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Der Geschmack der Freiheit

Marcin

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Der deutsch-ägyptische Politologe und Autor Hamed Abdel-Samad war seit Beginn der sogenannten Arabellion mehrmals in der Region. Im Interview mit Schekker-Autorin Ruth erklärt er, welche Rolle das Internet bei den Protesten gespielt hat und wer die Gewinner und die Verlierer der Revolution sind.



Schekker: Vor mehr als zwei Jahren begann in der arabischen Welt eine Protestbewegung, der heute verschiedene Namen gegeben werden. Würden Sie von Arabellion, vom Arabischen Frühling oder sogar vom Arabischen Winter sprechen?

Hamed Abdel-Samad: Das sind alles Begriffe, die im Westen geboren sind und westliche Erfahrungen beschreiben. Es ist eine Massenbewegung, ich nenne das mit gutem Gewissen Revolution. Eine starke Umwälzung, eine Veränderung. Noch nicht viel in der Politik, noch nicht viel in der Wirtschaft, aber in der Mentalität hat sich sehr viel verändert, und wir sind mittendrin.

Was für Veränderungen sind das?

Früher hatten die Menschen Angst vor der Autorität, sie konnten ihre Meinung nicht frei äußern. Jetzt ist diese Mauer der Angst gefallen. Es herrschte in der arabischen Welt beispielsweise ein Konsens, dass Religion und Politik zusammengehören – dieser Zusammenhang wird jetzt hinterfragt. Auch religiöse Menschen erkennen, dass Konflikte in der Gesellschaft entstehen, wenn sich die Religion in die Politik einmischt. Solche Entwicklungen stehen aber noch ganz am Anfang, weil die arabische Welt jetzt erst nachzuholen beginnt, was in Europa längst stattgefunden hat.

Inwiefern unterscheiden sich die neuen Machthaber in Tunesien, Ägypten und Marokko – vor allem islamistische Parteien – von ihren Vorgängern?


Sie unterscheiden sich kaum, das ist die bittere Realität. Aber das ist normal, denn diese Parteien, diese islamistischen Bewegungen, sind unter der Diktatur groß geworden und konnten deshalb nicht demokratisch denken.
Wir haben in der arabischen Welt eine Diktaturzwiebel mit mehreren Schichten. Da war erst der Clan des Präsidenten oder des Königs, darunter die militärische Diktatur und darunter die religiöse Diktatur. Nach Fall des Clans von Mubarak in Ägypten kam zuerst die Militärdiktatur und jetzt die religiöse Diktatur. Man muss sich durch die Zwiebel bohren, bis man an den Kern der Diktatur gelangt ist.

Wie sehen Jugendliche in Ägypten, Tunesien und Libyen die Lage heute?

Die Massen von jungen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, wollten soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde und Demokratie. Davon ist nichts zu spüren in Ägypten, in Libyen, in Tunesien, im Jemen, auch in Marokko nicht, wo es keine Revolution, aber Massenproteste gab.

Welche Rolle hat das Internet für die Protestbewegung gespielt?

Das Internet, vor allem Twitter und Facebook, war sehr wichtig für die Organisation der Proteste. Aber schon lange davor hat das Internet eine herausragende Rolle bei der Politisierung junger Menschen gespielt. Als es noch kein Internet gab, kamen alle Informationen direkt von den staatlichen Kanälen, sei es vom Fernsehen, von der Schule, von der Moschee – alle staatlich kontrolliert. Jede Diktatur lebt davon, dass sie eine Art Informationsmonopol hat, aber das Internet hat dieses Monopol gebrochen.

Welche Informationskanäle waren noch wichtig?

Eine noch größere Rolle als Facebook und Twitter spielt YouTube. Die Videos, die von Demonstrationen aufgenommen und am selben Tag auf YouTube gepostet wurden, haben andere Demonstranten dazu ermutigt teilzunehmen. Die Revolution in Tunesien und in Ägypten hat bei YouTube ihren Anfang genommen: In Tunesien war es ein junger Akademiker, der keinen Job hatte und Tomaten verkaufte, der von einem Polizisten geohrfeigt wurde und sich aus Protest selbst verbrannt hat. Vor zehn Jahren hätte das niemand mitbekommen, aber jemand hat von dieser Szene ein Video gemacht, hat es auf YouTube gestellt. Von dort wurde es auf Facebook verbreitet und arabische Sender wie Al Jazeera haben es übernommen und in die Welt gesendet.

Wer profitiert besonders von der Revolution, wer hat an Einfluss verloren?

Die ersten Gewinner sind die Islamisten. Sie haben seit Jahrzehnten auf die Macht gewartet, waren immer in der Opposition und dachten die ganze Zeit, sie seien die legitimen Nachfolger der Diktatoren. Die größten Verlierer wiederum sind die Frauen, die bei Demonstrationen ganz vorne mit dabei waren. Jetzt versuchen die Islamisten, sie zurückzudrängen. Verlierer sind auch die Minderheiten, die Kopten in Ägypten, die Christen in Syrien, die nicht-arabischen Stämme in Libyen – sie alle werden marginalisiert und diskriminiert. Aber langfristig gewinnt die ganze Bevölkerung dadurch, dass der alte Geist nicht mehr wiederherzustellen ist. Die Menschen können eine Diktatur nicht mehr dulden, sie sind zu kritisch und zu misstrauisch gegenüber der politischen Autorität geworden.

Wie wird es Ihrer Meinung nach in den nächsten Monaten und Jahren im arabischen Raum weitergehen?

In den nächsten Jahren wird erst einmal politisches und wirtschaftliches Chaos herrschen. Die Revolution hat sozusagen die Erde gepflügt und alles, was darunter versteckt war, hervorgeholt. Die schönen Sachen, aber auch Unkraut und Gift und die Krankheiten der Gesellschaft, die unter der Diktatur lange nicht ausbrechen konnten. Alles bricht aus, die Kreativität und die Krankheiten und die kämpfen gerade gegeneinander. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber: Die Zeit ist auf der Seite der jungen Menschen, auch wenn sie keine Waffen in der Hand haben, wenn sie die Macht nicht haben. Sie haben kurz geschmeckt, wie Freiheit sich anfühlt, und dieser Geschmack lässt sie nicht mehr los.

Der Geschmack der Freiheit | www.schekker.de
 
Du mit deinem scheiß Hamed Abdel-Samad . Der ist doch völlig kaputt.
 
Wichtig ist das sich in den Golfstaaten etwas ändert und Palästina nicht nur von den arabischen-zionisten kriecher benutzt werden, um die Welt etwas vorzugaukeln, sondern endlich tatsachen geschaffen werden!
warum wird nicht die Frage beantwortet, weshalb ausgerechnet die Partei Gottes den Friedensvertrag mit Israel erhalten möchte, aber kleinere meist unbedeutende Parteien die Beziehungen abbrechen möchte?
 
Ich weiß nicht, was dieser Abdel-Samad amsonsten sagt, dieses Interview ist aber nicht so schlecht. Obwohl einige Punkte sehr fraglich sind ( z.B. "Es herrschte in der arabischen Welt beispielsweise ein Konsens, dass Religion und Politik zusammengehören" - wie kommt er dazu?)
 
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