Aktuelles
  • Herzlich Willkommen im Balkanforum
    Sind Sie neu hier? Dann werden Sie Mitglied in unserer Community.
    Bitte hier registrieren

Balkanreise 1975

Grizzly

Problembär
Ich grabe gerade in meinem Gedächtnis, was mir von meiner allerersten (und lange Zeit einzigen) Reise ins damalige Jugoslawien noch in Erinnerung ist, für einen Bericht, den ich zuerst in mein eigenes Forum gesetzt habe. Deshalb auch einige Erklärungen, die für gestandene Balkaner überflüssig wären.

Angefangen hat es damit, dass mir im Frühjahr 1975 eine Studentenheim-Mitbewohnerin aus dem damaligen Jugoslawien (Serbin ? Kroatin ? Keine Ahnung, ich hab sie nie gefragt, und das war damals wurscht) erzählte, ihr Vater habe ihr geschrieben: "Wenn Du im Sommer heimkommst, bring ein paar Leute mit - ich brauch sie für die Ernte."
OK, hab ich gesagt, ich komm mit.
Aus arbeitstechnischen Gründen (Nachtwachen im Krankenhaus) konnte ich zum verabredeten Zeitpunkt nicht mitfahren, sondern zuckelte eine Woche später mit einer Gruppe, die im VW-Bus nach Griechenland wollte, hinterher.


Es erscheint mir keine dreiunddreissig, sondern gefühlte hundert Jahre her zu sein, als ich zum ersten Mal die damalige jugoslawische/ heute slowenische Grenze passierte, in der Morgendämmerung und leicht übernächtigt, denn zu zweit auf der Rückbank eines VW-Busses ist die Schlafqualität eine eingeschränkte. Einer von uns hatte nur den Personalausweis dabei, der musste 5 DM zahlen (für uns DDR-Grenzschikanengestählte war das ein Lacher) - Problem erledigt.

Den anderen haute man einen Stempel in den Pass, und der Weg bis zur griechischen Grenze war offen.
Heut müssten wir erst durch Slowenien, dann die kroatische Grenze passieren, dann die serbische, dann kommt der Kosovo (nein, der kommt nicht, den lassen wir ein paar km rechts liegen), dann Mazedonien, und erst dann ...

Bis zur slowenische Hauptstadt Ljubljana war's nicht weit. Durst hatten wir, und Hunger, aber auf der Durchfahrt am Stadtrand war zunächst keine Kneipe o.ä. zu sehen. Schliesslich fanden wir ein Cafe. Leider war es verriegelt und verrammelt, und an der Tür fanden wir die kryptische Inschrift: TOREK ZATPRT.

:confused: :confused: :confused: Ich hatte als einziger ein Wörterbuch dabei, ein kroatisches, d.h. das hiess damals noch serbokroatisch. Weder Torek noch Zatprt standen drin. Mir fiel ein, dass Slowenisch zwar ähnlich war wie Kroatisch, aber halt doch ein bissl anders. Und kombinierte: Wir hatten Dienstag, und der Laden hatte zu. Also suchte ich nach "Dienstag", das hiess utorak und "geschlossen" hiess zatvoren.

Wir einigten uns darauf, dass an der Tür "Dienstag geschlossen" gestanden haben könnte, und fuhren hungrig weiter.
 
Zuletzt bearbeitet:
wie Nostalgisch das klingt.....

Ja, das ist es wohl auch.



Wo wir dann was zu futtern gekriegt haben, weiss ich gar nicht mehr, wahrscheinlich ganz unspektakulär und kulinarisch nicht besonders ansprechend auf einer Ratstätte des legendären Autoput, von dem es bei Wikipedia heisst:

Der Autoput war bis 1991, als die Benutzung wegen der Jugoslawienkriege nicht mehr möglich war, eine der berüchtigtsten Straßen Europas: Der teilweise schlechte Zustand und viel Verkehr – neben den vielen LKWs war die Strecke vor allem in den Sommermonaten völlig überlastet – verhinderten erholsames Reisen. Von langen Distanzen und der kerzengeraden Strecke übermüdete Fahrer sowie waghalsige Überholmanöver waren die Ursachen für zahlreiche Unfälle.

Von der slowenisch-kroatischen Grenze bekamen wir natürlich nix mit, weil sie noch nicht existierte; auch auf dem Rückweg drei Wochen später fuhr der Zug von Zagreb nach Ljubljana einfach durch, anstatt eines langwierigen Stopps kurz hinter Zagreb, wie das heute ist, mit Lokwechsel. Mit dem VW-Bus kamen wir dagegen unbeschadet durch; hinter Zagreb wurde die Landschaft flach und für meine Begriffe langweilig, mit Gebüsch und wenig Bäumen am Staßenrand.

Kurz vor Novska trennte ich mich von meiner VW-Bus-Truppe, verliess den Autoput und hielt den Daumen raus auf einer Landstraße Richtung Südwesten. Musste auch nicht lang warten und wurde von einem Lieferwagen bis Dubica und von einem PKW bis Kostajnica mitgenommen. Am Ende der Fahrt wurde ich jeweils ins Haus gebeten (in Kostajnica in einen sehr schönen mit Weinranken überspannten Garten) und verpflegt. Es war einfach nett, und Slibowitz-bedingt etwas schwankend bestieg ich für die letzten 20 km den Bus nach Dvor na Uni - dort wurde ich erwartet.

P.S.
Unser Weg von Dubica bis Dvor führte uns im wesentlichen an der Una entlang, die dort Grenzfluss zwischen Kroatien und Bosnien ist - mehrmal überquerten wir auf einer Brücke diese "Grenze" ...


(Fortsetzung folgt)
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessanter Thread, freumich schon auf die Fortsetzung...
Ich liebe solche Geschichten, kann auch garnet genug davon kriegen wenn meine Onkel, Tanten etc über damals bereichten...
 
Zitat von Grizzly
Kurz vor Novska, d.h. unweit der heutigen serbischen Grenze,
Da ich "kurz vor Novska" herkomme, darf ich dich ein wenig korrigieren.
Die serbische Grenze ist von dort weit mehr als 100km entfernt. Kurz vor Novska beginnt Slawonien ;)

Sorry, hab ich durcheinandergeschmissen - ist korrigiert.
Danke für den Tipp.

Und Dankschön für die Blumen - machen wir also weiter mit der Reise in die Verlorengegangenheit.



Meine Zeitverzögerung hatte den Vorteil, dass ich einige Streitigkeiten der Heidelberger Besucher von A. nicht mitbekommen hatte, die deshalb vor meiner Ankunft schon wieder abgefahren waren. So hatte ich die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Familie für mich.

Mit der Mutter, die mit ihrem schwarzen Kleid plus schwarzem Kopftuch wesentlich älter aussah als sie vermutlich war, konnte ich mich nur per Dolmetscher (A. und ihr Bruder) verständigen, oder mit meinem damals noch sehr lückenhaften Kroatisch plus Zeichensprache. Stojan, der Vater, sprach ein verständliches Deutsch aus der Zeit, als er während des Zweiten Weltkriegs in eine Bremer Fabrik als Zwangsarbeiter verschleppt worden war. Ausser der Erwähnung dieses Umstands hatte er kein böses Wort über die Deutschen, weder die von damals noch die derzeitigen.

Ich wurde von allen mit großer Herzlichkeit aufgenommen und erstmal mit reichhaltig bewirtet mit Brot, dünnen Speckscheiben, Paprika, Bier (Karlovacko) und selbst gebranntem Slivovitz. Da ich ja noch von unterwegs leichte Schlagseite hatte, weiss ich nicht mehr, wie ich an diesem Tag ins Bett gekommen bin. Aber einen Kater hatte ich anderntags, soweit ich mich erinnere, nicht - ärgere Zustände dieser Art hab ich nicht so oft und erinnere sie auch nach Jahren noch.

Die nächsten Tage schleppte mich A. durch diverse Dörfer (zu Fuß querfeldein) und besuchte ihre zahlreichen Freundinnen. Meistens trank ich dann Kaffee oder Slivovitz in kleinen Bauernküchen mit feststampfter Erde als Fußboden, manchmal bekam ich ein Rührei oder ähnliches, während die Produzentinnen derselben gackernd zwischen meinen Beinen herumliefen. Gelegentlich versuchte ich mich am Gespräch zu beteiligen, indem ich mithilfe meines Taschenwörterbuchs einen Zweiwortsatz zusammenzimmerte und damit erhebliche Heiterkeit erzeugte.
 
Ja das waren zeiten ,erinnere mich noch lebhaft an die Kommunikation in ermangelung von nicht erfundenen handys brüllte man einfach ins Haus oder von der Terasse nach jemanden auf einen Kaffee oder ob er zuhause wäre.:D
 
Ja das waren zeiten ,erinnere mich noch lebhaft an die Kommunikation in ermangelung von nicht erfundenen handys brüllte man einfach ins Haus oder von der Terasse nach jemanden auf einen Kaffee oder ob er zuhause wäre.:D
Telefone gab's oft auch nicht. Wenn man eine schnelle Mitteilung machen wollte, ging man auf die Post und schickte ein Telegramm. Ich hab mindestens zwei von Ripać nach Dvor geschickt - in meinem Stoppelkroatisch musss sich das abenteuerlich abgehört haben. Teuer war das jedenfalls nicht, sonst wär ich gar nicht auf die idee gekommen, das zu machen.
 
Zurück
Oben