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Bosnien- Massaker im Naturpark

DZEKO

Besa Bese
Bis der See leer ist: Wilderer töten jetzt wieder an der Adria-Ostküste Millionen Zugvögel auf ihrem Weg ins Winterquartier – mit staatlicher Duldung.

Das Kesseltreiben beginnt im Morgengrauen, während die meisten Menschen im Neretva-Delta noch schlafen. Wir stehen im oberen Teil des Deltas, im Naturpark Hutovo Blato, auf einer Anhöhe am Straßenrand und spähen nach Wilderern. Von hier lässt sich bei Tageslicht weit hinabblicken ins Tal. Unter uns erstreckt sich schemenhaft das größte offene Gewässer des Deltas, der Svitava-See.

Der Naturpark mit seinen weiten Feuchtgebieten liegt in Bosnien und Herzegowina, knapp zwanzig Kilometer von der Küste entfernt und nahe der durchlässigen Grenze zum EU-Beitrittskandidaten Kroatien. Der Park ist Heimat und Raststätte für 240 Vogelarten, viele davon Zugvögel. Sie ziehen jetzt im Herbst entlang der Adriaküste gen Süden, um in Afrika oder im Nahen Osten zu überwintern. Deshalb gilt Hutovo Blato als international bedeutend und ist Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrages zum Schutz von Feuchtgebieten und Wasservögeln (Ramsar-Konvention), dem 160 Staaten beigetreten sind.

Von unserem Ausguck aus wirkt der See noch bleischimmernd dunkel, sein matter Glanz wird nur von aschgrauen Tupfern unterbrochen, den Umrissen von Schilfinseln. Plötzlich sind Stimmen und halblaute Rufe zu hören. Vom vier Kilometer entfernten Westufer nähern sich sirrend Motorboote. Unter uns legt lautlos ein schlankes Boot vom Ufer ab und verschwindet im Schilf einer Insel. Das Gebirge, das den See kesselförmig im Norden, Osten und Süden umringt, beginnt am Kamm orangerötlich zu glimmen. Kurz vor sechs Uhr, beim ersten Licht, startet eine wilde Jagd.

Anfangs fallen nur einzelne Schüsse. Dann kracht es im Sekundentakt, als gelte es, mit einem Feuerwerk das erste Sonntagslicht zu begrüßen. Das Echo grollt im Talkessel. Auf dem glatten Seespiegel sind Striche zu erkennen. Die gröberen stammen von Motorbooten, die feinen von flüchtenden Wasservögeln.

»Es sind hauptsächlich Blässhühner und Enten«, sagt Martin Schneider-Jacoby, der durch ein dickes Fernrohr auf dreibeinigem Stativ die Szene verfolgt. »Pängbäng, pängbäng, päng«, in kurzer Folge hallen fünf Schüsse aus derselben Richtung. »Da sind automatische Waffen im Einsatz«, knurrt der weißhaarige Vogelkundler. Er leitet ein Projekt der Stiftung EuroNatur zum Schutz der Zugvögel an der Adria. »Das verstößt gegen das Jagdrecht. Ebenso der Einsatz von Motorbooten«, sagt der 55-Jährige. »Hier werden internationale Abkommen, das Schießverbot im Naturpark und die Jagdvorschriften gebrochen.«

NATURPARK HUTOVO BLATO

Dieses Delta ist weltweit einmalig. Quellen im Karstgestein speisen Wasser aus unterirdischen Labyrinthen in Seen und Flüsse. Riesige Schilfflächen filtern es. Als Lebensraum einzigartiger Fischarten und wichtiger Zugvogel-Rastplatz steht die Mündungslandschaft weitgehend unter Schutz.

Doch ignoriert wird das nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern auch im kroatischen Küstenbereich. Reet muss dort – illegal – Mandarinenbäumen weichen. Und stete Jagd oder Wilderei halten die Gewässer weitgehend frei von größeren Vögeln wie Enten, Gänsen, Reihern, Kranichen oder Rallen. Selbst in Naturschutzgebieten stehen zahlreiche Jagdstände. Den früheren Reichtum des Deltas zeigt nur mehr die ornithologische Sammlung in Metković.
In den Gewässern sind Reusen allgegenwärtig. Bei einer Fahrt auf dem Fluss Norin entpuppt sich fast jeder Nebenarm als bestückt. An der Neretva-Mündung wird emsig geangelt – trotz Verbots. Restaurants offerieren geschützte Arten in großer Vielfalt.

Längst ist bekannt, welche Wertschöpfung Ökotourismus verspricht. Kroatiens Tourismusbehörde lockt mit Naturschätzen – während sie systematisch zerstört werden.

Vogeljagd: Massaker im Naturpark | Wissen | ZEIT ONLINE
 
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