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Gelöschtes Mitglied 8317
Guest
12 Jahre nach dem Krieg Das schöne Lager-Mädchen aus dem Kosovo
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Ihr Foto, aufgenommen 1999 in einem Flüchtlingslager in Nord-Mazedonien, wurde berühmt. Es hängt heute im Deutschen Historischen Museum – als Symbolbild für die Leiden des Kosovokrieges.
Bilder aus der jetzigen Zeit:
12 Jahre später erzählt sie ihre Geschichte:
Wir treffen Kumrije auf dem Marktplatz ihrer Heimatstadt Lipjan. Und staunen!
Das Mädchen aus dem Flüchtlingslager, damals 18 Jahre jung, ist heute 31 - und noch immer wunderschön.
„Kommt“, strahlt Kumrije, „ich will euch meine Familie zeigen und unser Haus. Es hat sich so viel verändert seit damals.“
Kumrijes Geschichte beginnt im Januar 1999.
Serbische Truppen rücken von Norden in den Kosovo ein, überfallen Dörfer, Häuser, Familien. Die Soldaten erschießen die Männer, vergewaltigen die Frauen, erschlagen sogar Kinder.
Es ist Krieg zwischen Serben und Albanern - Kosovokrieg!
„Wir hatten furchtbare Angst! Meine Schwester hatte mit Freunden schon einen Fluchtversuch unternommen, zu viert über die Grenze nach Mazedonien. Den Fahrer haben sie erschossen. Sie schaffte es nur knapp wieder nach Hause.“
Als die Serben immer näher rücken, entscheidet Kumrijes Vater: Alle sollen fliehen.
Kumrije, ihre Mutter Mevlyde, zwei Schwestern, ihr Bruder, dessen schwangere Frau und drei Kinder, das jüngste gerade anderthalb Jahre.
Nur der Vater bleibt zurück. Vorerst. Um das Haus zu verteidigen.
„Wir hatten solche Angst, wussten morgens nicht, ob wir den Abend noch erleben würden. Überall zogen die Serben durch die Dörfer.“
Auch der Bahnhof von Lipjan ist besetzt.
Im Schutz der Dunkelheit laufen Kumrije und ihre Familie ins Nachbardorf, springen dort auf einen Zug auf.
Ziel: die Grenze nach Mazedonien.
„Die Abteile und Gänge waren völlig überfüllt. Stundenlang mussten wir stehen, auf Zehenspitzen, die Gesichter an die Fenster gepresst. Immer noch mehr Flüchtlinge stiegen zu. Die Kinder weinten. Es war grauenhaft.“
An der Grenze dann der Schock: mit Gewalt halten bewaffnete Soldaten und Polizisten die Flüchtlinge am Bahnsteig zurück.
„Ich dachte, jetzt ist es aus. Sie haben uns drei Stunden im Regen stehen lassen, bei eisiger Kälte. Immer wieder suchten sie einzelne heraus, ließen sie über die Grenze. Dann wieder warten. Am Ende blieb ich ganz allein, könnte meine Familie nur noch durch den Zaun sehen.“
Erst nach fünf Stunden Wartezeit lassen die Soldaten auch Kumrije endlich ziehen. Es ist der 21. April 1999.
Busse bringen das Mädchen und ihre Familie nach Stenkovec, in ein Flüchtlingslager wenige Kilometer hinter der Grenze.
„Noch immer völlig durchnässt und zitternd wurden wir ins Lager geführt. Ein Zelt für 60 Menschen, dünne Matratzen auf steinigem Boden. Aber hier waren wir endlich in Sicherheit, weit weg vom Krieg und vom Morden. Wir fielen wie tot um, schliefen sofort ein.“
Kumrije verbringt hier im Lager Stenkovec mehrere Wochen, inmitten Tausender anderer Kosovaren. Vertriebene wie sie.
„Ich hatte nichts als meine Kleider am Leib. Die Schuhe waren völlig zerrissen. Irgendwann brachte uns meine Schwester aus Deutschland Sachen zum Anziehen, zum Waschen. Auch etwas zum Schminken. Es gab mir Hoffnung, mich etwas schön zu machen in all dem Elend.“
In diesen Wochen trifft sie den Fotografen Daniel Biskup.
Er schießt das Foto, das Kumrije berühmt macht.
Biskup: „Sie stand am Zaun des Lagers, wartete auf eine Nachricht von ihrem Vater daheim. Fragte Ankommende, ob sie etwas gehört hatten. Sie schien so verzweifelt.“
Erst im Juni 1999 fliegt eine Militärmaschine Kumrije und ihre Familie nach Deutschland aus.
Bei Verwandten in Essen kommen sie unter. „Deutschland hat uns so viel gegeben. Diese Gastfreundschaft werde ich niemals vergessen. Wir sind sehr dankbar, was die Deutschen für uns getan haben.“
Kumrije lernt etwas Deutsch, hilft den Verwandten im Haushalt.Vom reichen Deutschland sieht sie nicht viel. Hauptsache: kein Krieg! Doch die Angst um den Vater im fernen Kosovo lässt die Familie nicht zur Ruhe kommen.
Schon im Herbst reist Mutter Mevlyde zurück nach Lipjan.
Kumrije und ihre Geschwister folgen im Januar 2000. „Was wir vorfanden, war entsetzlich: ausgebrannte Häuser, zerstörte Straßen und Schulen, Strommasten gekappt. Strom gab es meist nur eine Stunde am Tag. Und das im Winter.“
Immerhin: Das Haus der Eltern war verschont geblieben.
Dort lebt Kumrije bis heute mit ihren Schwestern, kümmert sich um die kranke Mutter.
Der Vater ist vor kurzem gestorben.
Die Sorge um die Familie hat sie zur frommen Muslimin gemacht. Sie trägt Kopftuch, fastet, betet täglich zu Allah.
Die Geschwister in Deutschland schicken regelmäßig Geld, damit die Familie überleben kann.
Denn Arbeit gibt es kaum im Kosovo. „Krankenschwester oder Altenpflegerin würde ich gerne werden, den Menschen etwas zurückgeben, was ich bekommen habe“, sagt Kumrije.
Trotz ihrer Schönheit sind sie und ihre Schwester Hyrie noch immer unverheiratet. „Wir warten noch auf den Richtigen“, sagen sie lächelnd.
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Ihr Foto, aufgenommen 1999 in einem Flüchtlingslager in Nord-Mazedonien, wurde berühmt. Es hängt heute im Deutschen Historischen Museum – als Symbolbild für die Leiden des Kosovokrieges.
Bilder aus der jetzigen Zeit:
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12 Jahre später erzählt sie ihre Geschichte:
Wir treffen Kumrije auf dem Marktplatz ihrer Heimatstadt Lipjan. Und staunen!
Das Mädchen aus dem Flüchtlingslager, damals 18 Jahre jung, ist heute 31 - und noch immer wunderschön.
„Kommt“, strahlt Kumrije, „ich will euch meine Familie zeigen und unser Haus. Es hat sich so viel verändert seit damals.“
Kumrijes Geschichte beginnt im Januar 1999.
Serbische Truppen rücken von Norden in den Kosovo ein, überfallen Dörfer, Häuser, Familien. Die Soldaten erschießen die Männer, vergewaltigen die Frauen, erschlagen sogar Kinder.
Es ist Krieg zwischen Serben und Albanern - Kosovokrieg!
„Wir hatten furchtbare Angst! Meine Schwester hatte mit Freunden schon einen Fluchtversuch unternommen, zu viert über die Grenze nach Mazedonien. Den Fahrer haben sie erschossen. Sie schaffte es nur knapp wieder nach Hause.“
Als die Serben immer näher rücken, entscheidet Kumrijes Vater: Alle sollen fliehen.
Kumrije, ihre Mutter Mevlyde, zwei Schwestern, ihr Bruder, dessen schwangere Frau und drei Kinder, das jüngste gerade anderthalb Jahre.
Nur der Vater bleibt zurück. Vorerst. Um das Haus zu verteidigen.
„Wir hatten solche Angst, wussten morgens nicht, ob wir den Abend noch erleben würden. Überall zogen die Serben durch die Dörfer.“
Auch der Bahnhof von Lipjan ist besetzt.
Im Schutz der Dunkelheit laufen Kumrije und ihre Familie ins Nachbardorf, springen dort auf einen Zug auf.
Ziel: die Grenze nach Mazedonien.
„Die Abteile und Gänge waren völlig überfüllt. Stundenlang mussten wir stehen, auf Zehenspitzen, die Gesichter an die Fenster gepresst. Immer noch mehr Flüchtlinge stiegen zu. Die Kinder weinten. Es war grauenhaft.“
An der Grenze dann der Schock: mit Gewalt halten bewaffnete Soldaten und Polizisten die Flüchtlinge am Bahnsteig zurück.
„Ich dachte, jetzt ist es aus. Sie haben uns drei Stunden im Regen stehen lassen, bei eisiger Kälte. Immer wieder suchten sie einzelne heraus, ließen sie über die Grenze. Dann wieder warten. Am Ende blieb ich ganz allein, könnte meine Familie nur noch durch den Zaun sehen.“
Erst nach fünf Stunden Wartezeit lassen die Soldaten auch Kumrije endlich ziehen. Es ist der 21. April 1999.
Busse bringen das Mädchen und ihre Familie nach Stenkovec, in ein Flüchtlingslager wenige Kilometer hinter der Grenze.
„Noch immer völlig durchnässt und zitternd wurden wir ins Lager geführt. Ein Zelt für 60 Menschen, dünne Matratzen auf steinigem Boden. Aber hier waren wir endlich in Sicherheit, weit weg vom Krieg und vom Morden. Wir fielen wie tot um, schliefen sofort ein.“
Kumrije verbringt hier im Lager Stenkovec mehrere Wochen, inmitten Tausender anderer Kosovaren. Vertriebene wie sie.
„Ich hatte nichts als meine Kleider am Leib. Die Schuhe waren völlig zerrissen. Irgendwann brachte uns meine Schwester aus Deutschland Sachen zum Anziehen, zum Waschen. Auch etwas zum Schminken. Es gab mir Hoffnung, mich etwas schön zu machen in all dem Elend.“
In diesen Wochen trifft sie den Fotografen Daniel Biskup.
Er schießt das Foto, das Kumrije berühmt macht.
Biskup: „Sie stand am Zaun des Lagers, wartete auf eine Nachricht von ihrem Vater daheim. Fragte Ankommende, ob sie etwas gehört hatten. Sie schien so verzweifelt.“
Erst im Juni 1999 fliegt eine Militärmaschine Kumrije und ihre Familie nach Deutschland aus.
Bei Verwandten in Essen kommen sie unter. „Deutschland hat uns so viel gegeben. Diese Gastfreundschaft werde ich niemals vergessen. Wir sind sehr dankbar, was die Deutschen für uns getan haben.“
Kumrije lernt etwas Deutsch, hilft den Verwandten im Haushalt.Vom reichen Deutschland sieht sie nicht viel. Hauptsache: kein Krieg! Doch die Angst um den Vater im fernen Kosovo lässt die Familie nicht zur Ruhe kommen.
Schon im Herbst reist Mutter Mevlyde zurück nach Lipjan.
Kumrije und ihre Geschwister folgen im Januar 2000. „Was wir vorfanden, war entsetzlich: ausgebrannte Häuser, zerstörte Straßen und Schulen, Strommasten gekappt. Strom gab es meist nur eine Stunde am Tag. Und das im Winter.“
Immerhin: Das Haus der Eltern war verschont geblieben.
Dort lebt Kumrije bis heute mit ihren Schwestern, kümmert sich um die kranke Mutter.
Der Vater ist vor kurzem gestorben.
Die Sorge um die Familie hat sie zur frommen Muslimin gemacht. Sie trägt Kopftuch, fastet, betet täglich zu Allah.
Die Geschwister in Deutschland schicken regelmäßig Geld, damit die Familie überleben kann.
Denn Arbeit gibt es kaum im Kosovo. „Krankenschwester oder Altenpflegerin würde ich gerne werden, den Menschen etwas zurückgeben, was ich bekommen habe“, sagt Kumrije.
Trotz ihrer Schönheit sind sie und ihre Schwester Hyrie noch immer unverheiratet. „Wir warten noch auf den Richtigen“, sagen sie lächelnd.