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Sex bis zum Ende
von Grigorios Petsos
Neuesten genetischen Untersuchungen zufolge ist die Entwicklung des Menschen womöglich noch verwirrender als man bisher annahm. Nachdem Schimpansen und Menschen sich in zwei Spezies aufgespaltet hatten, konnten sie nämlich noch lange nicht voneinander lassen. Noch bis zu vier Millionen Jahre nach ihrer Trennung sollen sie sich weiter fröhlich gepaart haben.
Bisher ging man davon aus, dass die Trennung der beiden Spezies vor zirka sieben bis zehn Millionen Jahren endgültig vollzogen worden war, doch Wissenschaftler um Nick Patterson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge haben jetzt herausgefunden, dass die endgültige Trennung erst vor 6,3 bis 5,4 Millionen Jahren vollzogen war.
Zum ersten Mal alle DNA verglichen
Die Forscher verglichen zum ersten Mal jeweils 20 Millionen Basenpaare von Mensch und Schimpanse miteinander. Aus der Zahl der Unterschiede bestimmten sie dann den Zeitpunkt der Artentrennung. Dabei stellte sich heraus, dass manche Affen-Gene noch Millionen Jahre nach der Trennung nachzuweisen waren.
Sex, bis es nicht mehr ging
Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass der letzte gemeinsame Vorfahre erst vier Millionen Jahre alt ist. Menschen und Schimpansen müssen sich noch so lange vermischt haben, bis es nicht mehr ging. Sie vermuten auch, dass aus den Kreuzungen zwischen frühen Schimpansen und frühen Menschen unfruchtbare Männchen, aber fruchtbare Weibchen hervorgegangen sind. Dadurch ließe sich auch die große Ähnlichkeit des X-Chromosoms erklären.
Verwandter "ersten Grades"?
Der Schimpanse galt bisher schon als unser engster Verwandter. Die neuesten Ergebnisse legen nahe, dass diese Verwandtschaft noch viel enger ist als bisher angenommen.
Etwas sehr Ungewöhnliches muss damals passiert sein, spekuliert einer der Forscher. Anzunehmen ist, dass diese Vermischung wohl nicht die Regel war, und die Aufspaltung der Arten geht ja auch mit einer räumlichen Trennung einher, so dass die Wiedervereinigungen von Menschen und Affen wohl eher Gelegenheiten als Alltag waren.
Lange Zeit der Koexistenz
Aber es bestanden offensichtlich noch Anziehungspunkte und Gemeinsamkeiten, die immerhin so groß waren, dass sie über Millionen von Jahren ihre Wirkung behielten. Erst nach sehr, sehr langer Zeit der Koexistenz trennten sie sich endgültig. Und wahrscheinlich wohl erst, als die Abspaltung auch biologisch vollständig vollzogen war, also die gemeinsame Fortpflanzung nicht mehr möglich war.
Trennung wurde hinausgezögert
Auch vorher wusste man schon, dass so eine Artentrennung nur in sehr langen Zeiträumen gemessen werden kann, neu ist aber, dass dieser Trennungsprozess noch länger als gedacht und alles andere als geradlinig verlief. Durch die Seitensprünge der Frühmenschen wurde die Trennung also hinausgezögert, verhindert werden konnte sie freilich nicht.
Hybridisierung ungewöhnlich
Dieses Phänomen der Wiedervermischung nennt man Hybridisierung, sie wird bei Pflanzen oft beobachtet, ist bei Tieren aber von nur geringer Bedeutung bei der Artenentwicklung. Auch viele Millionen Jahre später, als zwei Gattungen des Menschen, der Neandertaler und der homo sapiens, nebeneinander lebten, sind Hybridisierungen kaum nachzuweisen.
Der lange Weg zum Homo Sapiens
Doch bis dahin hatte der Mensch – im Gegensatz zum Schimpansen – noch eine sehr weite und stark verzweigte Strecke zurückzulegen, bis er endlich beim homo sapiens ankam. Doch wann begann er nun seine Reise zur Menschwerdung? Muss das Alter der Menschheit jetzt schon wieder neu datiert werden?
Die späte Abspaltung vom Affen wirft natürlich Fragen nach dem tatsächlichen Beginn der Menschheit auf. Ist dieser wirklich so genau zu bestimmen, wie wir es gerne hätten? Seit Adam und Eva hat es viele Versuche gegeben, den Anbeginn der Menschheit punktuell festzulegen.
Frühmenschen oder Spätaffen?
Durch ständig neue Erkenntnisse wird immer deutlicher, dass es immer schwieriger wird, einen konkreten Zeitpunkt für die Menschwerdung auszumachen. Die ersten Fossilien der frühesten Hominiden etwa befinden sich jetzt plötzlich vor diesem neu gesetzten Trennungszeitpunkt. Erschwerend kommt hinzu, dass Fossilien aus dieser Zeit extrem selten sind und die Datierung zudem oft unsicher ist.
Anthropus oder Pithecus?
Sind unsere bisher angenommenen Urahnen, wie der Toumai-Mensch (Sahelanthropus tchadensis) und andere, die bisher als frühe Hominiden gehandelt wurden, vielleicht doch noch Affen gewesen und müssten daher von "Sahel-Mensch" in "Sahel-Affe" ("Sahelpithecus") umbenannt werden?
Wie oft sich die Grenze zum Menschsein schon verschoben hat, sieht man etwa an der überkommenen Bezeichnung der viel später lebenden Australopithecinen (Südaffen), die heute als Hominiden gelten. Und der das Feuer nutzende Homo erectus wurde einst als Pithecanthropus (Menschenaffe) tituliert.
Aufrechter Gang nicht genug?
Ist vielleicht der aufrechte Gang, bisher das wichtigste Merkmal eines Hominiden, noch nicht genug an menschlicher Eigenart für einen voll entwickelten Menschen? Auch bei der Betrachtung der weiteren Entwicklung, von Australopithecinen, über Homo erectus und Homo habilis, Neandertaler und Peking-Mensch zum Heidelberg-Mensch ist schon deutlich geworden, dass unsere Geschichte keine geradlinige Entwicklung genommen hat.
Keine einfachen Antworten
Vielmehr ist die Geschichte der Menschheit ein vielfach verzweigter, über viele Umwege, in so manche Sackgasse führender, sehr langwieriger und von vielen Rückschlägen und komplizierten Prozessen begleiteter Weg.
Vielleicht gibt es gar keinen echten Zeitpunkt der Menschwerdung, sondern nur viele, viele kleine Entwicklungsstufen, von denen die letzte gerade mal 25.000 Jahre her ist, als die Neandertaler ausstarben.
von Grigorios Petsos
Neuesten genetischen Untersuchungen zufolge ist die Entwicklung des Menschen womöglich noch verwirrender als man bisher annahm. Nachdem Schimpansen und Menschen sich in zwei Spezies aufgespaltet hatten, konnten sie nämlich noch lange nicht voneinander lassen. Noch bis zu vier Millionen Jahre nach ihrer Trennung sollen sie sich weiter fröhlich gepaart haben.
Bisher ging man davon aus, dass die Trennung der beiden Spezies vor zirka sieben bis zehn Millionen Jahren endgültig vollzogen worden war, doch Wissenschaftler um Nick Patterson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge haben jetzt herausgefunden, dass die endgültige Trennung erst vor 6,3 bis 5,4 Millionen Jahren vollzogen war.
Zum ersten Mal alle DNA verglichen
Die Forscher verglichen zum ersten Mal jeweils 20 Millionen Basenpaare von Mensch und Schimpanse miteinander. Aus der Zahl der Unterschiede bestimmten sie dann den Zeitpunkt der Artentrennung. Dabei stellte sich heraus, dass manche Affen-Gene noch Millionen Jahre nach der Trennung nachzuweisen waren.
Sex, bis es nicht mehr ging
Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass der letzte gemeinsame Vorfahre erst vier Millionen Jahre alt ist. Menschen und Schimpansen müssen sich noch so lange vermischt haben, bis es nicht mehr ging. Sie vermuten auch, dass aus den Kreuzungen zwischen frühen Schimpansen und frühen Menschen unfruchtbare Männchen, aber fruchtbare Weibchen hervorgegangen sind. Dadurch ließe sich auch die große Ähnlichkeit des X-Chromosoms erklären.
Verwandter "ersten Grades"?
Der Schimpanse galt bisher schon als unser engster Verwandter. Die neuesten Ergebnisse legen nahe, dass diese Verwandtschaft noch viel enger ist als bisher angenommen.
Etwas sehr Ungewöhnliches muss damals passiert sein, spekuliert einer der Forscher. Anzunehmen ist, dass diese Vermischung wohl nicht die Regel war, und die Aufspaltung der Arten geht ja auch mit einer räumlichen Trennung einher, so dass die Wiedervereinigungen von Menschen und Affen wohl eher Gelegenheiten als Alltag waren.
Lange Zeit der Koexistenz
Aber es bestanden offensichtlich noch Anziehungspunkte und Gemeinsamkeiten, die immerhin so groß waren, dass sie über Millionen von Jahren ihre Wirkung behielten. Erst nach sehr, sehr langer Zeit der Koexistenz trennten sie sich endgültig. Und wahrscheinlich wohl erst, als die Abspaltung auch biologisch vollständig vollzogen war, also die gemeinsame Fortpflanzung nicht mehr möglich war.
Trennung wurde hinausgezögert
Auch vorher wusste man schon, dass so eine Artentrennung nur in sehr langen Zeiträumen gemessen werden kann, neu ist aber, dass dieser Trennungsprozess noch länger als gedacht und alles andere als geradlinig verlief. Durch die Seitensprünge der Frühmenschen wurde die Trennung also hinausgezögert, verhindert werden konnte sie freilich nicht.
Hybridisierung ungewöhnlich
Dieses Phänomen der Wiedervermischung nennt man Hybridisierung, sie wird bei Pflanzen oft beobachtet, ist bei Tieren aber von nur geringer Bedeutung bei der Artenentwicklung. Auch viele Millionen Jahre später, als zwei Gattungen des Menschen, der Neandertaler und der homo sapiens, nebeneinander lebten, sind Hybridisierungen kaum nachzuweisen.
Der lange Weg zum Homo Sapiens
Doch bis dahin hatte der Mensch – im Gegensatz zum Schimpansen – noch eine sehr weite und stark verzweigte Strecke zurückzulegen, bis er endlich beim homo sapiens ankam. Doch wann begann er nun seine Reise zur Menschwerdung? Muss das Alter der Menschheit jetzt schon wieder neu datiert werden?
Die späte Abspaltung vom Affen wirft natürlich Fragen nach dem tatsächlichen Beginn der Menschheit auf. Ist dieser wirklich so genau zu bestimmen, wie wir es gerne hätten? Seit Adam und Eva hat es viele Versuche gegeben, den Anbeginn der Menschheit punktuell festzulegen.
Frühmenschen oder Spätaffen?
Durch ständig neue Erkenntnisse wird immer deutlicher, dass es immer schwieriger wird, einen konkreten Zeitpunkt für die Menschwerdung auszumachen. Die ersten Fossilien der frühesten Hominiden etwa befinden sich jetzt plötzlich vor diesem neu gesetzten Trennungszeitpunkt. Erschwerend kommt hinzu, dass Fossilien aus dieser Zeit extrem selten sind und die Datierung zudem oft unsicher ist.
Anthropus oder Pithecus?
Sind unsere bisher angenommenen Urahnen, wie der Toumai-Mensch (Sahelanthropus tchadensis) und andere, die bisher als frühe Hominiden gehandelt wurden, vielleicht doch noch Affen gewesen und müssten daher von "Sahel-Mensch" in "Sahel-Affe" ("Sahelpithecus") umbenannt werden?
Wie oft sich die Grenze zum Menschsein schon verschoben hat, sieht man etwa an der überkommenen Bezeichnung der viel später lebenden Australopithecinen (Südaffen), die heute als Hominiden gelten. Und der das Feuer nutzende Homo erectus wurde einst als Pithecanthropus (Menschenaffe) tituliert.
Aufrechter Gang nicht genug?
Ist vielleicht der aufrechte Gang, bisher das wichtigste Merkmal eines Hominiden, noch nicht genug an menschlicher Eigenart für einen voll entwickelten Menschen? Auch bei der Betrachtung der weiteren Entwicklung, von Australopithecinen, über Homo erectus und Homo habilis, Neandertaler und Peking-Mensch zum Heidelberg-Mensch ist schon deutlich geworden, dass unsere Geschichte keine geradlinige Entwicklung genommen hat.
Keine einfachen Antworten
Vielmehr ist die Geschichte der Menschheit ein vielfach verzweigter, über viele Umwege, in so manche Sackgasse führender, sehr langwieriger und von vielen Rückschlägen und komplizierten Prozessen begleiteter Weg.
Vielleicht gibt es gar keinen echten Zeitpunkt der Menschwerdung, sondern nur viele, viele kleine Entwicklungsstufen, von denen die letzte gerade mal 25.000 Jahre her ist, als die Neandertaler ausstarben.