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Deutsche Politiker geben Visas für einen Kriminellen

lupo-de-mare

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Der Kerl hat seine eigene Bevölkerung abgeschlachtet und foltern lassen, inklusive Mord. Und er erhält Visas für Deutschland! Wieweit können Deutsche Politiker noch sinken?

19. Dezember 2005 Druckversion | Versenden | Leserbrief
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Usbekischer Innenminister flieht aus Deutschland

Von Alwin Schröder und Viktor Funk

Menschenrechtler sind entsetzt: Als Human Rights Watch erfuhr, dass Usbekistans umstrittener Innenminister Almatow in Hannover im Krankenhaus lag, zeigten sie ihn bei der Bundesanwaltschaft an. Die Behörde prüft den Fall noch immer - und Almatow ist inzwischen längst über alle Berge.


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Hamburg/Taschkent - Sakir Almatow werde nicht mehr im International Neuroscience Institute (Ini) behandelt, erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Kreisen der Spezialklinik. Er habe das Krankenhaus schon vor Tagen verlassen. Zu einer offiziellen Stellungnahme war die Klinik nicht bereit. Almatow soll schwer krebskrank sein.

Almatow sei nicht mehr in Deutschland, sagte der Berliner Strafrechtsanwalt Wolfgang Kaleck zu SPIEGEL ONLINE. Er hat eine Klage gegen den usbekischen Politiker bei der Bundesanwaltschaft eingereicht.

Almatow: Der usbekische Innenminister soll ein Massenmörder sein
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Almatow: Der usbekische Innenminister soll ein Massenmörder sein
Wo sich der usbekische Innenminister zurzeit aufhält ist unklar. Weder die deutsche Botschaft in Taschkent noch das Auswärtige Amt (AA) in Berlin gaben darüber Auskunft. Auch die Regierung Usbekistans mauerte bei Fragen nach dem Aufenthaltsort des Innenministers.

Menschenrechtler sind enttäuscht. Human Rights Watch hatte Almatow, 56, Anfang vergangener Woche bei Generalbundesanwalt Kay Nehm angezeigt, eben weil der umstrittene Minister sich in Deutschland aufhielt. Die Anzeige befinde sich zurzeit "in der Sichtungs- und Prüfungsphase", hieß es bei der Bundesanwaltschaft auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE.

Human Rights Watch wirft Almatow Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Der usbekische Minister soll verantwortlich sein für die blutige Niederschlagung des Massakers in der Stadt Andischan im Mai dieses Jahres. Dabei sollen mehrere hundert regierungskritische Menschen von usbekischen Sicherheitskräften regelrecht massakriert worden sein. Eine unabhängige Untersuchung lehnt die Regierung in Taschkent ab.

Die von Anwalt Kaleck eingereichte Anzeige wurde von acht Usbeken erstattet, die von Human Rights Watch unterstützt werden. Vier von ihnen wurden gefoltert, die anderen sind Opfer des Massakers von Andischan. Der Schriftsatz besteht aus fast 60 Seiten mit umfangreichen Detailangaben. Der Berliner Anwalt kritisierte, dass die deutschen Behörden nicht frühzeitig reagiert hätten. "Almatows Aufenthalt in Deutschland war doch lange bekannt", sagte er SPIEGEL ONLINE.

Ermittlungen gegen Minister anderer Staaten - heikle Fälle

Ob der Generalbundesanwalt nach der Abreise Almatows aus Deutschland das Verfahren eröffnen wird, ist eine komplizierte juristische Frage. In einem ähnlichen Fall hatte sich die Karlsruher Behörde gegen Ermittlungen entschieden. Damals hatte der gleiche Anwalt, der jetzt die Anzeige gegen Almatow verantwortet, den US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen der Vorfälle im irakischen Gefängnis von Abu Ghraib angezeigt. Der Vorgang hatte Aufsehen erregt, da die USA vor einem geplanten Besuch Rumsfelds in Deutschland diplomatisch auf eine Einstellung des Verfahrens gedrängt hatte.

Am Ende lehnte der Generalbundesanwalt Nehm ein Ermittlungsverfahren tatsächlich ab. Er berief sich in seiner Entscheidung auf das Prinzip der Subsidiarität. Demnach sei in erster Linie der Staat des Tatorts und der Heimatstaat des Täters für die Strafverfolgung zuständig. In Bezug auf die USA hatte die Behörde darauf hingewiesen, dass dort gleich mehrere Strafverfahren gegen Soldaten laufen, die in den Skandal verwickelt sein sollen.

Im Fall von Usbekistan ist die Lage anders. Bisher gibt es wegen der Vorgänge in Andischan keine Ermittlungsverfahren gegen die möglichen Täter, dafür indes eine ganze Reihe von Anklagen gegen die Demonstranten von damals. Für die Klage gegen Almatow in Deutschland bestehen deshalb zumindest etwas bessere Chancen als im Fall Rumsfeld. Wie lange die Prüfphase noch dauert, konnte eine Sprecherin der Behörde heute nicht sagen.

Massaker in Andischan: Blutbad an regierungskritischen Protestlern
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Massaker in Andischan: Blutbad an regierungskritischen Protestlern
Almatow führt die Liste der zwölf "direkt Verantwortlichen" für die Niederschlagung der Proteste in Andischan an. "Wir hätten gerne gehabt, dass schneller reagiert worden wäre", bedauerte Lotte Leicht von Human Rights Watch den schleppenden Umgang mit der Anzeige der Menschenrechtsorganisation. "Es ist ja kein Geheimnis, wer Almatow ist."

Eine Anklage Nehms gegen Almatow würde die Bundesregierung in eine heikle Lage manövrieren. Seit Jahren nutzt die Bundeswehr den usbekischen Luftwaffenstützpunkt Termes im Süden des Land als Flughafen für die Isaf-Mission in Afghanistan. Nach der Kritik von USA und EU an den Menschenrechtsverstößen hatte die Regierung in Taschkent der Nato angekündigt, ihr mit Beginn des kommenden Jahres die Überflugrechte zu streichen. Die USA mussten ihre Militärbasis Chanabad räumen - die Bundeswehr blieb.

In Verhandlungen erreichte die neue Regierung erst kürzlich, dass die Bundeswehr auch in Zukunft ihren Stützpunkt behalten darf. Der neue Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Friedbert Pflüger (CDU), nannte die Vereinbarung "einen großen Erfolg". Schon die rot-grüne Regierung hatte den Deal mit Usbekistan diplomatisch vorbereitet - indem man sich Kritik an der Menschenrechtssituation im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern etwas zurückhielt und weiterhin Kontakt zu den Machthabern in Taschkent suchte.

Pflüger hatte sich bei seiner Mission in Taschkent auch mit Präsident Islam Karimow getroffen. Man werde die Sichtweise Karimows zu den Vorfällen in Andischan in der EU "fair" berücksichtigen, sicherte Pflüger dem Staatschef zu.

Die Bundeswehr hat in Termes Helikopter und Transall-Flugzeuge stationiert. Sie zahlt Usbekistan jährlich zwei Millionen Euro dafür, dass sie den Airport als Drehscheibe für die Afghanistan-Mission nutzen kann. Von dort aus werden Soldaten und Material aus Deutschland weiter in die Einsatzgebiete in Kunduz, Kabul und Faisabad geflogen. Seit 2002 investierte Deutschland 9,1 Millionen in die Infrastruktur des Airports.

Eigentlich hätte Almatow gar nicht nach Deutschland einreisen können. Denn die EU entschied, ihm und den anderen Verantwortlichen für das Andischan-Massaker kein Visum für den Schengen-Raum mehr zu erteilen. Im Fall von Almatow jedoch machte das Auswärtige Amt (AA) eine Ausnahme. Aus "humanitären Gründen" erlaubte sie dem Usbeken doch die Einreise, damit er zur Behandlung in die Klinik nach Hannover reisen konnte. Zuvor hatte das Amt extra einen medizinischen Experten eingeschaltet. Der bestätigte, dass Almatow schwer krank sei und die Behandlung in Deutschland wesentlich besser sei als in Usbekistan. Ganz wohl war dem AA bei der Entscheidung bis zum Ende nicht. Sie sei "mit Zähneknirschen" gefallen, so ein Beamter.

Auch wenn Almatow sich nicht mehr in Deutschland aufhalte, solle die Bundesanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen, forderte Human Rights Watch. "Durch einen Internationalen Haftbefehl würde die Welt für ihn kleiner", sagte Sprecher Lotte Leicht zu SPIEGEL ONLINE. Eine Anklage in Deutschland sei auch deshalb wichtig, sagt Human Rights Watch, weil Folter in Usbekistan nicht bestraft werde. Und die Opfer hätten keine Aussicht auf Wiedergutmachung.


http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,391258,00.html
 
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