für den Bau veranschlagt. Viele Millionen sind bereits geflossen, immer noch nicht genug für den darbenden ukrainischen Staat. Auch vom Westen, der sich zu Spenden bereit erklärt hat, war bislang nicht viel zu sehen. Immerhin hat sich bei einer Geberkonferenz in Kiew am Dienstag die internationale Gemeinschaft auf eine halbe Milliarde Euro für eine neue Umhüllung angekündigt - allerdings waren mehr als 700 Millionen angepeilt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte zuvor weitere 110 Millionen Euro aus der Brüsseler Kasse zugesagt, zusätzlich zu bereits genehmigten 250 Millionen Euro. Die deutsche Bundesregierung will 42,4 Millionen Euro für Projekte zahlen, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung plant 120 Millionen Euro ein und auch Russland nimmt für den Nachbarstaat 45 Millionen Euro in die Hand.
So wird die neue Schutzhülle gebaut Der "Guardian" erklärt in einer Animation, wie der neue Sarkophag errichtet werden soll. (englischsprachig):
Novarka: Encasing the unsafe Chernobyl reactor in a huge new arch - video | Environment | guardian.co.uk
Nur ein paar Schienen sind bislang gebaut worden
"Der Reaktor und der Sarkophag sind aus unserer Sicht äußerst gefährliche Objekte", sagt Umanetz, der von 1987 bis 2002 den Kraftwerkskomplex leitete. Die Versuche, einen neuen Sarkophag zu errichten, sind aber nicht nur an der mangelnden Finanzierung gescheitert. Die Bauingenieure kämpfen auch mit anderen Widrigkeiten: Noch nie wurde eine derartig gigantische mobile Halle errichtet. Dann ist da die stark verseuchte Erde rund um den Unglückreaktor. Sie machen die Arbeiten am Fundament extrem gefährlich, weil jeder Aushub belasteten Staub aufwirbelt, der Arbeiter und Umwelt gefährdet. Zwar wurde vor zwei Jahren alles abgerissen, was dem riesigen Gebäude bei seinem Transport im Weg stehen könnte, doch mehr als ein paar Schienen sind seitdem nicht verlegt worden.
Was glaubt ihr, wird bald wieder solch eine Katastrophe stattfinden ?
Er hätte schon 1998 fertig sein sollen, doch nichts geschah. Dann stand als nächster Termin 2005 fest. Auch diese Frist verstrich. Also wurde 2010 anvisiert, wieder vergeblich. Zuletzt war die Rede vom Jahr 2015 und mittlerweile haben es alle Seiten aufgegeben, sich auf ein Datum festlegen, ab dem eine neue Schutzhülle die Reaktorruine von Tschernobyl sichern soll. "Wenn die Arbeiten in diesem Tempo weitergehen, brauchen wir noch das ganze Jahrtausend für den neuen Sarkophag", sagt Michail Umanetz, ehemaliger Leiter des Atomkraftwerks Tschernobyl. "Dabei brauchen wir ihn nicht seit gestern, sondern seit vorgestern."
Als die Atomkraft ihre Unschuld verlor
Zeit wäre es wohl, das zeigt schon ein flüchtiger Blick auf den Sarkophag, der nun bereits seit dem Unglück vor 25 Jahren steht: Am zerborstenen Unglückreaktor 4 türmen sich die Betonblöcke stufenweise hoch und schirmen die Strahlung mehr schlecht als recht von der Außenwelt ab. Aus den Ritzen der meterdicken Klötze fressen sich Rostflecken, Regen und Wind haben der Schutzhülle ein apokalyptisches Grau verpasst. Seit 2008 stützt zudem ein schweres Stahlgerüst den Sarkophag, weil der zur Seite wegzukippen drohte.
15 Jahre lang soll diese Behelfskonstruktion halten, sagen die Optimisten. Pessimisten dagegen befürchten, dass das in nur in einem halben Jahr unter enormen Widrigkeiten von 300.000 Mann hochgezogene Provisorium auch trotz der neuen Stütze jederzeit in sich zusammenbrechen könnte. Diese Warnung wiederholen sie freilich schon seit vielen Jahren, wenn die Rede auf die Atomkatastrophe vom 26. April 1986 kommt.
"Eine neue Kettenreaktion ist nicht auszuschließen"
Was den Reaktor zur tickenden Zeitbombe macht, sind nach wie vor die enormen Mengen an Radioaktivität, die in der Ruine vor sich hinstrahlen. Schätzungen zufolge sind bei dem Super-GAU gerade einmal fünf Prozent des "Interieurs", also der Brennstoffe, ausgetreten. Das heißt: 95 Prozent des strahlenden Materials befinden sich noch in den Trümmern. "Nach unseren Berechnungen befinden sich 2000 Kilo Uran 235 und 480 Kilo Plutonium 238 in Block 4", sagt Ex-Direktor Michail Umanetz - die ebenfalls hochradioaktiven Abfälle noch nicht mal mit eingerechnet. Das Problem dabei: "Die geschmolzenen Brennstäbe zerfallen langsam zu Staub, der durch den brüchigen Sarkophag entweichen kann."
Ein ebenfalls beunruhigendes Szenario skizziert Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace: "Wenn sich diese Reste mit Regenwasser mischen, ist es durchaus möglich, dass wieder eine nukleare Kettenreaktion beginnt." In anderen Worten: Die Kernspaltung setzt sich selbst wieder in Gang. Zwar sei die nicht vergleichbar mit der in einem laufenden AKW, aber dafür unkontrollierbar. Ob und wann das passiert, weiß niemand, aber Umanetz ist sicher, dass zumindest schon seit Jahren Wasser durch die Ritzen der Hülle eindringt, denn die Strahlung zermürbt langsam aber sicher den Beton und das Metal, das die Ruine umgibt.
Die neue Schutzhülle soll bis zu 200 Jahre halten
Noch im Unglücksjahr hatte das damalige sowjetische Bauministerium prognostiziert, dass der Sarkophag 30 Jahre halten würde. Also bis 2016. Bislang aber deutet nichts darauf hin, dass in den nächsten fünf Jahren irgendetwas Entscheidendes passieren wird. Dabei steht zumindest schon grundsätzlich der Plan, wie der Reaktor und die marode Hülle künftig gesichert werden könnte: Nichts weniger als das größte mobile Gebäude der Welt soll in der Nähe des AKW gebaut und auf Schienen über den Block 4 gestülpt werden. Experten gehen davon aus, dass die Halle von der doppelten Größe des Hamburger Hauptbahnhofs zwischen 100 und 200 Jahre halten soll. Doch leider mangelt es an Geld - seit Jahren schon.
So wird die neue Schutzhülle gebaut
1,6 Milliarden Euro sind für den Bau veranschlagt. Viele Millionen sind bereits geflossen, immer noch nicht genug für den darbenden ukrainischen Staat. Auch vom Westen, der sich zu Spenden bereit erklärt hat, war bislang nicht viel zu sehen. Immerhin hat sich bei einer Geberkonferenz in Kiew am Dienstag die internationale Gemeinschaft auf eine halbe Milliarde Euro für eine neue Umhüllung angekündigt - allerdings waren mehr als 700 Millionen angepeilt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte zuvor weitere 110 Millionen Euro aus der Brüsseler Kasse zugesagt, zusätzlich zu bereits genehmigten 250 Millionen Euro. Die deutsche Bundesregierung will 42,4 Millionen Euro für Projekte zahlen, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung plant 120 Millionen Euro ein und auch Russland nimmt für den Nachbarstaat 45 Millionen Euro in die Hand.
So wird die neue Schutzhülle gebaut Der "Guardian" erklärt in einer Animation, wie der neue Sarkophag errichtet werden soll. (englischsprachig):
Novarka: Encasing the unsafe Chernobyl reactor in a huge new arch - video | Environment | guardian.co.uk
Nur ein paar Schienen sind bislang gebaut worden
"Der Reaktor und der Sarkophag sind aus unserer Sicht äußerst gefährliche Objekte", sagt Umanetz, der von 1987 bis 2002 den Kraftwerkskomplex leitete. Die Versuche, einen neuen Sarkophag zu errichten, sind aber nicht nur an der mangelnden Finanzierung gescheitert. Die Bauingenieure kämpfen auch mit anderen Widrigkeiten: Noch nie wurde eine derartig gigantische mobile Halle errichtet. Dann ist da die stark verseuchte Erde rund um den Unglückreaktor. Sie machen die Arbeiten am Fundament extrem gefährlich, weil jeder Aushub belasteten Staub aufwirbelt, der Arbeiter und Umwelt gefährdet. Zwar wurde vor zwei Jahren alles abgerissen, was dem riesigen Gebäude bei seinem Transport im Weg stehen könnte, doch mehr als ein paar Schienen sind seitdem nicht verlegt worden.
Was glaubt ihr, wird bald wieder solch eine Katastrophe stattfinden ?