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AUS AKTUELLEM ANLASS ZUM ALLTAG IM SAUDISCHEN KÖNIGREICH
Deutscher Sanitäter in Saudi-Arabien: «Wir haben ihm gesagt: Hör mal, dein Kind stirbt jetzt. Das war dem Vater egal.»
Ein Jahr lang arbeitete Stefan Bauer als Rettungsassistent für den Roten Halbmond in Saudi-Arabien. Viele der Geschichten, die der Deutsche über diese Zeit erzählt, sind kaum zu ertragen – und bieten einen seltenen Einblick in eine abgeschottete Gesellschaft.
Rainer Leurs / Spiegel Online
Herr Bauer, Notärzte und Rettungsassistenten sind normalerweise einiges gewohnt, was blutige Szenen und menschliche Schicksale angeht. Sie haben ein Jahr als Paramedic in Riad gearbeitet; am Ende konnten sie nachts nicht mehr schlafen. Was war da los?
Bauer*: Zunächst mal habe ich in dem einen Jahr geschätzt 250 Verkehrstote gesehen. Das erleben Sie im deutschen Rettungsdienst in einem ganzen Berufsleben nicht.
Eine Ambulanz des Roten Halbmonds im Einsatz in Irak. Bild: EPA
Warum war das so?
Die Leute halten sich nicht an Verkehrsregeln, anschnallen braucht man sich nicht. Dicke Autos sind zudem oft das einzige Hobby der jungen Männer: Kinos, Bars oder Konzerte gibt es keine, und mit Frauen treffen kann man sich auch nicht wirklich. Was es gibt, ist die Ring Road, einen Highway, der um die Stadt Riad herumführt. Dort gehen diese Leute driften, und irgendwann überschlägt sich eben einer. Dann haben Sie fünf, sechs Tote auf dem Highway liegen. Gerade am Wochenende war klar: Die ganze Nacht müssen Sie zu schlimmen Verkehrsunfällen fahren.
Kürzlich machte ein Fall aus Riad Schlagzeilen, bei dem eine Studentin an einem Herzinfarkt starb. Ein Rettungsteam war stundenlang nicht zu ihr gelassen worden, weil sie unverschleiert war. Haben Sie etwas Ähnliches erlebt?
Das ist Alltag dort. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Sie werden zu einer Mädchenschule gerufen, weil dort eine Schülerin bewusstlos zusammengebrochen ist. Vor den Toren steht aber ein Sicherheitsmann, und der lässt Sie nicht rein – weil eben keine Männer in diese Schule dürfen. Sie müssen also die Polizei dazuholen, und dann wird eine halbe Stunde diskutiert. Bis irgendwer endlich das Mädchen rausbringt. Und dann dürfen Sie behandeln.
Haben Sie Fälle erlebt, in denen so eine Situation zum Tod eines Menschen geführt hat?
Einmal wurden wir zu einer einsetzenden Geburt gerufen. Normalerweise schaut man dann: Müssen wir das Kind gleich hier entbinden, oder schaffen wir's ins Krankenhaus? Das habe ich über meinen Dolmetscher dem Ehemann erklärt – dreimal, bis er gesagt hat: Ja, du darfst mal unter die Abaya gucken (traditionelles dunkles Gewand – Anm. d. Red.). Dort habe ich gesehen, dass der Kopf des Kindes auf die Nabelschnur drückt; das ist lebensbedrohlich fürs Baby. Normalerweise würde man in so einer Situation den Kopf mit der Hand zurückschieben, um die Nabelschnur zu entlasten. Das haben wir dem Mann erklärt, aber der sagte: Nein, gucken durftest du, aber nicht anfassen.
Er wollte nicht, dass Sie sein Kind retten?
Wir haben ihm gesagt: Hör mal, dein Kind stirbt jetzt, wenn wir nichts machen. Das war ihm egal. Wir durften die Frau nur ins Auto laden und in die Klinik bringen. Dort wurde dann festgestellt, dass das Baby tot ist. Die Reaktion des Mannes war: Das ist nicht schlimm, wir können ein neues machen. Das ist dann der Punkt, an dem man nicht mehr weiss, was man antworten soll.
Szene in der Hauptstadt Riad: In dieser Gesellschaft bestimmen die Männer. Bild: Getty Images Europe
Wie sind Sie mit den Situationen umgegangen, in denen Sie nicht helfen durften?
Es hat mich schon belastet. Ich habe gemerkt, dass ich zunehmend laut werde, zum Beispiel gegenüber Angehörigen. Aber manches muss man eben akzeptieren. Zum Beispiel, dass Patientinnen erst angekleidet werden müssen, bevor man sie ins Krankenhaus bringt. Immer kommt erst die Familie und richtet die Frau her, Abaya an, Kopftuch an, da vergehen bis zu 15 Minuten, selbst wenn es um Leben und Tod geht. Einmal sind wir zu einem Privathaus gefahren, da hatte uns ein Vater gerufen, seine 14-jährige Tochter sei Diabetikerin und bewusstlos. Wir kommen also an, der Vater öffnet uns die Tür – und guckt dann ganz erstaunt, wo die Krankenschwester ist.
«Mit dem Wissen von heute würde ich nicht nochmal nach Saudi-Arabien gehen.»
Er wollte, dass eine Frau seiner Tochter hilft.
Nur ist das in Saudi-Arabien nicht erlaubt, Krankenschwestern dürfen nicht draussen arbeiten. Das haben wir ihm erklärt. Und da sagt er: Dann kann er uns nicht reinlassen. Wir haben uns also nach langer Diskussion eine Erklärung unterschreiben lassen und sind wieder gefahren. Später stand ich mit den Kollegen vor der Klinik, da raste ein SUV über die Auffahrt. Es war dieser Vater, der sein Kind in die Notaufnahme trug. Das Mädchen war gestorben.
Strassenszene in Riad. Bild: Getty Images Europe
War Ihnen klar, worauf Sie sich einlassen, als Sie nach Saudi-Arabien gegangen sind?
Nicht, dass es so krass kommt. Ich bereue nicht, dass ich diesen Job angenommen habe. Aber mit dem Wissen von heute würde ich nicht nochmal nach Saudi-Arabien gehen. Dazu gehört auch, wie man dort mit ausländischen Arbeitern umgeht.
Was haben Sie gesehen?
Baustellen zum Beispiel, auf denen Arbeiter aus Bangladesch leben. Unter übelsten Bedingungen, bis zu dreissig Mann in einer Art Seecontainer. Oft war es so, dass man gleich morgens einen Einsatz bekam: bewusstlose Person im Industriegebiet. Dann war klar, da ist über Nacht einer gestorben, verdurstet, verhungert. Oft bin ich auch zu Einsätzen gefahren, bei denen Filipinas aus dem Fenster gesprungen waren.
Was waren das für Frauen?
Meistens Hausmädchen, die im Ausland angeworben werden. Kommen sie in Saudi-Arabien an, nimmt man ihnen den Pass weg. Wenn sie Glück haben, erwischen sie einen Arbeitgeber, der sie bezahlt wie verabredet. Wenn sie Pech haben, verlangt der Hausherr Zusatzdienste.
«Viele Ausländerinnen, die als Nanny arbeiten, werden von den Söhnen oder Hausherren vergewaltigt.»
Das heisst?
Viele Ausländerinnen, die als Nanny arbeiten, werden von den Söhnen oder Hausherren vergewaltigt. Einmal habe ich eine Äthiopierin gefahren, die vor Schmerzen kaum laufen konnte. In der Klinik habe ich den Sachverhalt einer Ärztin geschildert. Sie sagte: Schlimm, aber da kann man nichts machen. Wenn wir jetzt die Polizei einschalten, geht diese Frau ins Gefängnis.
Was passiert, wenn eine dieser Frauen schwanger wird?
Ins Krankenhaus können sie jedenfalls nicht, da droht ihnen die Verhaftung. Sie entbinden das Kind also zu Hause. Und in der Regel werden diese Babys ausgesetzt.
«Wenn's gut läuft, wurde das Neugeborene kurz vor der Gebetszeit vor eine Moschee gelegt. Wenn's schlecht läuft, ist das Kind tot.»
In der Regel?
Ich hatte solche Fahrten einmal in der Woche, Einsatzstichwort: «abandoned baby». Wenn's gut läuft, wurde das Neugeborene kurz vor der Gebetszeit vor eine Moschee gelegt. Wenn's schlecht läuft, ist das Kind tot. Und ganz viele dieser Säuglinge haben asiatische Gesichtszüge. Nach meinem ersten Einsatz dieser Art – angeblich ein totes Kind vor einer Moschee, das dann aber doch noch lebte – habe ich im Krankenhaus eine Schwester gefragt, wie oft so etwas vorkommt. Da stellte sie einen vollen Ordner auf den Tisch, mit den Einsätzen allein vom letzten halben Jahr. Und das war nur eines von vielen Krankenhäusern in Riad.
Wann haben Sie den Entschluss gefasst, den Job hinzuschmeissen?
Nach einem halben Jahr bin ich über Weihnachten in Deutschland gewesen; da fiel es mir schon schwer, zurückzufliegen. Im März 2012 habe ich dann beschlossen, Saudi-Arabien zu verlassen und meinen Vertrag nicht zu verlängern. Ich bin ohne Job zurück nach Deutschland.
Wie sehen Sie Ihr ehemaliges Gastgeberland nach dieser Erfahrung?
Wissen Sie, natürlich gibt es dort Fundamentalisten. Ich hatte in Riad aber auch viele junge Kollegen; Saudis, die verstehen, dass in ihrer Heimat ganz viele Sachen falsch laufen. Nur ändern können sie daran nichts. Weil es ihnen passieren kann, dass sie verhaftet werden, wenn sie dagegen aufbegehren.
Wie dachten Ihre Kollegen zum Beispiel über die Geburt, bei der Sie nicht helfen durften?
Einige haben sich darüber aufgeregt. Die sehen, dass Religion und Medizin zwei verschiedene Dinge sind. Es gab aber auch welche, die gesagt haben: Das Kind wäre auf jeden Fall gestorben, selbst wenn man seinen Kopf noch so sehr zurückgedrückt hätte. Weil es Allahs Wille war.
watson - Deutscher Sanitäter in Saudi-Arabien: «Wir haben ihm gesagt: Hör mal, dein Kind stirbt jetzt. Das war dem Vater egal.»
Deutscher Sanitäter in Saudi-Arabien: «Wir haben ihm gesagt: Hör mal, dein Kind stirbt jetzt. Das war dem Vater egal.»
Ein Jahr lang arbeitete Stefan Bauer als Rettungsassistent für den Roten Halbmond in Saudi-Arabien. Viele der Geschichten, die der Deutsche über diese Zeit erzählt, sind kaum zu ertragen – und bieten einen seltenen Einblick in eine abgeschottete Gesellschaft.
Rainer Leurs / Spiegel Online
Herr Bauer, Notärzte und Rettungsassistenten sind normalerweise einiges gewohnt, was blutige Szenen und menschliche Schicksale angeht. Sie haben ein Jahr als Paramedic in Riad gearbeitet; am Ende konnten sie nachts nicht mehr schlafen. Was war da los?
Bauer*: Zunächst mal habe ich in dem einen Jahr geschätzt 250 Verkehrstote gesehen. Das erleben Sie im deutschen Rettungsdienst in einem ganzen Berufsleben nicht.
Eine Ambulanz des Roten Halbmonds im Einsatz in Irak. Bild: EPA
Warum war das so?
Die Leute halten sich nicht an Verkehrsregeln, anschnallen braucht man sich nicht. Dicke Autos sind zudem oft das einzige Hobby der jungen Männer: Kinos, Bars oder Konzerte gibt es keine, und mit Frauen treffen kann man sich auch nicht wirklich. Was es gibt, ist die Ring Road, einen Highway, der um die Stadt Riad herumführt. Dort gehen diese Leute driften, und irgendwann überschlägt sich eben einer. Dann haben Sie fünf, sechs Tote auf dem Highway liegen. Gerade am Wochenende war klar: Die ganze Nacht müssen Sie zu schlimmen Verkehrsunfällen fahren.
Kürzlich machte ein Fall aus Riad Schlagzeilen, bei dem eine Studentin an einem Herzinfarkt starb. Ein Rettungsteam war stundenlang nicht zu ihr gelassen worden, weil sie unverschleiert war. Haben Sie etwas Ähnliches erlebt?
Das ist Alltag dort. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Sie werden zu einer Mädchenschule gerufen, weil dort eine Schülerin bewusstlos zusammengebrochen ist. Vor den Toren steht aber ein Sicherheitsmann, und der lässt Sie nicht rein – weil eben keine Männer in diese Schule dürfen. Sie müssen also die Polizei dazuholen, und dann wird eine halbe Stunde diskutiert. Bis irgendwer endlich das Mädchen rausbringt. Und dann dürfen Sie behandeln.
Haben Sie Fälle erlebt, in denen so eine Situation zum Tod eines Menschen geführt hat?
Einmal wurden wir zu einer einsetzenden Geburt gerufen. Normalerweise schaut man dann: Müssen wir das Kind gleich hier entbinden, oder schaffen wir's ins Krankenhaus? Das habe ich über meinen Dolmetscher dem Ehemann erklärt – dreimal, bis er gesagt hat: Ja, du darfst mal unter die Abaya gucken (traditionelles dunkles Gewand – Anm. d. Red.). Dort habe ich gesehen, dass der Kopf des Kindes auf die Nabelschnur drückt; das ist lebensbedrohlich fürs Baby. Normalerweise würde man in so einer Situation den Kopf mit der Hand zurückschieben, um die Nabelschnur zu entlasten. Das haben wir dem Mann erklärt, aber der sagte: Nein, gucken durftest du, aber nicht anfassen.
Er wollte nicht, dass Sie sein Kind retten?
Wir haben ihm gesagt: Hör mal, dein Kind stirbt jetzt, wenn wir nichts machen. Das war ihm egal. Wir durften die Frau nur ins Auto laden und in die Klinik bringen. Dort wurde dann festgestellt, dass das Baby tot ist. Die Reaktion des Mannes war: Das ist nicht schlimm, wir können ein neues machen. Das ist dann der Punkt, an dem man nicht mehr weiss, was man antworten soll.
Szene in der Hauptstadt Riad: In dieser Gesellschaft bestimmen die Männer. Bild: Getty Images Europe
Wie sind Sie mit den Situationen umgegangen, in denen Sie nicht helfen durften?
Es hat mich schon belastet. Ich habe gemerkt, dass ich zunehmend laut werde, zum Beispiel gegenüber Angehörigen. Aber manches muss man eben akzeptieren. Zum Beispiel, dass Patientinnen erst angekleidet werden müssen, bevor man sie ins Krankenhaus bringt. Immer kommt erst die Familie und richtet die Frau her, Abaya an, Kopftuch an, da vergehen bis zu 15 Minuten, selbst wenn es um Leben und Tod geht. Einmal sind wir zu einem Privathaus gefahren, da hatte uns ein Vater gerufen, seine 14-jährige Tochter sei Diabetikerin und bewusstlos. Wir kommen also an, der Vater öffnet uns die Tür – und guckt dann ganz erstaunt, wo die Krankenschwester ist.
«Mit dem Wissen von heute würde ich nicht nochmal nach Saudi-Arabien gehen.»
Er wollte, dass eine Frau seiner Tochter hilft.
Nur ist das in Saudi-Arabien nicht erlaubt, Krankenschwestern dürfen nicht draussen arbeiten. Das haben wir ihm erklärt. Und da sagt er: Dann kann er uns nicht reinlassen. Wir haben uns also nach langer Diskussion eine Erklärung unterschreiben lassen und sind wieder gefahren. Später stand ich mit den Kollegen vor der Klinik, da raste ein SUV über die Auffahrt. Es war dieser Vater, der sein Kind in die Notaufnahme trug. Das Mädchen war gestorben.
Strassenszene in Riad. Bild: Getty Images Europe
War Ihnen klar, worauf Sie sich einlassen, als Sie nach Saudi-Arabien gegangen sind?
Nicht, dass es so krass kommt. Ich bereue nicht, dass ich diesen Job angenommen habe. Aber mit dem Wissen von heute würde ich nicht nochmal nach Saudi-Arabien gehen. Dazu gehört auch, wie man dort mit ausländischen Arbeitern umgeht.
Was haben Sie gesehen?
Baustellen zum Beispiel, auf denen Arbeiter aus Bangladesch leben. Unter übelsten Bedingungen, bis zu dreissig Mann in einer Art Seecontainer. Oft war es so, dass man gleich morgens einen Einsatz bekam: bewusstlose Person im Industriegebiet. Dann war klar, da ist über Nacht einer gestorben, verdurstet, verhungert. Oft bin ich auch zu Einsätzen gefahren, bei denen Filipinas aus dem Fenster gesprungen waren.
Was waren das für Frauen?
Meistens Hausmädchen, die im Ausland angeworben werden. Kommen sie in Saudi-Arabien an, nimmt man ihnen den Pass weg. Wenn sie Glück haben, erwischen sie einen Arbeitgeber, der sie bezahlt wie verabredet. Wenn sie Pech haben, verlangt der Hausherr Zusatzdienste.
«Viele Ausländerinnen, die als Nanny arbeiten, werden von den Söhnen oder Hausherren vergewaltigt.»
Das heisst?
Viele Ausländerinnen, die als Nanny arbeiten, werden von den Söhnen oder Hausherren vergewaltigt. Einmal habe ich eine Äthiopierin gefahren, die vor Schmerzen kaum laufen konnte. In der Klinik habe ich den Sachverhalt einer Ärztin geschildert. Sie sagte: Schlimm, aber da kann man nichts machen. Wenn wir jetzt die Polizei einschalten, geht diese Frau ins Gefängnis.
Was passiert, wenn eine dieser Frauen schwanger wird?
Ins Krankenhaus können sie jedenfalls nicht, da droht ihnen die Verhaftung. Sie entbinden das Kind also zu Hause. Und in der Regel werden diese Babys ausgesetzt.
«Wenn's gut läuft, wurde das Neugeborene kurz vor der Gebetszeit vor eine Moschee gelegt. Wenn's schlecht läuft, ist das Kind tot.»
In der Regel?
Ich hatte solche Fahrten einmal in der Woche, Einsatzstichwort: «abandoned baby». Wenn's gut läuft, wurde das Neugeborene kurz vor der Gebetszeit vor eine Moschee gelegt. Wenn's schlecht läuft, ist das Kind tot. Und ganz viele dieser Säuglinge haben asiatische Gesichtszüge. Nach meinem ersten Einsatz dieser Art – angeblich ein totes Kind vor einer Moschee, das dann aber doch noch lebte – habe ich im Krankenhaus eine Schwester gefragt, wie oft so etwas vorkommt. Da stellte sie einen vollen Ordner auf den Tisch, mit den Einsätzen allein vom letzten halben Jahr. Und das war nur eines von vielen Krankenhäusern in Riad.
Wann haben Sie den Entschluss gefasst, den Job hinzuschmeissen?
Nach einem halben Jahr bin ich über Weihnachten in Deutschland gewesen; da fiel es mir schon schwer, zurückzufliegen. Im März 2012 habe ich dann beschlossen, Saudi-Arabien zu verlassen und meinen Vertrag nicht zu verlängern. Ich bin ohne Job zurück nach Deutschland.
Wie sehen Sie Ihr ehemaliges Gastgeberland nach dieser Erfahrung?
Wissen Sie, natürlich gibt es dort Fundamentalisten. Ich hatte in Riad aber auch viele junge Kollegen; Saudis, die verstehen, dass in ihrer Heimat ganz viele Sachen falsch laufen. Nur ändern können sie daran nichts. Weil es ihnen passieren kann, dass sie verhaftet werden, wenn sie dagegen aufbegehren.
Wie dachten Ihre Kollegen zum Beispiel über die Geburt, bei der Sie nicht helfen durften?
Einige haben sich darüber aufgeregt. Die sehen, dass Religion und Medizin zwei verschiedene Dinge sind. Es gab aber auch welche, die gesagt haben: Das Kind wäre auf jeden Fall gestorben, selbst wenn man seinen Kopf noch so sehr zurückgedrückt hätte. Weil es Allahs Wille war.
watson - Deutscher Sanitäter in Saudi-Arabien: «Wir haben ihm gesagt: Hör mal, dein Kind stirbt jetzt. Das war dem Vater egal.»