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"Wichtiger Beitrag zur allgemeinen Aufklärung"
Rezension von "Wie der Dschihad nach Europa kam" im Schattenblick
19. April 2005: Der "weltweite Terrorismus" ist echt - wer das bestreitet oder gar behauptet, Militärs und Politiker im Westen bauschten die "islamistische Gefahr" auf beziehungsweise instrumentalisierten muslimische Wirrköpfe, um Repression im Inland und Intervention im Ausland zu rechtfertigen, bedient sich eines gefährlichen "neuen" Revisionismus. So argumentierte am 16. April in einem Essay für die WDR-3-Sendung "Gedanken zur Zeit" Jürgen Krönig. Der Zeit-Autor kritisierte mit seinem Rundumschlag gegen das linke, angeblich hoffnungslos antiamerikanisch eingestellte Intellektuellentum Westeuropas allen voran die vielbeachtete, mehrteilige BBC-Dokumentation "The Politics of Fear" von Ende letzten Jahres, mit der der renommierte britische Filmemacher Adam Curtis jedem Fernsehzuschauer allzu deutlich die ideologische und personelle Kontinuität zwischen den neokonservativen Umtrieben am Hofe George W. Bushs und dem jahrzehntelangen Säbelrasseln der Kalten Krieger von einst vor Augen geführt hatte. (Am 17. April hat Curtis mit "Politics of Fear" bei den prestigeträchtigen British Academy of Film & Television Awards (BAFTA) den Preis für die beste Dokumentationsreihe des Jahres 2004 gewonnen.)
Ganz im Sinne notorischer Kriegstreiber wie der grauen Eminenz Richard Perle behauptete Krönig, die islamischen Dschihadisten um Osama Bin Laden und Co. seien noch gefährlicher als die Gegner, denen Winston Churchill und John F. Kennedy als Führer der freien Welt einst die Stirn boten - gemeint sind natürlich die Militärkolosse Nazi-Deutschland und Sowjetunion -, weil sie mindestens so ambitioniert seien, d. h. nach der Weltherrschaft strebten und darüber hinaus keine Angst vor dem Tod hätten, was durch ihren Hang zu Selbstmordanschlägen belegt werde. Zum weiteren Beweis dieser haarsträubenden These verwies Krönig beispielsweise auf die vermeintlichen Erfolge des britischen Sicherheitsapparats, der in den letzten Jahren geplante Großanschläge mit Massenvernichtungswaffen auf der Insel verhindert hätte.
Nur schade für Krönig, daß sich gerade drei Tage vor der Ausstrahlung seines WDR-Beitrags bei NDR Kultur der große Rizin- Komplott aus dem Jahre 2002, der schon bei US-Außenminister Colin Powells Schauermärchenstunde im Februar 2003 vor dem UN- Sicherheitsrat als Indiz für die Aktivitäten der angeblich von Saddam Hussein und Al Kaida gemeinsam unterstützten Schläferzellen in Europa herhalten sollte, vor dem High Court in London als Windei entpuppt hatte. Wie höchstrichterlich festgestellt wurde, gab es weder ein Mikrogramm des Giftstoffs Rizin - dessen Tauglichkeit als "Massenvernichtungswaffe" sogleich als Phantasieprodukt übereifriger Sicherheitsfanatiker abgetan werden kann -, noch gab es die großangelegte Verschwörung, deren Zerschlagung sich die Blair- Regierung dennoch über zwei Jahre lang ans Revers heften lassen sollte.
Folglich kann der große "Rizin-Komplott" wie vieles andere mehr sehr wohl als Beweis dafür gewertet werden, daß tatsächlich die Regierungen der westlichen Welt aus Ermangelung anderer plausibler Bedrohungen den "transnationalen Terrorismus" hauptsächlich islamischer Prägung hochstilisieren, um ihn als neues gesellschaftliches Mobilisierungsmoment zu nutzen. Wenn nun Jürgen Krönig meint, die Medien erfüllten ihren gesellschaftlichen Auftrag nicht, weil sie die Öffentlichkeit über die neue Bedrohung nicht besser oder nicht detaillierter informierten, so ist das blanker Humbug. Die großen Medien scheuen alles, was über eine oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des gewaltbereiten Islamismus hinausgeht, wie der Teufel das Weihwasser. Der Grund für diese verlogene Haltung läßt sich nach der Lektüre von Jürgen Elsässers fulminantem Buch "Wie der Dschihad nach Europa kam - Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan" leicht verstehen. Die Terrortruppe um Osama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Co. haben die westlichen Geheimdienste selbst herangezüchtet und auf die Welt losgelassen - und das nicht nur in Afghanistan beim Kampf gegen die Rote Armee in den Achtzigern, sondern auch auf dem Balkan bei der Zerschlagung Jugoslawiens in den Neunzigern.
Bezeichnend ist beispielsweise die Tatsache, daß man in den offiziellen Untersuchungsberichten über die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 - dem der "unabhängigen" 9/11-Kommission von 2004 sowie dem der beiden Geheimdienstsausschüsse des Kongresses von 2002 - wie auch in der gängigen Berichterstattung der Konzernmedien mit der Lupe nach Hinweisen auf die Balkan-Verbindungen der mutmaßlichen Attentäter und ihre vermeintlichen Hintermänner suchen muß. Diese Mühe hat Elsässer auf sich genommen und dabei nicht nur die westliche Presse, die offiziellen Untersuchungen Washingtons, die Bücher hochrangiger Politiker wie Madeleine Albright, Richard Clarke, Bill Clinton, Richard Holbrooke, David Owen und Wolfgang Petritsch, die gesamte Literatur rund um den 11. September, diverse, nur auf serbokroatisch erschienene Publikationen sowie die rund 3000 Seiten starke, 2002 veröffentlichte Studie des niederländischen Armeeinstituts über die Vorgänge von Srbrenica ausgewertet, sondern auch zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen, darunter zwei nicht namentlich genannten Geheimdienstsmitgliedern, geführt.
Zwar ist vieles, was Elsässer berichtet, dem Schattenblick nicht unbedingt neu, doch die Dichte, mit der er im vorliegend Buch die unzähligen, im allgemeinen wenig bekannten, hochbrisanten Details über die jahrelange, heimliche Zusammenarbeit zwischen den islamischen Fundamentalisten auf dem Balkan und den Geheimdiensten des Westens, darunter übrigens der Bundesnachrichtendienst (BND), präsentiert, ist - im rein positiven Sinne - erdrückend und entlarvt die Behauptungen der Vertreter der "Wertegemeinschaft" NATO, diese habe in Verbindung mit den blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawiens lediglich vermittelnd, konfliktverhütend, gar "humanitär" eingegriffen, als vielleicht dreisteste Propagandalüge der jüngeren Geschichte.
Im Unterschied zu Autoren wie Matthias Bröckers, Andreas von Bülow und Gerhard Wisnewski, die in den letzten Jahren notgedrungen versucht haben, die gigantischen Lücken in der offiziellen Version vom Tathergang des 11. September zu schließen und die dafür von den staatstragenden Medien als "Verschwörungstheoretiker" diffamiert worden sind, begnügt sich Elsässer in erster Linie damit, den zahlreichen Spuren nachzugehen, welche die "Topterroristen" von heute auf dem Balkan hinterlassen haben, und die aus nachvollziehbaren Gründen unterbelichteten Aspekte der Sezessionskriege im ehemaligen Jugoslawien zu untersuchen. Hier stellt die während der Ära Bill Clintons vom Pentagon betriebene, systematische Mißachtung des gegen die Kriegsparteien in Bosnien-Herzegowina von den Vereinten Nationen verhängten und von der NATO angeblich überwachten Waffenembargos mit dem Ziel, riesige Mengen Rüstungsmaterial an die bosnischen Moslems um Alija Itzetbegovic zu liefern und Tausende ausländische Mudschaheddin in den Kampf hauptsächlich gegen die Serben zu schicken, nur die Spitze des Eisbergs dar.
Gemeinsam haben damals die Geheimdienste der USA, Deutschlands, Österreichs, der Türkei, des Irans und Saudi-Arabiens einen gewaltigen Waffenschmugglerring, der über Kroatien lief, aufgebaut. Elsässer rechnet die Gesamtsumme, welche den bosnischen Muslimen für Rüstungsbeschaffung zur Verfügung stand, auf mindestens 3,5 Milliarden US-Dollar hoch (Zum Vergleich: den Krieg der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion haben sich die USA und Saudi- Arabien rund sechs Milliarden Dollar kosten lassen). Der Transport des zum Teil hochmodernen Kriegsgeräts wie ferngelenkte Anti-Panzer- und Boden-Luft-Raketen wurde von Maschinen der Iran Air und C-130- Hercules-Flugzeugen der US-Luftwaffe erledigt. Ein wichtiger Umschlagplatz war der Militärflughafen bei Tuzla im Norden Bosniens. Laut Elsässer sind europäische NATO-Offiziere, die an der ständigen Verletzung der Flugverbotszone im Rahmen der Operation Deny Flight Anstoß nahmen, massiv bedroht worden.
Ehemalige US-Offiziere des einschlägig bekannten, unweit des Pentagons ansässigen "Sicherheitsunternehmens" Military Professional Resources Inc. (MPRI) haben die blutige Eroberung der Krajina-Enklave durch die Kroaten und damit in der Folge die Vertreibung von 200.000 Serben geplant und geleitet. Diese größte ethnische Vertreibung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg hat die NATO mit massiven Luftangriffen auf serbische Stellungen tatkräftig unterstützt. Auch bei der 78tägigen Bombardierung von Jugoslawien im Frühjahr 1999 im Rahmen des sogenannten "Kosovokrieges" war MPRI mit von der Partie. Sie bildete Mitglieder der ein Jahr zuvor vom US-Außenministerium als "terroristische Organisation" gebrandmarkten Kosovo-Befreiungsarmee unter anderem in Albanien aus und schickte sie anschließend zurück über die Grenze, wo sie serbische Bürgermeister ermordeten, Überfälle auf die serbische Polizei durchführten, zögernde Kosovo-Albaner einschüchterten und geeignete Bombardierungsziele für das US-Militär auskundschafteten. Und das trotz oder gerade wegen der Tatsache, daß die UCK in dem Ruf stand, sich sowohl durch den Großhandel mit Heroin als auch durch Spenden seitens islamischer Länder und Individuen, darunter auch Osama Bin Laden, zu finanzieren.
Beim Einsatz der UCK als Stellvertretermiliz ähnlich der über Kokainschmuggel und illegalen Waffenschmuggel organisierten Unterstützung der konterrevolutionären Contras gegen die linksgerichtete Sandinista-Regierung Nicaraguas in den achtziger Jahren ging es den USA kurzfristig nicht nur darum, Slobodan Milosevic zu stürzen und das Rest-Jugoslawien als eines der wenigen noch verbliebenen sozialistischen Regime aufzulösen, sondern langfristig auch darum, das Monopol Rußlands über die eurasischen Öl- und Gastransportrouten zu brechen und pro-westliche Regierungen in der strategischen Region vom Schwarzen Meer bis zum Kaspischen Meer an die Macht zu bringen. Besonders bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die von Elsässer ausführlich belegte Tatsache, daß diejenigen, welche seit Jahren die Drecksarbeit für das Pentagon bei der Umzingelung Rußlands erledigen, aus dem selben Personenkreis stammen wie diejenigen, die nach dem Untergang der Sowjetunion die große "Terrorgefahr" entfacht haben.
Bin Laden und sein wichtigster Mitstreiter Al Zawahiri vom Ägyptischen Islamischen Dschihad sind in den neunziger Jahren mehrfach auf dem Balkan gewesen. Wegen seiner Verdienste um die muslimische Sache soll der Al-Kaida-Chef sogar von der Itzetbegovic- Regierung in Sarajevo einen bosnischen Reisepaß erhalten haben. Von den nach offizieller Version sieben Hauptakteuren des 911-Komplotts kämpften vier - die beiden mutmaßlichen Organisatoren Chalid Scheich Mohammed und Ramsi Binalschibh sowie die beiden mutmaßlichen Piloten/Logistiker Chalid Al Midhar und Nawaz Al Hasmi - in Bosnien gegen die Serben. Auch Mohammed Atta, der Chef der mutmaßlichen Selbstmordattentäter, ist laut Elsässer "von drei Bosnien- Mudschahedin auf den Terrorgeschmack gebracht worden". Inwieweit letztere Behauptung zutrifft, ist unklar. Eher sprechen die von Elsässer vielleicht zu wenig beachteten Erkenntnisse des Enthüllungsjournalisten Daniel Hopsicker über das Lotterleben Attas in der Zeit vor dem 11. September 2001, als der ehemalige Wahl- Hamburger während seines Aufenthalts in Florida eine Stripperin als Freundin hatte und vermutlich in den Drogen- und Waffenschmuggel verwickelt war, dem Bild eines Söldners als eines Allah verpflichteten "heiligen Kriegers".
Dafür heben die Ausführungen Elsässers über die Person Ali Mohammeds das von den Politikern in Washington, London, Tel Aviv und Berlin entworfene Weltbild vom manichäischen Antiterrorkrieg Gut gegen Böse aus den Angeln. Der ehemalige Major der ägyptischen Spezialstreitkräfte, der in der US-Armee in den achtziger Jahren als Feldwebel und Experte für Nahost-Studien am U. S. Special Operations Command in Fort Bragg im Bundesstaat North Carolina gedient hat, verkehrte spätestens seit Anfang der neunziger Jahre als Doppelagent entweder des Pentagons oder der CIA in den höchsten Islamistenkreisen. Seinen eigenen Angaben zufolge hat Ali Mohammed Osama Bin Laden jahrelang als persönlicher Leibwächter gedient und ihn nach dem Rausschmiß aus Saudi-Arabien zunächst in den Sudan und später wieder nach Afghanistan geholt. Der ägyptische Experte auf dem Feld der psychologischen Kriegsführung, der zahlreiche "Terroristen" in Afghanistan und Ostafrika Bombenbau und andere mörderische Fertigkeiten beibrachte, war nachweislich sowohl in den ersten Anschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993 wie auch in den spektakulären Doppelanschlag auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam im Jahre 1998 verwickelt. Möglicherweise hat er sie sogar initiiert.
Während seiner Zeit als Leibwächter Bin Ladens unterhielt der sonderbare Moslembruder eine Wohnung in Kalifornien, was sogar in der veröffentlichten Kuzrversion des berühmt-berüchtigen Presidential Daily Briefing (PDB) George W. Bushs vom 6. August 2001 Erwähnung fand. Bei dem im Spätherbst 2001 vor einem Bundesgericht in New York zu Ende gegangenen Prozeß um die Anschläge in Ostafrika diente Ali Mohammed den US-Justizbehörden als wichtigster Kronzeuge. Bis heute ist diese mysteriöse Figur formell immer noch nicht bestraft worden. Ob sich Ali Mohammed tatsächlich, wie es offiziell heißt, noch im Gewahrsam der US-Behörden befindet, ist unklar. Womöglich läuft er im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms wieder frei herum. Wer eine solche Vorstellung abstrus findet, sei daran erinnert, daß es laut einem Artikel, den der angesehene US-Militärexperte William Arkin am 26. Oktober 2002 in der Los Angeles Times veröffentlichen ließ, zur Strategie des Pentagons gehört, im Rahmen der sogenannten "Proactive, Preemptive Operations Group (P2OG)" "terroristische Gruppen" zu Anschlägen zu provozieren, um sie - angeblich - besser bekämpfen, eventuell ausschalten zu können.
Angesicht der ständigen Flut an offensichtlicher und nicht- offensichtlicher Kriegspropaganda, der sich die Welt spätestens seit dem 11. September 2001 ausgesetzt sieht, hat Jürgen Elsässer mit "Wie der Dschihad nach Europa kam - Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan" einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Aufklärung geleistet, der nicht hoch genug bewertet werden kann. Wenn es etwas an diesem Buch zu kritisieren gibt, dann einzig die fehlende Aufarbeitung der Rechercheergebnisse Daniel Hopsickers in Florida sowie derjenigen Informationen, die in Zusammenhang mit der Affäre um die gefeuerte FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds an die Öffentlichkeit gelangt und inzwischen zum Teil durch eine Untersuchung des Generalinspekteurs des US-Justizministeriums bestätigt worden sind.
Edmonds wurde im Frühjahr 2002 aus dem Dienst beim zentralen FBI- Übersetzungsbüro in Washington fristlos entlassen, nachdem sie die dortigen Aktivitäten einer Doppelagentin des türkischen Geheimdienstes mit Namen Can Dickerson wie zugleich deren Verbindung zu Verdächtigen im Rahmen der Ermittlungen um den 11. September ihren Vorgesetzten gemeldet hatte. Der Hinweis von Edmonds, wonach die Hintergründe der Flugzeuganschläge im Bereich der sogenannten "organisierten Kriminalität", sprich des illegalen Drogen- und Waffenhandels zu suchen seien, die Tatsache, daß Can Dickersons Ehemann Douglas Dickerson, ein Major der US-Luftwaffe, im Pentagon zuletzt ausgerechnet für die Militärhilfe an die neuen Verbündeten Washingtons im öl- und gasreichen Zentralasien zuständig war, sowie die Rückendeckung, welche dem Ehepaar bis zu seiner Flucht aus den USA offenbar von höchsten Stellen in Washington zuteil wurde, stimmen mit den Erkenntnissen Jürgen Elsässers überein, wonach es sich beim sogenannten "Antiterrorkrieg" um einen perfiden und heuchlerischen Betrug handelt.
Jürgen Elsässer, "Wie der Dschihad nach Europa kam - Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan", 2005 im Verlag der Niederösterreichischen Presse (www.np-buch.at), St. Pölten, erschienen. 246 Seiten, ISBN 3-85326-376-3, 19,90 Euro.
Autor: N.N., in: Schattenblickwww.schattenblick.de, Mai 2005
"Wichtiger Beitrag zur allgemeinen Aufklärung"
Rezension von "Wie der Dschihad nach Europa kam" im Schattenblick
19. April 2005: Der "weltweite Terrorismus" ist echt - wer das bestreitet oder gar behauptet, Militärs und Politiker im Westen bauschten die "islamistische Gefahr" auf beziehungsweise instrumentalisierten muslimische Wirrköpfe, um Repression im Inland und Intervention im Ausland zu rechtfertigen, bedient sich eines gefährlichen "neuen" Revisionismus. So argumentierte am 16. April in einem Essay für die WDR-3-Sendung "Gedanken zur Zeit" Jürgen Krönig. Der Zeit-Autor kritisierte mit seinem Rundumschlag gegen das linke, angeblich hoffnungslos antiamerikanisch eingestellte Intellektuellentum Westeuropas allen voran die vielbeachtete, mehrteilige BBC-Dokumentation "The Politics of Fear" von Ende letzten Jahres, mit der der renommierte britische Filmemacher Adam Curtis jedem Fernsehzuschauer allzu deutlich die ideologische und personelle Kontinuität zwischen den neokonservativen Umtrieben am Hofe George W. Bushs und dem jahrzehntelangen Säbelrasseln der Kalten Krieger von einst vor Augen geführt hatte. (Am 17. April hat Curtis mit "Politics of Fear" bei den prestigeträchtigen British Academy of Film & Television Awards (BAFTA) den Preis für die beste Dokumentationsreihe des Jahres 2004 gewonnen.)
Ganz im Sinne notorischer Kriegstreiber wie der grauen Eminenz Richard Perle behauptete Krönig, die islamischen Dschihadisten um Osama Bin Laden und Co. seien noch gefährlicher als die Gegner, denen Winston Churchill und John F. Kennedy als Führer der freien Welt einst die Stirn boten - gemeint sind natürlich die Militärkolosse Nazi-Deutschland und Sowjetunion -, weil sie mindestens so ambitioniert seien, d. h. nach der Weltherrschaft strebten und darüber hinaus keine Angst vor dem Tod hätten, was durch ihren Hang zu Selbstmordanschlägen belegt werde. Zum weiteren Beweis dieser haarsträubenden These verwies Krönig beispielsweise auf die vermeintlichen Erfolge des britischen Sicherheitsapparats, der in den letzten Jahren geplante Großanschläge mit Massenvernichtungswaffen auf der Insel verhindert hätte.
Nur schade für Krönig, daß sich gerade drei Tage vor der Ausstrahlung seines WDR-Beitrags bei NDR Kultur der große Rizin- Komplott aus dem Jahre 2002, der schon bei US-Außenminister Colin Powells Schauermärchenstunde im Februar 2003 vor dem UN- Sicherheitsrat als Indiz für die Aktivitäten der angeblich von Saddam Hussein und Al Kaida gemeinsam unterstützten Schläferzellen in Europa herhalten sollte, vor dem High Court in London als Windei entpuppt hatte. Wie höchstrichterlich festgestellt wurde, gab es weder ein Mikrogramm des Giftstoffs Rizin - dessen Tauglichkeit als "Massenvernichtungswaffe" sogleich als Phantasieprodukt übereifriger Sicherheitsfanatiker abgetan werden kann -, noch gab es die großangelegte Verschwörung, deren Zerschlagung sich die Blair- Regierung dennoch über zwei Jahre lang ans Revers heften lassen sollte.
Folglich kann der große "Rizin-Komplott" wie vieles andere mehr sehr wohl als Beweis dafür gewertet werden, daß tatsächlich die Regierungen der westlichen Welt aus Ermangelung anderer plausibler Bedrohungen den "transnationalen Terrorismus" hauptsächlich islamischer Prägung hochstilisieren, um ihn als neues gesellschaftliches Mobilisierungsmoment zu nutzen. Wenn nun Jürgen Krönig meint, die Medien erfüllten ihren gesellschaftlichen Auftrag nicht, weil sie die Öffentlichkeit über die neue Bedrohung nicht besser oder nicht detaillierter informierten, so ist das blanker Humbug. Die großen Medien scheuen alles, was über eine oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des gewaltbereiten Islamismus hinausgeht, wie der Teufel das Weihwasser. Der Grund für diese verlogene Haltung läßt sich nach der Lektüre von Jürgen Elsässers fulminantem Buch "Wie der Dschihad nach Europa kam - Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan" leicht verstehen. Die Terrortruppe um Osama Bin Laden, Aiman Al Zawahiri und Co. haben die westlichen Geheimdienste selbst herangezüchtet und auf die Welt losgelassen - und das nicht nur in Afghanistan beim Kampf gegen die Rote Armee in den Achtzigern, sondern auch auf dem Balkan bei der Zerschlagung Jugoslawiens in den Neunzigern.
Bezeichnend ist beispielsweise die Tatsache, daß man in den offiziellen Untersuchungsberichten über die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 - dem der "unabhängigen" 9/11-Kommission von 2004 sowie dem der beiden Geheimdienstsausschüsse des Kongresses von 2002 - wie auch in der gängigen Berichterstattung der Konzernmedien mit der Lupe nach Hinweisen auf die Balkan-Verbindungen der mutmaßlichen Attentäter und ihre vermeintlichen Hintermänner suchen muß. Diese Mühe hat Elsässer auf sich genommen und dabei nicht nur die westliche Presse, die offiziellen Untersuchungen Washingtons, die Bücher hochrangiger Politiker wie Madeleine Albright, Richard Clarke, Bill Clinton, Richard Holbrooke, David Owen und Wolfgang Petritsch, die gesamte Literatur rund um den 11. September, diverse, nur auf serbokroatisch erschienene Publikationen sowie die rund 3000 Seiten starke, 2002 veröffentlichte Studie des niederländischen Armeeinstituts über die Vorgänge von Srbrenica ausgewertet, sondern auch zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen, darunter zwei nicht namentlich genannten Geheimdienstsmitgliedern, geführt.
Zwar ist vieles, was Elsässer berichtet, dem Schattenblick nicht unbedingt neu, doch die Dichte, mit der er im vorliegend Buch die unzähligen, im allgemeinen wenig bekannten, hochbrisanten Details über die jahrelange, heimliche Zusammenarbeit zwischen den islamischen Fundamentalisten auf dem Balkan und den Geheimdiensten des Westens, darunter übrigens der Bundesnachrichtendienst (BND), präsentiert, ist - im rein positiven Sinne - erdrückend und entlarvt die Behauptungen der Vertreter der "Wertegemeinschaft" NATO, diese habe in Verbindung mit den blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawiens lediglich vermittelnd, konfliktverhütend, gar "humanitär" eingegriffen, als vielleicht dreisteste Propagandalüge der jüngeren Geschichte.
Im Unterschied zu Autoren wie Matthias Bröckers, Andreas von Bülow und Gerhard Wisnewski, die in den letzten Jahren notgedrungen versucht haben, die gigantischen Lücken in der offiziellen Version vom Tathergang des 11. September zu schließen und die dafür von den staatstragenden Medien als "Verschwörungstheoretiker" diffamiert worden sind, begnügt sich Elsässer in erster Linie damit, den zahlreichen Spuren nachzugehen, welche die "Topterroristen" von heute auf dem Balkan hinterlassen haben, und die aus nachvollziehbaren Gründen unterbelichteten Aspekte der Sezessionskriege im ehemaligen Jugoslawien zu untersuchen. Hier stellt die während der Ära Bill Clintons vom Pentagon betriebene, systematische Mißachtung des gegen die Kriegsparteien in Bosnien-Herzegowina von den Vereinten Nationen verhängten und von der NATO angeblich überwachten Waffenembargos mit dem Ziel, riesige Mengen Rüstungsmaterial an die bosnischen Moslems um Alija Itzetbegovic zu liefern und Tausende ausländische Mudschaheddin in den Kampf hauptsächlich gegen die Serben zu schicken, nur die Spitze des Eisbergs dar.
Gemeinsam haben damals die Geheimdienste der USA, Deutschlands, Österreichs, der Türkei, des Irans und Saudi-Arabiens einen gewaltigen Waffenschmugglerring, der über Kroatien lief, aufgebaut. Elsässer rechnet die Gesamtsumme, welche den bosnischen Muslimen für Rüstungsbeschaffung zur Verfügung stand, auf mindestens 3,5 Milliarden US-Dollar hoch (Zum Vergleich: den Krieg der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion haben sich die USA und Saudi- Arabien rund sechs Milliarden Dollar kosten lassen). Der Transport des zum Teil hochmodernen Kriegsgeräts wie ferngelenkte Anti-Panzer- und Boden-Luft-Raketen wurde von Maschinen der Iran Air und C-130- Hercules-Flugzeugen der US-Luftwaffe erledigt. Ein wichtiger Umschlagplatz war der Militärflughafen bei Tuzla im Norden Bosniens. Laut Elsässer sind europäische NATO-Offiziere, die an der ständigen Verletzung der Flugverbotszone im Rahmen der Operation Deny Flight Anstoß nahmen, massiv bedroht worden.
Ehemalige US-Offiziere des einschlägig bekannten, unweit des Pentagons ansässigen "Sicherheitsunternehmens" Military Professional Resources Inc. (MPRI) haben die blutige Eroberung der Krajina-Enklave durch die Kroaten und damit in der Folge die Vertreibung von 200.000 Serben geplant und geleitet. Diese größte ethnische Vertreibung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg hat die NATO mit massiven Luftangriffen auf serbische Stellungen tatkräftig unterstützt. Auch bei der 78tägigen Bombardierung von Jugoslawien im Frühjahr 1999 im Rahmen des sogenannten "Kosovokrieges" war MPRI mit von der Partie. Sie bildete Mitglieder der ein Jahr zuvor vom US-Außenministerium als "terroristische Organisation" gebrandmarkten Kosovo-Befreiungsarmee unter anderem in Albanien aus und schickte sie anschließend zurück über die Grenze, wo sie serbische Bürgermeister ermordeten, Überfälle auf die serbische Polizei durchführten, zögernde Kosovo-Albaner einschüchterten und geeignete Bombardierungsziele für das US-Militär auskundschafteten. Und das trotz oder gerade wegen der Tatsache, daß die UCK in dem Ruf stand, sich sowohl durch den Großhandel mit Heroin als auch durch Spenden seitens islamischer Länder und Individuen, darunter auch Osama Bin Laden, zu finanzieren.
Beim Einsatz der UCK als Stellvertretermiliz ähnlich der über Kokainschmuggel und illegalen Waffenschmuggel organisierten Unterstützung der konterrevolutionären Contras gegen die linksgerichtete Sandinista-Regierung Nicaraguas in den achtziger Jahren ging es den USA kurzfristig nicht nur darum, Slobodan Milosevic zu stürzen und das Rest-Jugoslawien als eines der wenigen noch verbliebenen sozialistischen Regime aufzulösen, sondern langfristig auch darum, das Monopol Rußlands über die eurasischen Öl- und Gastransportrouten zu brechen und pro-westliche Regierungen in der strategischen Region vom Schwarzen Meer bis zum Kaspischen Meer an die Macht zu bringen. Besonders bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die von Elsässer ausführlich belegte Tatsache, daß diejenigen, welche seit Jahren die Drecksarbeit für das Pentagon bei der Umzingelung Rußlands erledigen, aus dem selben Personenkreis stammen wie diejenigen, die nach dem Untergang der Sowjetunion die große "Terrorgefahr" entfacht haben.
Bin Laden und sein wichtigster Mitstreiter Al Zawahiri vom Ägyptischen Islamischen Dschihad sind in den neunziger Jahren mehrfach auf dem Balkan gewesen. Wegen seiner Verdienste um die muslimische Sache soll der Al-Kaida-Chef sogar von der Itzetbegovic- Regierung in Sarajevo einen bosnischen Reisepaß erhalten haben. Von den nach offizieller Version sieben Hauptakteuren des 911-Komplotts kämpften vier - die beiden mutmaßlichen Organisatoren Chalid Scheich Mohammed und Ramsi Binalschibh sowie die beiden mutmaßlichen Piloten/Logistiker Chalid Al Midhar und Nawaz Al Hasmi - in Bosnien gegen die Serben. Auch Mohammed Atta, der Chef der mutmaßlichen Selbstmordattentäter, ist laut Elsässer "von drei Bosnien- Mudschahedin auf den Terrorgeschmack gebracht worden". Inwieweit letztere Behauptung zutrifft, ist unklar. Eher sprechen die von Elsässer vielleicht zu wenig beachteten Erkenntnisse des Enthüllungsjournalisten Daniel Hopsicker über das Lotterleben Attas in der Zeit vor dem 11. September 2001, als der ehemalige Wahl- Hamburger während seines Aufenthalts in Florida eine Stripperin als Freundin hatte und vermutlich in den Drogen- und Waffenschmuggel verwickelt war, dem Bild eines Söldners als eines Allah verpflichteten "heiligen Kriegers".
Dafür heben die Ausführungen Elsässers über die Person Ali Mohammeds das von den Politikern in Washington, London, Tel Aviv und Berlin entworfene Weltbild vom manichäischen Antiterrorkrieg Gut gegen Böse aus den Angeln. Der ehemalige Major der ägyptischen Spezialstreitkräfte, der in der US-Armee in den achtziger Jahren als Feldwebel und Experte für Nahost-Studien am U. S. Special Operations Command in Fort Bragg im Bundesstaat North Carolina gedient hat, verkehrte spätestens seit Anfang der neunziger Jahre als Doppelagent entweder des Pentagons oder der CIA in den höchsten Islamistenkreisen. Seinen eigenen Angaben zufolge hat Ali Mohammed Osama Bin Laden jahrelang als persönlicher Leibwächter gedient und ihn nach dem Rausschmiß aus Saudi-Arabien zunächst in den Sudan und später wieder nach Afghanistan geholt. Der ägyptische Experte auf dem Feld der psychologischen Kriegsführung, der zahlreiche "Terroristen" in Afghanistan und Ostafrika Bombenbau und andere mörderische Fertigkeiten beibrachte, war nachweislich sowohl in den ersten Anschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993 wie auch in den spektakulären Doppelanschlag auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam im Jahre 1998 verwickelt. Möglicherweise hat er sie sogar initiiert.
Während seiner Zeit als Leibwächter Bin Ladens unterhielt der sonderbare Moslembruder eine Wohnung in Kalifornien, was sogar in der veröffentlichten Kuzrversion des berühmt-berüchtigen Presidential Daily Briefing (PDB) George W. Bushs vom 6. August 2001 Erwähnung fand. Bei dem im Spätherbst 2001 vor einem Bundesgericht in New York zu Ende gegangenen Prozeß um die Anschläge in Ostafrika diente Ali Mohammed den US-Justizbehörden als wichtigster Kronzeuge. Bis heute ist diese mysteriöse Figur formell immer noch nicht bestraft worden. Ob sich Ali Mohammed tatsächlich, wie es offiziell heißt, noch im Gewahrsam der US-Behörden befindet, ist unklar. Womöglich läuft er im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms wieder frei herum. Wer eine solche Vorstellung abstrus findet, sei daran erinnert, daß es laut einem Artikel, den der angesehene US-Militärexperte William Arkin am 26. Oktober 2002 in der Los Angeles Times veröffentlichen ließ, zur Strategie des Pentagons gehört, im Rahmen der sogenannten "Proactive, Preemptive Operations Group (P2OG)" "terroristische Gruppen" zu Anschlägen zu provozieren, um sie - angeblich - besser bekämpfen, eventuell ausschalten zu können.
Angesicht der ständigen Flut an offensichtlicher und nicht- offensichtlicher Kriegspropaganda, der sich die Welt spätestens seit dem 11. September 2001 ausgesetzt sieht, hat Jürgen Elsässer mit "Wie der Dschihad nach Europa kam - Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan" einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Aufklärung geleistet, der nicht hoch genug bewertet werden kann. Wenn es etwas an diesem Buch zu kritisieren gibt, dann einzig die fehlende Aufarbeitung der Rechercheergebnisse Daniel Hopsickers in Florida sowie derjenigen Informationen, die in Zusammenhang mit der Affäre um die gefeuerte FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds an die Öffentlichkeit gelangt und inzwischen zum Teil durch eine Untersuchung des Generalinspekteurs des US-Justizministeriums bestätigt worden sind.
Edmonds wurde im Frühjahr 2002 aus dem Dienst beim zentralen FBI- Übersetzungsbüro in Washington fristlos entlassen, nachdem sie die dortigen Aktivitäten einer Doppelagentin des türkischen Geheimdienstes mit Namen Can Dickerson wie zugleich deren Verbindung zu Verdächtigen im Rahmen der Ermittlungen um den 11. September ihren Vorgesetzten gemeldet hatte. Der Hinweis von Edmonds, wonach die Hintergründe der Flugzeuganschläge im Bereich der sogenannten "organisierten Kriminalität", sprich des illegalen Drogen- und Waffenhandels zu suchen seien, die Tatsache, daß Can Dickersons Ehemann Douglas Dickerson, ein Major der US-Luftwaffe, im Pentagon zuletzt ausgerechnet für die Militärhilfe an die neuen Verbündeten Washingtons im öl- und gasreichen Zentralasien zuständig war, sowie die Rückendeckung, welche dem Ehepaar bis zu seiner Flucht aus den USA offenbar von höchsten Stellen in Washington zuteil wurde, stimmen mit den Erkenntnissen Jürgen Elsässers überein, wonach es sich beim sogenannten "Antiterrorkrieg" um einen perfiden und heuchlerischen Betrug handelt.
Jürgen Elsässer, "Wie der Dschihad nach Europa kam - Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan", 2005 im Verlag der Niederösterreichischen Presse (www.np-buch.at), St. Pölten, erschienen. 246 Seiten, ISBN 3-85326-376-3, 19,90 Euro.
Autor: N.N., in: Schattenblickwww.schattenblick.de, Mai 2005