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Hotel für Hodschas Gäste wird verkauft
Albanien versteigert das einstige Staatshotel Dajti in Tirana
Eines der traditionsreichsten Gebäude in der albanischen Hauptstadt Tirana steht zum Verkauf: das Staatshotel Dajti, benannt nach dem Hausberg Tiranas, der im Osten der albanischen Hauptstadt aufragt.
VON GERD HÖHLER
Athen · 11. April · Die Luxusherberge am "Boulevard Märtyrer der Nation", Tiranas Prachtstraße, war einst das erste Haus am Platze und während der stalinistischen Diktatur nur Staatsgästen zugänglich. Heute ist das Dajti eine ziemlich billige Absteige.
Mitte Mai soll das Haus nun versteigert werden. Gesucht wird eine Hotelgesellschaft, die das Haus wieder in Schuss bringt. Die staatliche Privatisierungsbehörde hofft auf einen Erlös von knapp 15 Millionen Euro. Ein Vielfaches dessen wird ein Käufer allerdings in die Sanierung des alten Gemäuers stecken müssen.
Faschistische Formensprache
Die Architektur des Dajti erinnert an die Formensprache des italienischen Faschismus: Das Hotel wurde, wie viele offizielle Gebäude in Tirana, in den 30er Jahren von den Italienern gebaut. Nachdem das damalige Königreich Albanien bereits seit Ende der 20er Jahre wirtschaftlich und politisch immer stärker in Abhängigkeit von Italien geraten war, ließ Benito Mussolini das Land 1939 besetzen. Nach der Machtergreifung der Kommunisten in Albanien unter Enver Hodscha 1944 wurde das Dajti verstaatlicht.
Noch heute fühlt man sich in jene Zeit zurückversetzt, wenn man über die roten Teppiche in der weitläufigen Lobby schlendert. Das Mobiliar scheint noch aus den 30er Jahren zu stammen. Es ist reichlich abgewetzt, dürfte aber einen hohen Sammlerwert besitzen, ebenso wie die Lüster aus feinem Murano-Glas. Mit Glanz und Eleganz umgab das Dajti einst seine prominenten Besucher.
Nach Kriegsende kamen die ersten Gäste aus dem benachbarten Jugoslawien. Als das dortige Regime unter Josip Broz Tito aber 1948 mit der Sowjetunion brach, stellte der albanische Diktator Enver Hodscha sich zunächst auf die Seite Stalins. 1961 wandte sich Hodscha dann auch von der Sowjetunion ab. Jetzt waren es Staatsgäste aus der Volksrepublik China, die das Dajti bevölkerten. Als Hodscha 1978 auch den Chinesen die Freundschaft aufkündigte, wurde es für einige Jahre still im Dajti.
Weil sich Albanien nach dem Bruch mit China fast völlig in die Isolation zurückzog, hatten Kellner und Zimmermädchen nur wenig zu tun. Erst 1984 begann mit dem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der ganz selbstverständlich im Dajti abstieg, eine vorsichtige Öffnung des Landes.
Der Sturz der stalinistischen Diktatur 1990 bedeutete auch für das Hotel den Beginn einer neuen Ära. Nun öffneten sich die Türen des Dajti für gewöhnliche Sterbliche, für Journalisten zum Beispiel. Viele Korrespondenten haben dort turbulente Tage verbracht - und schlaflose Nächte. Anfang 1997 zum Beispiel, während der bürgerkriegsähnlichen Unruhen. Panzer ratterten damals über den Boulevard und Lastwagen, auf deren Ladeflächen sich Aufständische drängten und mit ihren Kalaschnikows in die Luft feuerten. Wer war wer?
Damals wussten nicht einmal Kenner der politischen Lage, wer in den Panzern saß, nachdem die aufgebrachten Volksmassen überall im Land Kasernen gestürmt und Waffendepots geplündert hatten. Die Journalisten konnten froh sein, dass das Dajti durch eine Reihe hoher Zedern vom "Boulevard der Märtyrer der Nation" abgeschirmt ist. Ganz Vorsichtige ließen sich ein Zimmer nach hinten hinaus geben.
Kakerlaken statt Wanzen
Inzwischen geht es auf der einstigen Prachtstraße wieder friedlich zu. Junge Leute schlendern auf ihrer abendlichen "Volta", dem Flanieren nach italienischem Vorbild, am Dajti vorbei. Das ist inzwischen sogar für Albaner erschwinglich. Während man im benachbarten Hotel Europapark, einem österreichisch geführten Haus, fast 200 Euro pro Nacht hinblättern muss, gibt es im Dajti das Einzelzimmer schon für 38 Euro.
Dafür muss man Kompromisse eingehen. Früher war das einstige Staatshotel mit Mikrofonen verwanzt, um die ausländischen Gäste abzuhören. Heute beherbergt es anderes Getier: die Einheimischen nennen es das "Kakerlaken-Hotel".
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/aus_aller_welt/?cnt=659594
Albanien versteigert das einstige Staatshotel Dajti in Tirana
Eines der traditionsreichsten Gebäude in der albanischen Hauptstadt Tirana steht zum Verkauf: das Staatshotel Dajti, benannt nach dem Hausberg Tiranas, der im Osten der albanischen Hauptstadt aufragt.
VON GERD HÖHLER
Athen · 11. April · Die Luxusherberge am "Boulevard Märtyrer der Nation", Tiranas Prachtstraße, war einst das erste Haus am Platze und während der stalinistischen Diktatur nur Staatsgästen zugänglich. Heute ist das Dajti eine ziemlich billige Absteige.
Mitte Mai soll das Haus nun versteigert werden. Gesucht wird eine Hotelgesellschaft, die das Haus wieder in Schuss bringt. Die staatliche Privatisierungsbehörde hofft auf einen Erlös von knapp 15 Millionen Euro. Ein Vielfaches dessen wird ein Käufer allerdings in die Sanierung des alten Gemäuers stecken müssen.
Faschistische Formensprache
Die Architektur des Dajti erinnert an die Formensprache des italienischen Faschismus: Das Hotel wurde, wie viele offizielle Gebäude in Tirana, in den 30er Jahren von den Italienern gebaut. Nachdem das damalige Königreich Albanien bereits seit Ende der 20er Jahre wirtschaftlich und politisch immer stärker in Abhängigkeit von Italien geraten war, ließ Benito Mussolini das Land 1939 besetzen. Nach der Machtergreifung der Kommunisten in Albanien unter Enver Hodscha 1944 wurde das Dajti verstaatlicht.
Noch heute fühlt man sich in jene Zeit zurückversetzt, wenn man über die roten Teppiche in der weitläufigen Lobby schlendert. Das Mobiliar scheint noch aus den 30er Jahren zu stammen. Es ist reichlich abgewetzt, dürfte aber einen hohen Sammlerwert besitzen, ebenso wie die Lüster aus feinem Murano-Glas. Mit Glanz und Eleganz umgab das Dajti einst seine prominenten Besucher.
Nach Kriegsende kamen die ersten Gäste aus dem benachbarten Jugoslawien. Als das dortige Regime unter Josip Broz Tito aber 1948 mit der Sowjetunion brach, stellte der albanische Diktator Enver Hodscha sich zunächst auf die Seite Stalins. 1961 wandte sich Hodscha dann auch von der Sowjetunion ab. Jetzt waren es Staatsgäste aus der Volksrepublik China, die das Dajti bevölkerten. Als Hodscha 1978 auch den Chinesen die Freundschaft aufkündigte, wurde es für einige Jahre still im Dajti.
Weil sich Albanien nach dem Bruch mit China fast völlig in die Isolation zurückzog, hatten Kellner und Zimmermädchen nur wenig zu tun. Erst 1984 begann mit dem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der ganz selbstverständlich im Dajti abstieg, eine vorsichtige Öffnung des Landes.
Der Sturz der stalinistischen Diktatur 1990 bedeutete auch für das Hotel den Beginn einer neuen Ära. Nun öffneten sich die Türen des Dajti für gewöhnliche Sterbliche, für Journalisten zum Beispiel. Viele Korrespondenten haben dort turbulente Tage verbracht - und schlaflose Nächte. Anfang 1997 zum Beispiel, während der bürgerkriegsähnlichen Unruhen. Panzer ratterten damals über den Boulevard und Lastwagen, auf deren Ladeflächen sich Aufständische drängten und mit ihren Kalaschnikows in die Luft feuerten. Wer war wer?
Damals wussten nicht einmal Kenner der politischen Lage, wer in den Panzern saß, nachdem die aufgebrachten Volksmassen überall im Land Kasernen gestürmt und Waffendepots geplündert hatten. Die Journalisten konnten froh sein, dass das Dajti durch eine Reihe hoher Zedern vom "Boulevard der Märtyrer der Nation" abgeschirmt ist. Ganz Vorsichtige ließen sich ein Zimmer nach hinten hinaus geben.
Kakerlaken statt Wanzen
Inzwischen geht es auf der einstigen Prachtstraße wieder friedlich zu. Junge Leute schlendern auf ihrer abendlichen "Volta", dem Flanieren nach italienischem Vorbild, am Dajti vorbei. Das ist inzwischen sogar für Albaner erschwinglich. Während man im benachbarten Hotel Europapark, einem österreichisch geführten Haus, fast 200 Euro pro Nacht hinblättern muss, gibt es im Dajti das Einzelzimmer schon für 38 Euro.
Dafür muss man Kompromisse eingehen. Früher war das einstige Staatshotel mit Mikrofonen verwanzt, um die ausländischen Gäste abzuhören. Heute beherbergt es anderes Getier: die Einheimischen nennen es das "Kakerlaken-Hotel".
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/aus_aller_welt/?cnt=659594