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Der arabische Oskar Schindler

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Rehana

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Die Auszeichnung "Gerechter unter den Völkern" ist die höchste Auszeichnung Israels für Nicht-Juden.
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Während in Israel noch ein schmutziger politischer Grabenkampf um die Ernennung eines ersten arabischen Ministers mitsamt gegenseitigen Vorwürfen des "Rassismus" zwischen Premierminister Ehud Olmert und Verteidigungsminister Amir Peretz tobt, könnte schon bald die Jerusalemer Holocaust Gedenkstätte Yad Vaschem zum ersten Mal einen Araber aus Tunis als "Gerechten der Völker" ehren, der unter Einsatz seines Lebens während des Holocaust eine Jüdin vor ihrem Tod durch die Nazis gerettet hat.

Der amerikanische Forscher Dr. Robert Satloff vom Washington Institute for Near East Policy kam nach dem Terroranschlag auf das WTC am 11. September 2001 auf die Idee, den "vergessenen Holocaust” in Nordafrika zu erforschen, um so auch der Holocaust-Leugnung in der arabischen Welt zu begegnen. Unter dem Titel "Gab es einen arabischen Oskar Schindler?" will Satloff am Dienstag in der Hebräischen Universität in Jerusalem das Ergebnis seiner Forschungen vortragen.

Derweil hat er der Zeitung Haaretz in einem Interview erzählt, tatsächlich einen 1997 verstorbenen Tunesier, Chaled Abdel El Wahab, ausfindig gemacht zu haben, der der Jüdin Aneni Buchris und 24 ihrer Familienangehörigen das Leben gerettet habe, während die Nazis in Nordafrika Konzentrationslager errichtet, um Juden dorthin zu deportieren. Satlof habe einen Antrag an Yad Vashem geschickt, el Wahab als "Gerechten der Völker" anzuerkennen. Buchris, damals 11 Jahre alt, sei von El Wahab auf einer Farm bis zum Kriegsende versteckt worden. El Wahab habe sein Leben gefährdet, als er einen deutschen Offizier daran hinderte, ihre Mutter zu vergewaltigen.

Formale Kriterien erfüllt

Augenzeugen in der Umgebung der Farm von El Wahab bestätigten die Angaben von Bucheris, die sie kurz vor ihrem Tod schriftlich festgehalten hat. Aus Yad Vaschem verlautete, dass der Antrag alle formalen Kriterien erfülle, darunter ein schriftliches Zeugnis des Geretteten. Doch könne nicht vorhergesehen werden, wie sich das Kuratorium entscheide. Bis zum 1.1.2006 hat Yad Vaschem nach eigenen Angaben 21.308 Nichtjuden mit dem Ehrentitel "Gerechte der Völker" geehrt, darunter 427 Deutsche, 85 Österreicher, einen Luxemburger, 38 Schweizer, einen Türken und sogar einen Japaner. An erster Stelle stehen 5.941 Polen, gefolgt von Holländern und Franzosen, die sich bei der Rettung von Juden hervorgetan haben. Unter diesen "Gerechten der Völker" sind 60 Moslems aus verschiedenen Nationen, darunter Bosnien und Albanien, aber kein einziger Araber.

Satlof sagte dem Haaretz, dass die traditionellen Versuche, in der arabischen Welt den Holocaust zu erklären, "ausgedient" hätten. Deshalb versuche er, einen "positiven Weg" zu gehen und nach Arabern zu suchen, die während des Holocaust unter Gefährdung ihres eigenen Lebens Juden geholfen hätten. Satlof hofft, so die Beschäftigung der arabischen Welt mit dem Holocaust von "Mythen, Lügen und dem Gift" zu befreien. Doch Satlofs Kollegen unter den amerikanischen Forschern, darunter Debora Lipstett, die durch ihren Streit mit dem Holocaustleugner David Irwing bekannt wurde, hält Satlof für "naiv". In ihrem Internet-Blog schrieb sie: "Es ist eigentümlich, dass ein erfahrener Historiker wie Satlof tatsächlich glaubt, mit Geschichte ein wirksames Mittel gegen irrationalen Hass finden zu können."

Kein Interesse, entdeckt zu werden

Nach Angaben von Satlof hätte eine halbe Million Juden in Nordafrika unter den Nazis oder ihren Verbündeten gelebt und alle Verfolgungen durchgemacht, wie sie auch die Juden Europas erfahren haben. Nur die "Endlösung" sei ihnen erspart geblieben. Satlof behauptet, dass die Historiker sich nicht sonderlich für die Geschichte der Juden in der arabischen Welt interessiert hätten. Erst vor einem Jahr habe Yad Vaschem eine erste Lehr-Broschüre über das Ergehen der nordafrikanischen Juden unter den Nazis herausgegeben. Doch auch die Araber, die Juden geholfen haben, hätten nach Angaben von Satlof kein Interesse, entdeckt zu werden. "Ich habe den Eindruck, dass es unter den Arabern nicht sehr ehrenwert war, einst Juden das Leben gerettet zu haben", erzählt Satlof. So habe er die Enkel des damaligen Bürgermeisters von Tunis, Si Ali Saket, getroffen, der nachweislich Juden gerettet habe. "Die Enkel bestätigten alle Tatsachen, doch behaupteten sie, dass es nicht Juden waren, die ihr Großvater rettete, sondern deutsche Soldaten."

Satlof hat seine Forschungsergebnisse in einem englischsprachigen Buch veröffentlicht ("Among the Righteous: Lost Stories from the Holocaust's Long Reach into Arab Lands"). Einige Kapitel daraus will das Holocaust-Museum in Washington ins Arabische, Persische und Urdu übersetzen lassen. "Sowie die Araber den Holocaust besser verstehen und nicht relativieren, dürften auch ihre Reaktionen auf Massenmorde wie in Halabscha oder in Darfur schneller und effektiver sein", glaubt Satlof.
 
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