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Bloody
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Die Hinterlassenschaften der Vergangenheit sind in Albanien unübersehbar. Das gilt auch für die Landwirtschaft, die mit großen strukturellen Problemen kämpft. Dennoch gibt es eine Menge Potenzial - vor allem in der Milch- und Fleischverarbeitung.
gtai TIRANA. Albaniens Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie zeigen zwar einen positiven Trend, bieten aber noch einigen Raum für eine bessere Entwicklung. Trotz guter Voraussetzungen ist das Land bei Agrarprodukten stark importabhängig. Den Sektor plagen Hinterlassenschaften der früheren kollektiven Wirtschaftsform und gravierende strukturelle Probleme wie die kleinen Betriebsgrößen. Für ausländische Investoren sehen Fachleute einige Möglichkeiten, etwa in der Verarbeitung von Fleisch und Gemüse sowie im Molkereibereich.
Die Produktion der albanischen Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Der Sektor entwickelt sich dennoch unter seinem Potenzial. Der Anteil des Agrarsektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei 20%. Die Bedingungen für dessen noch günstigere Entwicklung gelten als gut. So verfügt das Land zum Beispiel vor allem im Westen über fruchtbare Ebenen, die für hohe Agrarerträge sorgen könnten.
Ungeachtet der guten Möglichkeiten für eine höhere eigene Produktion ist Albanien hochgradig auf Einfuhren von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln aus dem Ausland angewiesen. Die Agrarimporte übersteigen die Exporte seit Jahren um ein Vielfaches. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums beliefen sich die Ausfuhren 2008 auf 75 Mio. US$, die Importe dagegen auf 600 Mio. $.
Der größte Teil der Exporte entfällt dabei auf Fischerzeugnisse (2008: rund 20 Mio. $) und auf medizinische und Heilpflanzen (20 Mio. $). Bei den Importen bildeten Getreide mit 350.000 t oder 90 Mio. $, Früchte mit 100.000 t oder 55 Mio. $ und Fleisch mit 35.000 t oder 40 Mio. $ die größten Einzelposten. Für weitere 50 Mio. $ wurden Zigaretten eingeführt.
Die wichtigsten Handelspartner Albaniens im Agrar- und Nahrungsmittelbereich seien Italien und Griechenland, sagten Vertreter des Landwirtschaftsministeriums. Nach Deutschland wurden 2008 Agrarprodukte im Wert von 10 Mio. $ ausgeführt, darunter vor allem medizinische und Heilpflanzen (8 Mio. $).
Die Regierung bemüht sich, die Agrarimporte zu reduzieren, vor allem von Früchten und Gemüse. Seit einigen Jahren werden aus dem Budget Subsidien an bäuerliche Betriebe vor allem zur Förderung des Obstanbaus, zum Aufbau von Treibhäusern, für Viehzuchtbetriebe und für die Anpflanzung von Olivenbäumen gewährt. Die staatliche Unterstützung sei aber bisher noch relativ gering, da andere Bereiche (etwa der Aufbau der Infrastruktur/Verkehrswege) derzeit höhere Priorität genießt. Es gibt einen Hilfsfonds für den Agrarsektor, der mit 60 Mio. Euro ausgestattet ist. Es müssten eigentlich dreimal so viel sein, so Vertreter des Landwirtschaftsministeriums.
Eines der Probleme und damit auch Gründe für die schleppende Modernisierung und Entwicklung des Agrarsektors ist die fehlende Tradition bäuerlicher Betriebe. Bis in die 90er Jahre hinein war der Sektor durch Kollektivbetriebe beherrscht. Anders als in zahlreichen anderen Ländern Mittelosteuropas hatte es in Albanien kein Privateigentum an Grund und Boden gegeben. Nach dem politischen Wandel in den 90er Jahren wurde 700.000 ha Ackerland aus der kollektiven Bewirtschaftung heraus gelöst und breit verteilt.
Die Folge war eine sehr starke Fragmentierung des Landbesitzes und eine geringe Produktivität der kleinen Höfe. Nun herrschen Landbetriebe mit einer Größe von durchschnittlich 1,2 ha vor, die schwer wirtschaftlich zu betreiben sind. Nach Angaben von Ndoc Faslia, stellvertretender Landwirtschaftsminister, gibt es in Albanien insgesamt 400.000 bäuerliche Landbetriebe. Nur 30% davon würden nach seinen Worten kommerziell betrieben. Der Rest sei mehr oder weniger Subsistenzwirtschaft.
Die albanische Regierung bemüht sich zwar, die Bauern zu mehr Kooperation zu bewegen und dazu, ihre Betriebe zu vergrößern. Doch dieses stößt auf wenig Gegenliebe. Es herrscht viel Misstrauen gegenüber solchen Bemühungen und Skepsis gegenüber kollektiven Betriebsformen und Genossenschaften.
Ähnlich scheint die Situation in der Nahrungsmittelindustrie zu sein. Es gibt sehr viele kleine Betriebe in dem Sektor - es sollen etwa 2.000 sein. Ein Drittel davon seien nach Angaben aus dem Landwirtschaftsministerium kleine Bäckereien. Darüber hinaus existieren viele kleine Betriebe in der Milch- und Fleischverarbeitung.
Zu den großen Problemen der Branche gehören die fehlenden Agrarrohstoffe. Etwa 90% des Bedarfs an Fleisch muss beispielsweise durch Importe gedeckt werden - die eigene Landwirtschaft sei in der Lage, die benötigten Mengen zu liefern, so Vertreter des Fachministeriums. Ein weiteres Problem sind die geringe Produktivität und zu geringe Investitionen in moderne Maschinen und Technologien. Zum Teil würde noch Technik russischer oder chinesischer Herkunft aus Zeiten vor der Transformation eingesetzt. Die Folge sind geringe Erträge und wenig wirtschaftliche Betriebe. Bei Getreide liegen die Erträge bei nur 3 Tonnen pro Hektar, bei Milchkühen bei 2.000 Litern/Kuh.
Der Agrar- und Nahrungsmittelsektor würde für Investoren, darunter aus dem Ausland, einige Chancen bieten, ist Faslia überzeugt. Die Vorteile, die Albanien bietet, seien zum einen die günstigen Arbeitskosten, zum anderen die bisher relativ "reine" Produktion ohne größere Anwendung von Pflanzenschutz und Kunstdünger. Die wenigen ausländischen Investoren haben sich lediglich in der Fischerei/Fischverarbeitung (vor allem aus Italien), im Bereich Heil- und andere Pflanzen (Deutschland, nur Rohexporte ohne weitere Verarbeitung) und in der Gemüseproduktion für den Export (Dänemark) engagiert.
Weitere interessante Bereiche wären seiner Meinung nach die Fleischverarbeitung und die Verarbeitung von Gemüse beispielsweise zu Konserven oder Ketchup. Als aussichtsreich bezeichnet Faslia auch die Milchverarbeitung. Etwa die Hälfte der in Albanien erzeugten Milch würde derzeit nicht verarbeitet, sondern in roher Form verbraucht oder (etwa auf der Straße) verkauft.
Albaniens Landwirtschaft: Hart, aber mit Potenzial - Unternehmen - Mittelstand - Aussenwirtschaft - Handelsblatt.com
gtai TIRANA. Albaniens Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie zeigen zwar einen positiven Trend, bieten aber noch einigen Raum für eine bessere Entwicklung. Trotz guter Voraussetzungen ist das Land bei Agrarprodukten stark importabhängig. Den Sektor plagen Hinterlassenschaften der früheren kollektiven Wirtschaftsform und gravierende strukturelle Probleme wie die kleinen Betriebsgrößen. Für ausländische Investoren sehen Fachleute einige Möglichkeiten, etwa in der Verarbeitung von Fleisch und Gemüse sowie im Molkereibereich.
Die Produktion der albanischen Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Der Sektor entwickelt sich dennoch unter seinem Potenzial. Der Anteil des Agrarsektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei 20%. Die Bedingungen für dessen noch günstigere Entwicklung gelten als gut. So verfügt das Land zum Beispiel vor allem im Westen über fruchtbare Ebenen, die für hohe Agrarerträge sorgen könnten.
Ungeachtet der guten Möglichkeiten für eine höhere eigene Produktion ist Albanien hochgradig auf Einfuhren von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln aus dem Ausland angewiesen. Die Agrarimporte übersteigen die Exporte seit Jahren um ein Vielfaches. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums beliefen sich die Ausfuhren 2008 auf 75 Mio. US$, die Importe dagegen auf 600 Mio. $.
Der größte Teil der Exporte entfällt dabei auf Fischerzeugnisse (2008: rund 20 Mio. $) und auf medizinische und Heilpflanzen (20 Mio. $). Bei den Importen bildeten Getreide mit 350.000 t oder 90 Mio. $, Früchte mit 100.000 t oder 55 Mio. $ und Fleisch mit 35.000 t oder 40 Mio. $ die größten Einzelposten. Für weitere 50 Mio. $ wurden Zigaretten eingeführt.
Die wichtigsten Handelspartner Albaniens im Agrar- und Nahrungsmittelbereich seien Italien und Griechenland, sagten Vertreter des Landwirtschaftsministeriums. Nach Deutschland wurden 2008 Agrarprodukte im Wert von 10 Mio. $ ausgeführt, darunter vor allem medizinische und Heilpflanzen (8 Mio. $).
Die Regierung bemüht sich, die Agrarimporte zu reduzieren, vor allem von Früchten und Gemüse. Seit einigen Jahren werden aus dem Budget Subsidien an bäuerliche Betriebe vor allem zur Förderung des Obstanbaus, zum Aufbau von Treibhäusern, für Viehzuchtbetriebe und für die Anpflanzung von Olivenbäumen gewährt. Die staatliche Unterstützung sei aber bisher noch relativ gering, da andere Bereiche (etwa der Aufbau der Infrastruktur/Verkehrswege) derzeit höhere Priorität genießt. Es gibt einen Hilfsfonds für den Agrarsektor, der mit 60 Mio. Euro ausgestattet ist. Es müssten eigentlich dreimal so viel sein, so Vertreter des Landwirtschaftsministeriums.
Eines der Probleme und damit auch Gründe für die schleppende Modernisierung und Entwicklung des Agrarsektors ist die fehlende Tradition bäuerlicher Betriebe. Bis in die 90er Jahre hinein war der Sektor durch Kollektivbetriebe beherrscht. Anders als in zahlreichen anderen Ländern Mittelosteuropas hatte es in Albanien kein Privateigentum an Grund und Boden gegeben. Nach dem politischen Wandel in den 90er Jahren wurde 700.000 ha Ackerland aus der kollektiven Bewirtschaftung heraus gelöst und breit verteilt.
Die Folge war eine sehr starke Fragmentierung des Landbesitzes und eine geringe Produktivität der kleinen Höfe. Nun herrschen Landbetriebe mit einer Größe von durchschnittlich 1,2 ha vor, die schwer wirtschaftlich zu betreiben sind. Nach Angaben von Ndoc Faslia, stellvertretender Landwirtschaftsminister, gibt es in Albanien insgesamt 400.000 bäuerliche Landbetriebe. Nur 30% davon würden nach seinen Worten kommerziell betrieben. Der Rest sei mehr oder weniger Subsistenzwirtschaft.
Die albanische Regierung bemüht sich zwar, die Bauern zu mehr Kooperation zu bewegen und dazu, ihre Betriebe zu vergrößern. Doch dieses stößt auf wenig Gegenliebe. Es herrscht viel Misstrauen gegenüber solchen Bemühungen und Skepsis gegenüber kollektiven Betriebsformen und Genossenschaften.
Ähnlich scheint die Situation in der Nahrungsmittelindustrie zu sein. Es gibt sehr viele kleine Betriebe in dem Sektor - es sollen etwa 2.000 sein. Ein Drittel davon seien nach Angaben aus dem Landwirtschaftsministerium kleine Bäckereien. Darüber hinaus existieren viele kleine Betriebe in der Milch- und Fleischverarbeitung.
Zu den großen Problemen der Branche gehören die fehlenden Agrarrohstoffe. Etwa 90% des Bedarfs an Fleisch muss beispielsweise durch Importe gedeckt werden - die eigene Landwirtschaft sei in der Lage, die benötigten Mengen zu liefern, so Vertreter des Fachministeriums. Ein weiteres Problem sind die geringe Produktivität und zu geringe Investitionen in moderne Maschinen und Technologien. Zum Teil würde noch Technik russischer oder chinesischer Herkunft aus Zeiten vor der Transformation eingesetzt. Die Folge sind geringe Erträge und wenig wirtschaftliche Betriebe. Bei Getreide liegen die Erträge bei nur 3 Tonnen pro Hektar, bei Milchkühen bei 2.000 Litern/Kuh.
Der Agrar- und Nahrungsmittelsektor würde für Investoren, darunter aus dem Ausland, einige Chancen bieten, ist Faslia überzeugt. Die Vorteile, die Albanien bietet, seien zum einen die günstigen Arbeitskosten, zum anderen die bisher relativ "reine" Produktion ohne größere Anwendung von Pflanzenschutz und Kunstdünger. Die wenigen ausländischen Investoren haben sich lediglich in der Fischerei/Fischverarbeitung (vor allem aus Italien), im Bereich Heil- und andere Pflanzen (Deutschland, nur Rohexporte ohne weitere Verarbeitung) und in der Gemüseproduktion für den Export (Dänemark) engagiert.
Weitere interessante Bereiche wären seiner Meinung nach die Fleischverarbeitung und die Verarbeitung von Gemüse beispielsweise zu Konserven oder Ketchup. Als aussichtsreich bezeichnet Faslia auch die Milchverarbeitung. Etwa die Hälfte der in Albanien erzeugten Milch würde derzeit nicht verarbeitet, sondern in roher Form verbraucht oder (etwa auf der Straße) verkauft.
Albaniens Landwirtschaft: Hart, aber mit Potenzial - Unternehmen - Mittelstand - Aussenwirtschaft - Handelsblatt.com