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Der Mythos vom Ballbesitz
Von DB, 9. Juni 2014 3 Kommentare »
Nicht erst der FC Bayern zeigte: Wer mehr vom Ball hat, ist nicht automatisch erfolgreicher. Aufschlussreicher ist ein Blick in eine andere Statistik.
Stichworte:Fussball, Sport, WM2014
Von Marius Schneider
Zürich Jahrzehntelang war der Fussball in Sachen Datenerhebung eine einfache Angelegenheit. Erfasst wurde nur, was der Schiedsrichter in seinem Spielbericht festhielt: Aufstellungen, Tore, Karten, Auswechslungen. Fertig. Vor allem aus aussereuropäischer Sicht (USA, Japan) ein Notstand, dem es mit den sich rasant entwickelnden Technologien noch in den Neunzigerjahren schleunigst abzuhelfen galt.
Erst Anfang dieses Jahrtausends hielten dann weitere Ereignisse Einzug in die Fussballstatistiken bei Grossanlässen. Dazu gehört auch der mit einem einfachen Prozentwert bezifferte Ballbesitz, für viele eines der höchsten Zahlengüter, wenn es um den Erfolg im Fussball geht. Dabei haben Bayerns Halbfinalpartien gegen Real Madrid in der Champions League unlängst wieder aufgezeigt, was es bedeutet, wenn ein Team den Ball kaum je dem Gegner überlassen muss: nicht viel!
Das war schon 2002 so, als der Ballbesitz erstmals bei einer WM gemessen wurde. Stolze 47 Prozent bilanzierte Saudiarabien damals gegen Deutschland, eine scheinbar ausgeglichene Angelegenheit. Nur: Klose & Co. gewannen 8:0 und stempelten den Wert umgehend zur fernsehgrafischen Belanglosigkeit. Über die letzten drei Weltmeisterschaften gesehen, waren die Sieger im Durchschnitt lediglich 4 Prozent mehr am Ball als die Verlierer.
Und die Liste von Begegnungen, in denen das vermeintlich unterlegene Team siegte, ist lang.
Mit Ausnahme der beiden WM-Finalisten von 2010, Spanien und Holland, assoziiert man die führenden «Ballbesitzer» – Argentinien, Mexiko, Kamerun – auch nicht unbedingt mit einem erfolgreichen WM-Abschneiden.
Trotzdem erfreut sich dieser sportstatistische Nonvaleur grosser Beliebtheit. Aus einem einfachen Grund: Man hat sich an ihn gewöhnt. Auch TV-Kommentatoren und ihre Experten gehen mit einiger Routine damit um und interpretieren den Ballbesitz nach eigenem Gusto – entweder bestätigt er das, was man gesehen hat, oder aber er hält für die Ansicht her, dass Fussball eben nicht so einfach zu quantifizieren sei. Eine der beiden Sichtweisen passt stets.
Aufschlussreicher aber ist ein Blick in die Schussstatistik. In dieser Sparte manifestierten sich deutliche Unterschiede: In zwei von drei Partien, in denen es einen Sieger gibt, schiesst dieser häufiger aufs Tor. Siegreiche Teams schiessen 30 Prozent mehr und treffen das Tor gar 40 Prozent häufiger als die Verlierer. Natürlich finden sich auch hier Ausnahmen, davon können etwa die Italiener ein Lied singen: Ihre frühe Abreise aus Südafrika 2010 hatte auch die sagenhafte Effizienz der Slowaken zur Ursache, die den Ball nur viermal aufs Tor brachten, aber dreimal trafen.
Dieser Text erschien bereits am 8. Juni 2013 in der Printausgabe der «SonntagsZeitung».
interessant....
Von DB, 9. Juni 2014 3 Kommentare »
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Nicht erst der FC Bayern zeigte: Wer mehr vom Ball hat, ist nicht automatisch erfolgreicher. Aufschlussreicher ist ein Blick in eine andere Statistik.
Stichworte:Fussball, Sport, WM2014
Von Marius Schneider
Zürich Jahrzehntelang war der Fussball in Sachen Datenerhebung eine einfache Angelegenheit. Erfasst wurde nur, was der Schiedsrichter in seinem Spielbericht festhielt: Aufstellungen, Tore, Karten, Auswechslungen. Fertig. Vor allem aus aussereuropäischer Sicht (USA, Japan) ein Notstand, dem es mit den sich rasant entwickelnden Technologien noch in den Neunzigerjahren schleunigst abzuhelfen galt.
Erst Anfang dieses Jahrtausends hielten dann weitere Ereignisse Einzug in die Fussballstatistiken bei Grossanlässen. Dazu gehört auch der mit einem einfachen Prozentwert bezifferte Ballbesitz, für viele eines der höchsten Zahlengüter, wenn es um den Erfolg im Fussball geht. Dabei haben Bayerns Halbfinalpartien gegen Real Madrid in der Champions League unlängst wieder aufgezeigt, was es bedeutet, wenn ein Team den Ball kaum je dem Gegner überlassen muss: nicht viel!
Das war schon 2002 so, als der Ballbesitz erstmals bei einer WM gemessen wurde. Stolze 47 Prozent bilanzierte Saudiarabien damals gegen Deutschland, eine scheinbar ausgeglichene Angelegenheit. Nur: Klose & Co. gewannen 8:0 und stempelten den Wert umgehend zur fernsehgrafischen Belanglosigkeit. Über die letzten drei Weltmeisterschaften gesehen, waren die Sieger im Durchschnitt lediglich 4 Prozent mehr am Ball als die Verlierer.
Und die Liste von Begegnungen, in denen das vermeintlich unterlegene Team siegte, ist lang.
Mit Ausnahme der beiden WM-Finalisten von 2010, Spanien und Holland, assoziiert man die führenden «Ballbesitzer» – Argentinien, Mexiko, Kamerun – auch nicht unbedingt mit einem erfolgreichen WM-Abschneiden.
Trotzdem erfreut sich dieser sportstatistische Nonvaleur grosser Beliebtheit. Aus einem einfachen Grund: Man hat sich an ihn gewöhnt. Auch TV-Kommentatoren und ihre Experten gehen mit einiger Routine damit um und interpretieren den Ballbesitz nach eigenem Gusto – entweder bestätigt er das, was man gesehen hat, oder aber er hält für die Ansicht her, dass Fussball eben nicht so einfach zu quantifizieren sei. Eine der beiden Sichtweisen passt stets.
Aufschlussreicher aber ist ein Blick in die Schussstatistik. In dieser Sparte manifestierten sich deutliche Unterschiede: In zwei von drei Partien, in denen es einen Sieger gibt, schiesst dieser häufiger aufs Tor. Siegreiche Teams schiessen 30 Prozent mehr und treffen das Tor gar 40 Prozent häufiger als die Verlierer. Natürlich finden sich auch hier Ausnahmen, davon können etwa die Italiener ein Lied singen: Ihre frühe Abreise aus Südafrika 2010 hatte auch die sagenhafte Effizienz der Slowaken zur Ursache, die den Ball nur viermal aufs Tor brachten, aber dreimal trafen.
Dieser Text erschien bereits am 8. Juni 2013 in der Printausgabe der «SonntagsZeitung».
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