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Armeereform auf belorussisch

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ökörtilos

Guest
Frank Preiß

Armeereform auf belorussisch

oder warum manch russischer Militär neidvoll nach Westen blickt
















belarusprez.jpg




Es gehört zum Job eines Verteidigungsministers, sein Ressort und die Truppen
die er führt, in der Öffentlichkeit zu preisen. Generaloberst Leonid Malzew aus
Belarus macht da keine Ausnahme. Trotzdem dürfte das Interview, das er am
01. März diesen Jahres der zentralen russischen Armeezeitung „Krasnaja
Swesda“ gab, nicht nur seinem Moskauer Amtskollegen Sergej Iwanow verdeutlicht
haben, dass der Nachbar offensichtlich das einzige postsowjetische Land
ist, in dem eine Militärreform nicht nur auf dem Papier steht.
Für Eingeweihte ist es schon lange kein Geheimnis, dass der bislang treueste
Verbündete der Russischen Föderation (RF) und das tatkräftige Mitglied des
„Vertrages über die kollektive Sicherheit“ 1 von der Öffentlichkeit fast unbemerkt
vollbringt, wovon in Russland meist nur gesprochen wird. Die Schaffung
von Streitkräften, die den politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Anforderungen
des 21. Jahrhunderts, jedenfalls nach Minsker Verständnis, gewachsen
sein sollen. Bemerkenswerterweise übernahmen die Belorussen vom
sowjetischen Erbe nur, was in ihre Konzeption passte und ahmten auch die
„westlichen“ Streitkräfte nicht nach. Die chaotische und bislang weitgehend erfolglose
Militärreform in Russland, von den anderen postsowjetischen Staaten
ganz zu schweigen, mag den Akteuren in Minsk immer als warnendes Beispiel
vor Augen gestanden haben.
Gewaltiges Waffenarsenal
Als der Oberste Sowjet der Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik am
25. August 1991, nach dem „Augustputsch“ in Moskau, die staatliche Souveränität
beschloss und das Land sich ab dem 19. September 1991 Republik Belarus
nannte, befand sich dort eine der gewaltigsten Truppenkonzentrationen
der Welt, der belorussische Militärbezirk. Dieser bildete einen Hauptteil der
zweiten Staffel der strategischen Verteidigung und wurde in Insiderkreisen
auch der gepanzerte Militärbezirk genannt. Und das war keineswegs eine Übertreibung.
Zu ihm gehörten unter anderem die 5.Gardepanzerarmee, die
7.Panzerarmee, die 28. Armee, ein Großteil der 2. Luftabwehrarmee und die
28. Luftarmee. Am 17. Juli 1992 dienten in der am 20. März 1992 2gegründeten
Armee Belarus immer noch über 170.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte.
Man besaß ein unglaubliches Waffenarsenal: 3.457 Panzer, 3.824 Schützenpanzer,
1.562 Artilleriesysteme, 390 Kampfflugzeuge, 79 Kampfhubschrauber.
Anders als in den andren ehemaligen Sowjetrepubliken verlief der Prozess des
Militärumbaus, der zunächst nur ein Abbau war, relativ geordnet, transparent
und unspektakulär. Im November 1992 wurden mit dem „Gesetz über die Verteidigung“
und dem „Gesetzt über die Allgemeine Wehrpflicht“ weitere wichtige
rechtliche Grundlagen geschaffen.


1 Am 15. Mai 1992 von Armenien, Belarus, Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan, Russland und Tadschikistan unterzeichnet.
Später traten Aserbaidschan und Georgien bei.
2 An diesem Tag wurde das Gesetz „Über die Streitkräfte der Republik Belarus“ vom Parlament in Minsk beschlossen.


Die Impulse zum Militärumbau kamen zu Beginn der 1990er Jahre jedoch
nicht so sehr von der politischen und militärischen Führung des Landes, als
viel mehr von außen, so durch den „Vertrag über die konventionelle Bewaffnung
in Europa“, der 1992 den Umfang der konventionellen Bewaffnung der
Nachfolgestaaten der UdSSR reglementierte. Danach wurden Belarus als Obergrenze
1.800 Panzer, 2.600 gepanzerte Fahrzeuge, 1.615 Geschütze, 260
Kampfflugzeuge und 80 Kampfhubschrauber zugestanden. Diese Obergrenze
wurde Anfang 1996 erreicht. Nach zwei großen Kampagnen der Auflösung von
Truppenteilen und der Verschrottung von Militärtechnik zählten Belarus’
Truppen 1997 schließlich noch 83.000 Mann. Die vormals auf dem Staatsgebiet
vorhandenen Kernwaffen und deren Einsatzmittel überführte man bis
1996 vollständig nach Russland und Belarus ist seither kernwaffenfrei. Erst
nach 1995 traten immer stärker originelle Züge und Eigenheiten einer spezifisch
belorussischen Militärreform zutage, zunächst vor allem in den Organisationsstrukturen.
Die Allgemeinen- und Panzerarmeen wurden aufgelöst und in das 28. und 65.
Armeekorps umgewandelt. 2001 bildeten diese schließlich den Kern der neu
geschaffenen Westlichen und Nordwestlichen Operativen Kommandos. Seit Dezember
2001 besteht die Armee aus zwei Teilstreitkräften, den Landstreitkräften
und den Truppen der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung. Gegenwärtig zählen
diese 65.000 Angehörige (davon 15.000 Zivilangestellte), 1.778 Panzer, 2.513
Schützenpanzer, 1.515 Artilleriesysteme, 152 Kampfjets und 44 Kampfhubschrauber.
Eine großer Teil der Technik und Bewaffnung ist allerdings nicht im
Einsatz, sondern langfristig konserviert.
Auffällig sind die geringen Militärausgaben Belarus’ von bisher nur etwa 1,1 %
des BIP. Russland wendet dafür 3,06 % auf. Von den postsowjetischen Staaten
hat nur Turkmenistan mit 0,6% weniger Militärausgaben als Belarus (Stand
2005). Allerdings sollen die Ausgaben für die belorussischen Truppen künftig
jährlich um etwa 0,1 % des Bruttoinlandproduktes steigen. Weil das weißrussische
BIP in den letzen fünf Jahren zwischen 3,4 (1999) und 11% (2004) zulegte,
wachsen die Militärausgaben aber stärker, als es auf den ersten Blick erscheint.
Allerdings liegt die Wirtschaftskraft Belarus’, nicht zuletzt infolge des
rasanten Niederganges nach 1991, noch unter dem europäischen Durchschnitt.
Auf den ersten Blick haben wir es also mit einer kleinen Armee zu tun, deren
Kernausrüstung dem Stand der Kriegskunst von vor 30 Jahren entspricht.
Was aber lässt russische Militärs, die wohl besten ausländischen Kenner der
Streitmacht der Belarus, immer wieder mit Hochachtung, ja Bewunderung von
ihren westlichen Waffenbrüdern berichten?
Die Ursache dafür liegt offensichtlich nicht (nur) in der materiellen Ausstattung
und Struktur der belorussischen Armee. Es sind auch deren Akzeptanz bei der
Bevölkerung, die soziale Lage der Militärhanggehörigen, das System der personellen
Auffüllung und der Ausbildung, die Leistungen des „kleinen Bruders“
bei den gemeinsamen Übungen, die viele russische Soldaten nachdenklich
werden lassen. Russische Politiker müssen sich daher zu Hause auch den Vergleich
mit ihren belorussischen Amtskollegen gefallen lassen, wenn es um die
Militärpolitik geht.

Auch denjenigen, die mit der unglaublich überlegenen Militärmacht der NATO
immer weiter an Russlands Grenzen vorrücken und dabei vorgeben, nichts Böses
im Schilde zu führen, sind die Militärpolitik der Belarus und deren Kooperation
mit Russland ein Dorn im Auge. Unterschwellig wird immer noch das
Gespenst der Gefahr aus dem Osten an die Wand gemalt, obwohl diese nicht
einmal von Russland ausgeht, vom militärischen Zwerg Belarus ganz zu
schweigen.
Was ist es also, das so Manchen im Westen in diesem Kontext mit Argwohn
und voller Unruhe auf Weißrussland und dessen Armee blicken lässt? Was
stört sie und ihre Pläne?
Gesellschaftliche Akzeptanz
Zunächst fällt eine außergewöhnlich positive Einstellung der weißrussischen
Bevölkerung zu ihrer Armee ins Auge. Das ist einerseits historisch bedingt: Für
die meisten Belorussen ist der Sieg der Sowjetarmee gegen die faschistischen
Okkupanten nach wie vor ein wertvolles und behütenswertes historisches Erbe.
Darüber hinaus hat die belorussische Führung seit über 10 Jahren, im Gegensatz
zu Russland, weitgehend verhindert, dass die Armee in politische Fraktionskämpfe
verwickelt oder an den gesellschaftlichen Rand gedrängt wird. In
Belarus wurden nicht nur Ärzte und Lehrer, sondern auch Soldaten und Offiziere,
anders als beim östlichen Nachbarn, selbst in den 1990er Jahren, regelmäßig
und vergleichsweise gut bezahlt. Die Gehälter der weißrussischen Militärs
lagen etwa 25% über denen ihrer russischen Kollegen. Der „Mann mit den
Gewehr“ wurde in Belarus der Gesellschaft nicht als Bettler vorgeführt, die
Armee nicht pauschal als Lumpen- und Diebesgesindel verunglimpft, wie es in
vielen postsowjetischen Staaten nicht selten der Fall war und ist.
Nicht weniger bedeutsam ist, dass die Kompetenzen in Minsk klar abgegrenzt
sind. Das Verteidigungsministerium hat die politischen Vorgaben von Präsident
und Parlament umzusetzen und der Generalstab ist diesem nachgeordnet,
fungiert als operatives Führungsorgan und hat das Zusammenwirken mit anderen
Staatsorganen zu koordinieren. Während sich in Russland Verteidigungsministerium
und Generalstab mitunter erbittert bekriegen und gegenseitig
blockieren, um dann wieder gemeinsam die egoistischen Gruppeninteressen
der mehrtausendköpfigen Generalität beider Institutionen durchsetzen, ist
derartiges aus Belarus nicht bekannt.
Weder dem Verteidigungsminister Generaloberst Leonid Malzew, noch dessen
Erstem Stellvertreter, Generalstabschef Sergej Gurulew, käme es wohl in den
Sinn, gegen das Primat der Politik öffentlich zu opponieren, wie es sich ihre ehemaligen
Kameraden der Sowjetarmee und jetzigen Spitzenmilitärs der russischen
Armee nicht selten herausnehmen. Das wird gern mit dem autoritären
Führungsstil des Präsidenten Lukaschenko begründet, was zum Teil auch
stimmen mag, aber nicht die ganze Wahrheit ist. Belarus hatte 1992 einfach
das Glück, weder den UdSSR-Generalstab noch das sowjetische Verteidigungsministerium
mit dessen aufgeblähtem Bürokratenapparat zu erben. Die
Generale des Belorussischen Rotbanner-Militärbezirkes, aus denen sich die
jetzige Führung der Armee Belarus’ vorrangig rekrutiert, waren im Gegensatz
zu vielen „Lamettaträgern“ in der Moskauer Zentrale erprobte Truppenführer
und hatten ihr Handwerk von der Biege auf gelernt.

Reine Verteidigungsarmee
Aber auch was die militärpolitischen Grundsatzkonzeptionen betrifft, überrascht
Belarus. Besonders der Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien
1999 als auch die Vorbereitung und Durchführung des Irakkrieges
haben in Belarus das konzeptionelle militärtheoretische und militärpolitische
Denken geprägt und die Formulierung einer eigenständigen Militärpolitik sichtlich
beschleunigt.
Am 12. Dezember 2001 wurden die neuen Militärdoktrin Belarus’ vom Parlament
angenommen, nachdem vorher bereits die „Konzeption der nationalen Sicherheit
der Republik Belarus“ erneuert worden war. Im November 2001 unterschrieb
Präsident Lukaschenko schließlich die „Konzeption des Aufbaus der
Streitkräfte der Republik Belarus bis 2010“ und weitere konzeptionelle Vorgaben
für die Streitkräfte. Schaut man sich diese und die nachfolgenden
Grundsatzdokumente an, dann ist unstrittig, dass es sich hier um reine Verteidigungskonzeptionen
handelt. Kampfeinsätze außerhalb des eigenen Territoriums
sind nicht gestattet. Im Bündnis mit der Kernwaffenmacht Russland
sieht man die Garantie dafür, dass auch vielfach überlegene Staaten und Staatengruppierungen
wie die NATO eine militärische Aktion gegen Belarus als aussichtslos
beurteilen müssen. Die militärische Allianz mit Russland ist ein wichtiger
Kernpunkt der Sicherheitspolitik der jetzigen Minsker Regierung, während
Teile der rechten Opposition eine Annäherung an die NATO bevorzugen. Die
Republik Belarus bekennt sich nachdrücklich zum Völkerrecht und zur Rolle
der UNO bei der Regelung strittiger Fragen. Dabei werden die Machtverhältnisse
in den internationalen Organisationen realistisch bewertet.
Neuartiges Milizsystem
Erwähnenswert sind das System der Auffüllung und Ausbildung der Streitkräfte
Belarus’, sowie ein völlig neuartiger Reservistendienst. Dieser wurde erstmalig
2004 erprobt. 820 Reservisten leisteten parallel zu ihrer zivilen Tätigkeit ihren
Wehrdienst. In diesem Jahr sollen schon 3.000 Soldaten die neue
Dienstart absolvieren. Vieles deutet darauf hin, dass Belarus ein bisher beispielloses
Kader-Territorial-Milizprinzip für seine Armee erprobt. Belarus hat
die allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Bürger im Alter von 18 bis 27
Jahre und will dieses Prinzip auch künftig beibehalten Der Wehrdienst in Belarus
dauert 18 Monate. Die Wehrpflichtigen werden nach dem Territorialprinzip
einberufen und dienen in der Nähe ihrer Wohnorte. Das ist offensichtlich aber
nur ein Grund, warum aus Belarus’ Truppen kaum noch von der in Russlands
Armee nach wie vor grassierenden „Dedowtschina“ 3 berichtet wird.
Auch dass seit 1995 Soldaten und Unteroffiziere als Berufssoldaten freiwillig
dienen können, mag zur Verbesserung des Klimas in der Truppe beigetragen
haben. Viel wichtiger scheint mir jedoch, dass im ganzen Land schon seit geraumer
Zeit gegen Kriminalität, Korruption und Chaos mobil gemacht wird und
sich nicht nur in der Armee Erfolge dabei zeigen. Viele Belorussen sind davon
überzeugt, dass dies erst durch die „harte und konsequente Gesetzlichkeit“ der

3 „Dedowtschina“ (von Ded, Großvater), umgangssprachlicher Begriff für ein inoffizielles System
von Misshandlung, Schikane und Ausbeutung junger Wehrpflichtiger durch „altgediente“ Kameraden,
einschließlich Offiziere, das bereits in den letzten Jahren der Sowjetarmee existierte.

jetzigen Macht möglich wurde. In diesem Kontext werden vielfach die Rückbesinnung
auf eigene, nationale Werte und die Kritik an „westlichen Tugenden“
thematisiert.
Präsident Lukaschenko, der selbst einmal als Wehrpflichtiger diente und später
zum Reserveoffizier ausgebildet wurde, lässt sich nicht nur oft in der Truppe
blicken. Er ist dort auch gern gesehen und zweifelsohne beliebt. Das hat er
unter anderem auch mit einigen außergewöhnlichen Schritten erreicht. So
wurde 1995 ein Konsultationsrat, der beachtliche Vollmachten besitzt, und
dem 49 Truppenoffiziere aller Dienstgradgruppen vom Leutnant bis zum Obersten
angehören, gegründet. Der Präsident begründete diesen Schritt mit der
notwendigen demokratischen Kontrolle der Armeeführung von unten. Am 21.
Mai 1997 konstituiert sich außerdem die „Offiziersversammlung der Streitkräfte
der Republik Belarus“. Im Beisein des Oberkommandierenden der Streitkräfte,
Präsident Lukaschenkos, wurde nicht nur die „Verordnung über die Offiziersversammlung
der Streitkräfte der Republik Belarus“ sondern auch die
„Regeln der kollektiven Ehrengerichte der Offiziere der Streitkräfte der Belarus“
verabschiedet. Das alles zeigt offensichtlich Wirkung. Die Offiziersstellen sind
gegenwärtig zu 90% besetzt. Vor drei Jahren waren es erst 78% gewesen. Anwärter
auf Unteroffiziers- und Fähnrichstellen finden sich ausreichend. Im Gegensatz
zu Russland verlassen junge Offiziere kaum mehr die Armee, sehen in
ihr eine Zukunft für sich und ihre Familien.
Stück für Stück entstand so eine Armee, die nicht nur der „Dedowtschina“ die
Stirn bieten kann, sondern sogar Militärfachleute in Erstaunen versetzt.
Auf Angriff vorbereitet
Das war spätestens im Herbst 2001 nicht mehr zu übersehen, als Belarus’
Soldaten zur operativ-taktischen Übung „Neman-2001“ ausrückten. Nein, das
war keine Medienshow, wie sie der russische Verteidigungsminister Iwanow
von Zeit zu Zeit für sich, seinen Präsidenten und die Öffentlichkeit inszeniert.
Hier eroberten nicht zwei Kompanien eine von Terroristen besetzte Brücke.
Hier waren mehrere komplette Truppenteile aller Teilstreitkräfte im „realen Gefechtseinsatz“
und es ging nicht um den Bau „potemkinscher Dörfer“. Man erprobte
die neue Verteidigungsdoktrin in der Praxis und die Anlage der Übung
zeigte, dass der angenommene Gegner technologisch hoch gerüstet war und
nicht aus einem rückständigen Land der Dritten Welt kam. Den anwesenden
Journalisten und internationalen Beobachtern wurde erklärt, dass Belarus
kein Land als wahrscheinlichen Gegner betrachte, sich auf Grund der internationalen
Entwicklung aber gezwungen sähe, sein Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen.
Letztmalig konnte sich die Öffentlichkeit im Oktober 2004 davon überzeugen,
dass Belarus die eingeschlagene Richtung hartnäckig verfolgt. Die Übung
„Schtschit Otetschestwa-2004“ (Schild der Heimat) probte erneut den
Verteidigungsernstfall. Im postsowjetischen Raum findet man keine andere
Armee, die wie die belorussische zwei Mal im Jahr mit einen Großteil der Truppen
ins Manöver zieht. Alexander Lukaschenko nahm kein Blatt vor den Mund,
als er vor Journalisten den Zweck der Übung erläuterte: „ Wir haben dem UNSicherheitsrat
ganz offen gesagt, dass uns…die Osterweiterung der NATO…und
die Schaffung von Militärstützpunkten an unserer Grenze beunruhigt. Es steht
die Frage: Warum macht man das? …Um die Antwort drückt man sich... Deshalb
üben wir! Zurzeit wird zwar keiner einen militärischen Angriff gegen das

gemeinsam mit Russland auftretende Belarus wagen. Wir sollten trotzdem umfassend
vorbereitet sein.“
Belarus vermeidet aber alles, was NATO oder USA als Provokation auffassen
könnten, ja man ist durchaus zur Kooperation bereit. So überraschte es nicht,
dass Minsk die Einladung zur Übung „Cooperative Best Effort-2005“ die unter
NATO-Ägide vom 06. bis 16. Juni in der Ukraine stattfinden wird, angenommen
hat.
Kooperation mit Russland
Russland hat mittlerweile längst erkannt, welch unschätzbaren strategischen
Stellenwert Belarus für seine nationale Sicherheit hat. Das geplante und bisher
nur zum Teil funktionierende System der gemeinsamen Luftabwehr Russland –
Belarus ist dabei eines der Kernstücke der Kooperation. Russland besitzt nur
noch ein äußerst lückenhaftes Luftabwehrsystem und auch die Kosmischen
Streitkräfte haben den Ausfall der Stationen und Komponenten im Baltikum
und anderswo niemals völlig verkraftet. In Belarus befinden sich zwei militärstrategische
Komponenten Russlands, deren Verlust nicht absehbare Folgen
haben würde. Das sind zum einen die Radarstation „Wolga“ in der Nähe von
Baranowitschi und zum anderen der Führungspunkt der Atom-U-Boot-Flotte
Russlands in Wilejka.
Mit der veränderten sicherheitspolitischen Lage und der rasanten militärtechnischen
Entwicklung drängen sich folgende Fragen auf: Wie soll die kleine Verteidigungsarmee
Belarus ausgerüstet sein? Was scheint hinreichend und was
kann man sich leisten?
Minsk geht augenscheinlich zwei Wege. Erstens werden die vorhandenen Mittel
modernisiert und zweitens sollen neue Waffen und Ausrüstungen entwickelt,
gebaut und angeschafft werden. Auch hier sucht man die Kooperation mit
Russland. Allein wäre Minsk, trotz einiger Kapazitäten, dazu schwerlich in der
Lage. Auch für Russlands Rüstung ist Belarus’ Bedeutung größer als gemeinhin
vermutet. Beide Seiten versuchen dabei, die notwendigen Investitionen und
Mittel auch mittels Rüstungsexport in Drittländer zu erwirtschaften. Was die
Modernisierung anbetrifft, so seien nur die Kampfflugzeuge MIG-29BM und
SU-27UBM1 als Beispiel genannt. Die Liste der gemeinsamen Projekte ist lang.
Alles im allem also eine eigenartige Symbiose zweier durchaus verschiedener
Partner, die in ihrem Streitkräfteumbau offensichtlich verschiedene Wege gehen.
Auf ein neues Wettrüsten kann und will man sich augenscheinlich nicht einlassen.
Abschreckende Wirkung?
Sind die Truppen der Belarus nun aber ein neuer Typus von Armee, gar eine
neue Volksarmee? Nicht angriffsfähig aber abwehrstark, klein, modern, mobil,
von der Bevölkerung nicht nur als notwendiges Übel gelitten oder als Arbeitgeber
akzeptiert, sondern als erforderlich und wichtig angenommen.
Ist eine milizartige Territorialverteidigung, die auch dezentralisiert handeln
kann, in der Lage, einen überlegenen und modern ausgerüsteten Angreifer abschrecken?

Sind gegen diese Truppen Präzisionswaffen, aus tausenden Kilometern Entfernung
abgefeuert, wirkungslos und muss der Angreifer wieder auf Nahdistanz
gehen, bei der sich die technische Überlegenheit schnell relativieren kann, wie
man im Irak sieht?
April 2005
 
Über den Autor:

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Frank Preiß, Dipl.-Ges., Dipl.-Ing. (FH), Major a. D.; Jg. 1957


1976 Abitur; 1980 Abschluss der Offiziershochschule der LaSK der NVA (Pz./Kfz.);
1980 - 1986 Truppendienst; 1986 - 1990 Studium an der Militärpolitischen Akademie in Moskau; Abschluss: Dipl.-Gesellschaftswissenschaftler.
 
Eine vorbildliche Politik, und das nicht nur was die Verteidigung betrifft.Ich denke ganz Osteuropa und somit auch Ungarn können sich hier noch eine dicke Scheibe abschneiden.
Weissrussland ist der beste Beweis das man durchaus auch ohne NATO und EU und somit ohne deren neoliberale Ausplünderungswirtschaft existieren kann.
 
Eine vorbildliche Politik, und das nicht nur was die Verteidigung betrifft.Ich denke ganz Osteuropa und somit auch Ungarn können sich hier noch eine dicke Scheibe abschneiden.
Weissrussland ist der beste Beweis das man durchaus auch ohne NATO und EU und somit ohne deren neoliberale Ausplünderungswirtschaft existieren kann.
Schade nur, dass die meisten deiner Landsleute es nicht so sehen:rolleyes:
 
Schade nur, dass die meisten deiner Landsleute es nicht so sehen:rolleyes:



Die Jubelpropaganda die von den Budapester Medien verbreitet wird repräsentiert nach meinen Erfahrungen nicht die Meinung eines großen Teils der einfachen Bevölkerung.Ganz im Gegenteil stößt man hier immer öfter auf eine wachsende Zahl von EU und NATO Skeptikern.
Auch die eintretende Ernüchterung über das Anfang der 90er Jahre nach neoliberalem Lehrbuch errichtete Wirtschaftssystem und der Ausverkauf des Landes verursachten eine gefährliche Gärung innerhalb der Bevölkerung, die wie man an den Unruhen im Jahre 2006 erkennen konnte sichtlich unzufrieden mit dem gegenwärtigen Kurs der Führungselite in Budapest ist.
 
Boa zu viel TEXT!


Zusammenfassung:

Weisrussland hat seine Armee im Gegensatz zu Russland und anderen GUS Ländern nach dem Ende der Sowjetunion sofort modernisiert bzw. auf ein effizientes Maß verkleinert.Somit wurde eine (im Gegensatz zur russischen) gut funktionierende und schlagkräftige Truppe aufgebaut.

Auch die aus russischen Kasernen bekannten Mißhandlungen von Rekruten gibt es in Weissrussland nicht.
 
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