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Von Carola Frentzen
Ende einer 40-jährigen Flucht: Seit Jahren hatten die Top-Ermittler einer sizilianischen Spezialeinheit nur ein Ziel - den mysteriösen und meistgesuchten italienischen Mafiaboss Bernardo Provenzano zu schnappen. Tag um Tag gingen sie Hinweisen nach, hörten Telefonmitschnitte ab - und dachten mehr als einmal, den seit über 40 Jahren flüchtigen Paten aufgespürt zu haben. Aber obwohl er sich nur wenige Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt aufhielt, konnte Provenzano der Polizei jahrelang immer wieder entwischen. Jetzt wurde ihm kurioserweise seine Unterwäsche zum Verhängnis.
Am Dienstag überführten Beamte Provenzano in seinem Versteck auf einem Gehöft in der Nähe der Mafia-Hochburg Corleone. «Ein historischer Erfolg im Kampf gegen die Mafia!», lobten Politiker im ganzen Land. Ein abgehörtes Telefonat hatte die Ermittler auf die richtige Spur gebracht, berichteten italienische Medien. Darin habe ein Vertrauensmann sich mit seinem Gesprächspartner darüber abgestimmt, wann er dem Boss seine saubere Wäsche bringen soll.
"Er schießt wie ein Gott" mit dem "Gehirn eines Huhns"
In Italien gilt die Festnahme Provenzanos als der größte Coup gegen das organisierte Verbrechen seit über zehn Jahren. Am Mittag eilten zahlreiche Schaulustige vor das Polizeikommissariat in Palermo, Kamerateams stellten sich parat. Der «Boss der Bosse» habe bei seiner Verhaftung keinerlei Widerstand geleistet, hieß es. Ein DNA-Test habe seine Identität bestätigt. Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi gratulierte den Mafiajägern zu dem Erfolg. «Die Festnahme Provenzanos ist ein außergewöhnliches Ergebnis, das vor allem durch Stillschweigen, Geduld, Entschlossenheit und Professionalität erzielt wurde», sagten Staatsanwälte in Palermo.
Bernardo Provenzano war Anfang 1993 nach dem Tod von Luciano Liggio und der Verhaftung von Toto Riina an die Spitze der sizilianischen Cosa Nostra aufgestiegen. «Er schießt wie ein Gott, schade nur, dass er das Gehirn eines Huhns hat», soll Liggio einmal über Provenzano gesagt haben. «Dies ist die Geschichte von drei Bossen, die als halbe Analphabeten Mitte der 50er Jahre in Corleone aufgewachsen sind und sich entschieden haben, sich das, was sie wollen, mit Waffengewalt zu nehmen», schrieben Kommentatoren.
Spitzname "Traktor"
Insider bezeichneten Provenzano stets als äußerst misstrauisch und menschenscheu. Wegen seiner Entschlossenheit wird er auch «Der Traktor» genannt. Bei den Mega-Prozessen gegen die Mafia bezeichneten sizilianische Richter ihn als «einen der grausamsten und blutrünstigsten Bosse der Cosa Nostra».
Mafiaaussteiger, die später als «pentiti» vor Gericht aussagten, erzählten von «mindestens 40 Morden», in die Provenzano direkt oder indirekt verwickelt gewesen sein soll. Mehrmals wurde er während in Abwesenheit zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Auch soll er der Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäsche sein.
Letztes Foto stammte aus dem Jahr 1959
In seinem Versteck fanden die Ermittler unter anderem eine alte Schreibmaschine. Mit ihr könnte der legendäre Pate zahlreiche Briefe mit verschlüsselten Botschaften verfasst haben: Ermittler hatten vor wenigen Jahren die Codes aus langen Reihen von Nummern und Abkürzungen zu knacken versucht. Nach einem ausgeklügelten System seien bei der Übermittlung drei Mafia-Briefträger eingesetzt worden, hieß es damals.
Gespannt ist man in Italien auch darauf, wie der gefürchtete Kriminelle heute wohl aussehen mag. Schließlich stammt das letzte Foto Provenzanos aus dem Jahr 1959. (N24.de, dpa)
Provenzano im Porträt: Das "Gespenst der Mafia"
Von Jutta Lauterbach
Profanes Ende einer spektakulären Verbrecherkarriere: Bei seiner Verhaftung in einem Bauernhaus in der sizilianischen Provinz sagte Italiens meistgesuchter Mafiaboss Bernardo Provenzano kein einziges Wort. Pullover, Jeans und Stiefel habe er getragen, als ihn die Spezialeinheiten dingfest machten, berichtet die Zeitung "La Sicilia" in ihrer Online-Ausgabe vom Dienstag.
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"Hirn eines Huhns"
Welch ein Kontrast zu den Legenden, die sich um das "Gespenst der Mafia" rankten. 43 Jahre lang lebte Provenzano im Untergrund, immer wieder entwischte er den Fahndern, wechselte seine Verstecke wie Unterhosen. Mehrfach wurde er totgesagt - zuletzt vor nicht einmal zwei Wochen. Dabei tauchte er mal als Bischof verkleidet, mal als armer Bäcker auf. Da wirkt die Charakterisierung eines einstigen Mitstreiters eher wie ein verbaler Racheakt: "Er (Provenzano) schießt wie ein Gott, schade, dass er das Hirn eines Huhns hat."
Bis zuletzt soll der 73-jährige Provenzano die Zügel der sizilianischen Cosa Nostra fest in Händen gehalten haben und Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäsche gewesen sein. Als äußerst grausam und blutrünstig wurde er beschrieben, als archaische Persönlichkeit und "Pate" alter Prägung. Kontakte zu Politikern und öffentliche Bauaufträge, eine wesentliche Einnahmequelle der "Ehrenwerten Gesellschaft", hatte er zur Chefsache erklärt. Nach mehreren Morden an Rivalen war er 1963 untergetaucht. Im Sommer 1992 soll er in das blutige Attentat auf den Mafia-Jäger Paolo Borsellino verwickelt gewesen sein.
Drohungen aus dem Versteck
Anfang 1993, als der damalige "Boss der Bosse" und vielfache Mörder Toto Riina den Fahndern ins Netz gegangen war, übernahm "U Tratturi" ("Der Traktor") alias Bernardo Provenzano das Kommando der Cosa Nostra. Immer wieder wechselte er die Verstecke, an seine Getreuen schickte er Zettel mit Befehlen, die mit der Drohung enden: "Sorgt dafür, dass ich mich nicht blamiere."
Solche Zettel hatte er laut "La Sicilia" auch bei seiner Verhaftung in der Jeanstasche. Inzwischen befinde sich das "Gespenst der Mafia" an einem geheimen Ort. Zeitlebens hatte "Don Binnu" niemandem vertraut und den direkten Kontakt gescheut, wie Fahnder berichteten: "Er hatte einen angeborenen animalischen Instinkt für die Gefahr."
Lange wusste die Polizei nicht einmal annähernd, wie Provenzano überhaupt aussieht. Das über Jahrzehnte einzige Foto von ihm stammte aus dem Jahr 1959 und zeigt das Gesicht eines jungen Mannes, der aussieht, als könne er kein Wässerchen trüben. Zwar gab es dann ein neues Phantombild von ihm. Nur: Daran wirkten inhaftierte Mafiosi, also einstige Helfeshelfer, mit.
Spur nach Deutschland
Eine Fährte führte nach Deutschland: Dort sollen Provenzanos Ehefrau und seine beiden Söhne Angelo und Paolo zeitweise gelebt haben. Dann, in den 90er Jahren, kehrten sie wieder in die Heimat zurück: in die damalige sizilianische Mafia-Hochburg Corleone, nicht weit von Palermo.
Einmal tauchte der "Pate" Provenzano zu einem Cosa-Nostra-Treffen als Bischof verkleidet auf. Im langen schwarzen Talar sei er, nachdem sein Fahrer die Tür geöffnet habe, dem Auto entstiegen, schilderte eine Augenzeugin vor Gericht. Die Tarnung sei allerdings bei anderen Teilnehmern auf Missfallen gestoßen - wohl weil es ihnen wie Gotteslästerung erschien.
Auch zu einer Prostata-Operation in der südfranzösischen Stadt Marseille reiste Provenzano im Oktober 2003 in einem Wagen mit Chauffeur an, wie italienische Zeitungen berichteten. Am Ziel angekommen, gab er sich als armer Bäcker aus Sizilien aus. Dabei nahm der "Boss der Bosse" weiterhin Millionen ein, wie die römische Zeitung "La Repubblica" unter Berufung auf ein jüngst entdecktes "Rechnungsbuch" der Mafia berichtete. (dpa)
Ende einer 40-jährigen Flucht: Seit Jahren hatten die Top-Ermittler einer sizilianischen Spezialeinheit nur ein Ziel - den mysteriösen und meistgesuchten italienischen Mafiaboss Bernardo Provenzano zu schnappen. Tag um Tag gingen sie Hinweisen nach, hörten Telefonmitschnitte ab - und dachten mehr als einmal, den seit über 40 Jahren flüchtigen Paten aufgespürt zu haben. Aber obwohl er sich nur wenige Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt aufhielt, konnte Provenzano der Polizei jahrelang immer wieder entwischen. Jetzt wurde ihm kurioserweise seine Unterwäsche zum Verhängnis.
Am Dienstag überführten Beamte Provenzano in seinem Versteck auf einem Gehöft in der Nähe der Mafia-Hochburg Corleone. «Ein historischer Erfolg im Kampf gegen die Mafia!», lobten Politiker im ganzen Land. Ein abgehörtes Telefonat hatte die Ermittler auf die richtige Spur gebracht, berichteten italienische Medien. Darin habe ein Vertrauensmann sich mit seinem Gesprächspartner darüber abgestimmt, wann er dem Boss seine saubere Wäsche bringen soll.
"Er schießt wie ein Gott" mit dem "Gehirn eines Huhns"
In Italien gilt die Festnahme Provenzanos als der größte Coup gegen das organisierte Verbrechen seit über zehn Jahren. Am Mittag eilten zahlreiche Schaulustige vor das Polizeikommissariat in Palermo, Kamerateams stellten sich parat. Der «Boss der Bosse» habe bei seiner Verhaftung keinerlei Widerstand geleistet, hieß es. Ein DNA-Test habe seine Identität bestätigt. Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi gratulierte den Mafiajägern zu dem Erfolg. «Die Festnahme Provenzanos ist ein außergewöhnliches Ergebnis, das vor allem durch Stillschweigen, Geduld, Entschlossenheit und Professionalität erzielt wurde», sagten Staatsanwälte in Palermo.
Bernardo Provenzano war Anfang 1993 nach dem Tod von Luciano Liggio und der Verhaftung von Toto Riina an die Spitze der sizilianischen Cosa Nostra aufgestiegen. «Er schießt wie ein Gott, schade nur, dass er das Gehirn eines Huhns hat», soll Liggio einmal über Provenzano gesagt haben. «Dies ist die Geschichte von drei Bossen, die als halbe Analphabeten Mitte der 50er Jahre in Corleone aufgewachsen sind und sich entschieden haben, sich das, was sie wollen, mit Waffengewalt zu nehmen», schrieben Kommentatoren.
Spitzname "Traktor"
Insider bezeichneten Provenzano stets als äußerst misstrauisch und menschenscheu. Wegen seiner Entschlossenheit wird er auch «Der Traktor» genannt. Bei den Mega-Prozessen gegen die Mafia bezeichneten sizilianische Richter ihn als «einen der grausamsten und blutrünstigsten Bosse der Cosa Nostra».
Mafiaaussteiger, die später als «pentiti» vor Gericht aussagten, erzählten von «mindestens 40 Morden», in die Provenzano direkt oder indirekt verwickelt gewesen sein soll. Mehrmals wurde er während in Abwesenheit zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Auch soll er der Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäsche sein.
Letztes Foto stammte aus dem Jahr 1959
In seinem Versteck fanden die Ermittler unter anderem eine alte Schreibmaschine. Mit ihr könnte der legendäre Pate zahlreiche Briefe mit verschlüsselten Botschaften verfasst haben: Ermittler hatten vor wenigen Jahren die Codes aus langen Reihen von Nummern und Abkürzungen zu knacken versucht. Nach einem ausgeklügelten System seien bei der Übermittlung drei Mafia-Briefträger eingesetzt worden, hieß es damals.
Gespannt ist man in Italien auch darauf, wie der gefürchtete Kriminelle heute wohl aussehen mag. Schließlich stammt das letzte Foto Provenzanos aus dem Jahr 1959. (N24.de, dpa)
Provenzano im Porträt: Das "Gespenst der Mafia"
Von Jutta Lauterbach
Profanes Ende einer spektakulären Verbrecherkarriere: Bei seiner Verhaftung in einem Bauernhaus in der sizilianischen Provinz sagte Italiens meistgesuchter Mafiaboss Bernardo Provenzano kein einziges Wort. Pullover, Jeans und Stiefel habe er getragen, als ihn die Spezialeinheiten dingfest machten, berichtet die Zeitung "La Sicilia" in ihrer Online-Ausgabe vom Dienstag.
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"Hirn eines Huhns"
Welch ein Kontrast zu den Legenden, die sich um das "Gespenst der Mafia" rankten. 43 Jahre lang lebte Provenzano im Untergrund, immer wieder entwischte er den Fahndern, wechselte seine Verstecke wie Unterhosen. Mehrfach wurde er totgesagt - zuletzt vor nicht einmal zwei Wochen. Dabei tauchte er mal als Bischof verkleidet, mal als armer Bäcker auf. Da wirkt die Charakterisierung eines einstigen Mitstreiters eher wie ein verbaler Racheakt: "Er (Provenzano) schießt wie ein Gott, schade, dass er das Hirn eines Huhns hat."
Bis zuletzt soll der 73-jährige Provenzano die Zügel der sizilianischen Cosa Nostra fest in Händen gehalten haben und Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäsche gewesen sein. Als äußerst grausam und blutrünstig wurde er beschrieben, als archaische Persönlichkeit und "Pate" alter Prägung. Kontakte zu Politikern und öffentliche Bauaufträge, eine wesentliche Einnahmequelle der "Ehrenwerten Gesellschaft", hatte er zur Chefsache erklärt. Nach mehreren Morden an Rivalen war er 1963 untergetaucht. Im Sommer 1992 soll er in das blutige Attentat auf den Mafia-Jäger Paolo Borsellino verwickelt gewesen sein.
Drohungen aus dem Versteck
Anfang 1993, als der damalige "Boss der Bosse" und vielfache Mörder Toto Riina den Fahndern ins Netz gegangen war, übernahm "U Tratturi" ("Der Traktor") alias Bernardo Provenzano das Kommando der Cosa Nostra. Immer wieder wechselte er die Verstecke, an seine Getreuen schickte er Zettel mit Befehlen, die mit der Drohung enden: "Sorgt dafür, dass ich mich nicht blamiere."
Solche Zettel hatte er laut "La Sicilia" auch bei seiner Verhaftung in der Jeanstasche. Inzwischen befinde sich das "Gespenst der Mafia" an einem geheimen Ort. Zeitlebens hatte "Don Binnu" niemandem vertraut und den direkten Kontakt gescheut, wie Fahnder berichteten: "Er hatte einen angeborenen animalischen Instinkt für die Gefahr."
Lange wusste die Polizei nicht einmal annähernd, wie Provenzano überhaupt aussieht. Das über Jahrzehnte einzige Foto von ihm stammte aus dem Jahr 1959 und zeigt das Gesicht eines jungen Mannes, der aussieht, als könne er kein Wässerchen trüben. Zwar gab es dann ein neues Phantombild von ihm. Nur: Daran wirkten inhaftierte Mafiosi, also einstige Helfeshelfer, mit.
Spur nach Deutschland
Eine Fährte führte nach Deutschland: Dort sollen Provenzanos Ehefrau und seine beiden Söhne Angelo und Paolo zeitweise gelebt haben. Dann, in den 90er Jahren, kehrten sie wieder in die Heimat zurück: in die damalige sizilianische Mafia-Hochburg Corleone, nicht weit von Palermo.
Einmal tauchte der "Pate" Provenzano zu einem Cosa-Nostra-Treffen als Bischof verkleidet auf. Im langen schwarzen Talar sei er, nachdem sein Fahrer die Tür geöffnet habe, dem Auto entstiegen, schilderte eine Augenzeugin vor Gericht. Die Tarnung sei allerdings bei anderen Teilnehmern auf Missfallen gestoßen - wohl weil es ihnen wie Gotteslästerung erschien.
Auch zu einer Prostata-Operation in der südfranzösischen Stadt Marseille reiste Provenzano im Oktober 2003 in einem Wagen mit Chauffeur an, wie italienische Zeitungen berichteten. Am Ziel angekommen, gab er sich als armer Bäcker aus Sizilien aus. Dabei nahm der "Boss der Bosse" weiterhin Millionen ein, wie die römische Zeitung "La Repubblica" unter Berufung auf ein jüngst entdecktes "Rechnungsbuch" der Mafia berichtete. (dpa)