skenderbegi
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Das Stammeswesen
Wiener Zeitung: Andreas Unterbergers Tagebuch
© OTS
24.03.2008 06:08:30 - Was sind wir Menschen? Seit Jahrtausenden stellen wir uns diese Frage - um ihr immer wieder auszuweichen. Nicht deshalb, weil wir keine Antwort fänden, sondern weil es zu viele gibt. Da erzählen uns etwa die Biologen spannende Dinge von Aminosäuren und Chromosomen; andere Naturwissenschafter bauen komplizierte Stammbäume über Affen bis zurück zu simplen Einzellern; die Mediziner weisen uns auf einprogrammierte Verfallsdaten hin; Theologen und Psychologen spüren der physikalisch nicht fassbaren Seele und dem Gewissen nach; für Ökonomen steht der rational seinen Nutzen maximierende Mensch im Zentrum; Marxisten wie Bert Brecht glauben, mit dem Spruch "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" den Homo sapiens treffend beschrieben zu haben.
(live-PR.com) -
An all dem ist zweifellos etwas dran. Die Weltgeschichte der letzten Wochen hat uns aber noch eine weitere Dimension in Erinnerung gerufen, die von fast allen Wissenschaften und Ideologien geleugnet oder als angeblich überholt verächtlich gemacht wird: Der Mensch ist seinem Wesen nach auch ein Stammeswesen. Er sucht und braucht die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Nation. Er teilt die Menschheit immer in "Wir" und die "Anderen" ein. Nur eine winzige Elite - etwa einst der Adel, heute Wissenschafter und Manager - kommt ganz ohne solche nationale Verwurzelungen aus.
Es hilft weder der Wissenschaft noch dem Weltfrieden, wenn man dieses Faktum ignoriert. Was Politik und Diplomatie jedoch mit großer Intensität tun. Tatsache ist dennoch: Die Welt wird erst dann eine bessere sein, wenn es selbstverständlich geworden ist, dass sich die Menschen etwa im Kosovo, in Tibet, im Baskenland oder im Südsudan ohne Blutvergießen in selbständigen Staaten zusammenschließen dürfen. So wie das 1960 die Afrikaner durften, so wie das nach 1918 in Mitteleuropa geschehen ist, so wie sich 1776 die USA von England losgelöst haben. Wobei begleitend aber immer ein strenger Minderheitenschutz notwendig sein wird.
Wer an Stelle der Selbstbestimmung der Menschen Grenzlinien und Staatensouveränität (oder gar eine vom Vetorecht chinesischer Diktatoren abhängige UNO) zum Fundament der Weltordnung macht, trägt Mitschuld an vielem künftigen Blutvergießen.
Andreas Unterbergers Tagebuch
interessante ansichten.
Wiener Zeitung: Andreas Unterbergers Tagebuch
© OTS
24.03.2008 06:08:30 - Was sind wir Menschen? Seit Jahrtausenden stellen wir uns diese Frage - um ihr immer wieder auszuweichen. Nicht deshalb, weil wir keine Antwort fänden, sondern weil es zu viele gibt. Da erzählen uns etwa die Biologen spannende Dinge von Aminosäuren und Chromosomen; andere Naturwissenschafter bauen komplizierte Stammbäume über Affen bis zurück zu simplen Einzellern; die Mediziner weisen uns auf einprogrammierte Verfallsdaten hin; Theologen und Psychologen spüren der physikalisch nicht fassbaren Seele und dem Gewissen nach; für Ökonomen steht der rational seinen Nutzen maximierende Mensch im Zentrum; Marxisten wie Bert Brecht glauben, mit dem Spruch "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" den Homo sapiens treffend beschrieben zu haben.
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An all dem ist zweifellos etwas dran. Die Weltgeschichte der letzten Wochen hat uns aber noch eine weitere Dimension in Erinnerung gerufen, die von fast allen Wissenschaften und Ideologien geleugnet oder als angeblich überholt verächtlich gemacht wird: Der Mensch ist seinem Wesen nach auch ein Stammeswesen. Er sucht und braucht die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Nation. Er teilt die Menschheit immer in "Wir" und die "Anderen" ein. Nur eine winzige Elite - etwa einst der Adel, heute Wissenschafter und Manager - kommt ganz ohne solche nationale Verwurzelungen aus.
Es hilft weder der Wissenschaft noch dem Weltfrieden, wenn man dieses Faktum ignoriert. Was Politik und Diplomatie jedoch mit großer Intensität tun. Tatsache ist dennoch: Die Welt wird erst dann eine bessere sein, wenn es selbstverständlich geworden ist, dass sich die Menschen etwa im Kosovo, in Tibet, im Baskenland oder im Südsudan ohne Blutvergießen in selbständigen Staaten zusammenschließen dürfen. So wie das 1960 die Afrikaner durften, so wie das nach 1918 in Mitteleuropa geschehen ist, so wie sich 1776 die USA von England losgelöst haben. Wobei begleitend aber immer ein strenger Minderheitenschutz notwendig sein wird.
Wer an Stelle der Selbstbestimmung der Menschen Grenzlinien und Staatensouveränität (oder gar eine vom Vetorecht chinesischer Diktatoren abhängige UNO) zum Fundament der Weltordnung macht, trägt Mitschuld an vielem künftigen Blutvergießen.
Andreas Unterbergers Tagebuch
interessante ansichten.