Kizil-Türk
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[h=1]ZwischenrufDas nächste Griechenland[/h]Von Manfred Bleskin
Bulgarien wird wegen der dramatischen sozialen Lage breiter Teile der Bevölkerung von schweren Unruhen erschüttert. Die jüngsten drastischen Strompreiserhöhungen sind nur der Auslöser der Proteste. Es ist zu erwarten, dass Bulgarien nach Griechenland zum zweiten Dauer-Unruheherd in Südeuropa wird.
Wie in keinem anderen ost- oder südosteuropäischen Land haben die Bulgaren nach dem Zusammenbruch des Staatsozialismus 1990 so häufig Politiker so unterschiedlicher Couleur mit so deutlichen Mehrheiten an die Macht gebracht: Auf die als Sozialisten firmierenden Ex-Kommunisten folgte 1997 die christlich-demokratische Union der Demokratischen Kräfte.
2001 kam die gerade gegründete Nationale Bewegung Simeon II. des einstigen Zaren Simeon II. von Sachsen-Coburg und Gotha aus dem Stand mit knapp 43 Prozent der Stimmen ans Ruder. Sein Wahlsprechen, den Lebensstandard binnen 800 Tagen spürbar zu verbessern, konnte Simeon ebenso wenig einhalten wie das Regierungsbündnis aus Sozialisten, Zarenfreunden und Türkenpartei, das 2009 die Stafette an die gerade aus dem Boden gestampfte konservative GERB-Partei des damaligen Oberbürgermeisters der Hauptstadt Sofia, vormaligen Karatekämpfers und bisherigen Premiers, Bojko Borissow, übergeben musste.
[h=3]Aufschwung nur für die Elite[/h]Der wirtschaftliche Aufschwung kam ausschließlich dem in- und ausländischen Kapital sowie der vielfach aus einstigen Bonzen bestehenden Oberschicht zugute. Auch Borissow, der seine Familie gern als Opfer kommunistischer Herrschaft präsentiert, hat die Polizeiakademie absolviert und war Funktionär im Innenministerium.
Typisch für viele Teilhaber der Macht waren Raffgier und Bestechlichkeit. Auch im sechsten Jahr nach dem EU-Beitritt steht das Land wegen der grassierenden Korruption unter besonderer Beobachtung der Europäischen Kommission. Wie sinnlos die berühmten wirtschaftlichen Eckdaten sind, zeigt die Statistik: Das Haushaltsdefizit liegt vorbildlich unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts; die Auslandsverschuldung ist vergleichsweise gering.
[h=3]Dominanz bäuerlicher Kleinbetriebe[/h]Mehr als 25 Prozent der Bevölkerung aber leben unterhalb der Armutsgrenze. Dabei ist die Verarmung häufig absolut, besonders auf dem Lande. Die erfolgreich wirtschaftenden Agrar-Industrie-Komplexe wurden nach der Wende zerschlagen. Heute dominieren bäuerliche Kleinbetriebe, die oft nur zu Subsistenzwirtschaft fähig sind. Fast eine halbe Million Menschen sind seit 1990 ausgewandert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei zwölf, die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 16 Prozent.
Die drastische Erhöhung der Strompreise ist mithin der Auslöser, nicht die Ursache der teils gewaltsamen Massenproteste, die bereits ein Menschenleben forderten. Die Aktionen werden von politischen Aktivisten geführt, die zumeist mit keiner der Oppositionsparteien verbunden sind. Sie wollten auf die Straße gehen, bis das politische System abgeschafft sei, heißt es. Was an dessen Stelle treten soll, bleibt offen.
[h=3]Sozialisten liegen vorn[/h]Bei den zu erwartenden Neuwahlen liegen die zu Sozialdemokraten mutierten Sozialisten vorn, die sich zunächst durch Ex-Bonzenversorgung und später durch Servilität gegenüber IWF und Auslandskapital hervortaten. Am Wochenende wollen auch die Anhänger des zurückgetretenen Ministerpräsidenten demonstrieren. Zusammenstöße mit den Regierungsgegnern sind nicht ausgeschlossen. Bulgarien kann nach Griechenland zum zweiten südeuropäischen Dauerunruheherd werden.
Zwischenruf: Das nächste Griechenland - n-tv.de
Bulgarien wird wegen der dramatischen sozialen Lage breiter Teile der Bevölkerung von schweren Unruhen erschüttert. Die jüngsten drastischen Strompreiserhöhungen sind nur der Auslöser der Proteste. Es ist zu erwarten, dass Bulgarien nach Griechenland zum zweiten Dauer-Unruheherd in Südeuropa wird.
Wie in keinem anderen ost- oder südosteuropäischen Land haben die Bulgaren nach dem Zusammenbruch des Staatsozialismus 1990 so häufig Politiker so unterschiedlicher Couleur mit so deutlichen Mehrheiten an die Macht gebracht: Auf die als Sozialisten firmierenden Ex-Kommunisten folgte 1997 die christlich-demokratische Union der Demokratischen Kräfte.
2001 kam die gerade gegründete Nationale Bewegung Simeon II. des einstigen Zaren Simeon II. von Sachsen-Coburg und Gotha aus dem Stand mit knapp 43 Prozent der Stimmen ans Ruder. Sein Wahlsprechen, den Lebensstandard binnen 800 Tagen spürbar zu verbessern, konnte Simeon ebenso wenig einhalten wie das Regierungsbündnis aus Sozialisten, Zarenfreunden und Türkenpartei, das 2009 die Stafette an die gerade aus dem Boden gestampfte konservative GERB-Partei des damaligen Oberbürgermeisters der Hauptstadt Sofia, vormaligen Karatekämpfers und bisherigen Premiers, Bojko Borissow, übergeben musste.
[h=3]Aufschwung nur für die Elite[/h]Der wirtschaftliche Aufschwung kam ausschließlich dem in- und ausländischen Kapital sowie der vielfach aus einstigen Bonzen bestehenden Oberschicht zugute. Auch Borissow, der seine Familie gern als Opfer kommunistischer Herrschaft präsentiert, hat die Polizeiakademie absolviert und war Funktionär im Innenministerium.
Typisch für viele Teilhaber der Macht waren Raffgier und Bestechlichkeit. Auch im sechsten Jahr nach dem EU-Beitritt steht das Land wegen der grassierenden Korruption unter besonderer Beobachtung der Europäischen Kommission. Wie sinnlos die berühmten wirtschaftlichen Eckdaten sind, zeigt die Statistik: Das Haushaltsdefizit liegt vorbildlich unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts; die Auslandsverschuldung ist vergleichsweise gering.
[h=3]Dominanz bäuerlicher Kleinbetriebe[/h]Mehr als 25 Prozent der Bevölkerung aber leben unterhalb der Armutsgrenze. Dabei ist die Verarmung häufig absolut, besonders auf dem Lande. Die erfolgreich wirtschaftenden Agrar-Industrie-Komplexe wurden nach der Wende zerschlagen. Heute dominieren bäuerliche Kleinbetriebe, die oft nur zu Subsistenzwirtschaft fähig sind. Fast eine halbe Million Menschen sind seit 1990 ausgewandert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei zwölf, die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 16 Prozent.
Die drastische Erhöhung der Strompreise ist mithin der Auslöser, nicht die Ursache der teils gewaltsamen Massenproteste, die bereits ein Menschenleben forderten. Die Aktionen werden von politischen Aktivisten geführt, die zumeist mit keiner der Oppositionsparteien verbunden sind. Sie wollten auf die Straße gehen, bis das politische System abgeschafft sei, heißt es. Was an dessen Stelle treten soll, bleibt offen.
[h=3]Sozialisten liegen vorn[/h]Bei den zu erwartenden Neuwahlen liegen die zu Sozialdemokraten mutierten Sozialisten vorn, die sich zunächst durch Ex-Bonzenversorgung und später durch Servilität gegenüber IWF und Auslandskapital hervortaten. Am Wochenende wollen auch die Anhänger des zurückgetretenen Ministerpräsidenten demonstrieren. Zusammenstöße mit den Regierungsgegnern sind nicht ausgeschlossen. Bulgarien kann nach Griechenland zum zweiten südeuropäischen Dauerunruheherd werden.
Zwischenruf: Das nächste Griechenland - n-tv.de