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US-Nahostgesandter bei Netanjahu: Mitchell drängt Israel zur Zwei-Staaten-Lösung - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
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16.04.2009
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US-NAHOSTGESANDTER BEI NETANJAHU
Mitchell drängt Israel zur Zwei-Staaten-Lösung
Der Ton, den Washington gegenüber Jerusalem anschlägt, ist schärfer geworden. Beim ersten Zusammentreffen mit Netanjahu hat der US-Sonderbeauftragte Mitchell klargemacht: Die USA wollen Ergebnisse im Friedensprozess sehen. Der Sonderstatus Israels scheint passé.
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Beirut - Diesmal kam er nicht nur, um zuzuhören: Beim dritten Besuch in Israel seit seiner Ernennung hat der US-Sonderbeauftragte für den Nahen Osten, George Mitchell, die Position der Obama-Regierung im Nahost-Konflikt sehr deutlich gemacht. "Die USA wollen eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem palästinensischen Staat, der friedlich an der Seite des jüdischen Staates Israel existiert", sagt Mitchell nach seinem Treffen mit dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman. Die USA erwarteten von der israelischen Regierung Fortschritte bei ihren Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Der Widerspruch zur Jerusalemer Position wurde schon Minuten später deutlich. In der gemeinsamen Pressekonferenz erwähnte Lieberman mit keinem Wort einen Palästinenserstaat. Er sagte lediglich, das Gespräch habe "eine großartige Möglichkeit für den Meinungsaustausch geboten". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneuerte bei seinem zweistündigen Gespräch mit Mitchell die Forderung, die Palästinenser müssten Israel als jüdischen Staat anerkennen. Netanjahu habe auch betont, Israel werde seine Sicherheitsinteressen auch im Rahmen einer Friedensvereinbarung in Nahost nicht aufs Spiel setzen.
Es ist das erste Mal, dass Mitchell sich offiziell mit der unnachgiebigen Position der Regierung Netanjahus zum Nahost-Konflikt auseinandersetzen muss. Bei Mitchells vorherigen Missionen in der Region war Netanjahu noch mit der Regierungsbildung beschäftigt, Mitchell hielt sich zurück und sondierte die Lage.
Nun gibt es eine neue Führung in Jerusalem, und die bekam am Donnerstag einiges zu hören: Geht es nach Washington, soll ein Plan in die Tat umgesetzt werden, der auf der Friedensinitiative der Arabischen Liga basiert. Danach würden die arabischen Nationen parallel zu Fortschritten in Friedensgesprächen Israels mit den Palästinensern und Syrien ihre Beziehungen zum jüdischen Staat normalisieren. Die USA fordert als Mitglied des Nahost-Quartetts - dem daneben noch die EU, Russland und die Vereinten Nationen angehören - sowohl von Israel als auch den Palästinensern die Akzeptanz einer Zwei-Staaten-Lösung. Die Regierung Netanjahu hat all dies bislang abgelehnt und die Gründung eines Palästinenserstaates ausdrücklich nicht in ihr Programm aufgenommen.
Die israelische Regierung wird sich überlegen müssen, wie sie auf die klar formulierten Forderungen aus Washington reagiert. Beharrt sie auf der eigenen Position, riskiert sie einen ernsten Konflikt mit ihrem wichtigsten Verbündeten. Das haben die USA in Hintergrundgesprächen in Washington bereits verdeutlicht. Der Stabschef des Weißen Hauses, Rahm Emanuel, habe bei einem Treffen mit einem führenden Mitglied der jüdischen Gemeinde in den USA kürzlich angekündigt, dass es in den kommenden vier Jahren eine abschließende Einigung zwischen Israel und den Palästinensern geben werde, berichtet die Zeitung "Yedioth Achronoth". Emanuel, dessen Vater selbst aus Israel stammt, habe die Position der USA sehr deutlich gemacht. "Es ist uns dabei völlig egal, wer Ministerpräsident ist", zitiert die Zeitung den als aufbrausend bekannten Stabschef.
Um sein Friedensziel zu erreichen, muss Obama die Regierung Netanjahu zum Einlenken bewegen. Dazu könnten die USA Israel einen Plan präsentieren, der in der Presse mit dem Schlagwort "Buschehr für Jitzhar" umschrieben wird und lediglich in vagen Konturen bekannt ist. Buschehr ist eine Atomanlage in Iran und für Kritiker Teherans das Symbol die Versuche Irans, Nuklearwaffen herzustellen. Jitzhar ist eine jüdische Siedlung im besetzen Westjordanland.
Iran als Faktor im Nahostfriedensprozess
Nach dieser Formel könnte Washington sich bereiterklären, den Iran von seinen Ambitionen als Nuklearmacht abzubringen, wenn sich Israel darauf einließe, seine Siedlungen auf palästinensischem Gebiet zu räumen. Israel könnte dem durchaus positiv gegenüberstehen: In Sachen Iran besteht mehr Zeitdruck als im Nahost-Konflikt. Wollen die USA das dortige Nuklearprogramm stoppen, müssen sie schnell handeln. Israel könnte vermutlich von "Buscheer für Yitzhar" profitieren, lange bevor es seine Seite des Handels erfüllt hat, argumentieren Kommentatoren.
Dass der Faktor Iran im Verhandlungspoker über einen Frieden im historischen Palästina eine Rolle spielen könnte, hatte sich seit Wochen angekündigt. Washington als Schutzmacht Israels verfolgt dabei zwei Ziele: Einerseits sollen die Israelis ermuntert werden, Zugeständnisse in Sachen palästinensischer Staatsgründung zu machen. Andererseits sollen sie davon abgehalten werden, das iranische Nuklearprogramm mittels eines Militärschlags im Alleingang zu stoppen.
Dass die USA unter Obama einen Angriff auf Iran strikt ablehnen, hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates kurz vor Mitchells Abreise nach Jerusalem deutlich gemacht. Ein Militärschlag werde das iranische Atomprogramm vielleicht ein bis drei Jahre verzögern, wird Gates von der "U.S. Army Times" zitiert. Den Willen Teherans, ein solches Programm zu entwickeln, werde es jedoch in Stein meißeln. "Außerdem würde damit im ganzen Land ewiger Hass auf denjenigen gesät, der sie getroffen hätte", so Gates.
Peres bestreitet Angriffspläne
Gates warnende Worte scheinen zumindest bei Israels Präsident Gehör gefunden zu haben. Präsident Schimon Peres, der als kompromissbereite "Taube" bekannt ist, bestritt während seines Treffens mit Mitchell, Israel hege Angriffspläne gegen Iran. Solche Spekulationen seien "Unsinn", sagt Peres, der für seinen Bemühungen um den Friedensprozess 1994 den Friedensnobelpreis erhielt. Der Schlüssel zum Umgang mit den iranischen Nuklear-Plänen läge nicht beim Militär. Die Meinung des Präsidenten ist jedoch alles andere als repräsentativ. Netanjahu hatte zuletzt deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht das iranische Atomprogramm die größte Bedrohung für den Staat Israel seit seiner Gründung 1948 ist.
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Israel Avigdor Lieberman Benjamin Netanjahu Knesset Nahost Schimon Peres George Mitchell Iran zu SPIEGEL WISSEN
Dass die Obama-Regierung Israel ernsthaft in die Pflicht zu nehmen gedenkt, zeigen Details. Nicht nur, dass Mitchells Mitarbeiter dabei sind, Büroräumen in Ost-Jerusalem einzurichten, um durch ständige Präsenz Aktivität einzufordern. Auch Personalien lassen auf starkes Engagement schließen: Zu einem der vier Stellvertreter des Gesandten wird am Sonntag Frederic Hof ernannt werden. Hof ist langjähriger Vertrauter Mitchells. Er ist Anhänger der These, dass die Kontrahenten im Nahen Osten mit stärkstem Druck aus dem USA zu einer Einigung gezwungen werden müssen - eine Haltung, die Experten auch Mitchell nachsagen. Aus Washington kam zudem ein deutliches Signal, dass Israel künftig nicht mehr auf die gewohnte Vorzugsbehandlung im Weißen Haus hoffen darf: Regierungsbeamte teilten Benjamin Netanjahu in dürren Worten mit, dass Präsident Obama keine Zeit für ein Treffen mit ihm habe. Die "Yedioth Achronoth" zitiert Quellen in Washington damit, dass dies der Auftakt zu neuen Umgangsformen mit Israel sei. Die Obama-Regierung werde israelische Ministerpräsidenten nicht mehr mehrmals im Jahr empfangen, wie es sich unter George W. Bush eingeschliffen hätte. Netanjahu hatte Obama anlässlich einer ohnehin geplanten Washington-Reise Anfang Mai treffen wollen. Nach dem Affront gegen ihn soll der Ministerpräsident nun überlegen, seine Reise ganz abzusagen, berichtet die "Yedioth Achronoth".
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16.04.2009
Schrift:
US-NAHOSTGESANDTER BEI NETANJAHU
Mitchell drängt Israel zur Zwei-Staaten-Lösung
Der Ton, den Washington gegenüber Jerusalem anschlägt, ist schärfer geworden. Beim ersten Zusammentreffen mit Netanjahu hat der US-Sonderbeauftragte Mitchell klargemacht: Die USA wollen Ergebnisse im Friedensprozess sehen. Der Sonderstatus Israels scheint passé.
Beirut - Diesmal kam er nicht nur, um zuzuhören: Beim dritten Besuch in Israel seit seiner Ernennung hat der US-Sonderbeauftragte für den Nahen Osten, George Mitchell, die Position der Obama-Regierung im Nahost-Konflikt sehr deutlich gemacht. "Die USA wollen eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem palästinensischen Staat, der friedlich an der Seite des jüdischen Staates Israel existiert", sagt Mitchell nach seinem Treffen mit dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman. Die USA erwarteten von der israelischen Regierung Fortschritte bei ihren Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde.
AFP
US-Gesandter Mitchell (l.), Regierungschef Netanjahu: Der Druck wächstDer Widerspruch zur Jerusalemer Position wurde schon Minuten später deutlich. In der gemeinsamen Pressekonferenz erwähnte Lieberman mit keinem Wort einen Palästinenserstaat. Er sagte lediglich, das Gespräch habe "eine großartige Möglichkeit für den Meinungsaustausch geboten". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneuerte bei seinem zweistündigen Gespräch mit Mitchell die Forderung, die Palästinenser müssten Israel als jüdischen Staat anerkennen. Netanjahu habe auch betont, Israel werde seine Sicherheitsinteressen auch im Rahmen einer Friedensvereinbarung in Nahost nicht aufs Spiel setzen.
Es ist das erste Mal, dass Mitchell sich offiziell mit der unnachgiebigen Position der Regierung Netanjahus zum Nahost-Konflikt auseinandersetzen muss. Bei Mitchells vorherigen Missionen in der Region war Netanjahu noch mit der Regierungsbildung beschäftigt, Mitchell hielt sich zurück und sondierte die Lage.
Nun gibt es eine neue Führung in Jerusalem, und die bekam am Donnerstag einiges zu hören: Geht es nach Washington, soll ein Plan in die Tat umgesetzt werden, der auf der Friedensinitiative der Arabischen Liga basiert. Danach würden die arabischen Nationen parallel zu Fortschritten in Friedensgesprächen Israels mit den Palästinensern und Syrien ihre Beziehungen zum jüdischen Staat normalisieren. Die USA fordert als Mitglied des Nahost-Quartetts - dem daneben noch die EU, Russland und die Vereinten Nationen angehören - sowohl von Israel als auch den Palästinensern die Akzeptanz einer Zwei-Staaten-Lösung. Die Regierung Netanjahu hat all dies bislang abgelehnt und die Gründung eines Palästinenserstaates ausdrücklich nicht in ihr Programm aufgenommen.
Die israelische Regierung wird sich überlegen müssen, wie sie auf die klar formulierten Forderungen aus Washington reagiert. Beharrt sie auf der eigenen Position, riskiert sie einen ernsten Konflikt mit ihrem wichtigsten Verbündeten. Das haben die USA in Hintergrundgesprächen in Washington bereits verdeutlicht. Der Stabschef des Weißen Hauses, Rahm Emanuel, habe bei einem Treffen mit einem führenden Mitglied der jüdischen Gemeinde in den USA kürzlich angekündigt, dass es in den kommenden vier Jahren eine abschließende Einigung zwischen Israel und den Palästinensern geben werde, berichtet die Zeitung "Yedioth Achronoth". Emanuel, dessen Vater selbst aus Israel stammt, habe die Position der USA sehr deutlich gemacht. "Es ist uns dabei völlig egal, wer Ministerpräsident ist", zitiert die Zeitung den als aufbrausend bekannten Stabschef.
Um sein Friedensziel zu erreichen, muss Obama die Regierung Netanjahu zum Einlenken bewegen. Dazu könnten die USA Israel einen Plan präsentieren, der in der Presse mit dem Schlagwort "Buschehr für Jitzhar" umschrieben wird und lediglich in vagen Konturen bekannt ist. Buschehr ist eine Atomanlage in Iran und für Kritiker Teherans das Symbol die Versuche Irans, Nuklearwaffen herzustellen. Jitzhar ist eine jüdische Siedlung im besetzen Westjordanland.
Iran als Faktor im Nahostfriedensprozess
Nach dieser Formel könnte Washington sich bereiterklären, den Iran von seinen Ambitionen als Nuklearmacht abzubringen, wenn sich Israel darauf einließe, seine Siedlungen auf palästinensischem Gebiet zu räumen. Israel könnte dem durchaus positiv gegenüberstehen: In Sachen Iran besteht mehr Zeitdruck als im Nahost-Konflikt. Wollen die USA das dortige Nuklearprogramm stoppen, müssen sie schnell handeln. Israel könnte vermutlich von "Buscheer für Yitzhar" profitieren, lange bevor es seine Seite des Handels erfüllt hat, argumentieren Kommentatoren.
Dass der Faktor Iran im Verhandlungspoker über einen Frieden im historischen Palästina eine Rolle spielen könnte, hatte sich seit Wochen angekündigt. Washington als Schutzmacht Israels verfolgt dabei zwei Ziele: Einerseits sollen die Israelis ermuntert werden, Zugeständnisse in Sachen palästinensischer Staatsgründung zu machen. Andererseits sollen sie davon abgehalten werden, das iranische Nuklearprogramm mittels eines Militärschlags im Alleingang zu stoppen.
Dass die USA unter Obama einen Angriff auf Iran strikt ablehnen, hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates kurz vor Mitchells Abreise nach Jerusalem deutlich gemacht. Ein Militärschlag werde das iranische Atomprogramm vielleicht ein bis drei Jahre verzögern, wird Gates von der "U.S. Army Times" zitiert. Den Willen Teherans, ein solches Programm zu entwickeln, werde es jedoch in Stein meißeln. "Außerdem würde damit im ganzen Land ewiger Hass auf denjenigen gesät, der sie getroffen hätte", so Gates.
Peres bestreitet Angriffspläne
Gates warnende Worte scheinen zumindest bei Israels Präsident Gehör gefunden zu haben. Präsident Schimon Peres, der als kompromissbereite "Taube" bekannt ist, bestritt während seines Treffens mit Mitchell, Israel hege Angriffspläne gegen Iran. Solche Spekulationen seien "Unsinn", sagt Peres, der für seinen Bemühungen um den Friedensprozess 1994 den Friedensnobelpreis erhielt. Der Schlüssel zum Umgang mit den iranischen Nuklear-Plänen läge nicht beim Militär. Die Meinung des Präsidenten ist jedoch alles andere als repräsentativ. Netanjahu hatte zuletzt deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht das iranische Atomprogramm die größte Bedrohung für den Staat Israel seit seiner Gründung 1948 ist.
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Israel Avigdor Lieberman Benjamin Netanjahu Knesset Nahost Schimon Peres George Mitchell Iran zu SPIEGEL WISSEN
Dass die Obama-Regierung Israel ernsthaft in die Pflicht zu nehmen gedenkt, zeigen Details. Nicht nur, dass Mitchells Mitarbeiter dabei sind, Büroräumen in Ost-Jerusalem einzurichten, um durch ständige Präsenz Aktivität einzufordern. Auch Personalien lassen auf starkes Engagement schließen: Zu einem der vier Stellvertreter des Gesandten wird am Sonntag Frederic Hof ernannt werden. Hof ist langjähriger Vertrauter Mitchells. Er ist Anhänger der These, dass die Kontrahenten im Nahen Osten mit stärkstem Druck aus dem USA zu einer Einigung gezwungen werden müssen - eine Haltung, die Experten auch Mitchell nachsagen. Aus Washington kam zudem ein deutliches Signal, dass Israel künftig nicht mehr auf die gewohnte Vorzugsbehandlung im Weißen Haus hoffen darf: Regierungsbeamte teilten Benjamin Netanjahu in dürren Worten mit, dass Präsident Obama keine Zeit für ein Treffen mit ihm habe. Die "Yedioth Achronoth" zitiert Quellen in Washington damit, dass dies der Auftakt zu neuen Umgangsformen mit Israel sei. Die Obama-Regierung werde israelische Ministerpräsidenten nicht mehr mehrmals im Jahr empfangen, wie es sich unter George W. Bush eingeschliffen hätte. Netanjahu hatte Obama anlässlich einer ohnehin geplanten Washington-Reise Anfang Mai treffen wollen. Nach dem Affront gegen ihn soll der Ministerpräsident nun überlegen, seine Reise ganz abzusagen, berichtet die "Yedioth Achronoth".