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Belgrad ist nicht das Böse

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Gerade als ich begonnen habe, diese Geschichte zu erzählen, ruft mein Freund Imre aus Belgrad an. Die Autofabrik von Kragujevac, sagt er, liegt in Schutt und Asche. 150 Menschen sind verletzt.

In Priština schlug eine Rakete in den serbischen Friedhof ein. Ich kann nicht sagen, wie weh mir diese Nachrichten tun. Wie wahnsinnig es mich macht, meine Freunde dort im Stich gelassen zu haben. Ich weiß nur: Heute nacht, wenn diese Geschichte zu Ende erzählt ist, werden wieder Bomben und Raketen mein Jugoslawien zerstören.

Ich kann keinen kühlen Kopf bewahren, wenn Bomben auf mein Heimatland fallen. Aber was heißt schon Heimat? Ich bin 60 und lebe seit 1962 in Deutschland. Als die ersten deutschen Tornados Bomben nach Belgrad trugen, bin ich fast verrückt geworden. Deutschland, mein Land, schießt auf meine Heimat.

Ich bin Ungar, und weil meine Eltern Gastarbeiter waren, bin ich in Belgrad geboren. Aufgewachsen bin ich in der Vojvodina. Ich bin Jugoslawe, so wie Serben, Kosovaren und Kroaten für mich immer Jugoslawen sein werden. Ich weiß, daß Serben Albaner ermordet haben. Ich habe bosnische Muslime auf der Flucht gesehen, kenne die Massengräber in Srebrenica. Mit allen habe ich geweint. 1989 bin ich von Miloševic´s Polizisten verprügelt worden, letztes Jahr haben mir fünf von ihnen in Pec´ das Knie zerdeppert.

Aber Belgrad ist nicht das Böse. Und Serben, das sind nicht die schnauzbärtigen Männer, die das Messer nur aus den Zähnen nehmen, wenn sie Slibowitz trinken. Ich habe viele Freunde in Belgrad, wir telefonierten. Dann las ich am 5. März ausgerechnet in der "taz" die Bildunterschrift: "Demonstrative Trauer". Da weinten serbische Mütter um ihre von UÇK-Kämpfern erschossenen Söhne. Ich weiß, daß viele albanische Mütter um ihre toten Söhne weinen. Aber auch serbische Mütter trauern. Demonstrativ? Ich wußte, daß ich es nicht länger in Hamburg aushalten würde.

Ich hatte schon Tage vorher gesagt: "Inge, die Deutschen gehen zum dritten Mal in den Krieg gegen Serbien." Inge, meine deutsche Frau, sagte den Satz, den sie schon so oft gesagt hat, seit Jugoslawien im Krieg ist: "Ach, du Balkanese, übertreib nicht." Dann hörte ich an meinem Hamburger Küchentisch die Nachrichten, und plötzlich flogen deutsche Kampfflugzeuge über Serbien. Und das hörte sich so banal an wie "Becker im Wimbledon-Finale". So, als würde ein Acker bombardiert.

Ich flog nach Budapest. Nachts bestieg ich den Balkan-Expreß Budapest-Belgrad-Sofia. Als ich ein Billett lösen wollte, sagte der Schaffner: "Dahin fahren jetzt nur noch Verrückte, die brauchen nicht zu zahlen." Der Zug hatte vier Waggons und vier Reisende. Zwei bulgarische, den jugoslawischen - nein, "serbischen" - Schaffner und mich. "Hol uns ein paar Mutmacher", sagte der Serbe. Ich besorgte vier Bier und zwei kleine Flaschen Barack. Es war die zweite Kriegsnacht.

Morgens um sieben waren wir auf der Eisenbahnbrücke bei Novi Sad, die ein paar Tage später weggebombt wurde. Um halb neun stieg ich in Belgrad ins Taxi. Wie immer fuhr ich nicht gleich ins Hotel Majestic, sondern in eine Kneipe, die "Prolec´e" heißt, Frühling. Als Jovo und Mile, zwei Freunde, die ich dort seit 20 Jahren treffe, mich sahen, sagten sie: "Mischa, jetzt kann uns nichts mehr passieren." Vielleicht dachten sie, wenn einer aus Hamburg kommt, kann das mit den deutschen Bomben nicht so schlimm sein. Wir haben auf unsere Freundschaft getrunken und ein bißchen geweint.

Dann, plötzlich, dieser Alarmton. Ich habe Krie ge in Somalia, im Libanon, den ägyptisch-libyschen Krieg und den in Moçambique erlebt, aber dieses Geräusch hatte ich nie zuvor gehört - den Ton des europäischen Krieges. "Wir sind keine Feiglinge, wir bleiben", sagte Mile. Ich fuhr ins Hotel. Wir saßen in der Halle und warteten, bis das Fernsehen meldete, wo es eingeschlagen hatte. Nur eine Frau mit zwei Kindern ging in den Keller, dorthin, wo früher der Night-Club war.

Am Tag darauf begannen in Belgrad am Platz der Republik die ersten "Trotz"-Veranstaltungen. Die Menschen hatten sich Zielscheiben an den Kopf und auf die Brust geklebt: Hier, Clinton, damit du mich besser triffst. Sie trugen Plakate, auf denen stand: "Monica, warum hast du nicht zugebissen?" Daß die Amerikaner Krieg gegen uns führen, okay, sagten die Leute. Aber, Mischa, erklär uns, warum die Deutschen? Ich wußte keine Antwort und konnte ihnen auch nicht sagen, warum die Engländer, die Franzosen auf sie schießen. "Es sind doch unsere Freunde gewesen."

Wenn die Angriffe kommen, bellen zuerst die Hunde. Tausende. Sie können die Raketen früher hören, weil sie die hohen Frequenzen schon wahrnehmen, wenn wir noch vom Frieden träumen. Ganz Belgrad ist ein einziges Hundegeheul, ehe die Raketen einschlagen. Als sie eines Nachts ein Militärgebäude im Stadtteil Zemun trafen, schloß ich mich drei russischen Journalisten an - in der Hoffnung, die Militärpolizei würde auch mich für einen Russen halten. Wir wurden abgewiesen. "Wir sind doch eure Brüder", protestierten die Kollegen. "Von wegen Brüder", höhnten die Serben. Wir mußten die Filme aus den Kameras abgeben, sogar die unbelichteten Filme nahmen sie uns weg. Warum? "Weil ihr Verräter seid."

Unter Vorlage meines jugoslawischen Passes besorgte ich mir einen Presseausweis beim Militär, so konnte ich mit meinem Freund Imre, der ebenfalls Fotograf ist, im Pressebus nach Kragujevac fahren. Dort und in Cacak, 100 Kilometer südlich von Belgrad, waren die ersten Raketen eingeschlagen. In Kragujevac gibt es ein Gelände, auf dem eine Auto- und eine Munitionsfabrik liegen. Die Arbeiter der Autofabrik hatten versucht, ihre Firma zu schützen, und sich bei den Bombenangriffen davorgestellt. So hat es mir ein Arbeiter erzählt. Eingeschlagen sind die drei Raketen im "Wäldchen". So heißt die große Gedenkstätte dort, eine Ansammlung von Massengräbern. 1973 habe ich im STERN darüber berichtet. Der General Böhme hatte dort im Zweiten Weltkrieg für jeden deutschen Soldaten, der im Kampf mit Partisanen gefallen war, 100 Männer erschießen lassen, für jeden Verwundeten 50. Es waren zehn Tote und 26 Verwundete. Weil es nicht genug Erwachsene in dem Ort gab, ließ der General Gymnasialklassen zur Exekution antreten. 2300 Menschen seien erschossen worden, notierten die Deutschen, die Jugoslawen zählten 7000. Ausgerechnet hier, am Mahnmal für die ermordeten Schüler, schlugen die Bomben ein. "Warum?" fragte mich eine alte Frau, die im Trauermarsch um das Wäldchen mitging.

Warum?" fragte in Cacak der General direktor des Sloboda-Werkes, das nun dalag wie Geröll am Ende der Steinzeit. Hier wurden Kühlschränke, Heizöfen, Haartrockner, Staubsauger hergestellt, auch für den deutschen Markt. "Eine Munitionsfabrik", behauptete die Nato. 5000 Menschen haben hier gearbeitet. Ich ging über den Schuttberg und sah Menschen knien, die Schrauben und kleine Schaltplatten aus den Trümmern klaubten. "Warum machst du das?" fragte ich einen der Männer. Er sah mich wirr an: "Was soll ich sonst machen?" Ein englischer Journalist, der uns begleitete, sagte: "Na, daraus könnt ihr ja wieder Waffen bauen." Der Mann am Boden suchte weiter nach Schrauben und sagte: "Hau ab, Faschist!"

"Wir sind eine Traditionsfabrik", sagte der Direktor zum Abschied, "herzlichen Dank für eure Glückwünsche zu unserem 50jährigen Bestehen."


STERN-Fotograf Mihály Moldvay, gebürtiger Jugoslawe, war zwei Wochen in der serbischen Hauptstadt: seine Erlebnisse, seine Empfindungen


http://gib.squat.net/texte/belgrad-ist-nicht-das-boese.html


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......bez komentara
 
Ein englischer Journalist, der uns begleitete, sagte: "Na, daraus könnt ihr ja wieder Waffen bauen." Der Mann am Boden suchte weiter nach Schrauben und sagte: "Hau ab, Faschist!"

joj koja pizda engleska
 
Die Deutschen kommen nicht über ihr Drama vom 1 Weltkrieg hinweg. 8) Deswegen müssen sie mit 14 NATO Ländern und de Weltmacht USA im Rücken unser Land bombardieren.

Aber nix habt ihr gekriegt ihr deutschen Schweine,nicht mal 5% unsere Munition und Waffen habt ihr beschädigt.Paar Brücken und Häuser die schön längst neu und heute noch schönder sind als die alten Brücken/Häuser :!:


Ich sage nur............... :arrow: 28.06.1914

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Danke Gavrilo. R.I.P
 
Der Reporter der scheinbar ein Jugo aus der Vojvodina ist. Ich kann dem Text nur eins entegegn setzten: Es war Geldgier.....eventuell Machtgier.
Und weil sie neidisch auf uns sind.

Zivel Majka Srbija.
 
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