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Amerikas Islamisten
In Serbien wird der Aufstieg der islamistischen Bewegung seit dem 11. September 2001 als Rechtfertigung der Kriege in Bosnien und im Kosovo betrachtet. von boris kanzleiter, belgrad
Dejan Popovic runzelt die Stirn. »Stimmt es wirklich, dass es in Berlin Schulen gibt, in die fast nur türkische Kinder gehen?« fragt er besorgt. »Das kann nicht gut gehen. Ihr werdet noch sehen, dass euch eure Freundlichkeit gegenüber den Muslimen den Kopf kosten wird.« Er fährt sich mit dem Finger über die Kehle und deutet damit an, was seiner Meinung nach geschehen kann: »Die Islamisten und al-Qaida werden euch genauso fertig machen wie uns«, warnt er.
Der 25jährige Dejan Popovic sitzt jeden Tag in der Nationalbibliothek in Belgrad über seinen Büchern. Wenn er aus dem Fenster schaut, fällt sein Blick auf die mit glänzendem weißen Marmor beschlagene Kirche des Heiligen Sava, die neu erbaute größte orthodoxe Kirche Serbiens. Der Jurastudent lernt für die harten Prüfungen an der Universität. Seine Leidenschaft hingegen ist die Politik. In der Freizeit widmet sich der junge Mann den Aktivitäten der Serbischen Radikalen Partei (SRS), die nach Meinungsumfragen konstant an erster Stelle in der serbischen Wählergunst steht und von den westlichen Medien immer mit dem Attribut »ultranationalistisch« versehen wird.
Darüber kann Dejan Popovic nur den Kopf schütteln. »Ich verstehe wirklich nicht, warum gerade Europa gegen uns ist«, sagt er. Und dann entfaltet er eine Argumentation, die er für einleuchtend hält: »Wir Serben standen immer auf der Seite Europas und verteidigen das Christentum gegen den Islam.« Nur darum gehe es im Kosovo, und das sei auch der Grund für den Krieg in der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Bosnien gewesen.
»Türken« – das ist für Dejan die Chiffre für Gewalt, Unterdrückung und Terror. Wenn er von »Türken« spricht, meint er allerdings weniger die Bewohner der Türkei, sondern vor allem die Muslime auf dem Balkan. Damit folgt er der Sprachregelung, die beim Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina 1992 von Vojislav Seselj, dem derzeit im niederländischen Den Haag in U-Haft sitzenden Vorsitzenden der SRS popularisiert wurde. In seinem Geschichtsbild repräsentieren die bosnischen Muslime und auch die muslimischen Albaner nichts anderes als die Hinterlassenschaft des in Serbien verhassten Osmanischen Reiches. Die Herrschaft der Sultane stehe für eine »500jährige Knechtschaft« der christlichen Balkanbewohner, und vor allem der Serben.
Die Erzählung von der Versklavung durch die Türken im 14. Jahrhundert und dem heroischen Befreiungskampf im 19. Jahrhundert ist der identitätsstiftende Mythos der serbischen Nation. Die unter den Osmanen vollzogene Konversion eines bedeutenden Teils der balkanischen Bevölkerung zum Islam, vor allem in Bosnien und unter den albanisch sprechenden Bergstämmen, erscheint in dieser Perspektive als ein unverzeihlicher Verrat.
Der antimuslimische Diskurs in Serbien erhält seit dem 11. September 2001 neue Nahrung. Waren es in den neunziger Jahren die Mujahedin, die man in Bosnien am Werk sah, ist es heute al-Qaida, die überall dort auf dem Balkan verortet wird, wo Muslime eine starke Bevölkerungsgruppe oder die Mehrheitsbevölkerung bilden, also in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Albanien, Südserbien, Mazedonien und Bulgarien. Glaubt man den in regelmäßiger Folge erscheinenden, reißerisch aufgemachten Artikeln in der serbischen Presse, so rekrutieren al-Qaida-Zellen dort fleißig Kämpfer, rüsten sich mit modernen Waffen aus und bereiten die Ausbreitung des weltweiten Jihad in Europa vor.
Oft gibt es dabei allerdings unbewiesene Verknüpfungen. Am 21. Februar beispielsweise meldete die Nachrichtenagentur Tanjug unter Berufung auf die albanische Zeitung Epoka e Re, die UCK-Einheit »Shqiponjat« (Adler) habe in einem Kommunique bekannt gegeben, sich zu reorganisieren. Die Einheit sei professionell mit Waffen ausgerüstet, verfüge über Stützpunkte im ganzen Kosovo und erwarte die Aufnahme neuer Kämpfe um die Unabhängigkeit der Provinz. Das ist das, was die Adler selbst behaupten. Anschließend zitiert Tanjug den Präsidenten des Serbischen Nationalrates von Nordkosovo, Milan Ivanovic. Der erklärt, Shqiponjat habe Verbindungen zu al-Qaida und werde von der politischen Führung der Kosovo-Albaner in Pristina kommandiert. Woher diese Information stammt, bleibt offen. Wie so vieles, was über al-Qaida im Umlauf ist.
Gerne werden in den serbischen Medien ausländische »Experten« zitiert, die solche und ähnliche Behauptungen bestätigen. Auf der Informationsseite der Diözese von Raska und Prizren, dem wichtigsten Internetportal der einflussreichen serbischen orthodoxen Kirche, wurde am 3. Februar beispielsweise ein Interview mit dem ehemaligen französischen Geheimdienstoffizier Pierre-Henri Bunel verlinkt. Bunel saß nach dem Krieg der Nato gegen Jugoslawien 1999 für zehn Monate in Haft, weil er Informationen über Bombenziele aus dem Nato-Hauptquartier an Belgrad weitergegeben haben soll. Im Vorspann des Interviews wird er als »unabhängiger Experte in den Bereichen Sicherheit und Terrorismus« vorgestellt. Glaubt man dem Franzosen, sind im Kosovo Kräfte am Werk, die von der Islamischen Entwicklungsbank finanziert werden. Bunel zufolge sind im Kosovo aber nur »Elemente von al-Qaida« aktiv. Das Problem sei nämlich, dass al-Qaida gar nicht in der von den USA behaupteten Form existiere. Es sei vielmehr so, dass hinter der Islamischen Entwicklungsbank »mächtige Geschäftsleute aus den USA« selbst stünden.
Dass der islamistische Terrorismus auf dem Balkan eigentlich ein Kind der USA ist, gilt in Serbien ohnehin als ausgemachte Sache. Ausführlich beschreibt dies beispielsweise Carl Savich auf der Website serbianna.com, einem Internetportal der serbischen Diaspora in den USA. Unter der Überschrift »al-Qaida in Bosnien« verweist Savich darauf, dass nach dem Beginn des Krieges in Bosnien arabische Mujahedin-Einheiten nach Bosnien strömten. Finanziert aus Saudi-Arabien und unter Anleitung von Ussama bin Laden seien sie bald als reguläre Einheit in die 7. Muslimische Brigade der bosnischen Armee aufgenommen worden. All dies sei nicht nur unter den Augen, sondern mit der Unterstützung der US-Armee geschehen. So habe die US-Luftwaffe im August 1995 mit Angriffen auf serbische Stellungen den Vormarsch der islamistischen Einheiten ermöglicht. Außerdem seien mit Wissen der USA über Kroatien Waffen aus dem Iran nach Bosnien geflogen worden. Die USA hätten ihre Zusammenarbeit mit den internationalen Mujahedin nach dem Afghanistankrieg gegen die Sowjetunion fortgeführt. Als Ergebnis ihres »Pakts mit dem Teufel« hätten sich die USA deshalb den 11. September selbst zuzuschreiben, meint Savic.
Dejan Popovic stimmt solchen Interpretationen aus vollem Herzen zu. Er hat aber noch eine weitere Theorie, die ansonsten vor allem im Umfeld der antisemitischen Jugendorganisation Obraz (Ehre) populär ist: »Es sind doch hauptsächlich amerikanische Juden, wie Madeleine Albright und George Soros, die die Islamisten unterstützen.« Seine Schlussfolgerung lautet: »Die amerikanischen Juden spalten mit den Islamisten die Welt, um sie besser zu kontrollieren. Wann begreift Ihr Europäer das endlich?«
In Serbien wird der Aufstieg der islamistischen Bewegung seit dem 11. September 2001 als Rechtfertigung der Kriege in Bosnien und im Kosovo betrachtet. von boris kanzleiter, belgrad
Dejan Popovic runzelt die Stirn. »Stimmt es wirklich, dass es in Berlin Schulen gibt, in die fast nur türkische Kinder gehen?« fragt er besorgt. »Das kann nicht gut gehen. Ihr werdet noch sehen, dass euch eure Freundlichkeit gegenüber den Muslimen den Kopf kosten wird.« Er fährt sich mit dem Finger über die Kehle und deutet damit an, was seiner Meinung nach geschehen kann: »Die Islamisten und al-Qaida werden euch genauso fertig machen wie uns«, warnt er.
Der 25jährige Dejan Popovic sitzt jeden Tag in der Nationalbibliothek in Belgrad über seinen Büchern. Wenn er aus dem Fenster schaut, fällt sein Blick auf die mit glänzendem weißen Marmor beschlagene Kirche des Heiligen Sava, die neu erbaute größte orthodoxe Kirche Serbiens. Der Jurastudent lernt für die harten Prüfungen an der Universität. Seine Leidenschaft hingegen ist die Politik. In der Freizeit widmet sich der junge Mann den Aktivitäten der Serbischen Radikalen Partei (SRS), die nach Meinungsumfragen konstant an erster Stelle in der serbischen Wählergunst steht und von den westlichen Medien immer mit dem Attribut »ultranationalistisch« versehen wird.
Darüber kann Dejan Popovic nur den Kopf schütteln. »Ich verstehe wirklich nicht, warum gerade Europa gegen uns ist«, sagt er. Und dann entfaltet er eine Argumentation, die er für einleuchtend hält: »Wir Serben standen immer auf der Seite Europas und verteidigen das Christentum gegen den Islam.« Nur darum gehe es im Kosovo, und das sei auch der Grund für den Krieg in der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Bosnien gewesen.
»Türken« – das ist für Dejan die Chiffre für Gewalt, Unterdrückung und Terror. Wenn er von »Türken« spricht, meint er allerdings weniger die Bewohner der Türkei, sondern vor allem die Muslime auf dem Balkan. Damit folgt er der Sprachregelung, die beim Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina 1992 von Vojislav Seselj, dem derzeit im niederländischen Den Haag in U-Haft sitzenden Vorsitzenden der SRS popularisiert wurde. In seinem Geschichtsbild repräsentieren die bosnischen Muslime und auch die muslimischen Albaner nichts anderes als die Hinterlassenschaft des in Serbien verhassten Osmanischen Reiches. Die Herrschaft der Sultane stehe für eine »500jährige Knechtschaft« der christlichen Balkanbewohner, und vor allem der Serben.
Die Erzählung von der Versklavung durch die Türken im 14. Jahrhundert und dem heroischen Befreiungskampf im 19. Jahrhundert ist der identitätsstiftende Mythos der serbischen Nation. Die unter den Osmanen vollzogene Konversion eines bedeutenden Teils der balkanischen Bevölkerung zum Islam, vor allem in Bosnien und unter den albanisch sprechenden Bergstämmen, erscheint in dieser Perspektive als ein unverzeihlicher Verrat.
Der antimuslimische Diskurs in Serbien erhält seit dem 11. September 2001 neue Nahrung. Waren es in den neunziger Jahren die Mujahedin, die man in Bosnien am Werk sah, ist es heute al-Qaida, die überall dort auf dem Balkan verortet wird, wo Muslime eine starke Bevölkerungsgruppe oder die Mehrheitsbevölkerung bilden, also in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Albanien, Südserbien, Mazedonien und Bulgarien. Glaubt man den in regelmäßiger Folge erscheinenden, reißerisch aufgemachten Artikeln in der serbischen Presse, so rekrutieren al-Qaida-Zellen dort fleißig Kämpfer, rüsten sich mit modernen Waffen aus und bereiten die Ausbreitung des weltweiten Jihad in Europa vor.
Oft gibt es dabei allerdings unbewiesene Verknüpfungen. Am 21. Februar beispielsweise meldete die Nachrichtenagentur Tanjug unter Berufung auf die albanische Zeitung Epoka e Re, die UCK-Einheit »Shqiponjat« (Adler) habe in einem Kommunique bekannt gegeben, sich zu reorganisieren. Die Einheit sei professionell mit Waffen ausgerüstet, verfüge über Stützpunkte im ganzen Kosovo und erwarte die Aufnahme neuer Kämpfe um die Unabhängigkeit der Provinz. Das ist das, was die Adler selbst behaupten. Anschließend zitiert Tanjug den Präsidenten des Serbischen Nationalrates von Nordkosovo, Milan Ivanovic. Der erklärt, Shqiponjat habe Verbindungen zu al-Qaida und werde von der politischen Führung der Kosovo-Albaner in Pristina kommandiert. Woher diese Information stammt, bleibt offen. Wie so vieles, was über al-Qaida im Umlauf ist.
Gerne werden in den serbischen Medien ausländische »Experten« zitiert, die solche und ähnliche Behauptungen bestätigen. Auf der Informationsseite der Diözese von Raska und Prizren, dem wichtigsten Internetportal der einflussreichen serbischen orthodoxen Kirche, wurde am 3. Februar beispielsweise ein Interview mit dem ehemaligen französischen Geheimdienstoffizier Pierre-Henri Bunel verlinkt. Bunel saß nach dem Krieg der Nato gegen Jugoslawien 1999 für zehn Monate in Haft, weil er Informationen über Bombenziele aus dem Nato-Hauptquartier an Belgrad weitergegeben haben soll. Im Vorspann des Interviews wird er als »unabhängiger Experte in den Bereichen Sicherheit und Terrorismus« vorgestellt. Glaubt man dem Franzosen, sind im Kosovo Kräfte am Werk, die von der Islamischen Entwicklungsbank finanziert werden. Bunel zufolge sind im Kosovo aber nur »Elemente von al-Qaida« aktiv. Das Problem sei nämlich, dass al-Qaida gar nicht in der von den USA behaupteten Form existiere. Es sei vielmehr so, dass hinter der Islamischen Entwicklungsbank »mächtige Geschäftsleute aus den USA« selbst stünden.
Dass der islamistische Terrorismus auf dem Balkan eigentlich ein Kind der USA ist, gilt in Serbien ohnehin als ausgemachte Sache. Ausführlich beschreibt dies beispielsweise Carl Savich auf der Website serbianna.com, einem Internetportal der serbischen Diaspora in den USA. Unter der Überschrift »al-Qaida in Bosnien« verweist Savich darauf, dass nach dem Beginn des Krieges in Bosnien arabische Mujahedin-Einheiten nach Bosnien strömten. Finanziert aus Saudi-Arabien und unter Anleitung von Ussama bin Laden seien sie bald als reguläre Einheit in die 7. Muslimische Brigade der bosnischen Armee aufgenommen worden. All dies sei nicht nur unter den Augen, sondern mit der Unterstützung der US-Armee geschehen. So habe die US-Luftwaffe im August 1995 mit Angriffen auf serbische Stellungen den Vormarsch der islamistischen Einheiten ermöglicht. Außerdem seien mit Wissen der USA über Kroatien Waffen aus dem Iran nach Bosnien geflogen worden. Die USA hätten ihre Zusammenarbeit mit den internationalen Mujahedin nach dem Afghanistankrieg gegen die Sowjetunion fortgeführt. Als Ergebnis ihres »Pakts mit dem Teufel« hätten sich die USA deshalb den 11. September selbst zuzuschreiben, meint Savic.
Dejan Popovic stimmt solchen Interpretationen aus vollem Herzen zu. Er hat aber noch eine weitere Theorie, die ansonsten vor allem im Umfeld der antisemitischen Jugendorganisation Obraz (Ehre) populär ist: »Es sind doch hauptsächlich amerikanische Juden, wie Madeleine Albright und George Soros, die die Islamisten unterstützen.« Seine Schlussfolgerung lautet: »Die amerikanischen Juden spalten mit den Islamisten die Welt, um sie besser zu kontrollieren. Wann begreift Ihr Europäer das endlich?«