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Der Schlüssel für Bosniens Problem liegt in Belgrad

Lance Strongo

Ironborn
Herr Mesic, letzter Präsident Jugoslawiens und ehem. Präsident Kroatiens gab der österr. Tageszeitung "Der Standard" ein sehr interessantes Interview.


Jugoslawiens letzter Präsident fordert den Rücktritt des Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik
Stjepan Mesić schlug 1991 als letzter Präsident Jugoslawiens 1991 ein konföderatives Modell vor. Heute fordert er den Rücktritt des Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, sagte er zu Adelheid Wölfl.




STANDARD: Haben Sie im Juli 1991 bei Ihrer Wahl geahnt, dass Sie wirklich der allerletzte Präsident von Jugoslawien sein werden?

Mesić: Ich habe öffentlich gesagt, als ich nach Belgrad gekommen bin: Ich bin der letzte Präsident von Jugoslawien in diesem Modell. Das bisherige Modell konnte so lange bestehen wie Tito lebte, solange die Kommunistische Partei eine multinationale Partei war und solange die Jugoslawische Armee ein multinationaler Organismus war. Nach Titos Tod zerfiel die Kommunistische Partei in die Parteien in den Republiken, die Armee suchte einen Sponsor. Ich habe in der Präsidentschaft daraufhin einen konföderativen Vertrag auf drei bis fünf Jahre vorgeschlagen: Wenn es gut geht, sollten wir eine Konföderation bleiben, wenn nicht, dann sollte jeder nachher seinen Weg gehen. Aber in Frieden.

STANDARD: Ab wann war klar, dass das konföderative Modell nicht klappen kann und dass es zu Krieg kommen wird?

Mesić: Mir war klar, dass es zu einem Krieg kommen kann, falls Milošević weiter auf den Plan von einem Großserbien pochen würde. Diesen Plan hat er nach dem Motto "Alle Serben werden in einem Staat leben" angekündigt. Leider half die Internationale Gemeinschaft gewissermassen Milošević, denn er hat ihnen vorgemacht, dass er Jugoslawien retten will. Die haben das geglaubt, dabei hat er Jugoslawien zerschlagen.

STANDARD: Heute wird Kroatien daran gemessen, wie es mit seiner Kriegsvergangenheit umgeht. Kürzlich wurde der ehemalige General Ante Gotovina wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Muss man nicht den sogenannten Vaterländischen Verteidigungskrieg nach diesem Urteil neu definieren?

Mesić: Der Vaterländische Krieg war ein Verteidigungskrieg und daran kann man nicht rütteln und nichts ändern.Leider Gottes gab es auch von unserer Seite Kriegsverbrechen und die, die dafür verantwortlich sind, müssen vor Gericht gehen. Es gibt kein kroatisches Ziel, kein kroatisches Interesse, dass das Töten eines serbischen Zivilisten oder ein serbischen Kind rechtfertigen würde. Die meisten Verbrechen gab es auf Seiten des Aggressors, aber es gab auch welche auf unserer Seite. Das Ziel von Milošević war, das Territorium von der nicht-serbischen Bevölkerung zu säubern, um Platz für ein Großserbien zu schaffen. Das, was er gemacht hat, war sowohl als Idee als auch in der Durchführung ein Verbrechen. Wir waren in einem Prozess der Staatsschaffung und der Verteidigung des Staates.

STANDARD: Tatsache ist, dass die Serben aus der Krajna vertrieben wurden und viele nicht nach Kroatien zurückgekehrt sind. Wie beurteilen Sie das?

Mesić: Ich bin sicherlich nicht zufrieden. Es geht um unsere Staatsbürger und Kroatien kann sich als Demokratie und Rechtsstaat nur dann profilieren, wenn seine eigenen Bürger zurückkommen. Die Staatsspitze hat immer wieder gesagt: Die Serben sollen zurückkommen. Und die internationale Gemeinschaft hat das begrüsst. Nur auf der unteren Ebene gab es nicht wenige Leute, die dagegen waren und die diesen Prozess verhindert haben.

STANDARD: Was muss man tun, um die Rückkehr doch zu ermöglichen oder ist es jetzt zu spät?

Mesić: Es ist gewiss nicht zu spät. Wir haben Gesetze nach denen wir Häuser und Wohnungen von allen, die diese im Krieg verloren haben, erneuern oder wieder aufbauen müssen. Es kommt aber niemand zurück, weil er sein Haus oder seine Wohnung wieder hat, sondern wenn er arbeiten kann und seine Kinder in die Schule schicken kann. Es ist jetzt nicht mehr eine Frage des politischen Willens, es ist eine Frage der Fähigkeit Kroatiens neue Arbeitsplätze zu schaffen.

STANDARD: Kroatien wird heute vor dem EU-Beitrittt auch danach beurteilt, ob es Demokratie und Marktwirtschaft eingeführt hat. Wie beurteilen Sie angesichts der Korruptionsaffären und der Verhaftung von Sanader den Systemwandel?

Mesić: Leider Gottes wurde in der Amtszeit von Premier Sanader die Korruption an der Spitze der staatlichen Institutionen verwurzelt und hat sich dann wie Kapilaren bis zu den untersten Ebenen verbreitet. Wir brauchen noch etliche Gesetzesänderungen, damit wir auch die Möglichkeit der Korruption ausschließen und damit wir wirklich strenge Strafen für die einführen, die sich an der Korruption beteiligen. Sanader sprach sozusagen vier Sprachen, die eine war proeuropäisch für Europa und die Welt und, die zweite war für die kroatische Öffentlichkeit, also Entwicklung und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, die dritte Rethorik war für seine Partei und die vierte war das, was er wirklich glaubte und gerichtet an seine Kommissare, die in etlichen Institutionen verteilt wurden und die seinen Willen durchsetzten. Durch diese Kommissare hat er Kroatien regiert. Wahrscheinlich hat er das System von Tudjman kopiert. Tudjman hatte zwei Kommandolinien, die eine ging über den Generalstab und die Armee und die andere ging beginnend mit seinem Verteidigungsminister über die paramilitärischen Verbände. Und gerade diese zwei Kommandolinien machen uns auch heute noch zu schaffen.

STANDARD: Ist die kroatische Justiz heute stark genug, um dieses System aufzulösen?

Mesić: Unsere Institutionen sind stark genug, um alle Affären zu einem Ende zu bringen, egal um was und um wen es sich handelt. Aber endgültig werde ich das erst beurteilen können, nachdem die Kriegsverbrecherprozesse und der Prozess gegen Sanader beendet sind.

STANDARD: Kroatien wird auch daran gemessen, wie das Verhältnis zu den Nachbarstaaten ist. Wie beurteilen Sie die Politik im Fall Bosnien-Herzegowina?

Mesić: Das Dayton-Abkommen hat den Krieg beendet, aber es wurden nicht die Mechanismen geschaffen, die Bosnien-Herzegowina helfen würden, als ein normaler Staat zu funktionieren. Wenn man nach dem Schlüssel für das bosnische Problem sucht, dann ist nur ein Teil davon in Banja Luka, aber ein großer Teil liegt in Belgrad. Ich habe den Kroaten in Bosnien-Herzegowina gesagt: Eure Heimat ist Bosnien-Herzegowina, eure Hauptstadt ist Sarajevo, ihr sollt eure Politik in Bosnien-Herzegowina formieren. Belgrad hat so etwas an die Adresse der Serben in Bosnien-Herzegowina nie gesagt. Das offizielle Belgrad sagt, Bosnien-Herzegowina ist ein einheitlicher Staat und wir unterstützen so einen Staat. Aber zur gleichen Zeit unterstützen wir auch in allem Milorad Dodik (Präsident der Republika Srpska, Anm. der Red.). Und der macht alles was er kann, um Bosnien-Herzegowina zu vernichten. Er war zu seiner Zeit ein Gegner von Slobodan Milošević. Heute aber macht er die gleiche Politik wie Milošević nur mit anderen Mitteln, subtiler, also nicht mit Panzern, Kanonen und Genozid, sondern politisch. Er setzt auf den Faktor der Ermüdung der Internationalen Gemeinschaft , um dann die Republika Srpska aus Bosnien-Herzegowina herauszuführen. Meiner Meinung nach sollte die Internationale Gemeinschaft die Position des Hohen Vertreters stärken. Er muss die Chance bekommen, die die Bosnien-Herzegowina vernichten wollen aus dem politischen Leben rauszuschmeissen.

STANDARD: Das heisst, Dodik soll Ihrer Meinung nach gehen?

Mesić: Ja. Europa wird mit diesem Problem konfrontiert und wird sich dieses Problems früher oder später bewusst werden, aber dann wird es viel schwieriger sein das zu lösen, als es heute wäre. Dort, wo bis zu dem Krieg 48 Prozent Nicht-Serben gelebt haben, sind die an der Macht geblieben, die Bosnien-Herzegowina während des Kriegs zerstört haben. Und heute gibt es dort (Republika Srpska, Anm. der Redaktion) ungefähr acht Prozent Bosniaken und Kroaten. Alle anderen wurden "ethnisch gesäubert". Aber auch die Kroaten sind nicht ohne Makel. Als nach den Wahlen die Sozialdemokraten unter Zlatko Lagumdžija ihre politische Plattform vorgestellt haben, haben es die großen kroatischen Parteien abgelehnt überhaupt über diese Plattform zu sprechen. Ich sehe aber keine Demokratie darin, dass sie sagen: Obwohl wir seine Plattform nicht annehmen, muss Lagumdžija uns in seine Regierung nehmen. Wenn sie die Plattform von den Sozialdemokraten ablehnen, ist es eine ehrliche Sache in die Opposition zu gehen. Wenn jemand die Wahlen gewonnen hat, dann muss man sich damit abfinden. Zur Zeit betrachten die kroatischen und serbischen Parteien, die Wahlen als einen nationalen Zensus und die Internationale Gemeinschaft toleriert das. Wenn sich die Internationale Gemeinschaft in Zukunft mehr an die Prinzipien hält, dann werden sich die Verhältnisse in Bosnien-Herzegowina ändern.

STANDARD: Kroatien steht zu einem Zeitpunkt vor dem EU-Beitritt, an dem viele fürchten, dass die Eurozone zerfällt und die Union die Krise nicht bewältigen kann. Was kann die EU aus dem Zerfall Jugoslawiens, wo es ja auch um Solidarität und Geldtransfers ging, lernen?

Mesić: Ich glaube, dass die Europäische Union gewisse Lektionen aus der Schaffung und wie auch dem Zerfall Jugoslawiens lernen kann. Aber nachdem die jetzige Krise im Finanzsektor aus Amerika importiert wurde, muss Europa auch daraus eine Lektion lernen. Man muss eine finanzielle Kontrolle einführen, damit wir nicht neue Fälle wie Irland, Spanien, Griechenland bekommen. Wenn das nicht geschieht, haben wir einen großen Körper, der von einer Krise in die nächste stolpern wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2011)
Quelle


Und er hat Recht. Der hohe Vertreter muss gestärkt werden. Dodik um jeden Preis geschwächt. Das Schweinchen versucht Bosnien nach und nach zu zerstören.
 
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