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Das Gesicht des anderen Serbien

Yutaka

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Das Gesicht des anderen Serbien

BALKAN / Ruzica Djindjic hat die Hoffnung auf den demokratischen Wandel ihres Landes nicht aufgegeben

Das Gesicht des anderen Serbien
Ihr Optimismus ist ungebrochen. Ruzica Djindjic glaubt an die Zukunft Serbiens. Sonst hätte sie das Land nach der Ermordung ihres Ehemannes Zoran vermutlich verlassen. Doch die 47-Jährige sieht sich in der Pflicht. Sie ist die Stimme des demokratischen Teils Serbiens.




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Ruzica Djindjic lacht viel; für eine Frau, die unter ständigem Polizeischutz steht, sogar außergewöhnlich viel. Kaum, dass sie von den Schattenseiten ihres Landes gesprochen hat, legt sich ein Strahlen auf ihr Gesicht. Das Strahlen bedeutet Hoffnung. Und ohne die hätte Ruzica Djindjic die vergangenen Jahre wohl kaum überstanden. Am 13. März 2003 wurde ihr Mann, Zoran Djindjic, ermordet. Der erste demokratische Ministerpräsident Serbiens wollte sein Land nach Nationalismus und Balkankrieg in eine bessere Zukunft führen. Diese Vision bezahlte er mit dem Leben. Geblieben ist der Name. Und der steht in Serbien noch immer im Brennpunkt der politischen Kämpfe.


"Als Ruzica Pavlovic", so ihr Mädchenname, "würde mir sicher niemand etwas tun." Als Ruzica Djindjic ist die 47-Jährige ihres Lebens nicht sicher. "Ich habe aufgehört, über die Gefahr nachzudenken", sagt sie. Auch unter Präsident Slobodan Milosevic sei das Leben für Oppositionelle gefährlich gewesen. Nur dass ihre Kinder Jovana und Luka auch nach der Ermordung ihres Vaters nicht unbekümmert aufwachsen können, belastet die Mutter. Der Familienname Djindjic macht das unmöglich.


Er reicht in Serbien über die Personen hinaus. "Djindjic" ist zum Symbol geworden, für jenen Teil Serbiens, der demokratisch und westlich orientiert ist. Der anknüpfen will an eine Tradition, die ins 19. und 20. Jahrhundert zurückreicht, als sich nicht nur die serbische Elite selbstverständlich zu Europa zählte, als Kultur und Politik die Länder entlang der Donau verbanden, als es zwischen den Gelehrten noch regen Austausch gab. Überreste davon finden sich noch in der Gesetzgebung Serbiens, die sich an deutschen und österreichischen Vorbildern orientiert, neue Anknüpfungspunkte will Ruzica Djindjic schaffen, auch in Ulm beim derzeitigen Kongress der Donaustaaten.


Die elegante Juristin mit weißblondem Pferdeschwanz, die nach Jahren der Zurückgezogenheit Ende 2006 als Kandidatin der Demokratischen Partei an die Öffentlichkeit trat, fühlt sich in ihrem Tun ihrem verstorbenen Mann verpflichtet. "Zoran hat gekämpft für ein besseres Serbien, damit junge Menschen zurückkehren und die Zukunft des Landes in die Hände nehmen." Diesen Gedanken trägt sie weiter über eine Stiftung, die nach ihrem Mann benannt ist. Sie soll jungen Menschen zu einem mehrmonatigen Praktikum im Ausland verhelfen. Zusammen mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sucht sie Partnerunternehmen auch im süddeutschen Raum.


Die Vermittlung von Fachkenntnissen ist nur ein Ziel der Stiftung. Genauso wichtig ist es Ruzica Djindjic, dass junge Leute, die aufgrund von Visumbeschränkungen und finanziellen Nöten weitgehend isoliert aufgewachsen sind, Demokratie und das friedliche Zusammenleben unterschiedlichster Nationen am eigenen Leib erfahren. Das schärft das politische Denken und formt ein Bild von Europa, das nicht die Nationalisten in Serbien bestimmen. "Menschen mit einem kritischen Bewusstsein sind wichtig für jede Demokratie." Für Serbien im Jahre 2007 ganz besonders.

Denn das Land zeigt sich heute vor allem mit seiner dunklen Seite. Nationalistische Kräfte genießen Rückhalt bei einem großen Teil der Bevölkerung. Und diese Gruppen könnten noch starken Zuwachs erfahren, wenn die internationale Gemeinschaft dem Kosovo die Unabhängigkeit gewähren sollte.


Vererbtes Problem

Ruzica Djindjic kann diese Diskussion über das Kosovo kaum mehr hören. "Dieses Problem haben wir vererbt bekommen." Schon an der Universität vor 20 Jahren wurde darüber diskutiert, ohne Ergebnis. Ärger und Genervtsein über das nicht enden wollende Thema spiegelt sich auf dem schmalen Gesicht. "Das Kosovo ist nicht mein Lebensproblem", stellt sie unmissverständlich fest. Und ergänzt: "Aber es wird dazu gemacht." Denn Serbiens Weg nach Europa hängt auch von dieser Frage ab.

Ruzica Djindjic wirbt für die Annäherung an Europa. "Dass ich an eine Perspektive für Serbien glaube, zeigt doch schon allein die Tatsache, dass ich mit meinen Kindern im Land geblieben bin."


Den Kampf für diese Perspektive hat die heutige Vorsitzende der Demokratischen Partei früh aufgenommen. Mitte der 90er Jahre als Unterstützerin von Otpor, jenem Bündnis mutiger Menschen, das zuerst mit einfachen Parolen und später mit Massendemonstrationen Milosevic zum Rücktritt zwang.

"Ich war verliebt in Otpor" sagt Ruzica Djindjic und strahlt über das ganze Gesicht. Die Wände ihrer Wohnung seien mit dem Symbol der Bewegung, einer geballten Faust, tapeziert gewesen. Überall sei der Spruch "Er ist fertig" erklungen. Das gab denen Mut, die an ein anderes Land glaubten. Ruzica Djindjic sagt: "Die haben uns Kraft gegeben, dass wir überleben konnten."

Otpor veränderte aber auch das Bild Serbiens im Westen. Nach Jahren, in denen die Nationalisten mit Krieg und Vertreibung die Schlagzeilen der internationalen Medien bestimmten, rückte mit den jungen Menschen, die für ein friedliches Zusammenleben und Demokratie demonstrierten, ein anderes Serbien ins Bewusstsein der Welt. "Dieses Serbien ist noch immer da." Für dieses Serbien erhebt Ruzica Djindjic ihre Stimme.​
 
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