Krajisnik
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Das Gräuelvideo über die Exekutionen von Bosniern, die Jagd nach Mladic: Die Vergangenheit hat Serbien-Montenegro eingeholt.
von Rudolf Gruber
Wien - Steht die Verhaftung Ratko Mladics unmittelbar bevor? Serbiens Medien überschlagen sich seit Tagen mit immer neuen Gerüchten. Das eher unbedeutende Blatt «Evropa» heizte am Mittwoch Spekulationen mit der Meldung an, dass die Belgrader Regierung mit Mladic verhandle, sich freiwillig zu stellen. Die geheimen Gespräche würden «sehr erfolgreich» verlaufen. Mladic fordere aber für Angehörige und die Familien seiner Bewacher finanzielle Absicherung und Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung.
Das Massenblatt «Kurir» wusste tags darauf zu berichten, auch der russische Geheimdienst sei in die Gespräche involviert, weil Mladic den Wunsch geäussert habe, die zu erwartende lebenslängliche Gefängnisstrafe in Russland abbüssen zu dürfen. Mladic ist seit 1995 zusammen mit dem ebenfalls noch flüchtigen ehemaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic wegen Völkermord und Kriegsverbrechen angeklagt.
Am Freitag griffen auch seriösere Blätter die Gerüchte auf: Die Tageszeitung «Danas» berichtete, Mladic sei in einer zentralserbischen Stadt «aufgespürt worden», seine Verhaftung stehe unmittelbar bevor. Carla Del Ponte, die Chefanklägerin des Uno-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, habe der Regierung genaue Hinweise über Mladics Aufenthaltsort gegeben. Und das gewöhnlich gut informierte Wochenmagazin «Nin» ergänzte mit der Schlagzeile: «Die Schlinge um den General zieht sich zusammen».
Ausgelöst hat die intensive Suche nach Mladic das Gräuelvideo, das dieser Tage vom Belgrader Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die bestialischen Szenen veranlassten die serbische Regierung, nicht länger ihre schützende Hand über Mladic zu halten. Die zehn Jahre alten Bilder führten auch der serbischen Bevölkerung erstmals vor Augen, dass das Milosevic-Regime in die Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina direkt involviert war.
Beweis für Del Ponte
Das Video zeigt, wie berichtet, Mitglieder der paramilitärischen Bande «Skorpione», die sechs muslimische Jugendliche in der Nähe des ostbosnischen Städtchens Srebrenicas kaltblütig exekutieren. Ex-Diktator Slobodan Milosevic bestritt am Mittwoch bei einer Anhörung im Tribunal die Behauptung der Anklage, wonach die «Skorpione» seinem Geheimdienst unterstellt gewesen seien. Das Video könnte für Del Ponte als Beweis dienen, Milosevic des Völkermords zu überführen. Bei der Erstürmung Srebrenicas im Juli 1995 hatten Mladics Soldateska und paramilitärische Banden aus Serbien wie die «Skorpione» 8000 Männer und Jungen ermordet. Die letzten der weit verstreuten, zahlreichen Massengräber wurden erst diese Woche gefunden: Im Dorf Lipje werden 138 Skelette freigelegt, im Dorf Suh fand man jetzt sogar Überreste von 38 getöteten Frauen und Kindern.
Innenminister Dragan Jocic bestritt gestern vehemeht Mediengerüchte über die bevorstehende Verhaftung des Schlächters von Srebrenica: «Es gibt keine Verhandlungen mit Mladic.» Premierminister Vojislav Kostunica warf den Medien «Täuschung der Öffentlichkeit» vor. Die Regierung ist sich offenbar über die Folgen von Mladics Festnahme noch nicht im Klaren: Kostunica braucht vor allem die Zustimmung der Milosevic-Sozialisten, die seine Minderheitskoalition stützen. Unklar scheint in dieser Frage auch die Haltung des Militärs zu sein, das noch immer nicht gänzlich unter ziviler Kontrolle steht.
Auch eine Tribunalsprecherin dementierte den «Danas»-Bericht. Doch früher erklärte Del Ponte selbst wiederholt, sie unterrichte die Belgrader Regierung permanent über den Aufenthaltsort Mladics, sie brauche ihn nur festzunehmen. Hingegen bemüht sich US-Staatssekretär Nicholas Burns, der sich gegenwärtig zu Gesprächen in Belgrad aufhält, nicht sonderlich, die Gerüchte um Mladic zu widerlegen: «Wir sind zuversichtlich, dass seine Tage in relativer Freiheit gezählt sind.» Die US-Regierung hat die im Januar eingefrorene Finanzhilfe für Serbien-Montenegro bereits freigegeben. Burns sagte am Donnerstag auch schon eine erste Tranche von zehn Millionen Dollar zu - so viel scheint den USA der Kopf Mladics wert zu sein.
http://www.shn.ch/pages/artikel.cfm?id=136857
von Rudolf Gruber
Wien - Steht die Verhaftung Ratko Mladics unmittelbar bevor? Serbiens Medien überschlagen sich seit Tagen mit immer neuen Gerüchten. Das eher unbedeutende Blatt «Evropa» heizte am Mittwoch Spekulationen mit der Meldung an, dass die Belgrader Regierung mit Mladic verhandle, sich freiwillig zu stellen. Die geheimen Gespräche würden «sehr erfolgreich» verlaufen. Mladic fordere aber für Angehörige und die Familien seiner Bewacher finanzielle Absicherung und Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung.
Das Massenblatt «Kurir» wusste tags darauf zu berichten, auch der russische Geheimdienst sei in die Gespräche involviert, weil Mladic den Wunsch geäussert habe, die zu erwartende lebenslängliche Gefängnisstrafe in Russland abbüssen zu dürfen. Mladic ist seit 1995 zusammen mit dem ebenfalls noch flüchtigen ehemaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic wegen Völkermord und Kriegsverbrechen angeklagt.
Am Freitag griffen auch seriösere Blätter die Gerüchte auf: Die Tageszeitung «Danas» berichtete, Mladic sei in einer zentralserbischen Stadt «aufgespürt worden», seine Verhaftung stehe unmittelbar bevor. Carla Del Ponte, die Chefanklägerin des Uno-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, habe der Regierung genaue Hinweise über Mladics Aufenthaltsort gegeben. Und das gewöhnlich gut informierte Wochenmagazin «Nin» ergänzte mit der Schlagzeile: «Die Schlinge um den General zieht sich zusammen».
Ausgelöst hat die intensive Suche nach Mladic das Gräuelvideo, das dieser Tage vom Belgrader Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die bestialischen Szenen veranlassten die serbische Regierung, nicht länger ihre schützende Hand über Mladic zu halten. Die zehn Jahre alten Bilder führten auch der serbischen Bevölkerung erstmals vor Augen, dass das Milosevic-Regime in die Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina direkt involviert war.
Beweis für Del Ponte
Das Video zeigt, wie berichtet, Mitglieder der paramilitärischen Bande «Skorpione», die sechs muslimische Jugendliche in der Nähe des ostbosnischen Städtchens Srebrenicas kaltblütig exekutieren. Ex-Diktator Slobodan Milosevic bestritt am Mittwoch bei einer Anhörung im Tribunal die Behauptung der Anklage, wonach die «Skorpione» seinem Geheimdienst unterstellt gewesen seien. Das Video könnte für Del Ponte als Beweis dienen, Milosevic des Völkermords zu überführen. Bei der Erstürmung Srebrenicas im Juli 1995 hatten Mladics Soldateska und paramilitärische Banden aus Serbien wie die «Skorpione» 8000 Männer und Jungen ermordet. Die letzten der weit verstreuten, zahlreichen Massengräber wurden erst diese Woche gefunden: Im Dorf Lipje werden 138 Skelette freigelegt, im Dorf Suh fand man jetzt sogar Überreste von 38 getöteten Frauen und Kindern.
Innenminister Dragan Jocic bestritt gestern vehemeht Mediengerüchte über die bevorstehende Verhaftung des Schlächters von Srebrenica: «Es gibt keine Verhandlungen mit Mladic.» Premierminister Vojislav Kostunica warf den Medien «Täuschung der Öffentlichkeit» vor. Die Regierung ist sich offenbar über die Folgen von Mladics Festnahme noch nicht im Klaren: Kostunica braucht vor allem die Zustimmung der Milosevic-Sozialisten, die seine Minderheitskoalition stützen. Unklar scheint in dieser Frage auch die Haltung des Militärs zu sein, das noch immer nicht gänzlich unter ziviler Kontrolle steht.
Auch eine Tribunalsprecherin dementierte den «Danas»-Bericht. Doch früher erklärte Del Ponte selbst wiederholt, sie unterrichte die Belgrader Regierung permanent über den Aufenthaltsort Mladics, sie brauche ihn nur festzunehmen. Hingegen bemüht sich US-Staatssekretär Nicholas Burns, der sich gegenwärtig zu Gesprächen in Belgrad aufhält, nicht sonderlich, die Gerüchte um Mladic zu widerlegen: «Wir sind zuversichtlich, dass seine Tage in relativer Freiheit gezählt sind.» Die US-Regierung hat die im Januar eingefrorene Finanzhilfe für Serbien-Montenegro bereits freigegeben. Burns sagte am Donnerstag auch schon eine erste Tranche von zehn Millionen Dollar zu - so viel scheint den USA der Kopf Mladics wert zu sein.
http://www.shn.ch/pages/artikel.cfm?id=136857