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Alle Erdogan-Telefonate aus zwei Jahren geleakt

Barut

Ultra-Poster
Interne und private Gespräche sowie vertrauliche Schriftwechsel von Ministerpräsident Erdogan gelangen seit Jahren ins Ausland. Grund dafür ist offenbar eine Lücke in der Verschlüsselungssoftware.

Erst private Telefonate, nun vertrauliche Dokumente: Ständig gelangen neue Informationen über den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in die Öffentlichkeit

Es ist unterhaltsam, sich die täglich neu ins Netz gestellten Telefonmitschnitte aus privaten Gesprächen von MinisterpräsidentRecep Tayyip Erdogan und anderer Schlüsselfiguren der türkischen Politik anzuhören. Mal ist davon die Rede, wie man den Chef des Fußballclubs Fenerbahce stürzen könnte, mal managt Erdogan da persönlich einen Prozess gegen den oppositionell eingestellten Medienmogul Aydin Dogan, und immer wieder geht es um Geld.

Es ist mittlerweile die einzige Art und Weise, wie die "Wahrheit" ans Licht kommen kann, denn die Korruptionsermittlungen gegen die Regierung wurden blockiert, indem die Regierung die Ermittler strafversetzen ließ und die Justiz mit einem neuen Gesetz unter ihre politische Kontrolle brachte. Die meisten Experten sind sich einig, dass die Aufnahmen echt sind.

Und so lauschen viele Türken mit erschauerndem Interesse und ein wenig Schadenfreude: Endlich darf man mal die Wahrheit erfahren über "die da oben".

Problem der nationalen Sicherheit


Ein anderer Aspekt der Sache ist weniger erfreulich. Irgendjemand, der nicht die Regierung ist, hat diese umfassend abgehört. Das wäre für jeden Staat ein Problem der nationalen Sicherheit, und ist es natürlich auch für die Türkei. Wer hat da wie viel spioniert, und für wen? Wer weiß um welche Geheimnisse der türkischen Führung? Denn dass die veröffentlichten Gespräche nur ein winziger Bruchteil dessen sind, was Unbekannte an Vertraulichem belauschten, liegt auf der Hand.
Der angesehene Kolumnist Murat Yetkin schreibt, unter Bezug auf türkische Geheimdienstquellen, dass nicht nur Gespräche abgehört wurden. Beispielsweise habe eine Überprüfung einer neuen Software bei einer "Regierungsagentur" (das kann ein Ministerium oder eine andere zur Regierung zählende Behörde sein) ergeben, dass sämtliche interne Kommunikation, alle Daten, die über diese Software liefen, automatisch an eine bestimmte E-Mail-Adresse geschickt worden waren.

Der Geheimdienst MIT, so Yetkin, geht davon aus, dass sämtliche verschlüsselte Telefonate der Regierung in den vergangenen zwei Jahren abgehört wurden, also alle Anrufe, die über "abhörsichere" Verbindungen liefen. Erst recht jedoch auch alle nicht verschlüsselten Gespräche türkischer Politiker und politisch relevanter oder politisch gut vernetzter Persönlichkeiten. Die Daten seien an diverse E-Mail-Adressen, zumeist in den USA geschickt worden. Das bedeute – referiert Yetkin die Meinung der Geheimdienstleute –, dass all diese Aufnahmen nun für westliche Geheimdienste einsehbar sind. Schon deswegen, weil sie über Datenkabel transferiert wurden, die routinemäßig von den britischen und amerikanischen Geheimdiensten angezapft werden.


Sicherheitslücke in der Verschlüsselungssoftware


Ursache sei eine Sicherheitslücke in der Verschlüsselungssoftware, die aus Angst vor ausländischer Spionageversuche von türkischen Spezialisten des Wissenschafts- und Forschungsrats (Tübitak) entwickelt worden war. Fünf Tübitak-Experten wurden Ende Februar deswegen entlassen.

Ob sie einfach nur geschlampt hatten oder bewusst eine Lücke für Lauschangriffe offen gelassen hatten, mag dahingestellt bleiben. Die türkische Regierung unterstellt jedenfalls eine boshafte Absicht; die entlassenen IT-Leute wurden jedoch bislang nicht angeklagt. Die These lautet, dass Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen das Material sammelten.


Da stellt sich naturgemäß die Frage, ob der Geheimdienst selbst ebenfalls ausspioniert wurde. Es ist nicht klar, ob MIT dieselbe Verschlüsselungssoftware benutzte wie Erdogan oder Staatspräsident Gül – aber wenn ja, dann ist das wohl so. Türkische Medien berichten derweil, dass der Geheimdienst zeitweise von Abteilungen der Gendarmerie und von der Polizei abgehört wurde.

All das fügt sich zu einem Gesamtbild zusammen, demzufolge es kein Staatsgeheimnis in den vergangenen zwei Jahren gab, das noch eines wäre. Wenn die Befürchtungen zutreffen, dann ist unbekannten Stellen im Ausland absolut alles bekannt, was bei der türkischen Regierung seit 2012 geheim und vertraulich gehandelt wurde. Die veröffentlichten Gespräche sollen Erdogan innenpolitisch kompromittieren, aber wer weiß, was sonst alles aufgezeichnet wurde – zur Syrien- oder Kurdenpolitik etwa. Oder zu Israel. Da kann noch einiges kommen.

http://www.welt.de/politik/ausland/...dogan-Telefonate-aus-zwei-Jahren-geleakt.html
 
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