Lahutari
Spitzen-Poster
BND kannte Gaddafis Unterschlupf in Sirte
Hamburg - Seit Wochen schon war dem Bundesnachrichtendienst (BND) nach SPIEGEL-Informationen bekannt, wo genau sich der libysche Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi in seiner Heimatstadt Sirt aufhielt. Der BND verfügt traditionell über ein dichtes Quellennetz im Nahen Osten und kannte den Ort, an dem sich Gaddafi vor den Rebellen versteckte. Aus Sicherheitskreisen hieß es jedoch, es seien keine Geo-Daten mitgeteilt worden, die zu einem gezielten Angriff auf Gaddafi hätten führen können.
Den Nato-Partnern dürfte trotzdem klar gewesen sein, wo Gaddafi war. Als der Diktator schließlich am vergangenen Donnerstag versuchte, aus Sirt zu flüchten, beschossen französische Kampfflugzeuge seinen Konvoi.
Falls der Geheimdienst tatsächlich zum Bombardement auf den Gaddafi-Konvoi beigetragen hat, war es nicht das erste Mal, dass sich der BND in einen Krieg einmischt, an dem Deutschland offiziell nicht beteiligt ist. So war es auch beim Irak-Krieg 2003: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnte eine Teilnahme vehement ab; deutsche Agenten versorgten die USA allerdings mit Informationen aus Bagdad.
Als die Nato nach Beginn der libyschen Revolution im März begann, Luftschläge gegen Gaddafis Truppen vorzubereiten, hatten sich die Deutschen im Uno-Sicherheitsrat der Stimme enthalten. Ein etwaiger BND-Handel mit Informationen über den monatelang gesuchten Ex-Diktator könnte geeignet sein, politischen Schaden wiedergutzumachen. Andererseits dürfte damit die Debatte entbrennen, ob der BND den Tod Gaddafis mitzuverantworten hat.
Befreiungserklärung auf Sonntag verschoben
Mit einem Tag Verzögerung soll am Sonntag in Libyen offiziell die Ära nach Gaddafi beginnen. Der Vorsitzende des Übergangsrats, Mustafa Abd al-Dschalil, verkündete die vollständige Befreiung seines Landes, wie Informationsminister Mahmud Schammam dem Sender al-Dschasira mitteilte. Schammam zufolge soll Dschalil die feierliche Erklärung zur vollständigen Befreiung des Landes am Sonntagnachmittag gegen 15 Uhr (MESZ) auf dem Hauptplatz in Bengasi abgeben.
Nach der Feier soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese soll innerhalb von acht Monaten Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung abhalten. Dieses Gremium, in libyschen Dokumenten auch Nationalrat genannt, soll eine Verfassung ausarbeiten und der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen. Auf deren Grundlage sollen dann innerhalb eines Jahres ein Parlament und ein Präsident gewählt werden.
Vertreter des Gaddafa-Stammes, dem die Gaddafis angehören, verlangten nun die Herausgabe der Leichen des Ex-Dikators und seines Sohnes Mutassim. Diese waren am Freitag noch in einem Kühlhaus in Misurata zur Schau gestellt worden. Sie sollten nach islamischem Brauch in ihrer Heimatstadt Sirt bestattet werden, heißt es in einer Mitteilung des Stammes, die der in Syrien ansässige Pro-Gaddafi-Sender al-Rai veröffentlichte.
Die Gaddafi-Witwe Safia forderte über denselben Sender eine internationale Untersuchung der Todesumstände ihres Mannes und Sohnes. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass die beiden nach ihrer Gefangennahme von Milizionären des Übergangsrats erschossen wurden. Der Übergangsrat bestreitet dies aber.
Gaddafi besaß angeblich Vermögen von 200 Milliarden Dollar
Gaddafi schaffte nach einem Zeitungsbericht möglicherweise Vermögenswerte in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar beiseite. Das entspreche 30.000 Dollar pro Kopf der libyschen Bevölkerung und sei doppelt so viel, wie westliche Regierungen bisher angenommen hätten, meldete die "Washington Post" am Samstag unter Berufung auf hochrangige libysche Offizielle.
Das Blatt zitierte einen Beamten mit den Worten, der Umfang der im Laufe der Jahre angehäuften Besitztümer in allen Teilen der Welt in Form von Bargeld, Bankkonten, Immobilien, Goldreserven und Investments sei unfassbar. Der Beamte, so die Zeitung, habe detaillierte Unterlagen über die Suche nach den Vermögenswerten studiert.
Nach dem Tod Gaddafis will Russland der Nato die Flugerlaubnis über Libyen entziehen. Moskaus Uno-Botschafter Witalij Tschurkin legte noch am späten Freitagabend (Ortszeit) dem Uno-Sicherheitsrat in New York eine neue Resolution vor, die die alte Resolution Nummer 1973 vom März zum Teil aufheben soll. Die Nato hatte allerdings schon zuvor in Brüssel das Ende ihres Einsatzes zum 31. Oktober beschlossen.
Russland sorgt sich um geplünderte Waffenarsenale
Mit der Resolution 1973 waren die Uno-Mitgliedstaaten ermächtigt worden, zum Schutz von Zivilisten ein Flugverbot durchzusetzen. Das bei Enthaltung der Vetomächte Russland und China verabschiedete Papier erlaubte sogar Militäreinsätze, solange es keinen Einmarsch von Bodentruppen gebe. Die Nato hatte das mit Luftangriffen konsequent umgesetzt und so dem oppositionellen Übergangsrat den Sieg ermöglicht.
"In Libyen ist es zu grundsätzlichen Veränderungen gekommen", sagte Uno-Botschafter Tschurkin im russischen Staatsfernsehen. "Es ist Zeit, das Flugverbot aufzuheben." Er forderte wirksame Schritte gegen den Terror: "In der Atmosphäre des Konflikts in Libyen sind ganze Arsenale geplündert worden. Diese Waffen stehen nun Terroristen außerhalb des libyschen Territoriums zur Verfügung."
Das Nato-Engagement gegen seinen wichtigen Öllieferanten und Waffenkunden Libyen war Russland immer ein Dorn im Auge. Entsprechend wollen Moskaus Diplomaten die Resolution 1973 möglichst schnell ablösen. Außenminister Sergej Lawrow hatte zudem den Nato-Angriff auf Gaddafis Konvoi als einen Verstoß gegen die Resolution kritisiert. Die Sitzung am Freitagabend wurde ohne Entscheidung beendet, am Dienstag soll es weitergehen. Die 15 Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, kamen aber überein, jeden Schritt mit dem libyschen Übergangsrat abzustimmen.
wit/dpa/AFP
Letztes Versteck: BND kannte Gaddafis Unterschlupf in Sirt - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
DER SPIEGEL
Hamburg - Seit Wochen schon war dem Bundesnachrichtendienst (BND) nach SPIEGEL-Informationen bekannt, wo genau sich der libysche Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi in seiner Heimatstadt Sirt aufhielt. Der BND verfügt traditionell über ein dichtes Quellennetz im Nahen Osten und kannte den Ort, an dem sich Gaddafi vor den Rebellen versteckte. Aus Sicherheitskreisen hieß es jedoch, es seien keine Geo-Daten mitgeteilt worden, die zu einem gezielten Angriff auf Gaddafi hätten führen können.
Den Nato-Partnern dürfte trotzdem klar gewesen sein, wo Gaddafi war. Als der Diktator schließlich am vergangenen Donnerstag versuchte, aus Sirt zu flüchten, beschossen französische Kampfflugzeuge seinen Konvoi.
Falls der Geheimdienst tatsächlich zum Bombardement auf den Gaddafi-Konvoi beigetragen hat, war es nicht das erste Mal, dass sich der BND in einen Krieg einmischt, an dem Deutschland offiziell nicht beteiligt ist. So war es auch beim Irak-Krieg 2003: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnte eine Teilnahme vehement ab; deutsche Agenten versorgten die USA allerdings mit Informationen aus Bagdad.
Als die Nato nach Beginn der libyschen Revolution im März begann, Luftschläge gegen Gaddafis Truppen vorzubereiten, hatten sich die Deutschen im Uno-Sicherheitsrat der Stimme enthalten. Ein etwaiger BND-Handel mit Informationen über den monatelang gesuchten Ex-Diktator könnte geeignet sein, politischen Schaden wiedergutzumachen. Andererseits dürfte damit die Debatte entbrennen, ob der BND den Tod Gaddafis mitzuverantworten hat.
Befreiungserklärung auf Sonntag verschoben
Mit einem Tag Verzögerung soll am Sonntag in Libyen offiziell die Ära nach Gaddafi beginnen. Der Vorsitzende des Übergangsrats, Mustafa Abd al-Dschalil, verkündete die vollständige Befreiung seines Landes, wie Informationsminister Mahmud Schammam dem Sender al-Dschasira mitteilte. Schammam zufolge soll Dschalil die feierliche Erklärung zur vollständigen Befreiung des Landes am Sonntagnachmittag gegen 15 Uhr (MESZ) auf dem Hauptplatz in Bengasi abgeben.
Nach der Feier soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese soll innerhalb von acht Monaten Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung abhalten. Dieses Gremium, in libyschen Dokumenten auch Nationalrat genannt, soll eine Verfassung ausarbeiten und der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen. Auf deren Grundlage sollen dann innerhalb eines Jahres ein Parlament und ein Präsident gewählt werden.
Vertreter des Gaddafa-Stammes, dem die Gaddafis angehören, verlangten nun die Herausgabe der Leichen des Ex-Dikators und seines Sohnes Mutassim. Diese waren am Freitag noch in einem Kühlhaus in Misurata zur Schau gestellt worden. Sie sollten nach islamischem Brauch in ihrer Heimatstadt Sirt bestattet werden, heißt es in einer Mitteilung des Stammes, die der in Syrien ansässige Pro-Gaddafi-Sender al-Rai veröffentlichte.
Die Gaddafi-Witwe Safia forderte über denselben Sender eine internationale Untersuchung der Todesumstände ihres Mannes und Sohnes. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass die beiden nach ihrer Gefangennahme von Milizionären des Übergangsrats erschossen wurden. Der Übergangsrat bestreitet dies aber.
Gaddafi besaß angeblich Vermögen von 200 Milliarden Dollar
Gaddafi schaffte nach einem Zeitungsbericht möglicherweise Vermögenswerte in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar beiseite. Das entspreche 30.000 Dollar pro Kopf der libyschen Bevölkerung und sei doppelt so viel, wie westliche Regierungen bisher angenommen hätten, meldete die "Washington Post" am Samstag unter Berufung auf hochrangige libysche Offizielle.
Das Blatt zitierte einen Beamten mit den Worten, der Umfang der im Laufe der Jahre angehäuften Besitztümer in allen Teilen der Welt in Form von Bargeld, Bankkonten, Immobilien, Goldreserven und Investments sei unfassbar. Der Beamte, so die Zeitung, habe detaillierte Unterlagen über die Suche nach den Vermögenswerten studiert.
Nach dem Tod Gaddafis will Russland der Nato die Flugerlaubnis über Libyen entziehen. Moskaus Uno-Botschafter Witalij Tschurkin legte noch am späten Freitagabend (Ortszeit) dem Uno-Sicherheitsrat in New York eine neue Resolution vor, die die alte Resolution Nummer 1973 vom März zum Teil aufheben soll. Die Nato hatte allerdings schon zuvor in Brüssel das Ende ihres Einsatzes zum 31. Oktober beschlossen.
Russland sorgt sich um geplünderte Waffenarsenale
Mit der Resolution 1973 waren die Uno-Mitgliedstaaten ermächtigt worden, zum Schutz von Zivilisten ein Flugverbot durchzusetzen. Das bei Enthaltung der Vetomächte Russland und China verabschiedete Papier erlaubte sogar Militäreinsätze, solange es keinen Einmarsch von Bodentruppen gebe. Die Nato hatte das mit Luftangriffen konsequent umgesetzt und so dem oppositionellen Übergangsrat den Sieg ermöglicht.
"In Libyen ist es zu grundsätzlichen Veränderungen gekommen", sagte Uno-Botschafter Tschurkin im russischen Staatsfernsehen. "Es ist Zeit, das Flugverbot aufzuheben." Er forderte wirksame Schritte gegen den Terror: "In der Atmosphäre des Konflikts in Libyen sind ganze Arsenale geplündert worden. Diese Waffen stehen nun Terroristen außerhalb des libyschen Territoriums zur Verfügung."
Das Nato-Engagement gegen seinen wichtigen Öllieferanten und Waffenkunden Libyen war Russland immer ein Dorn im Auge. Entsprechend wollen Moskaus Diplomaten die Resolution 1973 möglichst schnell ablösen. Außenminister Sergej Lawrow hatte zudem den Nato-Angriff auf Gaddafis Konvoi als einen Verstoß gegen die Resolution kritisiert. Die Sitzung am Freitagabend wurde ohne Entscheidung beendet, am Dienstag soll es weitergehen. Die 15 Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, kamen aber überein, jeden Schritt mit dem libyschen Übergangsrat abzustimmen.
wit/dpa/AFP
Letztes Versteck: BND kannte Gaddafis Unterschlupf in Sirt - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
DER SPIEGEL