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Profitable Phantomhilfe
NGO-Studie: Ein Großteil der »humanitären« Unterstützung für Entwicklungsländer verpufft. Nicht selten füllt sie am Ende nur die Taschen der Konzerne
Das wahre Ausmaß der US-Hilfe für die »Dritte Welt« wird »sehr stark übertrieben«. Laut der jüngsten Studie der Hilfsorganisation ActionAid International (AAI) würden die Vereinigten Staaten und andere reiche Länder mit allerlei Tricks und Doppelzählungen ihre humanitären Hilfeleistungen schön rechnen und aufblasen. Die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation AAI weiß, wovon sie spricht. In Afrika, Asien und Lateinamerika betreut sie eigenen Angaben zufolge unter Einbeziehung von über 2000 lokalen Organisationen insgesamt 13 Millionen Menschen. 90 Prozent der AAI-Mitarbeiter kommen selbst aus den Entwicklungsländern.
Von allen entwickelten kapitalistischen Staaten schießen die USA laut AAI-Studie in punkto Geiz den Vogel ab: »Nur 0,02 Prozent ihres Bruttoinlandproduktes« (BIP) ist »echte Hilfe« und werden zur Armutsbekämpfung bereitgestellt. Alles andere sei »Phantomhilfe«.
Wenig selbstlos
Aber auch bei den anderen Ländern sei das nicht viel besser. Insgesamt – so die Studie – bestehen etwa zwei Drittel der Hilfeleistungen der reichsten Ländern der Welt aus solchen Phantomhilfen. Darunter versteht AAI z. B. Leistungen, die nur auf dem Papier internationaler Abkommen stehen, von denen weder die hungernden und kranken Menschen in den armen Ländern noch deren Regierungen einen einzigen Cent sehen. Ein typisches Beispiel dafür ist die vermeintliche Hilfe, die reiche Länder gewähren, damit die ärmsten Staaten ihre Zinsen von alten Krediten an die Banken zurückzahlen können. Dies ist letztlich nur Hilfe für die eigenen Banken, wird jedoch als humanitäre oder Entwicklungshilfe deklariert. Generös weisen die Industrieländer auf die Bedeutung dieser »Hilfen« zur Verhinderung eines Staatsbankrotts der armen Staaten hin, der automatisch dann festgestellt wird, wenn ein Land mit der Zinszahlung in Verzug gerät. Tritt dieser Fall ein, müßten die Banken ihre faulen Kredite endgültig abschreiben – was weder im Interesse deren Manager noch Aktionäre liegt.
Auch die Exportindustrie der entwickelten kapitalistischen Staaten bekäme ernste Probleme bei einem festgestellten Staatsbankrott. Dann wären Ausfuhren in dieses Land nur noch gegen Barzahlung möglich, das Geschäft käme zum Erliegen.
Insgesamt – so die AAI-Studie – »bestehen mindestens 61 Prozent aller Hilfsleistungen der G-Nationen aus Phantomhilfe«. In den Vereinigten Staaten und Frankreich sei deren Anteil an der Gesamthilfe mit 90 Prozent besonderes ausgeprägt. Die echte Hilfe habe sich im Jahr 2003 auf knapp 27 Milliarden US-Dollar belaufen, was etwa 0,1 Prozent des BIP aller sieben führenden Industrieländer (G-7) ausmacht. Dieser Prozentsatz, so AAI, liege weit unter dem Richtsatz von 0,9 Prozent des BIP, zu dem sich die reichen Länder als alljährliche Hilfeleistung öffentlich aber rechtlich nicht bindend verpflichtet haben.
Negativliste
Um die Phantomhilfe zu systematisieren listet die AAI-Studie auf: »Hilfe«, die nicht zur Bekämpfung der Armut bestimmt ist – 4,9 Milliarden US-Dollar. »Hilfe«, die nichts als Entschuldung darstellt – 9,4 Milliarden Dollar. Überteuerte und ineffiziente »technische Hilfe« – 13,8 Mrd. Dollar. »Hilfen« für Güter und Dienstleistungen, die im Geberland gekauft werden müssen – 2.7 Milliarden Dollar. Schlecht koordinierte Hilfe, die mit vielen Reibungsverlusten verbunden ist – 9,0 Milliarden Dollar. Für Hilfe, die nur sporadisch ist und für den Empfänger kaum Nutzen bringt, sowie solche, die mit hohen administrativen Kosten verbunden ist, gibt es keine annähernde Schätzung.
Die AAI-Studie hält es für unwahrscheinlich, daß der Anteil der Pantomhilfe in Zukunft wesentlich zugunsten der echten Hilfe verbessert werden kann. Dafür müßten zuerst die festgefahrenen Strukturen des ganzen Geschäfts und der Hilfspolitik grundlegend verändert werden. Nötig sei ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der armen Menschen und der Geber- und Nehmerländer. Bis dahin dürften die Regierungen in den entwickelten Staaten weiter vorwiegend Steuergelder wohlmeinender Bürger für »Hilfsprogramme« ausgeben, die kaum dazu geeignet sind, den Armen zu helfen, schließt der AAI-Bericht. Die Konzerne der Geberländer jedenfalls verdienten AAI zufolge meist glänzend an diesen Programmen.
* ActionAid-Studie: www.actionaidusa.org/Action Aid Real Aid.pdf
http://www.jungewelt.de/2005/06-21/006.php
NGO-Studie: Ein Großteil der »humanitären« Unterstützung für Entwicklungsländer verpufft. Nicht selten füllt sie am Ende nur die Taschen der Konzerne
Das wahre Ausmaß der US-Hilfe für die »Dritte Welt« wird »sehr stark übertrieben«. Laut der jüngsten Studie der Hilfsorganisation ActionAid International (AAI) würden die Vereinigten Staaten und andere reiche Länder mit allerlei Tricks und Doppelzählungen ihre humanitären Hilfeleistungen schön rechnen und aufblasen. Die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation AAI weiß, wovon sie spricht. In Afrika, Asien und Lateinamerika betreut sie eigenen Angaben zufolge unter Einbeziehung von über 2000 lokalen Organisationen insgesamt 13 Millionen Menschen. 90 Prozent der AAI-Mitarbeiter kommen selbst aus den Entwicklungsländern.
Von allen entwickelten kapitalistischen Staaten schießen die USA laut AAI-Studie in punkto Geiz den Vogel ab: »Nur 0,02 Prozent ihres Bruttoinlandproduktes« (BIP) ist »echte Hilfe« und werden zur Armutsbekämpfung bereitgestellt. Alles andere sei »Phantomhilfe«.
Wenig selbstlos
Aber auch bei den anderen Ländern sei das nicht viel besser. Insgesamt – so die Studie – bestehen etwa zwei Drittel der Hilfeleistungen der reichsten Ländern der Welt aus solchen Phantomhilfen. Darunter versteht AAI z. B. Leistungen, die nur auf dem Papier internationaler Abkommen stehen, von denen weder die hungernden und kranken Menschen in den armen Ländern noch deren Regierungen einen einzigen Cent sehen. Ein typisches Beispiel dafür ist die vermeintliche Hilfe, die reiche Länder gewähren, damit die ärmsten Staaten ihre Zinsen von alten Krediten an die Banken zurückzahlen können. Dies ist letztlich nur Hilfe für die eigenen Banken, wird jedoch als humanitäre oder Entwicklungshilfe deklariert. Generös weisen die Industrieländer auf die Bedeutung dieser »Hilfen« zur Verhinderung eines Staatsbankrotts der armen Staaten hin, der automatisch dann festgestellt wird, wenn ein Land mit der Zinszahlung in Verzug gerät. Tritt dieser Fall ein, müßten die Banken ihre faulen Kredite endgültig abschreiben – was weder im Interesse deren Manager noch Aktionäre liegt.
Auch die Exportindustrie der entwickelten kapitalistischen Staaten bekäme ernste Probleme bei einem festgestellten Staatsbankrott. Dann wären Ausfuhren in dieses Land nur noch gegen Barzahlung möglich, das Geschäft käme zum Erliegen.
Insgesamt – so die AAI-Studie – »bestehen mindestens 61 Prozent aller Hilfsleistungen der G-Nationen aus Phantomhilfe«. In den Vereinigten Staaten und Frankreich sei deren Anteil an der Gesamthilfe mit 90 Prozent besonderes ausgeprägt. Die echte Hilfe habe sich im Jahr 2003 auf knapp 27 Milliarden US-Dollar belaufen, was etwa 0,1 Prozent des BIP aller sieben führenden Industrieländer (G-7) ausmacht. Dieser Prozentsatz, so AAI, liege weit unter dem Richtsatz von 0,9 Prozent des BIP, zu dem sich die reichen Länder als alljährliche Hilfeleistung öffentlich aber rechtlich nicht bindend verpflichtet haben.
Negativliste
Um die Phantomhilfe zu systematisieren listet die AAI-Studie auf: »Hilfe«, die nicht zur Bekämpfung der Armut bestimmt ist – 4,9 Milliarden US-Dollar. »Hilfe«, die nichts als Entschuldung darstellt – 9,4 Milliarden Dollar. Überteuerte und ineffiziente »technische Hilfe« – 13,8 Mrd. Dollar. »Hilfen« für Güter und Dienstleistungen, die im Geberland gekauft werden müssen – 2.7 Milliarden Dollar. Schlecht koordinierte Hilfe, die mit vielen Reibungsverlusten verbunden ist – 9,0 Milliarden Dollar. Für Hilfe, die nur sporadisch ist und für den Empfänger kaum Nutzen bringt, sowie solche, die mit hohen administrativen Kosten verbunden ist, gibt es keine annähernde Schätzung.
Die AAI-Studie hält es für unwahrscheinlich, daß der Anteil der Pantomhilfe in Zukunft wesentlich zugunsten der echten Hilfe verbessert werden kann. Dafür müßten zuerst die festgefahrenen Strukturen des ganzen Geschäfts und der Hilfspolitik grundlegend verändert werden. Nötig sei ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der armen Menschen und der Geber- und Nehmerländer. Bis dahin dürften die Regierungen in den entwickelten Staaten weiter vorwiegend Steuergelder wohlmeinender Bürger für »Hilfsprogramme« ausgeben, die kaum dazu geeignet sind, den Armen zu helfen, schließt der AAI-Bericht. Die Konzerne der Geberländer jedenfalls verdienten AAI zufolge meist glänzend an diesen Programmen.
* ActionAid-Studie: www.actionaidusa.org/Action Aid Real Aid.pdf
http://www.jungewelt.de/2005/06-21/006.php