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wer kann sich noch an mehmet aus münchen erinnern?
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Jugendkriminalität: Der flüchtige Mehmet-Effekt - Politik - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten
"Mehmet" gilt als Prototyp des jugendlichen Kriminellen. Der Serientäter aus München wurde vor zehn Jahren in die Türkei ausgewiesen, was einer Statistik der Münchner Polizei zufolge einen Rückgang bei den Jugendstraftaten ausgelöst haben soll - zumindest vorübergehend.
München - Nach Straftat Nummer 61 schlägt Hans-Peter Uhl zu. Der Leiter des Münchner Kreisverwaltungsreferats schickt dem noch strafunmündigen und in Bayern geborenen 13-jährigen Türken, Spitzname "Mehmet", den sofort vollziehbaren Ausreisebescheid in die Türkei. Wegen seiner Strafunmündigkeit soll er gemeinsam mit seinen Eltern ausgewiesen werden, die seit 1968 in Deutschland leben. SPD und Grüne protestieren, ein Rechtsstreit entbrennt: Die Anordnung sei rechtswidrig, sagen die Kritiker. Uhls Vorgehen beschäftigt die Gerichte.
Das war im Frühjahr 1998. Einen Bescheid, türkische Eltern wegen ihres Kindes auszuweisen, hatte es in der Bundesrepublik noch nie zuvor gegeben. Der CSU-Politiker Uhl wollte einen bundesweiten Präzedenzfall schaffen, damals im Jahr von Bundestags- und bayerischer Landtagswahl. Uhl, heute innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte vor zehn Jahren: "Ich halte es für durchaus denkbar, dass Mehmet eine Straftat bis hin zum Mord begeht."
Tatsächlich hatte der 13-Jährige seine kriminelle Karriere bereits weit vorangetrieben: Von Raub über Erpressung und Einbruchsdiebstahl bis hin zu gefährlicher Körperverletzung kündete sein Strafregister, mehr als tausend Seiten dick. Als Mehmets Spezialität galt der Nasenbeinbruch. Dazu packte er sein Opfer an den Ohren, zog dessen Kopf nach unten und rammte ihm dann sein rechtes Knie ins Gesicht. Der Polizei sagte er lapidar: "Ja, wenn ich zuschlage, dann schon g'scheit."
Mehmet musste raus
Ein paar Wochen später - Mehmet war gerade 14 geworden, hatte die Strafmündigkeit erreicht und Straftat Nummer 62 begangen - war auch für Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und dessen SPD Schluss: Mehmet musste raus, doch seine Eltern durften bleiben. Auf einer Sondersitzung des Stadtrats im Juli 1998 stimmten SPD und CSU gemeinsam für die Ausweisung des Serientäters, die Ausländerbehörde verlängerte Mehmets Aufenthaltserlaubnis nicht. Ude damals: "Alle Versuche der Erziehung und Besserung" hätten bei dem Jungen "offenkundig versagt".
Mehmets Anwälte legten noch Verfassungsbeschwerde ein, doch im November 1998 wurde er schließlich zu Verwandten nach Istanbul abgeschoben - die Eltern blieben in München.
Vier Jahre später jedoch kehrte der Türke nach Deutschland zurück: Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Ausweisung nun doch für rechtswidrig erklärt. Einige Zeit war Ruhe, der Junge verbüßte eine Bewährungsstrafe und holte als inzwischen 19-Jähriger seinen Hauptschulabschluss nach. Im Sommer 2005 dann der Hilferuf seiner Eltern: Sie erstatten Anzeige gegen ihren Sohn. Er habe sie erpresst, bestohlen, geschlagen und angeschrien: "Euer Tod wird aus meiner Hand kommen, ich bringe euch um, ich werde euch abstechen." Aber auch die Rolle der Eltern wurde hinterfragt. So berichtete die Münchner "Abendzeitung", Mehmet sei als Kind vom Vater geschlagen worden.
Das Urteil lautete diesmal auf 18 Monate auf Bewährung, dazu 100 Stunden Sozialarbeit und ein Anti-Aggressionskurs. Offenbar zu viel für den Serientäter; Mehmet floh zu einem Onkel - ausgerechnet in die Türkei. Erneut verfügte daraufhin die Stadt München die förmliche Ausweisung sowie ein Einreiseverbot. Er darf nicht mehr zurückkehren.
Nach den drei Überfällen in der Münchner U-Bahn seit dem 20. Dezember geht seine Geschichte wieder durch die Medien: Taugt der Fall als effizientes Beispiel einer Ausweisungspolitik? Oberbürgermeister Ude hatte schon beim erneuten Prozess vor drei Jahren festgestellt: "Entgegen unseres Menschenbildes, das immer an die Erziehbarkeit glaubt, gibt es Menschen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist."
Auch Münchens SPD-Vorsitzender und Landtagsfraktionschef Franz Maget sagt zu SPIEGEL ONLINE: "Die Ausweisung von Mehmet damals war richtig." Er sei auch gegenwärtig "durchaus bereit, das Thema Ausweisung von kriminellen Jugendlichen zu diskutieren", kritisiert aber die aktuelle Kampagne des hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch als "unappetitlich": "Denn es geht ihm nicht um Problemlösung, sondern um billige Wahlkampfpolemik." Koch nehme einen "wirklich schlimmen Vorfall in München zum Anlass, um die Leute aufzuhetzen".
Uhl: Konsequent abschieben für den Mehmet-Effekt
Das Mehmet-Fazit von Hans-Peter Uhl erinnert an die alte Mao-Devise des "Bestrafe einen, erziehe hundert": "Bereits die öffentlichkeitswirksame Ausweisungsbemühung damals hat einen statistisch nachweisbaren Mehmet-Effekt ausgelöst", weiß der CSU-Mann SPIEGEL ONLINE zu berichten. Die Münchner Kriminalitätsstatistik habe einen deutlichen Rückgang an Straftaten von vergleichbaren Jugendlichen ausländischer Herkunft aufgezeigt. Potenzielle Straftäter hätten sich gedacht: "Obacht, wenn wir so weitermachen, ergeht es uns wie dem Mehmet und wir werden abgeschoben", glaubt Uhl zu wissen. Dieser Effekt habe ein halbes Jahr angehalten, dann habe er sich allerdings verflüchtigt, berichtet Uhl und verweist auf den SPIEGEL ONLINE vorliegenden "Sicherheitsreport 1998" des Münchner Polizeipräsidiums.
Unter der Zwischenüberschrift "Mehmet-Effekt" heißt es in dem Sicherheitsreport: Die Diskussion und letztliche Abschiebung des Serientäters habe "disziplinierend auf gefährdete Jugendliche" gewirkt, es hätten sich "etliche von diesen in der Ausübung von Straftaten" zurückgehalten. Dieser Eindruck werde "den Sachbearbeitern der Fachkommissariate und den Jugendbeamten vor Ort von den Jugendlichen selbst immer wieder bestätigt". Im Bericht für das Jahr 1999 hingegen heißt es: "Mehmet-Effekt schwächt sich ab."
Daraus leitet Hans-Peter Uhl ab: "Wenn wir in regelmäßigen Abständen konsequent abschöben, hätten wir einen ganzjährigen Mehmet-Effekt." Und das, meint Uhl, sei durchaus wünschenswert: Denn allein in München habe man "100 'Mehmets'", und in Berlin sei es es gar "500 bis 800". Jede deutsche Großstadt habe leider ein solches Potential.
Nur der Original-"Mehmet" weilt nicht mehr unter ihnen. Er arbeitet nach Informationen von SPIEGEL ONLINE inzwischen für den türkischen Staat, indem er seinen Militärdienst ableistet.
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Jugendkriminalität: Der flüchtige Mehmet-Effekt - Politik - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten
"Mehmet" gilt als Prototyp des jugendlichen Kriminellen. Der Serientäter aus München wurde vor zehn Jahren in die Türkei ausgewiesen, was einer Statistik der Münchner Polizei zufolge einen Rückgang bei den Jugendstraftaten ausgelöst haben soll - zumindest vorübergehend.
München - Nach Straftat Nummer 61 schlägt Hans-Peter Uhl zu. Der Leiter des Münchner Kreisverwaltungsreferats schickt dem noch strafunmündigen und in Bayern geborenen 13-jährigen Türken, Spitzname "Mehmet", den sofort vollziehbaren Ausreisebescheid in die Türkei. Wegen seiner Strafunmündigkeit soll er gemeinsam mit seinen Eltern ausgewiesen werden, die seit 1968 in Deutschland leben. SPD und Grüne protestieren, ein Rechtsstreit entbrennt: Die Anordnung sei rechtswidrig, sagen die Kritiker. Uhls Vorgehen beschäftigt die Gerichte.
Das war im Frühjahr 1998. Einen Bescheid, türkische Eltern wegen ihres Kindes auszuweisen, hatte es in der Bundesrepublik noch nie zuvor gegeben. Der CSU-Politiker Uhl wollte einen bundesweiten Präzedenzfall schaffen, damals im Jahr von Bundestags- und bayerischer Landtagswahl. Uhl, heute innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte vor zehn Jahren: "Ich halte es für durchaus denkbar, dass Mehmet eine Straftat bis hin zum Mord begeht."
Tatsächlich hatte der 13-Jährige seine kriminelle Karriere bereits weit vorangetrieben: Von Raub über Erpressung und Einbruchsdiebstahl bis hin zu gefährlicher Körperverletzung kündete sein Strafregister, mehr als tausend Seiten dick. Als Mehmets Spezialität galt der Nasenbeinbruch. Dazu packte er sein Opfer an den Ohren, zog dessen Kopf nach unten und rammte ihm dann sein rechtes Knie ins Gesicht. Der Polizei sagte er lapidar: "Ja, wenn ich zuschlage, dann schon g'scheit."
Mehmet musste raus
Ein paar Wochen später - Mehmet war gerade 14 geworden, hatte die Strafmündigkeit erreicht und Straftat Nummer 62 begangen - war auch für Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und dessen SPD Schluss: Mehmet musste raus, doch seine Eltern durften bleiben. Auf einer Sondersitzung des Stadtrats im Juli 1998 stimmten SPD und CSU gemeinsam für die Ausweisung des Serientäters, die Ausländerbehörde verlängerte Mehmets Aufenthaltserlaubnis nicht. Ude damals: "Alle Versuche der Erziehung und Besserung" hätten bei dem Jungen "offenkundig versagt".
Mehmets Anwälte legten noch Verfassungsbeschwerde ein, doch im November 1998 wurde er schließlich zu Verwandten nach Istanbul abgeschoben - die Eltern blieben in München.
Vier Jahre später jedoch kehrte der Türke nach Deutschland zurück: Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Ausweisung nun doch für rechtswidrig erklärt. Einige Zeit war Ruhe, der Junge verbüßte eine Bewährungsstrafe und holte als inzwischen 19-Jähriger seinen Hauptschulabschluss nach. Im Sommer 2005 dann der Hilferuf seiner Eltern: Sie erstatten Anzeige gegen ihren Sohn. Er habe sie erpresst, bestohlen, geschlagen und angeschrien: "Euer Tod wird aus meiner Hand kommen, ich bringe euch um, ich werde euch abstechen." Aber auch die Rolle der Eltern wurde hinterfragt. So berichtete die Münchner "Abendzeitung", Mehmet sei als Kind vom Vater geschlagen worden.
Das Urteil lautete diesmal auf 18 Monate auf Bewährung, dazu 100 Stunden Sozialarbeit und ein Anti-Aggressionskurs. Offenbar zu viel für den Serientäter; Mehmet floh zu einem Onkel - ausgerechnet in die Türkei. Erneut verfügte daraufhin die Stadt München die förmliche Ausweisung sowie ein Einreiseverbot. Er darf nicht mehr zurückkehren.
Nach den drei Überfällen in der Münchner U-Bahn seit dem 20. Dezember geht seine Geschichte wieder durch die Medien: Taugt der Fall als effizientes Beispiel einer Ausweisungspolitik? Oberbürgermeister Ude hatte schon beim erneuten Prozess vor drei Jahren festgestellt: "Entgegen unseres Menschenbildes, das immer an die Erziehbarkeit glaubt, gibt es Menschen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist."
Auch Münchens SPD-Vorsitzender und Landtagsfraktionschef Franz Maget sagt zu SPIEGEL ONLINE: "Die Ausweisung von Mehmet damals war richtig." Er sei auch gegenwärtig "durchaus bereit, das Thema Ausweisung von kriminellen Jugendlichen zu diskutieren", kritisiert aber die aktuelle Kampagne des hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch als "unappetitlich": "Denn es geht ihm nicht um Problemlösung, sondern um billige Wahlkampfpolemik." Koch nehme einen "wirklich schlimmen Vorfall in München zum Anlass, um die Leute aufzuhetzen".
Uhl: Konsequent abschieben für den Mehmet-Effekt
Das Mehmet-Fazit von Hans-Peter Uhl erinnert an die alte Mao-Devise des "Bestrafe einen, erziehe hundert": "Bereits die öffentlichkeitswirksame Ausweisungsbemühung damals hat einen statistisch nachweisbaren Mehmet-Effekt ausgelöst", weiß der CSU-Mann SPIEGEL ONLINE zu berichten. Die Münchner Kriminalitätsstatistik habe einen deutlichen Rückgang an Straftaten von vergleichbaren Jugendlichen ausländischer Herkunft aufgezeigt. Potenzielle Straftäter hätten sich gedacht: "Obacht, wenn wir so weitermachen, ergeht es uns wie dem Mehmet und wir werden abgeschoben", glaubt Uhl zu wissen. Dieser Effekt habe ein halbes Jahr angehalten, dann habe er sich allerdings verflüchtigt, berichtet Uhl und verweist auf den SPIEGEL ONLINE vorliegenden "Sicherheitsreport 1998" des Münchner Polizeipräsidiums.
Unter der Zwischenüberschrift "Mehmet-Effekt" heißt es in dem Sicherheitsreport: Die Diskussion und letztliche Abschiebung des Serientäters habe "disziplinierend auf gefährdete Jugendliche" gewirkt, es hätten sich "etliche von diesen in der Ausübung von Straftaten" zurückgehalten. Dieser Eindruck werde "den Sachbearbeitern der Fachkommissariate und den Jugendbeamten vor Ort von den Jugendlichen selbst immer wieder bestätigt". Im Bericht für das Jahr 1999 hingegen heißt es: "Mehmet-Effekt schwächt sich ab."
Daraus leitet Hans-Peter Uhl ab: "Wenn wir in regelmäßigen Abständen konsequent abschöben, hätten wir einen ganzjährigen Mehmet-Effekt." Und das, meint Uhl, sei durchaus wünschenswert: Denn allein in München habe man "100 'Mehmets'", und in Berlin sei es es gar "500 bis 800". Jede deutsche Großstadt habe leider ein solches Potential.
Nur der Original-"Mehmet" weilt nicht mehr unter ihnen. Er arbeitet nach Informationen von SPIEGEL ONLINE inzwischen für den türkischen Staat, indem er seinen Militärdienst ableistet.