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Balkaner
Helmut N. Gabel
Der "verborgene Imam" und die neue Härte des iranischen Regimes - Interview mit Dr Seyed Mostafa Azmayesh, Vertreter des Nematollah Gonabadi Sufi Ordens in Europa.
Am 13.Februar werden 1.200 Mitglieder (Derwische) des Nematollah Sufi Ordens in der Stadt Qom, Iran, im Zuge einer gewaltsamen Räumung und Zerstörung ihres Gebetshauses durch paramilitärische Einheiten und Polizeikräfte, festgenommen und unter Menschenrechts verletzenden Bedingungen festgehalten. Der offene und gewaltsame Angriff gegen eine Minderheit durch die iranischen Behörden hat weltweite Proteste ausgelöst; gleichzeitig hat damit das in Iran weitverbreitete und populäre Sufitum neue Aufmerksamkeit in westlichen Medien erlangt.
Das Sufitum ist eine mystische Bewegung. Es geht darum, einen direkten Weg zu Gott über den Kontakt zum Herzen oder den tieferen emotionalen Schichten von jedem Einzelnen zu gehen. Im islamischen Kulturkreis sind die Sufis mit dem Islam verbunden. Sufitum an und für sich ist jedoch unabhängig von Religionszugehörigkeit und kann mit den Gnostikern verglichen werden, die im Christentum verwurzelt sind. Sufitum beschäftigt sich mit grundlegenden Weisheiten.
Diese Strömung gab es vor dem Islam, vor dem Christentum und vor dem Judentum. Die Benennung ist mit dem Islam aufgetreten, aber das Wesen, das dem Sufitum zu Grunde liegt, ist nach Auffassung der Sufis der freie Mensch. Der Nematollah Orden ist einer der wenigen schiitischen Orden.
Dr Azmayesh, Sie sind der Vertreter des Nematollah Ordens
in Europa. Verfolgt dieser Orden ein politisches Ziel?
Seyed Mostafa Azmayesh: Es kommt auf die Art, wie die
Gesellschaft organisiert ist, an. Es kommt auf die
Personen an, die das Land regieren. In den westlichen
Gesellschaften ist es unerheblich, ob jemand Sufi ist
oder kein Sufi ist. Er kann sich dafür frei entscheiden,
ob er Sufi sein will oder nicht. Doch in totalitären
Regierungssystemen verhält es sich so: Wenn Sie Mitglied
in einer Sufi-Schule sind, wird diese Entscheidung als
eine politische Festlegung und politische Aktivität
betrachtet.
In den Augen einer totalitären Regierung bedeutet es,
wenn Sie Sufi sind, dann sind Sie gleichzeitig auch gegen
die Regierung eingestellt.
Aber Sufitum als Schulrichtung hat nichts mit Politik zu
tun. Doch kommt es auf die Art der Regierung an. Zu
Schah-Zeiten beispielsweise war es den Sufis erlaubt,
ihre Zeremonien abzuhalten, weil sie nicht als Personen
betrachtet wurden, die politische Interessen verfolgten.
Doch durch die aktuelle religiöse Führung im Iran werden
die Sufis als eine politische Strömung erachtet, die
gegen die Regierung ist.
Okkulte These als Legitimation für die Regierung
Q : Können Sie nun etwas über den Iran sagen und was sich
eben jetzt politisch im Iran ereignet, von dem wir im
Westen wenig hören?
Seyed Mostafa Azmayesh: Ja. Das Problem für die
internationale Gemeinschaft besteht darin, dass sie
Interesse am Iran entwickelt, wenn der Iran nach Außen
schaut, aber sie bringt kein Interesse auf für die
Vorgänge im Innern des Iran, von denen die Bevölkerung
betroffen ist.
Das System der Regierung im Iran ist ein totalitäres und
wenn wir über Totalitarismus sprechen, müssen wir uns zum
Beispiel den Unterschied zwischen dem Iran und der
Sowjetunion unter Stalin klarmachen. Stalin hat die
Gestaltung des sozialen Lebens für sich beansprucht,
während die Führer im Iran die Gestaltung sowohl des
sozialen Lebens, als auch des spirituellen Lebens der
gesamten Bevölkerung für sich beanspruchen.
Im Leninismus und im Stalinismus waren die Führer eben
nicht interessiert am spirituellen Leben der Bevölkerung,
da sie Materialisten waren, somit nannten sie sich Führer
der sozialen Entwicklung. Doch die Führer im Iran würden
gerne für jeden Aspekt, im Sozialen, im Wirtschaftlichen
und in spiritueller Hinsicht eines jeden Individuums
entscheiden, was zu tun ist und was nicht.
Somit haben wir es im wahrsten Sinne des Wortes mit einem
totalitären System zu tun. Wenn Sie also in einem solchen
System leben, gibt es keinen Raum für Freiheit und
Demokratie. Diese Art von System ist aus seiner Natur
heraus gegen Demokratie.
Es wird ja auch alles ausgesprochen. Der Hauptideologe
des Regimes Ayatollah Mesbah Yazdi hat kürzlich geäußert,
die Menschen seien überhaupt nicht wichtig und die
Legitimität der Regierung komme direkt aus der
unsichtbaren Beziehung des Oberhauptes der Revolution mit
dem "verborgenen 12ten Imam".
So wird eine okkulte These als Legitimation für die
Regierung propagiert und die Menschen haben keinerlei
Platz in diesem ideologischen Gebäude. Sie sind nichts
als Untertanen. In einem solchen System sind nicht nur
die Sufis nicht frei, niemand kann frei sein. Dies ist
die Realität des iranischen Systems. Von Zeit zu Zeit
bedrohen sie andere Länder oder Systeme, wie sie zurzeit
Israel bedrohen oder über die Nuklearanlagen streiten.
Durch diese Art schaffen sie es, die Welt über ihre
Absichten in Sorge zu stürzen. Selbst wenn sie ihre
Drohungen nicht wahr machen, muss die Weltgemeinschaft
Acht geben, was sie machen und welche Absichten sie
verfolgen.
Können Sie bitte näher auf die These des unsichtbaren Imams
und ihre Relevanz für die iranische Führung eingehen?
Seyed Mostafa Azmayesh: Der zwölfte Imam lebt in einer
Periode der Verborgenheit. Es ist nicht klar, wann er
wieder erscheinen wird. Es wird gesagt, während dieses
Zeitalters, nimmt ein guter schiitischer Gläubiger keine
politische Haltung ein. Dies war der schiitische
Standpunkt. Und der Unterschied zwischen den Schiiten und
den Sunniten besteht gerade darin. Denn die Sunniten
denken, nach dem Tod des Propheten des Islam betreffe
Politik die Bürger und sie müssten selbst entscheiden
können über das System ihres Staatsgebildes. Doch die
Schiiten denken, dass Politik eine Folge spiritueller
Kraft und eng verknüpft mit dieser ist.
Während der Zeit der Verborgenheit müssen sich die
Schiiten also gänzlich aus der Politik heraushalten.
Doch Ayatollah Khomeini hat eine neue These zum
politischem Verhalten in der Welt der Schiiten in die
Welt gesetzt. Ayatollah Khomeini sagte, in der Zeit der
Verborgenheit des Imams ist es den religiösen Führern,
den Ayatollahs, vorbehalten die islamischen Länder zu
regieren.
Also, traditioneller Weise gibt es zwei gegensätzliche
Standpunkte im Schiismus. Der traditionelle Standpunkt
sagt: Der Imam kümmert sich um die Politik und der neue
Standpunkt von Khomeini und seinen Parteigängern sagt: Da
das Verhülltsein des Imam unendlich lange sein kann, muss
sich der Ayatollah um die Politik kümmern und beide
Standpunkte stehen in Opposition zueinander.
Krisen als Voraussetzung für das Wiedererscheinen des "verschwundenen Imams"
Nun gibt es noch einen dritten Standpunkt zum politischen
Verhalten, der sich als Synthese aus den ersten beiden
ergeben hat. Gewisse Gruppierungen der Ayatollahs sagen,
die Politik könnte von den Ayatollahs bestimmt werden in
der Zeit der Verhüllung des Imam.
Und in dieser Phase ist es natürlich, dass heftige
gesellschaftliche Krisen auf internationaler Ebene
geschaffen werden müssen. Wenn die Krise und
Ungerechtigkeit auf der ganzen Welt herrscht, wird der
Imam von Gott geschickt werden, um die Probleme der
Menschheit zu lösen. Sie sagen, dass die Arbeit der
religiösen Regierung in der Zeit, die durch das
Wiedererscheinen des Imam beendet wird, nicht dazu da
sei, islamisches Recht umzusetzen, sondern im Gegenteil
viele Probleme zu verursachen und ein großes Geschrei zu
veranstalten. Es ist ganz natürlich, einen Haufen
Schwierigkeiten und Lärm und Kriege zu schaffen, denn
durch all dies wird der Imam sehr schnell zum
Wiedererscheinen geführt.
Also, dies ist die neue Interpretation. Der neue
Präsident von Iran, Ahmadinedschad, ist ein Anhänger
dieser Interpretation. Auf dieser Grundlage spricht er
über die anderen Länder und über die Notwendigkeit, die
Nuklearfrage weiter zu
entwickeln.
Sufis als innenpolitische Feinde
Lassen Sie uns nun über Qom sprechen. Offensichtlich gibt
es hier ein Beispiel, das veranschaulichen kann, wie
iranischen Behörden mit der Bevölkerung umgehen. Im
Zusammenhang mit der Vernichtung ihres Zentrums wurden
mehrere Mitglieder des Nematollah Ordens ins Gefängnis
geworfen, mit der Anschuldigung, sie seien Agenten des
Westens und hätten eine Rebellion gegen die Regierung
angezettelt. Kein Anwalt oder Freund, noch Verwandter
durfte Kontakt zu ihnen aufnehmen. Was ist wirklich
geschehen und was ist Ihr Standpunkt zu diesen Vorwürfen?
Seyed Mostafa Azmayesh: All das sind falsche
Anschuldigungen, die jeglicher Grundlage entbehren.
Jedermann weiß, dass wir es mit einem totalitären System
zu tun haben und die Behörden erlauben sich, alles
Mögliche gegen wen auch immer zu unternehmen. Die Sufis
waren damit beschäftigt zu Gott zu beten. Sie waren in
den Nischen ihrer Gebetshäuser in jeder Stadt allein
damit beschäftigt.
Doch mit der Regierungsübernahme durch Ahmadinedschad und
seinen Gefolgsleuten wurde die Situation für die Sufis
sehr eng. Die Propaganda behauptete nun, die Sufis seien
überhaupt keine Moslems und es gäbe überhaupt keinen
Platz für sie in einer muslimischen und in der iranischen
Gesellschaft. Sie behaupteten, es sei Sache der Regierung
die Sufis völlig zu entfernen und ihre Häuser überall zu
zerstören und sie haben damit in Qom angefangen, weil Qom
die Hauptstadt des schiitischen Fundamentalismus ist.
Dort leben die reaktionären Ayatollahs, die öffentlich
die Derwische angreifen und zur Gewalt gegen sie
aufrufen, mit dem Ziel, sie völlig aus Qom zu entfernen.
Im Frühjahr 2005 haben sie damit angefangen, Bücher gegen
die Sufis zu schreiben, lauter ideologisch verbrämte
Schriften, um zu verbreiten, die Sufis seien kein
Quäntchen Muslimisch. Sie beschreiben, wie seit der Zeit
des Propheten die Sufis in einer islamischen Gesellschaft
nicht tragbar waren. Doch all diese Behauptungen sind
schlichtweg falsch. Dies war die ideologische
Vorbereitung ihrer Anhänger, um die Sufis anzugreifen.
Im Sommer 2005 begannen sie dann, die Sufis in Verbindung
mit dem Pentagon und der CIA und mit fremden Mächten zu
bringen.
Das Tückische daran ist, dass es alles nicht offiziell
von Seiten der Regierung betrieben wurde. All dies ist
durch die reaktionären Ayatollahs in Qom getan worden,
doch wurde es von der Regierung geduldet. Die Regierung
hat keinerlei Reaktion darauf gezeigt. Schließlich hat
vor zwei Monaten einer der reaktionären Ayatollahs mit
Namen Nouri Hammedani die Regierung kritisiert und hat
gesagt, "wenn die Regierung die Sufis nicht aus Qom
entfernt, dann werde ich meine Anhänger auffordern, dies
zu tun".
Letztlich hat er seine Anhänger aufgefordert, tätig zu
sein und die Behörden waren dabei und haben sie
unterstützt. Diese reaktionären Leute sind wie die
Taliban, nur dass die Taliban in Afghanistan sunnitisch
sind, während die Anhänger von Nouri Hammedani
schiitische Taliban sind. Sie sind wirklich sehr
reaktionär und sie sind gegen eine moderne Gesellschaft.
Also haben sie die Sufis angegriffen und die Behörden
haben sie nicht aufgehalten oder inhaftiert, sondern
haben sie auch noch unterstützt und haben die Sufis
inhaftiert.
Wir haben dann Shirin Ebadi, die Anwältin, die sich für
Menschenrechte im Iran einsetzt und dafür den Nobelpreis
bekommen hat, gebeten, Fürsprache für die Sufis zu
halten. Dadurch, dass sie international bekannt ist,
genießt sie einen gewissen Schutz und so hatten wir die
Hoffnung, dass sie helfen kann. Jeder andere Anwalt, der
bereit war, den Sufis zu helfen, wurde von den Behörden
sofort verhaftet und festgesetzt. Sie wollten die Sufis
angreifen und gleichzeitig, dass sich Schweigen darüber
ausbreitet, um den Sufis in aller Ruhe ein Ende zu
machen. Aber glücklicherweise half die internationale
Gemeinschaft den Derwischen sehr und die Behörden haben
die Sufis dann auch schnell aus dem Gefängnis entlassen.
Warum fürchtet die iranische Regierung die Sufis? Welche
Argumente bringt Sie gegen die Sufis vor?
Seyed Mostafa Azmayesh: Während der ersten 27 Jahre der
Islamischen Staatsführung im Iran gab es eine Art von
Koexistenz zwischen den Sufis und dem iranischen System.
Als vor kurzem der neue Standpunkt der Politik
aufgebracht wurde, entwickelten sich die Widersprüche
zwischen bestimmten religiösen Strömungen und den Sufis
immer stärker auseinander.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn diese bestimmte
religiöse Strömung von Radikalität und Totalitarismus
spricht und hervorhebt, es sei erforderlich von Krisen
geschüttelt zu sein, bevor der Imam wiederkehrt und alles
auf eine Konfrontation mit den westliche Ländern abstellt
und eine Intoleranz und Härte anderen Menschen und
anderen Religionen gegenüber zeigt, dann wenden sich mehr
und mehr Menschen von dieser Art, den Islam zu
interpretieren, ab und neigen der entgegengesetzte Art
zu, nämlich der friedvollen Interpretation.
Der allerfriedfertigste Blick auf den Koran und auf die
Islamische Religion ist der Blickwinkel der Sufis. Diese
neue Strömung der Ayatollahs drängen die Menschen,
insbesondere die jungen Menschen durch ihre eigenen
Theorien zum Sufitum. Sie fürchten diese Abwendung der
Menschen von ihren Theorien. Sie fürchten die Tatsache,
dass die Menschen sich mehr und mehr für Sufitum
interessieren, weil sie gewaltsam Recht brechen und eine
aggressive Lebensanschauung vertreten.
Sie möchten gerne die Gegenwart der Sufis im Iran
auslöschen, um den Menschen nicht zu erlauben, auf diese
Art zu leben. Sie haben bereits verstanden, dass die
Menschen sich mehr und mehr von ihnen abwenden, je länger
sie über Intoleranz anderen gegenüber predigen und die
Menschen sich der friedlichen Interpretation zuwenden, zu
den Sufis gehen. Also wollen sie die Gegenwart der Sufis
überall vernichten.
Zwei Monate ist es her, da haben sie die Stadt Qom als
Hauptstadt des Islam in der Zeit der Wiederkehr des
verborgenen Imam benannt.
Dieses System braucht einen Mythos
Nun, dieses System braucht einen Mythos. Und sie schaffen
diesen Mythos. Und dieser Mythos hat nichts Rationales an
sich, er ist dogmatisch. Dieses Dogma liegt in den
Grundzügen des Schiismus bereits drin. Es ist das Dasein
des zwölften Imam, der dauerhaft im Zustand des
Verborgenseins lebt. Dies ist der Mythos der Schiiten.
Sie warten auf das Wiedererscheinen des Imam. Die
Ayatollahs können den Imam nicht ersetzen, aber sie
können den Leuten einreden, dass sie in der Lage seien,
den Mythos wahr werden zu lassen, den Zustand
herbeiführen zu können, der den Imam wiederkehren lässt;
Gott zu zwingen, den Imam wieder zu entsenden. Die
gesamte Politik der aktuellen iranischen Regierung geht
in diese Richtung.
Hingegen versuchte der Ex-Präsident, Chatami in seiner
Regierungszeit einen rationalen Kurs einzuschlagen. Was
aber jetzt geschieht ist vollkommen irrational. Sie
wenden sich einer mythologischen Erklärung der Geschichte
und des Glaubensdogmas zu. Es gibt keinen einzigen
vernünftigen Plan oder ein Projekt für die Zukunft.
Worüber sie reden ist, dass sie die Leute bereit machen
wollen, für die Wiederkehr des Imam und solche Dinge.
So etwas Ähnliches finden wir auch wo anders in der Welt.
Präsident Bush und seine radikalen protestantischen
Anhänger möchten auch die Bedingungen herstellen, um Gott
zu zwingen, Jesus wieder zu entsenden. Es ist genau das
Gleiche was sie tun, also kommt es von beiden Seiten zum
gleichen Ergebnis: Gewalt über Gewalt und Intoleranz in
die Welt bringen.
Atomwaffe ein vages Projekt
Welche Relevanz hat dies für Europa?
Seyed Mostafa Azmayesh: All dies sind die Zeichen für
einen sich entwickelnden Faschismus. Ideologischer
Faschismus unter dem Deckmantel von Islam und Religion.
Er stellt eine ernste Gefahr für die freie Welt dar. Die
Gefahr macht nicht Halt im Iran, sie stellt eine
Bedrohung für die ganze Welt dar. Und falls die
internationale Gemeinschaft sich untätig verhält
gegenüber dem Geschehen im Iran, wird es schon morgen
auch in Europa eine reale Bedrohung darstellen. Wir
können nicht außer Acht lassen, was Faschismus zu anderen
Zeiten in Europa bewirkt hat. Es ist die gleiche Sache
und noch schlimmer, weil es ein religiös-ideologischer
Faschismus ist. Eine viel heftigere Art und sehr
spezifische Art von Totalitarismus. Aus diesem Grund,
muss die internationale Gemeinschaft und vor allem Europa
gewarnt sein und sehr wachsam damit umgehen.
Wie kann die westliche Gesellschaft dem Iranischen Regime
begegnen? Ist ein Krieg gegen den Iran, in irgendeiner
Weise eine Möglichkeit? Wie können Amerika und die EU dem
Iranischen Volk gegen jegliche gewaltsame und despotische
Ziele ihrer eigenen Regierung unterstützen?
Seyed Mostafa Azmayesh: Das, was der Iranischen
Bevölkerung am hilfreichsten sein wird, ist die
Entwicklung des rationalen Denkens und die
Demokratisierung aus eigener Kraft. Jegliche Gefahr von
Außen wird die Tyrannei und Unterdrückung nähren. Das
braucht es nicht. Bei der Entwicklung einer friedlichen
Interpretation des Koran zu helfen und den Menschen von
Innen zu helfen, ist das Beste was wir tun können.
Haben sie spezifische Vorschläge, wie den Menschen im Iran
geholfen werden kann?
Seyed Mostafa Azmayesh: Die westlichen Medien müssen
eine entschlossenere Rolle in dieser Situation spielen.
Sie bringen der Atomwaffe sehr viel Aufmerksamkeit
entgegen, doch dies ist nur ein vages Projekt. Fakt ist,
dass der Widerstand der friedlich gesinnten Menschen
gegen die intolerante Deutung des Korans am hilfreichsten
für die Entwicklung von demokratischem Verständnis und
Bürgerrechten im Iran ist. Ich denke, es ist besser, wenn
die westlichen Massenmedien einen Richtungsschwenk
machen, um dem friedlichen Widerstand der iranischen
Bevölkerung gegen diese neuen Strömungen der Korandeutung
mehr und mehr unter die Arme zu greifen.
Was kann die deutsche Regierung unternehmen?
Seyed Mostafa Azmayesh: Diese Frage finde ich sehr
interessant, denn kürzlich gab es ein Zusammenkommen
eines der Hauptideologen, Safi Golpaygani in Qom mit dem
deutschen Botschafter im Iran, Freiherrn von Maltzahn.
Dieser Ayatollah - eine wichtige Persönlichkeit im Iran -
sprach mit dem Botschafter über das iranische
Nuklearprogramm und wies darauf hin, dass sie ein
friedliches Volk seien und dass sie Zugang zu nuklearer
Energie haben müssen usw. In diesen Zusammenkünften mit
den Ayatollahs, wie zum Beispiel mit Golpaygani, ist es
wichtig, offen darauf hinzuweisen, dass die
Weltgemeinschaft sehr genau darauf schaut, wie die
Regierung mit der eigenen Bevölkerung umgeht. Wie sie mit
der eigenen Bevölkerung umgehen, ist ein Beispiel dafür,
was sie tun werden mit jedem in der Welt, wenn sie die
Kraft und Möglichkeit dafür haben.
Wenn sie von der freien Zivilisation, der internationalen
Gemeinschaft akzeptiert werden wollen, müssen sie die
Rechte der Bürger im Iran achten. Und die Sufis sind
ebenso Bürger, wie jeder andere auch. Wenn sie jedoch die
Sufis angreifen, ihre Zentren niederreißen wider
jegliches religiöse und wider jegliches zivile Recht - so
tun sie gerade -, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit vor
der internationalen Gemeinschaft.
_____________________________________________________________
Dies' ist ein Artikel aus der Telepolis, welcher für meine
Zwecke sehr interessant ist, da es um den im Islam eher
selten angesprochen Themenkomplex des Sufiismus geht, und die
politische Funktion, welche Ihr inneliegt.
Der "verborgene Imam" und die neue Härte des iranischen Regimes - Interview mit Dr Seyed Mostafa Azmayesh, Vertreter des Nematollah Gonabadi Sufi Ordens in Europa.
Am 13.Februar werden 1.200 Mitglieder (Derwische) des Nematollah Sufi Ordens in der Stadt Qom, Iran, im Zuge einer gewaltsamen Räumung und Zerstörung ihres Gebetshauses durch paramilitärische Einheiten und Polizeikräfte, festgenommen und unter Menschenrechts verletzenden Bedingungen festgehalten. Der offene und gewaltsame Angriff gegen eine Minderheit durch die iranischen Behörden hat weltweite Proteste ausgelöst; gleichzeitig hat damit das in Iran weitverbreitete und populäre Sufitum neue Aufmerksamkeit in westlichen Medien erlangt.
Das Sufitum ist eine mystische Bewegung. Es geht darum, einen direkten Weg zu Gott über den Kontakt zum Herzen oder den tieferen emotionalen Schichten von jedem Einzelnen zu gehen. Im islamischen Kulturkreis sind die Sufis mit dem Islam verbunden. Sufitum an und für sich ist jedoch unabhängig von Religionszugehörigkeit und kann mit den Gnostikern verglichen werden, die im Christentum verwurzelt sind. Sufitum beschäftigt sich mit grundlegenden Weisheiten.
Diese Strömung gab es vor dem Islam, vor dem Christentum und vor dem Judentum. Die Benennung ist mit dem Islam aufgetreten, aber das Wesen, das dem Sufitum zu Grunde liegt, ist nach Auffassung der Sufis der freie Mensch. Der Nematollah Orden ist einer der wenigen schiitischen Orden.
Dr Azmayesh, Sie sind der Vertreter des Nematollah Ordens
in Europa. Verfolgt dieser Orden ein politisches Ziel?
Seyed Mostafa Azmayesh: Es kommt auf die Art, wie die
Gesellschaft organisiert ist, an. Es kommt auf die
Personen an, die das Land regieren. In den westlichen
Gesellschaften ist es unerheblich, ob jemand Sufi ist
oder kein Sufi ist. Er kann sich dafür frei entscheiden,
ob er Sufi sein will oder nicht. Doch in totalitären
Regierungssystemen verhält es sich so: Wenn Sie Mitglied
in einer Sufi-Schule sind, wird diese Entscheidung als
eine politische Festlegung und politische Aktivität
betrachtet.
In den Augen einer totalitären Regierung bedeutet es,
wenn Sie Sufi sind, dann sind Sie gleichzeitig auch gegen
die Regierung eingestellt.
Aber Sufitum als Schulrichtung hat nichts mit Politik zu
tun. Doch kommt es auf die Art der Regierung an. Zu
Schah-Zeiten beispielsweise war es den Sufis erlaubt,
ihre Zeremonien abzuhalten, weil sie nicht als Personen
betrachtet wurden, die politische Interessen verfolgten.
Doch durch die aktuelle religiöse Führung im Iran werden
die Sufis als eine politische Strömung erachtet, die
gegen die Regierung ist.
Okkulte These als Legitimation für die Regierung
Q : Können Sie nun etwas über den Iran sagen und was sich
eben jetzt politisch im Iran ereignet, von dem wir im
Westen wenig hören?
Seyed Mostafa Azmayesh: Ja. Das Problem für die
internationale Gemeinschaft besteht darin, dass sie
Interesse am Iran entwickelt, wenn der Iran nach Außen
schaut, aber sie bringt kein Interesse auf für die
Vorgänge im Innern des Iran, von denen die Bevölkerung
betroffen ist.
Das System der Regierung im Iran ist ein totalitäres und
wenn wir über Totalitarismus sprechen, müssen wir uns zum
Beispiel den Unterschied zwischen dem Iran und der
Sowjetunion unter Stalin klarmachen. Stalin hat die
Gestaltung des sozialen Lebens für sich beansprucht,
während die Führer im Iran die Gestaltung sowohl des
sozialen Lebens, als auch des spirituellen Lebens der
gesamten Bevölkerung für sich beanspruchen.
Im Leninismus und im Stalinismus waren die Führer eben
nicht interessiert am spirituellen Leben der Bevölkerung,
da sie Materialisten waren, somit nannten sie sich Führer
der sozialen Entwicklung. Doch die Führer im Iran würden
gerne für jeden Aspekt, im Sozialen, im Wirtschaftlichen
und in spiritueller Hinsicht eines jeden Individuums
entscheiden, was zu tun ist und was nicht.
Somit haben wir es im wahrsten Sinne des Wortes mit einem
totalitären System zu tun. Wenn Sie also in einem solchen
System leben, gibt es keinen Raum für Freiheit und
Demokratie. Diese Art von System ist aus seiner Natur
heraus gegen Demokratie.
Es wird ja auch alles ausgesprochen. Der Hauptideologe
des Regimes Ayatollah Mesbah Yazdi hat kürzlich geäußert,
die Menschen seien überhaupt nicht wichtig und die
Legitimität der Regierung komme direkt aus der
unsichtbaren Beziehung des Oberhauptes der Revolution mit
dem "verborgenen 12ten Imam".
So wird eine okkulte These als Legitimation für die
Regierung propagiert und die Menschen haben keinerlei
Platz in diesem ideologischen Gebäude. Sie sind nichts
als Untertanen. In einem solchen System sind nicht nur
die Sufis nicht frei, niemand kann frei sein. Dies ist
die Realität des iranischen Systems. Von Zeit zu Zeit
bedrohen sie andere Länder oder Systeme, wie sie zurzeit
Israel bedrohen oder über die Nuklearanlagen streiten.
Durch diese Art schaffen sie es, die Welt über ihre
Absichten in Sorge zu stürzen. Selbst wenn sie ihre
Drohungen nicht wahr machen, muss die Weltgemeinschaft
Acht geben, was sie machen und welche Absichten sie
verfolgen.
Können Sie bitte näher auf die These des unsichtbaren Imams
und ihre Relevanz für die iranische Führung eingehen?
Seyed Mostafa Azmayesh: Der zwölfte Imam lebt in einer
Periode der Verborgenheit. Es ist nicht klar, wann er
wieder erscheinen wird. Es wird gesagt, während dieses
Zeitalters, nimmt ein guter schiitischer Gläubiger keine
politische Haltung ein. Dies war der schiitische
Standpunkt. Und der Unterschied zwischen den Schiiten und
den Sunniten besteht gerade darin. Denn die Sunniten
denken, nach dem Tod des Propheten des Islam betreffe
Politik die Bürger und sie müssten selbst entscheiden
können über das System ihres Staatsgebildes. Doch die
Schiiten denken, dass Politik eine Folge spiritueller
Kraft und eng verknüpft mit dieser ist.
Während der Zeit der Verborgenheit müssen sich die
Schiiten also gänzlich aus der Politik heraushalten.
Doch Ayatollah Khomeini hat eine neue These zum
politischem Verhalten in der Welt der Schiiten in die
Welt gesetzt. Ayatollah Khomeini sagte, in der Zeit der
Verborgenheit des Imams ist es den religiösen Führern,
den Ayatollahs, vorbehalten die islamischen Länder zu
regieren.
Also, traditioneller Weise gibt es zwei gegensätzliche
Standpunkte im Schiismus. Der traditionelle Standpunkt
sagt: Der Imam kümmert sich um die Politik und der neue
Standpunkt von Khomeini und seinen Parteigängern sagt: Da
das Verhülltsein des Imam unendlich lange sein kann, muss
sich der Ayatollah um die Politik kümmern und beide
Standpunkte stehen in Opposition zueinander.
Krisen als Voraussetzung für das Wiedererscheinen des "verschwundenen Imams"
Nun gibt es noch einen dritten Standpunkt zum politischen
Verhalten, der sich als Synthese aus den ersten beiden
ergeben hat. Gewisse Gruppierungen der Ayatollahs sagen,
die Politik könnte von den Ayatollahs bestimmt werden in
der Zeit der Verhüllung des Imam.
Und in dieser Phase ist es natürlich, dass heftige
gesellschaftliche Krisen auf internationaler Ebene
geschaffen werden müssen. Wenn die Krise und
Ungerechtigkeit auf der ganzen Welt herrscht, wird der
Imam von Gott geschickt werden, um die Probleme der
Menschheit zu lösen. Sie sagen, dass die Arbeit der
religiösen Regierung in der Zeit, die durch das
Wiedererscheinen des Imam beendet wird, nicht dazu da
sei, islamisches Recht umzusetzen, sondern im Gegenteil
viele Probleme zu verursachen und ein großes Geschrei zu
veranstalten. Es ist ganz natürlich, einen Haufen
Schwierigkeiten und Lärm und Kriege zu schaffen, denn
durch all dies wird der Imam sehr schnell zum
Wiedererscheinen geführt.
Also, dies ist die neue Interpretation. Der neue
Präsident von Iran, Ahmadinedschad, ist ein Anhänger
dieser Interpretation. Auf dieser Grundlage spricht er
über die anderen Länder und über die Notwendigkeit, die
Nuklearfrage weiter zu
entwickeln.
Sufis als innenpolitische Feinde
Lassen Sie uns nun über Qom sprechen. Offensichtlich gibt
es hier ein Beispiel, das veranschaulichen kann, wie
iranischen Behörden mit der Bevölkerung umgehen. Im
Zusammenhang mit der Vernichtung ihres Zentrums wurden
mehrere Mitglieder des Nematollah Ordens ins Gefängnis
geworfen, mit der Anschuldigung, sie seien Agenten des
Westens und hätten eine Rebellion gegen die Regierung
angezettelt. Kein Anwalt oder Freund, noch Verwandter
durfte Kontakt zu ihnen aufnehmen. Was ist wirklich
geschehen und was ist Ihr Standpunkt zu diesen Vorwürfen?
Seyed Mostafa Azmayesh: All das sind falsche
Anschuldigungen, die jeglicher Grundlage entbehren.
Jedermann weiß, dass wir es mit einem totalitären System
zu tun haben und die Behörden erlauben sich, alles
Mögliche gegen wen auch immer zu unternehmen. Die Sufis
waren damit beschäftigt zu Gott zu beten. Sie waren in
den Nischen ihrer Gebetshäuser in jeder Stadt allein
damit beschäftigt.
Doch mit der Regierungsübernahme durch Ahmadinedschad und
seinen Gefolgsleuten wurde die Situation für die Sufis
sehr eng. Die Propaganda behauptete nun, die Sufis seien
überhaupt keine Moslems und es gäbe überhaupt keinen
Platz für sie in einer muslimischen und in der iranischen
Gesellschaft. Sie behaupteten, es sei Sache der Regierung
die Sufis völlig zu entfernen und ihre Häuser überall zu
zerstören und sie haben damit in Qom angefangen, weil Qom
die Hauptstadt des schiitischen Fundamentalismus ist.
Dort leben die reaktionären Ayatollahs, die öffentlich
die Derwische angreifen und zur Gewalt gegen sie
aufrufen, mit dem Ziel, sie völlig aus Qom zu entfernen.
Im Frühjahr 2005 haben sie damit angefangen, Bücher gegen
die Sufis zu schreiben, lauter ideologisch verbrämte
Schriften, um zu verbreiten, die Sufis seien kein
Quäntchen Muslimisch. Sie beschreiben, wie seit der Zeit
des Propheten die Sufis in einer islamischen Gesellschaft
nicht tragbar waren. Doch all diese Behauptungen sind
schlichtweg falsch. Dies war die ideologische
Vorbereitung ihrer Anhänger, um die Sufis anzugreifen.
Im Sommer 2005 begannen sie dann, die Sufis in Verbindung
mit dem Pentagon und der CIA und mit fremden Mächten zu
bringen.
Das Tückische daran ist, dass es alles nicht offiziell
von Seiten der Regierung betrieben wurde. All dies ist
durch die reaktionären Ayatollahs in Qom getan worden,
doch wurde es von der Regierung geduldet. Die Regierung
hat keinerlei Reaktion darauf gezeigt. Schließlich hat
vor zwei Monaten einer der reaktionären Ayatollahs mit
Namen Nouri Hammedani die Regierung kritisiert und hat
gesagt, "wenn die Regierung die Sufis nicht aus Qom
entfernt, dann werde ich meine Anhänger auffordern, dies
zu tun".
Letztlich hat er seine Anhänger aufgefordert, tätig zu
sein und die Behörden waren dabei und haben sie
unterstützt. Diese reaktionären Leute sind wie die
Taliban, nur dass die Taliban in Afghanistan sunnitisch
sind, während die Anhänger von Nouri Hammedani
schiitische Taliban sind. Sie sind wirklich sehr
reaktionär und sie sind gegen eine moderne Gesellschaft.
Also haben sie die Sufis angegriffen und die Behörden
haben sie nicht aufgehalten oder inhaftiert, sondern
haben sie auch noch unterstützt und haben die Sufis
inhaftiert.
Wir haben dann Shirin Ebadi, die Anwältin, die sich für
Menschenrechte im Iran einsetzt und dafür den Nobelpreis
bekommen hat, gebeten, Fürsprache für die Sufis zu
halten. Dadurch, dass sie international bekannt ist,
genießt sie einen gewissen Schutz und so hatten wir die
Hoffnung, dass sie helfen kann. Jeder andere Anwalt, der
bereit war, den Sufis zu helfen, wurde von den Behörden
sofort verhaftet und festgesetzt. Sie wollten die Sufis
angreifen und gleichzeitig, dass sich Schweigen darüber
ausbreitet, um den Sufis in aller Ruhe ein Ende zu
machen. Aber glücklicherweise half die internationale
Gemeinschaft den Derwischen sehr und die Behörden haben
die Sufis dann auch schnell aus dem Gefängnis entlassen.
Warum fürchtet die iranische Regierung die Sufis? Welche
Argumente bringt Sie gegen die Sufis vor?
Seyed Mostafa Azmayesh: Während der ersten 27 Jahre der
Islamischen Staatsführung im Iran gab es eine Art von
Koexistenz zwischen den Sufis und dem iranischen System.
Als vor kurzem der neue Standpunkt der Politik
aufgebracht wurde, entwickelten sich die Widersprüche
zwischen bestimmten religiösen Strömungen und den Sufis
immer stärker auseinander.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn diese bestimmte
religiöse Strömung von Radikalität und Totalitarismus
spricht und hervorhebt, es sei erforderlich von Krisen
geschüttelt zu sein, bevor der Imam wiederkehrt und alles
auf eine Konfrontation mit den westliche Ländern abstellt
und eine Intoleranz und Härte anderen Menschen und
anderen Religionen gegenüber zeigt, dann wenden sich mehr
und mehr Menschen von dieser Art, den Islam zu
interpretieren, ab und neigen der entgegengesetzte Art
zu, nämlich der friedvollen Interpretation.
Der allerfriedfertigste Blick auf den Koran und auf die
Islamische Religion ist der Blickwinkel der Sufis. Diese
neue Strömung der Ayatollahs drängen die Menschen,
insbesondere die jungen Menschen durch ihre eigenen
Theorien zum Sufitum. Sie fürchten diese Abwendung der
Menschen von ihren Theorien. Sie fürchten die Tatsache,
dass die Menschen sich mehr und mehr für Sufitum
interessieren, weil sie gewaltsam Recht brechen und eine
aggressive Lebensanschauung vertreten.
Sie möchten gerne die Gegenwart der Sufis im Iran
auslöschen, um den Menschen nicht zu erlauben, auf diese
Art zu leben. Sie haben bereits verstanden, dass die
Menschen sich mehr und mehr von ihnen abwenden, je länger
sie über Intoleranz anderen gegenüber predigen und die
Menschen sich der friedlichen Interpretation zuwenden, zu
den Sufis gehen. Also wollen sie die Gegenwart der Sufis
überall vernichten.
Zwei Monate ist es her, da haben sie die Stadt Qom als
Hauptstadt des Islam in der Zeit der Wiederkehr des
verborgenen Imam benannt.
Dieses System braucht einen Mythos
Nun, dieses System braucht einen Mythos. Und sie schaffen
diesen Mythos. Und dieser Mythos hat nichts Rationales an
sich, er ist dogmatisch. Dieses Dogma liegt in den
Grundzügen des Schiismus bereits drin. Es ist das Dasein
des zwölften Imam, der dauerhaft im Zustand des
Verborgenseins lebt. Dies ist der Mythos der Schiiten.
Sie warten auf das Wiedererscheinen des Imam. Die
Ayatollahs können den Imam nicht ersetzen, aber sie
können den Leuten einreden, dass sie in der Lage seien,
den Mythos wahr werden zu lassen, den Zustand
herbeiführen zu können, der den Imam wiederkehren lässt;
Gott zu zwingen, den Imam wieder zu entsenden. Die
gesamte Politik der aktuellen iranischen Regierung geht
in diese Richtung.
Hingegen versuchte der Ex-Präsident, Chatami in seiner
Regierungszeit einen rationalen Kurs einzuschlagen. Was
aber jetzt geschieht ist vollkommen irrational. Sie
wenden sich einer mythologischen Erklärung der Geschichte
und des Glaubensdogmas zu. Es gibt keinen einzigen
vernünftigen Plan oder ein Projekt für die Zukunft.
Worüber sie reden ist, dass sie die Leute bereit machen
wollen, für die Wiederkehr des Imam und solche Dinge.
So etwas Ähnliches finden wir auch wo anders in der Welt.
Präsident Bush und seine radikalen protestantischen
Anhänger möchten auch die Bedingungen herstellen, um Gott
zu zwingen, Jesus wieder zu entsenden. Es ist genau das
Gleiche was sie tun, also kommt es von beiden Seiten zum
gleichen Ergebnis: Gewalt über Gewalt und Intoleranz in
die Welt bringen.
Atomwaffe ein vages Projekt
Welche Relevanz hat dies für Europa?
Seyed Mostafa Azmayesh: All dies sind die Zeichen für
einen sich entwickelnden Faschismus. Ideologischer
Faschismus unter dem Deckmantel von Islam und Religion.
Er stellt eine ernste Gefahr für die freie Welt dar. Die
Gefahr macht nicht Halt im Iran, sie stellt eine
Bedrohung für die ganze Welt dar. Und falls die
internationale Gemeinschaft sich untätig verhält
gegenüber dem Geschehen im Iran, wird es schon morgen
auch in Europa eine reale Bedrohung darstellen. Wir
können nicht außer Acht lassen, was Faschismus zu anderen
Zeiten in Europa bewirkt hat. Es ist die gleiche Sache
und noch schlimmer, weil es ein religiös-ideologischer
Faschismus ist. Eine viel heftigere Art und sehr
spezifische Art von Totalitarismus. Aus diesem Grund,
muss die internationale Gemeinschaft und vor allem Europa
gewarnt sein und sehr wachsam damit umgehen.
Wie kann die westliche Gesellschaft dem Iranischen Regime
begegnen? Ist ein Krieg gegen den Iran, in irgendeiner
Weise eine Möglichkeit? Wie können Amerika und die EU dem
Iranischen Volk gegen jegliche gewaltsame und despotische
Ziele ihrer eigenen Regierung unterstützen?
Seyed Mostafa Azmayesh: Das, was der Iranischen
Bevölkerung am hilfreichsten sein wird, ist die
Entwicklung des rationalen Denkens und die
Demokratisierung aus eigener Kraft. Jegliche Gefahr von
Außen wird die Tyrannei und Unterdrückung nähren. Das
braucht es nicht. Bei der Entwicklung einer friedlichen
Interpretation des Koran zu helfen und den Menschen von
Innen zu helfen, ist das Beste was wir tun können.
Haben sie spezifische Vorschläge, wie den Menschen im Iran
geholfen werden kann?
Seyed Mostafa Azmayesh: Die westlichen Medien müssen
eine entschlossenere Rolle in dieser Situation spielen.
Sie bringen der Atomwaffe sehr viel Aufmerksamkeit
entgegen, doch dies ist nur ein vages Projekt. Fakt ist,
dass der Widerstand der friedlich gesinnten Menschen
gegen die intolerante Deutung des Korans am hilfreichsten
für die Entwicklung von demokratischem Verständnis und
Bürgerrechten im Iran ist. Ich denke, es ist besser, wenn
die westlichen Massenmedien einen Richtungsschwenk
machen, um dem friedlichen Widerstand der iranischen
Bevölkerung gegen diese neuen Strömungen der Korandeutung
mehr und mehr unter die Arme zu greifen.
Was kann die deutsche Regierung unternehmen?
Seyed Mostafa Azmayesh: Diese Frage finde ich sehr
interessant, denn kürzlich gab es ein Zusammenkommen
eines der Hauptideologen, Safi Golpaygani in Qom mit dem
deutschen Botschafter im Iran, Freiherrn von Maltzahn.
Dieser Ayatollah - eine wichtige Persönlichkeit im Iran -
sprach mit dem Botschafter über das iranische
Nuklearprogramm und wies darauf hin, dass sie ein
friedliches Volk seien und dass sie Zugang zu nuklearer
Energie haben müssen usw. In diesen Zusammenkünften mit
den Ayatollahs, wie zum Beispiel mit Golpaygani, ist es
wichtig, offen darauf hinzuweisen, dass die
Weltgemeinschaft sehr genau darauf schaut, wie die
Regierung mit der eigenen Bevölkerung umgeht. Wie sie mit
der eigenen Bevölkerung umgehen, ist ein Beispiel dafür,
was sie tun werden mit jedem in der Welt, wenn sie die
Kraft und Möglichkeit dafür haben.
Wenn sie von der freien Zivilisation, der internationalen
Gemeinschaft akzeptiert werden wollen, müssen sie die
Rechte der Bürger im Iran achten. Und die Sufis sind
ebenso Bürger, wie jeder andere auch. Wenn sie jedoch die
Sufis angreifen, ihre Zentren niederreißen wider
jegliches religiöse und wider jegliches zivile Recht - so
tun sie gerade -, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit vor
der internationalen Gemeinschaft.
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Dies' ist ein Artikel aus der Telepolis, welcher für meine
Zwecke sehr interessant ist, da es um den im Islam eher
selten angesprochen Themenkomplex des Sufiismus geht, und die
politische Funktion, welche Ihr inneliegt.