Sultan Mehmet
Gesperrt
[h1]Politik mit Hindernissen[/h1]
[h2]Das schwierige türkisch-griechische Verhältnis[/h2]
Die Zeiten feindseligen Schweigens zwischen Griechenland und der Türkei sind vorbei, seit die beiden Außenminister Georgios Papandreou und Ismail Cem 1999 eine neue Phase des Dialogs einleiteten. Die politischen Differenzen zwischen den beiden Ländern blieben dennoch bestehen. Nun steht aber für Januar ein Besuch des griechischen Premiers in Ankara an - der erste seit fast 50 Jahren. Was davon zu erwarten ist und wie die Griechen ihren Nachbarn Türkei sehen: Alkyone Karamanolis berichtet aus Athen.
Zigaretten vermögen oft mehr als Friedensunterhändler: entspannt sitzen in Frau Zogopoulous Sprachenschule die Türkischlehrerin Meltem Sonsuz und ihre griechischen Schüler um einen großen Tisch - und rauchen Kippe um Kippe: Einigkeit im blauen Dunst. Aber das ist nicht alles: In den letzten Jahren ist in Griechenland ein reges Interesse an der Türkei erwacht. Türkischunterricht ist zwar noch relativ neu, findet aber seine Anhänger. Zum Beispiel Maria, Griechin, in den Fünfzigern:
"Ich stamme von der Insel Lesbos - die ist nur wenige Seemeilen vom türkischen Aivali entfernt. Und ich denke mir schon seit Jahren: es kann doch nicht sein, dass wir einander so wenig kennen. Deshalb lerne ich nun Türkisch. Um die Menschen an der Küste gegenüber endlich zu verstehen!"
Reisen in die Türkei werden immer beliebter, vor allem nach Istanbul und Izmir zieht es die Griechen. Auch Marias Mitschüler Jannis, Angehöriger der griechischen Armee, hat vor, die Türkei zu besuchen.
"Alles was ich bisher über die Türkei wusste, stammt aus Geschichtsbüchern. Aber ich will mir nun selber eine Meinung bilden. Als ich meinen Bekannten erzählt habe, dass ich Türkisch lerne, waren die ganz schön erstaunt, manche haben sich auch über mich lustig gemacht. Aber ich glaube, dass Griechen und Türken gar nicht so viel trennt."
Seine Mitschülerin Maria stimmt ihm zwar zu, ist aber skeptisch, was die Politik betrifft. Skepsis hinsichtlich der politischen Beziehungen beider Länder ist in Griechenland weit verbreitet. So reagierte die griechische Presse fast durchweg kritisch auf den Besuch des türkischen Außenministers Ali Babacan kürzlich in Athen. Babacan und seine griechsche Amtskollegin hätten keines der heißen Eisen angepackt. Auch der Athener Politologe Thanos Dokos sieht die Bedeutung dieses jüngsten Treffens eher auf symbolischer Ebene:
"Beide Seiten haben bezeugt, dass sie Wert auf eine gute Nachbarschaft legen. Mehr aber auch nicht. Die Türkei hätte zum Beispiel eine Geste in Zusammenhang mit dem orthodoxen Priesterseminar in Chalki - bei Istanbul - machen können. Also in Richtung einer möglichen Wiedereröffnung. Das würde die griechische Seite extrem positiv beeinflussen. Aber: jedes Land hat seine eigenen Prioritäten. Für uns mag die Türkei das außenpolitische Thema Nummer eins sein - umgekehrt ist das nicht der Fall."
So ist auch mit neuen Verhandlungen in der umstrittenen Zypernfrage keinesfalls vor den zypriotischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Februar zu rechnen. Also findet die griechisch-türkische Annäherung, die die griechische Außenministerin Bakoyianni gerne nach deutsch-französischem Vorbild gestalten würde, vor allem im Wirtschaftsbereich statt. Griechenland investiert bereits kräftig in der Türkei, und nun wollen auch die Türken beim Nachbarn einsteigen. Vom Besuch des griechischen Premiers in Ankara, der für Januar angekündigt ist, erwartet sich der Politologe Thanos Dokos dagegen nicht viel:
"Im Augenblick wollen weder Griechenland noch die Türkei ihr politisches Kapital für die Lösung ihres Konflikts aufbrauchen. Beide Länder streben zwar eine Verbesserung ihrer Beziehungen an, aber auf Gebieten, wo es nicht weh tut. In der Wirtschaft etwa. Weitergehende Schritte dagegen würden Kompromisse erfordern. Auf beiden Seiten. Und dafür ist die Öffentlichkeit noch nicht bereit."
Indes pauken Meltem Sonsuz und ihre Schüler - weiter genüßlich Zigaretten rauchend - komplizierte zusammengesetzte türkische Verbformen. Der Festlandsockel, die Luftraumverletzungen, die Manöver in der Ägäis, all das scheint hier weit weg. Meltem ist dafür das beste Beispiel: vor einigen Jahren lernte sie einen Griechen kennen. Nach einiger Zeit beschlossen die beiden zu heiraten:
"Mein Vater war zunächst außer sich: ist unter 70 Millionen Türken keiner, der dir gefällt, hat er mich gefragt. Doch als er Sideri kennen gelernt hat, hat er seine Meinung geändert. Und auch umgekehrt muss ich sagen, dass ich in den drei Jahren, die ich nun in Griechenland lebe, nur gute Erfahrungen gemacht habe. Ich hatte Angst, dass ich als Türkin ausgegrenzt würde. Stattdessen fühle ich mich inzwischen in Athen zu Hause."
Quelle: Deutschlandfunk - Europa heute - Politik mit Hindernissen
[h2]Das schwierige türkisch-griechische Verhältnis[/h2]
Die Zeiten feindseligen Schweigens zwischen Griechenland und der Türkei sind vorbei, seit die beiden Außenminister Georgios Papandreou und Ismail Cem 1999 eine neue Phase des Dialogs einleiteten. Die politischen Differenzen zwischen den beiden Ländern blieben dennoch bestehen. Nun steht aber für Januar ein Besuch des griechischen Premiers in Ankara an - der erste seit fast 50 Jahren. Was davon zu erwarten ist und wie die Griechen ihren Nachbarn Türkei sehen: Alkyone Karamanolis berichtet aus Athen.
Zigaretten vermögen oft mehr als Friedensunterhändler: entspannt sitzen in Frau Zogopoulous Sprachenschule die Türkischlehrerin Meltem Sonsuz und ihre griechischen Schüler um einen großen Tisch - und rauchen Kippe um Kippe: Einigkeit im blauen Dunst. Aber das ist nicht alles: In den letzten Jahren ist in Griechenland ein reges Interesse an der Türkei erwacht. Türkischunterricht ist zwar noch relativ neu, findet aber seine Anhänger. Zum Beispiel Maria, Griechin, in den Fünfzigern:
"Ich stamme von der Insel Lesbos - die ist nur wenige Seemeilen vom türkischen Aivali entfernt. Und ich denke mir schon seit Jahren: es kann doch nicht sein, dass wir einander so wenig kennen. Deshalb lerne ich nun Türkisch. Um die Menschen an der Küste gegenüber endlich zu verstehen!"
Reisen in die Türkei werden immer beliebter, vor allem nach Istanbul und Izmir zieht es die Griechen. Auch Marias Mitschüler Jannis, Angehöriger der griechischen Armee, hat vor, die Türkei zu besuchen.
"Alles was ich bisher über die Türkei wusste, stammt aus Geschichtsbüchern. Aber ich will mir nun selber eine Meinung bilden. Als ich meinen Bekannten erzählt habe, dass ich Türkisch lerne, waren die ganz schön erstaunt, manche haben sich auch über mich lustig gemacht. Aber ich glaube, dass Griechen und Türken gar nicht so viel trennt."
Seine Mitschülerin Maria stimmt ihm zwar zu, ist aber skeptisch, was die Politik betrifft. Skepsis hinsichtlich der politischen Beziehungen beider Länder ist in Griechenland weit verbreitet. So reagierte die griechische Presse fast durchweg kritisch auf den Besuch des türkischen Außenministers Ali Babacan kürzlich in Athen. Babacan und seine griechsche Amtskollegin hätten keines der heißen Eisen angepackt. Auch der Athener Politologe Thanos Dokos sieht die Bedeutung dieses jüngsten Treffens eher auf symbolischer Ebene:
"Beide Seiten haben bezeugt, dass sie Wert auf eine gute Nachbarschaft legen. Mehr aber auch nicht. Die Türkei hätte zum Beispiel eine Geste in Zusammenhang mit dem orthodoxen Priesterseminar in Chalki - bei Istanbul - machen können. Also in Richtung einer möglichen Wiedereröffnung. Das würde die griechische Seite extrem positiv beeinflussen. Aber: jedes Land hat seine eigenen Prioritäten. Für uns mag die Türkei das außenpolitische Thema Nummer eins sein - umgekehrt ist das nicht der Fall."
So ist auch mit neuen Verhandlungen in der umstrittenen Zypernfrage keinesfalls vor den zypriotischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Februar zu rechnen. Also findet die griechisch-türkische Annäherung, die die griechische Außenministerin Bakoyianni gerne nach deutsch-französischem Vorbild gestalten würde, vor allem im Wirtschaftsbereich statt. Griechenland investiert bereits kräftig in der Türkei, und nun wollen auch die Türken beim Nachbarn einsteigen. Vom Besuch des griechischen Premiers in Ankara, der für Januar angekündigt ist, erwartet sich der Politologe Thanos Dokos dagegen nicht viel:
"Im Augenblick wollen weder Griechenland noch die Türkei ihr politisches Kapital für die Lösung ihres Konflikts aufbrauchen. Beide Länder streben zwar eine Verbesserung ihrer Beziehungen an, aber auf Gebieten, wo es nicht weh tut. In der Wirtschaft etwa. Weitergehende Schritte dagegen würden Kompromisse erfordern. Auf beiden Seiten. Und dafür ist die Öffentlichkeit noch nicht bereit."
Indes pauken Meltem Sonsuz und ihre Schüler - weiter genüßlich Zigaretten rauchend - komplizierte zusammengesetzte türkische Verbformen. Der Festlandsockel, die Luftraumverletzungen, die Manöver in der Ägäis, all das scheint hier weit weg. Meltem ist dafür das beste Beispiel: vor einigen Jahren lernte sie einen Griechen kennen. Nach einiger Zeit beschlossen die beiden zu heiraten:
"Mein Vater war zunächst außer sich: ist unter 70 Millionen Türken keiner, der dir gefällt, hat er mich gefragt. Doch als er Sideri kennen gelernt hat, hat er seine Meinung geändert. Und auch umgekehrt muss ich sagen, dass ich in den drei Jahren, die ich nun in Griechenland lebe, nur gute Erfahrungen gemacht habe. Ich hatte Angst, dass ich als Türkin ausgegrenzt würde. Stattdessen fühle ich mich inzwischen in Athen zu Hause."
Quelle: Deutschlandfunk - Europa heute - Politik mit Hindernissen