Fatmir_Nimanaj
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[h2]Der Furchtlose [/h2]
[h5] Von Peter M. Birrer und Thomas Schifferle. Aktualisiert um 07:22 Uhr [/h5]
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Der Basler Xherdan Shaqiri ist der Aufsteiger der Saison – er ist 18, munter und noch ganz unbefangen. Und jetzt trainiert er im WM-Camp.
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Bild: Reto Oeschger/TA
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Xherdan hat Erdin mitgebracht. Erdin sagt, er sei 19, überlegt kurz und realisiert, dass er eigentlich schon 20 ist. Erdin ist der Bruder von Xherdan, und wenn die Journalisten aus Kosovo anrufen, wo die Shaqiris ihre Wurzeln haben, gibt er sich gerne als Xherdan aus. Er wisse ja alles, sagt er, und Albanisch rede er auch.
Es ist Xherdan, der den Namen Shaqiri bekannt gemacht hat. Im Eiltempo hat er sich beim FC Basel durchgesetzt, und weil er da in diesem Frühjahr so gut gespielt hat, ist er jetzt Mitglied der Nationalmannschaft, die sich seit gestern in Crans-Montana auf die WM vorbereitet. Zwei Titel seien schon genial, sagt Xherdan nach dem Gewinn von Meisterschaft und Cup, vielleicht werde das Triple daraus. Xherdan schmunzelt, wie Lausbuben es machen, und Erdin sagt: «Oh, oh, du bist noch selbstbewusster als der Alex Frei . . .»
Xherdan sitzt, es ist der Mittwoch vergangener Woche, tief in einem grossen Sessel in einer Ecke der Hattrick-Sport-Bar, die als Attraktion den Blick in den St.-Jakob-Park bietet. Vor einem Jahr war er der Junior, der seinen FCB hier spielen sah, davor war er als Ballbub im Stadion gewesen, jetzt ist er der Aufsteiger der Saison, die Entdeckung, auch für Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld.
Die Shaqiris waren einst beim FCB überall. Arianit, der Älteste der drei Brüder, spielte in der U-18, Erdin gleichzeitig in der U-16 und Xherdan in der U-14. Ihre Leidenschaft für den Fussball verdanken sie ihrem Vater, der daheim in Kosovo ein recht guter Spieler gewesen sein muss. Er schickte sie in der Schweiz zum Fussball, «das war ein Riesenschachzug von ihm», sagt Erdin, «damit wir nicht am Bahnhof landen».
Arianit schaffte den Durchbruch nicht, Erdin ebenso wenig, und der Vater hatte etwas Angst, dass es auch Xherdan nicht schaffen würde. So sagt das Xherdan selbst. Er spürte daheim keinen Erfolgsdruck, «nein, das nicht», betont er, aber der Wunsch war da in der Familie, dass wenigstens aus einem ein richtiger Fussballer wird. Xherdan wechselte mit knapp 10 von Augst zum FCB, und er war noch keine 16, als er 2007 in Prag zum besten Spieler des Nike-Cups ausgezeichnet wurde. Zum Dank gab es ein Leibchen und eine Sonnenbrille («die bekam der Vater»). Beim FCB kam der Lehrlingslohn dazu: 500 Franken im Monat plus ein Abonnement für 46 Franken, um mit dem Bus von Augst nach Basel zum Training zu fahren.
Seit vier Monaten ist Xherdan ein richtiger Profi. Er brach die Lehre als Kleiderverkäufer im Herren-Globus ab, weil ihm beim FCB der neue Vertrag bis 2014 Sicherheit gibt. Bei den Gesprächen mit dem Klub sass ein Grossaufgebot der Shaqiris am Tisch: der Vater, gleich alle drei Brüder und der Spielervermittler Max Urscheler. «Und wenn ich gewollt hätte, dass halb Kosovo dabei ist, hätte der FCB das auch akzeptieren müssen», sagt Erdin.
Er versteht sich als Sprachrohr der Familie, als die Person, ohne die nichts gehe. Er redet mit einer Unbefangenheit und einem Selbstvertrauen, wie es auch Xherdan auszeichnet. Die Brüder tun sich nicht schwer, die Sorgen der Familie zu beschreiben, als der Vater seine Anstellung als Handlanger bei einer Baufirma in Frenkendorf verlor. Der Vater, vor 25 Jahren aus Gjilan in die Schweiz gekommen, unterstützte mit seinem kleinen Lohn auch noch die Eltern und vier Geschwister daheim in Kosovo. «Als ihm gekündigt wurde, war das schon ganz schwer», erzählt Erdin, während Xherdan kurz sein Handy kontrolliert.
Die Brüder wollten nicht, dass der Vater länger als ein Jahr Sozialhilfe bezieht, und halfen mit ihren Lehrlingslöhnen aus, sobald sie das konnten. Arianit fing eine Lehre als Automonteur an, Erdin begann bei Coop eine Ausbildung, und Xherdan ergänzt stolz, dass er in seinem ersten Lehrjahr «nicht schlecht verdient habe», 800 Franken im Monat. «Jetzt bin ich es, der die Familie finanziert», sagt Xherdan, «das ist eine Selbstverständlichkeit für mich: Irgendetwas wäre nicht gut, wenn ich nur für mich schauen würde.»
Anfänglich lebten die Shaqiris, Vater, Mutter, die drei Brüder und ihre kleine Schwester Medina, in Frenkendorf in dreieinhalb Zimmern, dann in Augst in einem alten Bauernhaus ohne Heizung, aber wenigstens mit einem Fernseher so gross «wie ein halber Lastwagen» (Erdin). Bis vor einem halben Jahr teilten sich Erdin und Xherdan ein Zimmer. Sie würden das auch jetzt noch so halten, wenn sie inzwischen nicht eine grössere Wohnung in Kaiseraugst gefunden hätten und jeder sein eigenes Zimmer hätte. So eng ist ihr Zusammenhalt, so unkompliziert ist ihr Verhältnis.
Xherdan sagt über Erdin: «Er ist mein wichtigster Ratgeber.» Erdin sagt über Xherdan: «Für uns ist er noch immer der kleine Xherdan.» Und Erdin übernimmt gerne das Reden, wenn Xherdan nicht mag, was allerdings selten vorkommen soll. Er «plappere» schon noch mehr, sagt Erdin und erzählt von seinen Leiden, wenn er gegen Xherdan wieder einmal an der Playstation, beim Bowling oder im Minigolf verloren hat. Xherdan schmunzelt und schiebt nach: «Im Pingpong habe ich es auch drauf.» Verlieren tut keiner der Brüder gern, Arianit sei in dieser Beziehung sogar der Schlimmste, klärt Erdin auf.
Vater Isen ist heute fürs Kochen zuständig, die Mutter arbeitet ein paar Stunden pro Tag als Raumpflegerin. Von der Mutter haben die Kinder das Denken, vom Vater die Muskeln. Erdin sieht so kräftig aus wie Xherdan, und der sagt: «Unsere Schwester hat die gleichen Waden wie ich.» Er war schon als Knirps kräftig, er ist es geblieben, «kräftig, dennoch wendig und schnell», sagt er, «das macht mich einzigartig». Es könnte eigentlich eine Bemerkung von Erdin sein, der ist besonders für die munteren Sprüche zuständig, aber sie ist von Xherdan. Sie mag dick aufgetragen sein, gerade für einen, der den 10.10. 1991 als Geburtsdatum hat und im Nationalteam ein Neuling ist. Nur drückt sie aus, was ihn auch auszeichnet: seine Furchtlosigkeit und Gelassenheit.
Xherdan hat eine Saison mit 32 Einsätzen in der Super League, 10 in der Europa League, 5 im Cup und einem im Nationalteam hinter sich. Macht 48 gleich in seinem ersten Jahr bei den Profis. Als er erstmals von Anfang an spielen durfte, dachte er nach einer halben Stunde noch: «He, was ist los? Habe ich keine Lunge mehr?» Je mehr er spielte, desto besser gewöhnte er sich an die Belastung, desto selbstbewusster wurde er, desto mehr getraute er sich etwas auf dem Platz. Er sieht sich als einer, der Spass hat, am Ball zu sein, «der Zirkus macht», sagt er. Von Teamkollege Benjamin Huggel hat er die mahnenden Worte im Ohr, auch einmal den Ball wieder abzuspielen. Xherdan sagt in solchen Momenten nichts, er spielt lieber weiter.
Seine Reifeprüfung bestand er vor zehn Tagen im Finale um die Meisterschaft, er, der lieber stürmt, musste links hinten verteidigen, gegen Seydou Doumbia. «Der hat keine Chance gegen dich», redeten ihm Alex Frei und Marco Streller ein. Und Xherdan spielte, als hätte er nie etwas anderes getan. Er war herausragend.
Jetzt also ist er in Crans-Montana. Er stellt sich hinten an, wo es um die Ansprüche im Nationalteam geht. Die grossen Träume sind für die Zukunft reserviert. Ins Ausland will Xherdan wie jeder richtige Profi. Barcelona wäre das Grösste überhaupt, die Bundesliga würde ihm auch gut gefallen. Da lerne er wenigstens Hochdeutsch, sagt er. Erdin ist zufrieden: «Gut so, wenn du schon in der Schule nicht aufgepasst hast.»
Am liebsten stürmt
Shaqiri. Gegen YB
bestand er seine Reife-
prüfung – als Verteidiger.
Xherdan Shaqiri hat sich in dieser Saison bereits ins Nationalteam und an die WM gespielt und hat darum gut lachen. Foto: Reto Oeschger