Krajisnik
Top-Poster
In einem serbischen Kloster im Kosovo werden sechs Mönche von achtzig deutschen Soldaten bewacht. Anders geht es nicht, sagt der Bundesverteidigungsminister
Daniela Vates
PRIZREN, im März. Das Kloster ist eine Festung. Eine doppelte Reihe Stacheldrahtspiralen ist um die Anlage gezogen. An zwei Seiten stehen Wachtürme, an sandsackgesicherten Straßensperren kann der Verkehr auf der vorbeiführenden Landstraße gestoppt werden. Zwanzig deutsche Soldaten sind hier rund um die Uhr im Einsatz, weitere sechzig können schnell mobilisiert werden. Sie bewachen sechs Mönche und ein Symbol.
Rettung in Panzerfahrzeugen
Das Erzengel-Kloster liegt in einem schattigen, steinigen Tal, eine serbisch-orthodoxe Enklave im moslemischen Kosovo, nahe der Provinzstadt Prizren. Ein Jahr ist es her, dass zweihundert Kosovo-Albaner Kirche und Wohnräume anzündeten, es war eine von vielen Gewaltaktionen gegen die serbische Bevölkerungsminderheit im Unruhe-März 2004. Die deutschen Kfor-Soldaten retteten damals die Mönche in gepanzerten Kettenfahrzeugen, waren aber sonst hilflos.
Seitdem wurden die Truppen verstärkt, die Ausrüstung der Soldaten verbessert. Tränengas steht nun bereit, Eingriffpläne sind ausgearbeitet. Die Mönche sind wieder eingezogen, in ein neu gebautes Holzhaus mit steinernen Grundmauern.
Mit einer kleinen silbernen Videokamera halten sie in dieser Woche den Besuch des deutschen Verteidigungsministers Peter Struck fest. "Wir müssen hier einen sehr hohen Aufwand betreiben, um Menschen zu schützen", räumt Struck ein. Doch anders gehe es nicht. "Die Situation ist labil", sagt der Minister.
Das sieht man auch ein paar Kilometer weiter so, im Kfor-Lager Prizren. Seit 1999 sind die internationalen Truppen im Auftrag von Uno und Nato im Land, um die Lage zu beruhigen. Es gibt keinen Krieg mehr, aber der Konflikt ist nicht gelöst. "Die Situation im Kosovo ist nach wie vor nicht von Stabilität gekennzeichnet", sagt der Kommandeur des deutschen Kontingents, Richard Rossmanith. Es ist ein vielschichtiger Konflikt, in dem sich Nationalismus und Intoleranz verbinden mit religiösem Fanatismus, mit organisierter Kriminalität und Rachegelüsten. Die Armut in dem Land, in dem mindestens jeder Zweite arbeitslos ist, tut ihr übriges.
Clans beherrschen die Szenerie, können über Handy kurzfristig aufgebrachte Menschenmengen organisieren - oder das Volk ruhig stellen. Ausschreitungen nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Ramesh Haradinaj Anfang März, der vom Internationalen Gerichtshof für Ex-Jugoslawien als Kriegsverbrecher angeklagt ist, gab es unter anderem deshalb nicht, weil Hardinaj selbst die Bevölkerung zu Ruhe aufrief. Das kann sich aber auch wieder ändern.
"Die Bevölkerung erwartet, dass Haradinaj in nicht allzu ferner Zukunft zurückkehrt. Geschieht das nicht, kann das der Kern sein für neue Unruhen", sagt der deutsche Kommandeur Rossmanith. Eine Bewegung für die Rückkehr des früheren Kommandanten der kosovo-albanischen Untergrundarmee UCK, der als Kriegsheld verklärt wird, hat sich bereits gebildet. "Unser Premier hat hier eine Aufgabe", steht auf Plakaten in der Kosovo-Hauptstadt Pristina. Die Plakate zeigen den Kopf Haradinajs, nicht etwa den seines Nachfolgers Bajram Kosumi, der am Mittwoch vom Parlament gewählt wurde.
Auch T-Shirts mit dem Spruch sind im Umlauf. Zu Demonstrationen für den Ex-Premier kommen Studenten, Lehrer nehmen ihre Schüler mit - auch die nächste Generation wächst in den Konflikt hinein. Ein klares internationales Konzept, um dem zu begegnen, gibt es nicht. Die Albaner wollen die Unabhängigkeit, die serbische Regierung in Belgrad lehnt dies ab. Die USA wollen die Status-Frage schnell klären. Außenminister Joschka Fischer fordert, dass der Kosovo zuerst Standards einhält, wie den Minderheitenschutz.
"Die Gewalt ist sofort wieder da"
Verteidigungsminister Struck warnt auf seiner Reise vor zu langem Palaver. "Die Kosovo-Albaner müssen wissen, wohin die Reise geht", sagt er. Er hofft, dass mit dieser Sicherheit auch die Gewaltbereitschaft abnimmt. Einen Abzug der internationalen Truppen wird es aber auch dann so schnell nicht geben. "Wenn wir rausgehen, ist die Gewalt sofort wieder da", sagt ein Kfor-Soldat. "Es ist deutlich geworden, dass wir noch eine Zeit lang hier bleiben müssen", sagt auch Struck. Was würde passieren, wenn die Soldaten ihre Posten vor dem Erzengel-Kloster räumen würden? Mönch Jovan ist sich sicher: "Wir würden nicht einen Tag länger bleiben."
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/seite_3/433147.html
Daniela Vates
PRIZREN, im März. Das Kloster ist eine Festung. Eine doppelte Reihe Stacheldrahtspiralen ist um die Anlage gezogen. An zwei Seiten stehen Wachtürme, an sandsackgesicherten Straßensperren kann der Verkehr auf der vorbeiführenden Landstraße gestoppt werden. Zwanzig deutsche Soldaten sind hier rund um die Uhr im Einsatz, weitere sechzig können schnell mobilisiert werden. Sie bewachen sechs Mönche und ein Symbol.
Rettung in Panzerfahrzeugen
Das Erzengel-Kloster liegt in einem schattigen, steinigen Tal, eine serbisch-orthodoxe Enklave im moslemischen Kosovo, nahe der Provinzstadt Prizren. Ein Jahr ist es her, dass zweihundert Kosovo-Albaner Kirche und Wohnräume anzündeten, es war eine von vielen Gewaltaktionen gegen die serbische Bevölkerungsminderheit im Unruhe-März 2004. Die deutschen Kfor-Soldaten retteten damals die Mönche in gepanzerten Kettenfahrzeugen, waren aber sonst hilflos.
Seitdem wurden die Truppen verstärkt, die Ausrüstung der Soldaten verbessert. Tränengas steht nun bereit, Eingriffpläne sind ausgearbeitet. Die Mönche sind wieder eingezogen, in ein neu gebautes Holzhaus mit steinernen Grundmauern.
Mit einer kleinen silbernen Videokamera halten sie in dieser Woche den Besuch des deutschen Verteidigungsministers Peter Struck fest. "Wir müssen hier einen sehr hohen Aufwand betreiben, um Menschen zu schützen", räumt Struck ein. Doch anders gehe es nicht. "Die Situation ist labil", sagt der Minister.
Das sieht man auch ein paar Kilometer weiter so, im Kfor-Lager Prizren. Seit 1999 sind die internationalen Truppen im Auftrag von Uno und Nato im Land, um die Lage zu beruhigen. Es gibt keinen Krieg mehr, aber der Konflikt ist nicht gelöst. "Die Situation im Kosovo ist nach wie vor nicht von Stabilität gekennzeichnet", sagt der Kommandeur des deutschen Kontingents, Richard Rossmanith. Es ist ein vielschichtiger Konflikt, in dem sich Nationalismus und Intoleranz verbinden mit religiösem Fanatismus, mit organisierter Kriminalität und Rachegelüsten. Die Armut in dem Land, in dem mindestens jeder Zweite arbeitslos ist, tut ihr übriges.
Clans beherrschen die Szenerie, können über Handy kurzfristig aufgebrachte Menschenmengen organisieren - oder das Volk ruhig stellen. Ausschreitungen nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Ramesh Haradinaj Anfang März, der vom Internationalen Gerichtshof für Ex-Jugoslawien als Kriegsverbrecher angeklagt ist, gab es unter anderem deshalb nicht, weil Hardinaj selbst die Bevölkerung zu Ruhe aufrief. Das kann sich aber auch wieder ändern.
"Die Bevölkerung erwartet, dass Haradinaj in nicht allzu ferner Zukunft zurückkehrt. Geschieht das nicht, kann das der Kern sein für neue Unruhen", sagt der deutsche Kommandeur Rossmanith. Eine Bewegung für die Rückkehr des früheren Kommandanten der kosovo-albanischen Untergrundarmee UCK, der als Kriegsheld verklärt wird, hat sich bereits gebildet. "Unser Premier hat hier eine Aufgabe", steht auf Plakaten in der Kosovo-Hauptstadt Pristina. Die Plakate zeigen den Kopf Haradinajs, nicht etwa den seines Nachfolgers Bajram Kosumi, der am Mittwoch vom Parlament gewählt wurde.
Auch T-Shirts mit dem Spruch sind im Umlauf. Zu Demonstrationen für den Ex-Premier kommen Studenten, Lehrer nehmen ihre Schüler mit - auch die nächste Generation wächst in den Konflikt hinein. Ein klares internationales Konzept, um dem zu begegnen, gibt es nicht. Die Albaner wollen die Unabhängigkeit, die serbische Regierung in Belgrad lehnt dies ab. Die USA wollen die Status-Frage schnell klären. Außenminister Joschka Fischer fordert, dass der Kosovo zuerst Standards einhält, wie den Minderheitenschutz.
"Die Gewalt ist sofort wieder da"
Verteidigungsminister Struck warnt auf seiner Reise vor zu langem Palaver. "Die Kosovo-Albaner müssen wissen, wohin die Reise geht", sagt er. Er hofft, dass mit dieser Sicherheit auch die Gewaltbereitschaft abnimmt. Einen Abzug der internationalen Truppen wird es aber auch dann so schnell nicht geben. "Wenn wir rausgehen, ist die Gewalt sofort wieder da", sagt ein Kfor-Soldat. "Es ist deutlich geworden, dass wir noch eine Zeit lang hier bleiben müssen", sagt auch Struck. Was würde passieren, wenn die Soldaten ihre Posten vor dem Erzengel-Kloster räumen würden? Mönch Jovan ist sich sicher: "Wir würden nicht einen Tag länger bleiben."
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/seite_3/433147.html