John Wayne
Keyboard Turner
Das regeln wir unter uns
Viele Serienstraftäter in größeren Städten entstammen arabischen Großfamilien. Mit Gewalt, Geld und guten Anwälten hebeln die Clans mitunter das Justizsystem aus. Wie das ablaufen kann, veranschaulicht ein Prozess in Berlin.
Was zum Höhepunkt des Prozesses hätte werden können, dauert keine fünf Minuten. Am fünften Verhandlungstag des Verfahrens, das vom Gericht mit „Schießerei bei Auseinandersetzung zwischen zwei Großfamilien“ überschrieben ist, tritt der wichtigste Zeuge auf.
Dieser Mann kennt die Hintergründe des Geschehens. Seine Aussage könnte Einblicke liefern in Gepflogenheiten und Rivalitäten arabischer Clans. Die Sicherheitsvorkehrungen für den Saal 500 im Berliner Landgericht sind streng. Nidal R. ist der bekannteste Intensivtäter der Stadt. Erst das öffentliche Entsetzen über seine kriminelle Karriere hatte einst dazu geführt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft auf jugendliche Mehrfachtäter mit einem abgestimmten Konzept reagieren.
Ein bulliger Typ, der als Opfer auftritt
Nidal R. ist heute 29 Jahre alt, ein bulliger Typ mit getrimmtem Vollbart, der Jeans und Lederweste trägt. Der staatenlose Palästinenser kommt aus der Justizvollzugsanstalt Tegel, wo er eine kurze Strafe verbüßt für einen Vorfall während seines jüngsten Gefängnisaufenthalts. Trotzdem erscheint Nidal R. an diesem Dienstag nicht als Täter, sondern als Opfer vor Gericht. Am Abend des 11. November vergangenen Jahres hat er vor einem kleinen Café an der Emser Straße in Neukölln zwei Schüsse abbekommen. Ein Projektil streifte seine Wade, das andere durchschlug die Sohle seines Turnschuhs und blieb in der Ferse stecken.
„Haben Sie einen Beruf erlernt?“, fragt die Richterin.
„Keinen“, sagt Nidal R.
„Üben Sie einen aus?“
Nidal R. schüttelt den Kopf.
„Sie dürfen schweigen, aber nicht lügen“, sagt die Richterin dann im Zuge ihrer vorgeschriebenen Belehrungen. „Wollen Sie sich äußern?“
Nidal R. beugt sich vor zum Mikrofon. Seine Stimme ist laut und klar. „Nein“, sagt er. Wie ein schlendernder Gorilla verlässt er den Saal.
Arabische Großfamilien sind eine Herausforderung für die Justiz
Die Anklage stützt sich maßgeblich auf Nidals Aussage vor den Ermittlern - doch jetzt beruft er sich auf sein Schweigerecht. Und das Verblüffendste an der gescheiterten Vernehmung: Keiner im Saal scheint sich zu wundern. Der Staatsanwalt hat es kommen sehen, die Richter wirken routiniert, nicht einmal die Angeklagten machen einen erleichterten Eindruck.
Das Reizthema „arabische Großfamilien“ stellt die Justiz vor neue Herausforderungen. Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra spricht von einem „Kriminalitätsphänomen, das uns zunehmend Kopfzerbrechen bereiten muss“. Der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Berlin sagt: „Wir beobachten, dass diese Familien aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten und ihres Drohpotentials in der Lage sind, Beweismittel scheinbar beliebig zu beeinflussen.“
Von 25 Großfamilien gelten sechs als besonders kriminell
Schon in den neunziger Jahren warnte die Berliner Polizei den Bezirk Neukölln vor einem Dutzend libanesisch-kurdischer Familien, aber es hieß, man brauche sich nicht zu kümmern: Die Kriegsflüchtlinge würden eines Tages in ihre Heimat zurückkehren. Bekanntermaßen hat die Geschichte einen anderen Verlauf genommen, und während Integrationsversagen und Kriminalität auf so ungute Weise ineinandergreifen, dass Diskussionen zum Thema entweder mit ideologischen Scheuklappen oder mit Schaum vorm Mund geführt werden, lässt sich die Lage in Zahlen fassen. Zwar schickt das Berliner Landeskriminalamt voraus, dass man nicht gegen sogenannte Clans ermittle, sondern gegen einzelne Straftäter. Die Mehrheit der Mitglieder arabischer Großfamilien ist zudem strafrechtlich unbelastet.
Aber von etwa 25 arabischen Großfamilien in Berlin, die jeweils 50 bis 500 Mitglieder zählen, gelten sechs als besonders kriminell. Und die besonders auffälligen Mitglieder dieser Familien haben nach Polizeiangaben in einem Zeitraum von drei Jahren durchschnittlich je fünf Straftaten verübt; einzelne brachten es sogar auf zehn. Arnold Mengelkoch, Migrationsbeauftragter von Neukölln, rechnet so: Von den 204 jugendlichen Serienstraftätern im Bezirk hat fast die Hälfte einen arabischen Namen.
Der innere Zusammenhalt der Familien ist Teil des Teufelskreises
Deutlicher noch fällt die Bilanz des Landeskriminalamts Bremen aus: Von 2600 „Mhallamiye-Kurden“ sind 1100 straffällig geworden, wobei die Bezeichnung klarstellt, dass die umstrittenen arabischen Familien ursprünglich aus den Kurdengebieten der Türkei emigrierten. Ganz gleich, ob einzelne Mitglieder heute die libanesische, die deutsche oder gar keine Staatsangehörigkeit haben - die Namen, die Ermittler in Städten wie Berlin und Bremen beschäftigen, sind oft die gleichen. Andreas Weber, Leiter der Kriminalpolizei in Bremen, nennt klassische Delikte der organisierten Kriminalität: Drogen, Straftaten im Rotlichtmilieu, Schutzgelderpressung. Er beschreibt den inneren Zusammenhalt der Familien, die Abschottung nach außen und den Teufelskreis, in den schon Kinder geraten, wenn sie von kriminellen Brüdern und Onkeln instrumentalisiert und angelernt werden. Und protzige Autos lehren früh: Kriminalität scheint sich zu lohnen. Das eigentliche Markenzeichen dieser Familien aber sei ihre Gewaltbereitschaft und ihr Drohpotential. Weber sagt: „Es ist nicht nur die Kriminalität. Es ist die Machtdemonstration nach draußen.“
Das fängt an bei Verkehrskontrollen, die Streifenbeamte in diesem Milieu oft nur durchsetzen können, wenn sie Kollegen zur Unterstützung anfordern. Bei Festnahmen zieht die Polizei mitunter das Sondereinsatzkommando hinzu. Selbst wenn Ermittlern unklar bleibt, woher das Vermögen gewisser Familien stammt, die offiziell Hartz IV beziehen: Finanziert werden erstklassige Anwälte, die gerne auch Dienstaufsichtsbeschwerden auf den Weg bringen. Staatsanwälte beobachten mit Sorge, dass sich einige Strafverteidiger zunehmend wie Angestellte behandeln ließen. Und ein Sozialarbeiter sagt: „Die haben für alles ihren Sozialhansel“ - der Familienhelfer kauft ein, macht mit den Kindern Hausaufgaben, und im Idealfall werden die Kleinen zum Mittagessen in den Jugendclub geschickt.
Einschlägige Nachnamen wirken
Neukölln gibt unterdessen viel Geld für private Sicherheitsfirmen aus, die vor den Schultoren Wache schieben, damit nicht bei jedem Pausenhofkonflikt die großen Brüder zu Hilfe gerufen werden. „Die Angstmacherei ragt in den Schulbereich und ins Jugendamt hinein“, sagt der Migrationsbeauftragte Mengelkoch. Und: „Jeder Intensivtäter wirft seine Schatten.“ Im Wohnhaus. In der Schule. Im Jugendclub. Wie Sozialarbeiter in Neukölln berichten, werden Jugendliche mit einschlägigen Nachnamen ausnehmend freundlich behandelt. Eine Cola vielleicht, kleine Massage gefällig? Jeder Wunsch ist da Befehl. Aber wann immer möglich, geht die arabische Mehrheitsjugend dem Mafianachwuchs aus dem Weg.
Auch vor Gericht kommt es zum Kräftemessen. Erster Prozesstag im Schießereiverfahren Emser Straße: Fünf Angeklagte - vier davon sind Brüder einer libanesisch-kurdischen Großfamilie, deren Nachname zufällig auch mit R beginnt - werden durch zehn Rechtsanwälte vertreten, die fast durchgängig der ersten Liga Berliner Strafverteidiger angehören. Hauptvorwurf: gefährliche Körperverletzung. Die Justizwachtmeister begrüßen die Beschuldigten wie alte Bekannte, man frotzelt, Bezeichnungen wie „Promi“ und „Chef“ stellen klar, wer hier die Uniform und wer natürliche Autorität besitzt. Die Verteidiger raten, auf Kusshändchen und andere große Gesten gen Zuschauerraum zu verzichten, was nur bedingt gelingt. Im Publikum sitzen regelmäßig Freunde und weitere Brüder der Angeklagten.
Wer sind hier eigentlich die Angeklagten?
Zweiter Prozesstag: Ein Anwalt attackiert den Staatsanwalt, der versucht haben soll, seinen Mandanten zu beeinflussen. Wie sich herausstellt, hat der Verteidiger die Fakten nicht richtig dargestellt. Aber vorübergehend sieht es so aus, als stehe der Vertreter der Anklage am Pranger. Das Gericht schmettert den Antrag ab.
Dritter Prozesstag: Nidals zwei jüngere Brüder, die die Aussage verweigern werden, können erst am Nachmittag vernommen werden. Vorher zitieren die Verteidiger zwei Zivilpolizisten in den Zeugenstand, die im Zuschauerraum gesessen hatten. Der Verdacht: Sie könnten polizeiliche Zeugen mit Informationen versorgen, um den Prozess zu beeinflussen. Plötzlich befinden sich die Beamten im Kreuzverhör. Schneidende Fragen, Anwälte mit erhobenem Zeigefinger und Oberlehrerblick. Wer sind hier eigentlich die Angeklagten?
In einer Prozesspause baut sich der Beschuldigte Abdallah K. vor den Polizisten auf. Er grinst breit: „Die haben Sie ja richtig in die Mangel genommen“, sagt er. Der Ermittler verteidigt sich: „Das ist eine schöne Art, vom eigentlichen Prozessgeschehen abzulenken. Das machen Anwälte ja gern.“
Die Familie fühlt sich allein wegen ihres Namens verfolgt
Beides stimmt. Der Punktsieg geht aber an die Strafverteidiger. Dass die Polizei Prozesse beobachtet, ist zwar legitim. Aber wer wie diese Beamten an den Ermittlungen beteiligt war und deshalb als Zeuge in Frage kommt, darf nicht in der Hauptverhandlung sitzen. Selbst schuld, wer sich diese Blöße gibt. Schwerer noch wiegt die symbolische Niederlage: Repräsentanten des Rechtsstaats mit dem Rücken zur Wand, und das über Stunden, vor Publikum. „Die sind auch nicht so sauber, wie sie aussehen“, triumphiert einer der Angeklagten. „Die sind Lügner“, kommentiert ein Bruder aus dem Zuschauersaal.
In der Vergangenheit sind Mitglieder der Familie R. wiederholt mit spektakulären Einbrüchen in Verbindung gebracht worden. Jetzt fühlen sie sich allein ihres Namens wegen verfolgt. Die Angeklagten sind zwischen 27 und 42 Jahre alt; kräftige Körper, kantige Stirnen und gerundete Bäuche. Ein Koch, ein Autolackierer, zwei haben keinen Beruf gelernt. Drei sind Familienväter, einer davon sitzt in Untersuchungshaft, weil er geschossen haben soll. Die Hemden sind gebügelt, das Deutsch wird besser, je jünger sie sind. Der Älteste tritt Journalistinnen gegenüber unverschämt auf. Die anderen machen einen sympathischen Eindruck und geben sich verbindlich.
Der Bruder will vor Gericht etwas loswerden
Einer der älteren Brüder, der nichts mit der Schießerei zu tun hat, Betreiber einer Shisha-Bar, steht in der Mittagspause vor dem Gerichtsgebäude. Seit 27 Jahren lebe man in Neukölln, sagt der Mann, seine Brüder und Nidal seien gemeinsam aufgewachsen. Aber Nidal habe aus heiterem Himmel angegriffen. Ein jüngerer Araber tritt hinzu, offenbar will er ihn stoppen. Auf Deutsch ruft er: „Es gibt keinen Streit mehr. Die Sache hat sich erledigt. Ein Unschuldiger sitzt drinnen. Er hat nicht geschossen.“
Aber der Bruder will etwas loswerden: „Als Ausländer sieht man von Kripo als böse an. Weil wir sind Großfamilie. Aber nicht alle von Familie R. sind Kriminelle. Es gibt gut, es gibt schlecht.“ Auch die Deutschen seien nicht alle Nazis gewesen. Und niemand dürfe auf ewig für seine Vergangenheit verantwortlich gemacht werden.
Ein blutiger Streit ist kein Einzelfall
Fünfter Prozesstag: Aussage des Ermittlungsrichters, der Nidal und dessen Brüder im Dezember vernommen hat. Mit einem Bombardement aus Anträgen hatte die Verteidigung versucht, diesen Auftritt zu verhindern. Was ein Zeuge vor dem Ermittlungsrichter gesagt hat, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen, selbst wenn er in der Hauptverhandlung schweigt. Man könnte auch sagen: Der Staatsanwalt hat alles richtig gemacht und die Aussage gesichert. Und so referiert der Richter detailliert, wer laut Nidal und seinen Brüdern zu welchem Zeitpunkt ein Messer gezückt, zugeschlagen und zur Pistole gegriffen haben soll.
Aber nicht nur das. Ein Einblick in die Welt arabischer Großfamilien: Nidal will sich geärgert haben, dass sein Kumpel Abdallah K. als Starthilfe nach der Haftentlassung Geld für ihn gesammelt hat. Er will ihn zur Rede stellen, Abdallah K. verlegt die Begegnung in das Café Sindbad an der Emser Straße, das die Familie R. betreibt. Dort eskaliert die Sache. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Streit zwischen Nidal und den R.s gewaltsam ausgetragen wird.
„Wir arbeiten nicht mit den Behörden“
Noch auf dem Weg ins Krankenhaus versichert der angeschossene Nidal einem der Brüder R. telefonisch, man werde bei der Polizei keine Angaben machen. Erst als die Ermittler ihn mit der Tatsache konfrontieren, dass die Gegenseite ihn als Schützen beschuldigt, entschließt er sich zur Aussage: „Es kann doch nicht sein, wir sind immer unschuldig, und wir gehen immer in den Knast“, sagt er dem Richter. Damit sich auch seine beiden Brüder äußern, ist es nötig, dass Nidal, der Älteste, den anderen eine Erlaubnis erteilt.
Unterdessen wollen die Brüder R. Nidal offenbar mit allen Mitteln bewegen, seine Anzeige zu widerrufen. Ihm sei Geld geboten worden. Man sei an seinen kranken Vater herangetreten. Geistliche Autoritäten, sogenannte Friedensrichter, wurden eingeschaltet. Aber aufgrund seiner Vorgeschichte - „Die haben mich halb totgeschlagen, und ich habe vier Jahre im Gefängnis gesessen“ - widersetzt sich Nidal der gängigen Regel, die der Ermittlungsrichter so referiert: „Das machen wir mit den Familien unter uns. Wir arbeiten nicht mit den Behörden.“ Was also ist passiert, dass Nidal ein halbes Jahr später schweigt?
Triumph der Paralleljustiz?
„Was uns Probleme macht, ist, dass die die deutsche Strafjustiz nicht anerkennen, sondern aushebeln“, sagt Oberstaatsanwalt Kamstra. Ermittler wissen, dass Zeugen mit Geld oder Drohungen zum Schweigen bewogen werden. Anwälte behaupten, Falschaussagen würden zwischen arabischen Großfamilien inzwischen als Druckmittel eingesetzt: Wer Anzeige erstattet, kann im Schlichtungsverfahren zwischen den Familienältesten seinen Preis für die Rücknahme fordern. Fakt ist, dass am Anfang von Prozessen gegen Mitglieder arabischer Großfamilien oft schwere Anklagevorwürfe stehen. Am Ende kommen Bagatellstrafen heraus.
Im Schießereiprozess Emser Straße hat das Landgericht vergangenen Dienstag angeordnet, den mutmaßlichen Schützen R. aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Es ist der elfte Verhandlungstag. Der Verteidigung ist es zwischenzeitlich nicht nur gelungen, der Polizei unsaubere Arbeit nachzuweisen. Offenbar hat sie es auch geschafft, Nidals Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Triumph der Paralleljustiz? Bedeutet ein Friedensschluss zwischen arabischen Großfamilien zwangsläufig, dass Straftäter nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können? Für alle Ermittler ist die Entscheidung ein Schlag ins Gesicht. Im Publikum, bei den Freunden und Brüdern der Familie R., brandet Jubel auf.
Arabische Kriminelle in Deutschland: Das regeln wir unter uns - Kriminalität - Gesellschaft - FAZ.NET
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und manche wundern sich warum sarazzin so erfolgreich ist...
Viele Serienstraftäter in größeren Städten entstammen arabischen Großfamilien. Mit Gewalt, Geld und guten Anwälten hebeln die Clans mitunter das Justizsystem aus. Wie das ablaufen kann, veranschaulicht ein Prozess in Berlin.
Was zum Höhepunkt des Prozesses hätte werden können, dauert keine fünf Minuten. Am fünften Verhandlungstag des Verfahrens, das vom Gericht mit „Schießerei bei Auseinandersetzung zwischen zwei Großfamilien“ überschrieben ist, tritt der wichtigste Zeuge auf.
Dieser Mann kennt die Hintergründe des Geschehens. Seine Aussage könnte Einblicke liefern in Gepflogenheiten und Rivalitäten arabischer Clans. Die Sicherheitsvorkehrungen für den Saal 500 im Berliner Landgericht sind streng. Nidal R. ist der bekannteste Intensivtäter der Stadt. Erst das öffentliche Entsetzen über seine kriminelle Karriere hatte einst dazu geführt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft auf jugendliche Mehrfachtäter mit einem abgestimmten Konzept reagieren.
Ein bulliger Typ, der als Opfer auftritt
Nidal R. ist heute 29 Jahre alt, ein bulliger Typ mit getrimmtem Vollbart, der Jeans und Lederweste trägt. Der staatenlose Palästinenser kommt aus der Justizvollzugsanstalt Tegel, wo er eine kurze Strafe verbüßt für einen Vorfall während seines jüngsten Gefängnisaufenthalts. Trotzdem erscheint Nidal R. an diesem Dienstag nicht als Täter, sondern als Opfer vor Gericht. Am Abend des 11. November vergangenen Jahres hat er vor einem kleinen Café an der Emser Straße in Neukölln zwei Schüsse abbekommen. Ein Projektil streifte seine Wade, das andere durchschlug die Sohle seines Turnschuhs und blieb in der Ferse stecken.
„Haben Sie einen Beruf erlernt?“, fragt die Richterin.
„Keinen“, sagt Nidal R.
„Üben Sie einen aus?“
Nidal R. schüttelt den Kopf.
„Sie dürfen schweigen, aber nicht lügen“, sagt die Richterin dann im Zuge ihrer vorgeschriebenen Belehrungen. „Wollen Sie sich äußern?“
Nidal R. beugt sich vor zum Mikrofon. Seine Stimme ist laut und klar. „Nein“, sagt er. Wie ein schlendernder Gorilla verlässt er den Saal.
Arabische Großfamilien sind eine Herausforderung für die Justiz
Die Anklage stützt sich maßgeblich auf Nidals Aussage vor den Ermittlern - doch jetzt beruft er sich auf sein Schweigerecht. Und das Verblüffendste an der gescheiterten Vernehmung: Keiner im Saal scheint sich zu wundern. Der Staatsanwalt hat es kommen sehen, die Richter wirken routiniert, nicht einmal die Angeklagten machen einen erleichterten Eindruck.
Das Reizthema „arabische Großfamilien“ stellt die Justiz vor neue Herausforderungen. Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra spricht von einem „Kriminalitätsphänomen, das uns zunehmend Kopfzerbrechen bereiten muss“. Der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Berlin sagt: „Wir beobachten, dass diese Familien aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten und ihres Drohpotentials in der Lage sind, Beweismittel scheinbar beliebig zu beeinflussen.“
Von 25 Großfamilien gelten sechs als besonders kriminell
Schon in den neunziger Jahren warnte die Berliner Polizei den Bezirk Neukölln vor einem Dutzend libanesisch-kurdischer Familien, aber es hieß, man brauche sich nicht zu kümmern: Die Kriegsflüchtlinge würden eines Tages in ihre Heimat zurückkehren. Bekanntermaßen hat die Geschichte einen anderen Verlauf genommen, und während Integrationsversagen und Kriminalität auf so ungute Weise ineinandergreifen, dass Diskussionen zum Thema entweder mit ideologischen Scheuklappen oder mit Schaum vorm Mund geführt werden, lässt sich die Lage in Zahlen fassen. Zwar schickt das Berliner Landeskriminalamt voraus, dass man nicht gegen sogenannte Clans ermittle, sondern gegen einzelne Straftäter. Die Mehrheit der Mitglieder arabischer Großfamilien ist zudem strafrechtlich unbelastet.
Aber von etwa 25 arabischen Großfamilien in Berlin, die jeweils 50 bis 500 Mitglieder zählen, gelten sechs als besonders kriminell. Und die besonders auffälligen Mitglieder dieser Familien haben nach Polizeiangaben in einem Zeitraum von drei Jahren durchschnittlich je fünf Straftaten verübt; einzelne brachten es sogar auf zehn. Arnold Mengelkoch, Migrationsbeauftragter von Neukölln, rechnet so: Von den 204 jugendlichen Serienstraftätern im Bezirk hat fast die Hälfte einen arabischen Namen.
Der innere Zusammenhalt der Familien ist Teil des Teufelskreises
Deutlicher noch fällt die Bilanz des Landeskriminalamts Bremen aus: Von 2600 „Mhallamiye-Kurden“ sind 1100 straffällig geworden, wobei die Bezeichnung klarstellt, dass die umstrittenen arabischen Familien ursprünglich aus den Kurdengebieten der Türkei emigrierten. Ganz gleich, ob einzelne Mitglieder heute die libanesische, die deutsche oder gar keine Staatsangehörigkeit haben - die Namen, die Ermittler in Städten wie Berlin und Bremen beschäftigen, sind oft die gleichen. Andreas Weber, Leiter der Kriminalpolizei in Bremen, nennt klassische Delikte der organisierten Kriminalität: Drogen, Straftaten im Rotlichtmilieu, Schutzgelderpressung. Er beschreibt den inneren Zusammenhalt der Familien, die Abschottung nach außen und den Teufelskreis, in den schon Kinder geraten, wenn sie von kriminellen Brüdern und Onkeln instrumentalisiert und angelernt werden. Und protzige Autos lehren früh: Kriminalität scheint sich zu lohnen. Das eigentliche Markenzeichen dieser Familien aber sei ihre Gewaltbereitschaft und ihr Drohpotential. Weber sagt: „Es ist nicht nur die Kriminalität. Es ist die Machtdemonstration nach draußen.“
Das fängt an bei Verkehrskontrollen, die Streifenbeamte in diesem Milieu oft nur durchsetzen können, wenn sie Kollegen zur Unterstützung anfordern. Bei Festnahmen zieht die Polizei mitunter das Sondereinsatzkommando hinzu. Selbst wenn Ermittlern unklar bleibt, woher das Vermögen gewisser Familien stammt, die offiziell Hartz IV beziehen: Finanziert werden erstklassige Anwälte, die gerne auch Dienstaufsichtsbeschwerden auf den Weg bringen. Staatsanwälte beobachten mit Sorge, dass sich einige Strafverteidiger zunehmend wie Angestellte behandeln ließen. Und ein Sozialarbeiter sagt: „Die haben für alles ihren Sozialhansel“ - der Familienhelfer kauft ein, macht mit den Kindern Hausaufgaben, und im Idealfall werden die Kleinen zum Mittagessen in den Jugendclub geschickt.
Einschlägige Nachnamen wirken
Neukölln gibt unterdessen viel Geld für private Sicherheitsfirmen aus, die vor den Schultoren Wache schieben, damit nicht bei jedem Pausenhofkonflikt die großen Brüder zu Hilfe gerufen werden. „Die Angstmacherei ragt in den Schulbereich und ins Jugendamt hinein“, sagt der Migrationsbeauftragte Mengelkoch. Und: „Jeder Intensivtäter wirft seine Schatten.“ Im Wohnhaus. In der Schule. Im Jugendclub. Wie Sozialarbeiter in Neukölln berichten, werden Jugendliche mit einschlägigen Nachnamen ausnehmend freundlich behandelt. Eine Cola vielleicht, kleine Massage gefällig? Jeder Wunsch ist da Befehl. Aber wann immer möglich, geht die arabische Mehrheitsjugend dem Mafianachwuchs aus dem Weg.
Auch vor Gericht kommt es zum Kräftemessen. Erster Prozesstag im Schießereiverfahren Emser Straße: Fünf Angeklagte - vier davon sind Brüder einer libanesisch-kurdischen Großfamilie, deren Nachname zufällig auch mit R beginnt - werden durch zehn Rechtsanwälte vertreten, die fast durchgängig der ersten Liga Berliner Strafverteidiger angehören. Hauptvorwurf: gefährliche Körperverletzung. Die Justizwachtmeister begrüßen die Beschuldigten wie alte Bekannte, man frotzelt, Bezeichnungen wie „Promi“ und „Chef“ stellen klar, wer hier die Uniform und wer natürliche Autorität besitzt. Die Verteidiger raten, auf Kusshändchen und andere große Gesten gen Zuschauerraum zu verzichten, was nur bedingt gelingt. Im Publikum sitzen regelmäßig Freunde und weitere Brüder der Angeklagten.
Wer sind hier eigentlich die Angeklagten?
Zweiter Prozesstag: Ein Anwalt attackiert den Staatsanwalt, der versucht haben soll, seinen Mandanten zu beeinflussen. Wie sich herausstellt, hat der Verteidiger die Fakten nicht richtig dargestellt. Aber vorübergehend sieht es so aus, als stehe der Vertreter der Anklage am Pranger. Das Gericht schmettert den Antrag ab.
Dritter Prozesstag: Nidals zwei jüngere Brüder, die die Aussage verweigern werden, können erst am Nachmittag vernommen werden. Vorher zitieren die Verteidiger zwei Zivilpolizisten in den Zeugenstand, die im Zuschauerraum gesessen hatten. Der Verdacht: Sie könnten polizeiliche Zeugen mit Informationen versorgen, um den Prozess zu beeinflussen. Plötzlich befinden sich die Beamten im Kreuzverhör. Schneidende Fragen, Anwälte mit erhobenem Zeigefinger und Oberlehrerblick. Wer sind hier eigentlich die Angeklagten?
In einer Prozesspause baut sich der Beschuldigte Abdallah K. vor den Polizisten auf. Er grinst breit: „Die haben Sie ja richtig in die Mangel genommen“, sagt er. Der Ermittler verteidigt sich: „Das ist eine schöne Art, vom eigentlichen Prozessgeschehen abzulenken. Das machen Anwälte ja gern.“
Die Familie fühlt sich allein wegen ihres Namens verfolgt
Beides stimmt. Der Punktsieg geht aber an die Strafverteidiger. Dass die Polizei Prozesse beobachtet, ist zwar legitim. Aber wer wie diese Beamten an den Ermittlungen beteiligt war und deshalb als Zeuge in Frage kommt, darf nicht in der Hauptverhandlung sitzen. Selbst schuld, wer sich diese Blöße gibt. Schwerer noch wiegt die symbolische Niederlage: Repräsentanten des Rechtsstaats mit dem Rücken zur Wand, und das über Stunden, vor Publikum. „Die sind auch nicht so sauber, wie sie aussehen“, triumphiert einer der Angeklagten. „Die sind Lügner“, kommentiert ein Bruder aus dem Zuschauersaal.
In der Vergangenheit sind Mitglieder der Familie R. wiederholt mit spektakulären Einbrüchen in Verbindung gebracht worden. Jetzt fühlen sie sich allein ihres Namens wegen verfolgt. Die Angeklagten sind zwischen 27 und 42 Jahre alt; kräftige Körper, kantige Stirnen und gerundete Bäuche. Ein Koch, ein Autolackierer, zwei haben keinen Beruf gelernt. Drei sind Familienväter, einer davon sitzt in Untersuchungshaft, weil er geschossen haben soll. Die Hemden sind gebügelt, das Deutsch wird besser, je jünger sie sind. Der Älteste tritt Journalistinnen gegenüber unverschämt auf. Die anderen machen einen sympathischen Eindruck und geben sich verbindlich.
Der Bruder will vor Gericht etwas loswerden
Einer der älteren Brüder, der nichts mit der Schießerei zu tun hat, Betreiber einer Shisha-Bar, steht in der Mittagspause vor dem Gerichtsgebäude. Seit 27 Jahren lebe man in Neukölln, sagt der Mann, seine Brüder und Nidal seien gemeinsam aufgewachsen. Aber Nidal habe aus heiterem Himmel angegriffen. Ein jüngerer Araber tritt hinzu, offenbar will er ihn stoppen. Auf Deutsch ruft er: „Es gibt keinen Streit mehr. Die Sache hat sich erledigt. Ein Unschuldiger sitzt drinnen. Er hat nicht geschossen.“
Aber der Bruder will etwas loswerden: „Als Ausländer sieht man von Kripo als böse an. Weil wir sind Großfamilie. Aber nicht alle von Familie R. sind Kriminelle. Es gibt gut, es gibt schlecht.“ Auch die Deutschen seien nicht alle Nazis gewesen. Und niemand dürfe auf ewig für seine Vergangenheit verantwortlich gemacht werden.
Ein blutiger Streit ist kein Einzelfall
Fünfter Prozesstag: Aussage des Ermittlungsrichters, der Nidal und dessen Brüder im Dezember vernommen hat. Mit einem Bombardement aus Anträgen hatte die Verteidigung versucht, diesen Auftritt zu verhindern. Was ein Zeuge vor dem Ermittlungsrichter gesagt hat, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen, selbst wenn er in der Hauptverhandlung schweigt. Man könnte auch sagen: Der Staatsanwalt hat alles richtig gemacht und die Aussage gesichert. Und so referiert der Richter detailliert, wer laut Nidal und seinen Brüdern zu welchem Zeitpunkt ein Messer gezückt, zugeschlagen und zur Pistole gegriffen haben soll.
Aber nicht nur das. Ein Einblick in die Welt arabischer Großfamilien: Nidal will sich geärgert haben, dass sein Kumpel Abdallah K. als Starthilfe nach der Haftentlassung Geld für ihn gesammelt hat. Er will ihn zur Rede stellen, Abdallah K. verlegt die Begegnung in das Café Sindbad an der Emser Straße, das die Familie R. betreibt. Dort eskaliert die Sache. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Streit zwischen Nidal und den R.s gewaltsam ausgetragen wird.
„Wir arbeiten nicht mit den Behörden“
Noch auf dem Weg ins Krankenhaus versichert der angeschossene Nidal einem der Brüder R. telefonisch, man werde bei der Polizei keine Angaben machen. Erst als die Ermittler ihn mit der Tatsache konfrontieren, dass die Gegenseite ihn als Schützen beschuldigt, entschließt er sich zur Aussage: „Es kann doch nicht sein, wir sind immer unschuldig, und wir gehen immer in den Knast“, sagt er dem Richter. Damit sich auch seine beiden Brüder äußern, ist es nötig, dass Nidal, der Älteste, den anderen eine Erlaubnis erteilt.
Unterdessen wollen die Brüder R. Nidal offenbar mit allen Mitteln bewegen, seine Anzeige zu widerrufen. Ihm sei Geld geboten worden. Man sei an seinen kranken Vater herangetreten. Geistliche Autoritäten, sogenannte Friedensrichter, wurden eingeschaltet. Aber aufgrund seiner Vorgeschichte - „Die haben mich halb totgeschlagen, und ich habe vier Jahre im Gefängnis gesessen“ - widersetzt sich Nidal der gängigen Regel, die der Ermittlungsrichter so referiert: „Das machen wir mit den Familien unter uns. Wir arbeiten nicht mit den Behörden.“ Was also ist passiert, dass Nidal ein halbes Jahr später schweigt?
Triumph der Paralleljustiz?
„Was uns Probleme macht, ist, dass die die deutsche Strafjustiz nicht anerkennen, sondern aushebeln“, sagt Oberstaatsanwalt Kamstra. Ermittler wissen, dass Zeugen mit Geld oder Drohungen zum Schweigen bewogen werden. Anwälte behaupten, Falschaussagen würden zwischen arabischen Großfamilien inzwischen als Druckmittel eingesetzt: Wer Anzeige erstattet, kann im Schlichtungsverfahren zwischen den Familienältesten seinen Preis für die Rücknahme fordern. Fakt ist, dass am Anfang von Prozessen gegen Mitglieder arabischer Großfamilien oft schwere Anklagevorwürfe stehen. Am Ende kommen Bagatellstrafen heraus.
Im Schießereiprozess Emser Straße hat das Landgericht vergangenen Dienstag angeordnet, den mutmaßlichen Schützen R. aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Es ist der elfte Verhandlungstag. Der Verteidigung ist es zwischenzeitlich nicht nur gelungen, der Polizei unsaubere Arbeit nachzuweisen. Offenbar hat sie es auch geschafft, Nidals Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Triumph der Paralleljustiz? Bedeutet ein Friedensschluss zwischen arabischen Großfamilien zwangsläufig, dass Straftäter nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können? Für alle Ermittler ist die Entscheidung ein Schlag ins Gesicht. Im Publikum, bei den Freunden und Brüdern der Familie R., brandet Jubel auf.
Arabische Kriminelle in Deutschland: Das regeln wir unter uns - Kriminalität - Gesellschaft - FAZ.NET
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