R
Rehana
Guest
6.1. 2007 um 18.05 Uhr Arte
Die ersten Lokomotiven kamen per Schiff -
Eine abenteuerliche Reise ins Osmanische Reich.
Im Orient beginnt 1903 mit dem Bau der Bagdadbahn ein technisches und politisches Abenteuer: 2.600 Kilometer durch menschenleeres Gebiet, über reißende Flüsse, durch tiefe Schluchten und heiße Wüstenregionen. Deutsche Banken finanzieren das Projekt. Doch es gibt mächtige Gegner.
Das Foto aus Bagdad hätte eine Sensation dokumentieren können. Es zeigt einen leitenden Ingenieur aus Deutschland und türkische Arbeiter. Sie posieren für den Fotografen. Auf das schwarze Blech der Lokomotive im Hintergrund hat jemand stolz mit weißer Kreide in deutscher Sprache vermerkt: „Die erste Lokomotive in Bagdad 1912“.
Chefingenieur der legendären Strecke war August Heinrich Meissner aus Leipzig, der schon als Kind davon geträumt hatte, Eisenbahnen zu bauen. Über die Begegnung mit ihm schrieb die berühmte englische Spionin Gertrude Bell aus Bagdad am 28. März 1914. „Lieber Vater, Am Nachmittag kam Meissner, um mich abzuholen. Die Palmen neigten sich über dem Tigrisufer und in dem angeschwollenen Fluss lag eine Flotte alter Boote. Die schlammigen Fluten des Tigris, die Palmen, die singenden Araber – der alte Orient, und in ihrer Mitte nun die makellosen Lokomotiven, die blauäugigen kurzhaarigen Deutschen, mit schnellen entschiedenen Bewegungen und leicht militärischem Auftreten. Die Soldaten des Westens kommen um zu erobern, und ihre Waffe ist die Technologie.“
Die Fotografie von 1912 scheint zu belegen, dass die Bagdadbahn schon in der Metropole im Zweistromland angekommen ist, Anfang des 20. Jahrhunderts ein Meisterstück der Technik. Wie es aussieht, sind die 2500 Kilometer von Konstantinopel, heute Istanbul, über Berge und durch die Wüste mit einem durchgehenden Schienenstrang überwunden, Euphrat und Tigris überquert und Bagdad erreicht. Aber der Schein trügt.
Knapp 10 Jahre zuvor, am 5. März 1903, war der Startschuss für das technisch wie politisch waghalsige Unternehmen gefallen. Die Eisenbahnstrecke sollte die beiden Metropolen Konstantinopel und Bagdad verbinden. Die Idee stammte von Sultan Abdulhamid II., dem Herrscher über das riesige Osmanische Reich, das sich von Konstantinopel bis an den Persischen Golf, vom Schwarzen Meer bis nach Mekka erstreckte. Um sein Herrschaftsgebiet wirtschaftlich zu erschließen, wollte er ein modernes Verkehrssystem schaffen, und durch die Bahnstrecke hoffte er auch, abtrünnige Provinzen enger mit der Hauptstadt Konstantinopel zu verbinden.
Aber dafür brauchte der Sultan Partner. Adolf Freiherr Marschall von Biberstein, deutscher Botschafter in Konstantinopel, erreichte mit diplomatischem Geschick, dass die Konzession zum Bau der Bahn an die Deutschen ging. Deutsche Banken übernahmen die Finanzierung, deutsche Unternehmen stellten die Ingenieure und leiteten den Bau. Ob Lokomotiven, Schienen oder Nieten, alles wurde aus dem Deutschen Reich per Schiff in den Orient transportiert.
Auch die Lokomotiven auf der Fotografie von 1912: Sie sind die Strecke von Konstantinopel nie gefahren. Denn zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird an mehreren Stellen der Bagdadbahn immer noch fieberhaft gebaut. Richtig ist aber, dass 1912 die ersten deutschen Lokomotiven im Bahnhof von Bagdad stehen. Doch sie sind per Schiff aus Hamburg - in Einzelteilen verladen - angekommen und in Bagdad zusammengesetzt worden. Mit Hilfe dieser Loks konnte nun auch die Bahnstrecke von Bagdad aus nach Norden vorangetrieben werden. In dem unwegsamen Gelände war es nur per Bahn möglich die tonnenschweren Schienen zu transportieren.
Die abenteuerliche Reise der beiden 1912 nach Bagdad transportierten Lokomotiven spiegelt die tatsächlichen Machtverhältnisse in Europa und dem Orient vor dem Ersten Weltkrieg wider. Der Frachter aus Hamburg lief durch das Mittelmeer bis an den von den Briten kontrollierten Suezkanal, durchquerte ihn, umrundete das Südende des Osmanischen Reiches – heute Saudi-Arabien und Kuweit – und fuhr bis zur Hafenstadt Basra im Persischen Golf. In Basra wurden die Loks auf Flussdampfer umgeladen, um über den wiederum britisch kontrollierten Tigris hinauf bis nach Bagdad zu gelangen.
Tatsächlich hat die Geschichte der Bagdadbahn, welche die Hauptstadt des Osmanischen Reiches Konstantinopel mit Bagdad verbinden sollte, bis zur Entstehung dieses Fotos bereits die Gemüter in den mächtigsten Staaten Europas und auch in Russland erregt. Der Bau der Bahn bis nach Bagdad wurde zum Prestigeobjekt für das deutsche Kaiserreich und gleichzeitig zum Stolz des Osmanischen Reiches. Diese strategisch bedeutende Eisenbahnlinie sollte die entfernten Provinzen mit der Hauptstadt am Bosporus verbinden. Damit sahen Frankreich, Russland und besonders das Britische Königreich ihre Kolonialinteressen in der Region gefährdet. Würde der „kranke Mann am Bosporus“ nun mit Hilfe der Eisenbahn seine Herrschaft über den Nahen Osten fortsetzen können? Die Gegner der Bahn sahen in ihr ein Werkzeug der Macht, das um jeden Preis verhindert werden musste. Speziell für Großbritannien begann die gute Verbindung des Kaisers mit dem osmanischen Sultan sowie der Bahnbau nach Bagdad und Medina zu einer ernsten Bedrohung anzuwachsen. Die Deutschen in der Nähe der arabischen Ölquellen, das wollten sie unter allen Umständen vermeiden und hatten damit ein gemeinsames Ziel mit Frankreich und Russland.
Die ersten Lokomotiven kamen per Schiff -
Eine abenteuerliche Reise ins Osmanische Reich.
Im Orient beginnt 1903 mit dem Bau der Bagdadbahn ein technisches und politisches Abenteuer: 2.600 Kilometer durch menschenleeres Gebiet, über reißende Flüsse, durch tiefe Schluchten und heiße Wüstenregionen. Deutsche Banken finanzieren das Projekt. Doch es gibt mächtige Gegner.
Das Foto aus Bagdad hätte eine Sensation dokumentieren können. Es zeigt einen leitenden Ingenieur aus Deutschland und türkische Arbeiter. Sie posieren für den Fotografen. Auf das schwarze Blech der Lokomotive im Hintergrund hat jemand stolz mit weißer Kreide in deutscher Sprache vermerkt: „Die erste Lokomotive in Bagdad 1912“.
Chefingenieur der legendären Strecke war August Heinrich Meissner aus Leipzig, der schon als Kind davon geträumt hatte, Eisenbahnen zu bauen. Über die Begegnung mit ihm schrieb die berühmte englische Spionin Gertrude Bell aus Bagdad am 28. März 1914. „Lieber Vater, Am Nachmittag kam Meissner, um mich abzuholen. Die Palmen neigten sich über dem Tigrisufer und in dem angeschwollenen Fluss lag eine Flotte alter Boote. Die schlammigen Fluten des Tigris, die Palmen, die singenden Araber – der alte Orient, und in ihrer Mitte nun die makellosen Lokomotiven, die blauäugigen kurzhaarigen Deutschen, mit schnellen entschiedenen Bewegungen und leicht militärischem Auftreten. Die Soldaten des Westens kommen um zu erobern, und ihre Waffe ist die Technologie.“
Die Fotografie von 1912 scheint zu belegen, dass die Bagdadbahn schon in der Metropole im Zweistromland angekommen ist, Anfang des 20. Jahrhunderts ein Meisterstück der Technik. Wie es aussieht, sind die 2500 Kilometer von Konstantinopel, heute Istanbul, über Berge und durch die Wüste mit einem durchgehenden Schienenstrang überwunden, Euphrat und Tigris überquert und Bagdad erreicht. Aber der Schein trügt.
Knapp 10 Jahre zuvor, am 5. März 1903, war der Startschuss für das technisch wie politisch waghalsige Unternehmen gefallen. Die Eisenbahnstrecke sollte die beiden Metropolen Konstantinopel und Bagdad verbinden. Die Idee stammte von Sultan Abdulhamid II., dem Herrscher über das riesige Osmanische Reich, das sich von Konstantinopel bis an den Persischen Golf, vom Schwarzen Meer bis nach Mekka erstreckte. Um sein Herrschaftsgebiet wirtschaftlich zu erschließen, wollte er ein modernes Verkehrssystem schaffen, und durch die Bahnstrecke hoffte er auch, abtrünnige Provinzen enger mit der Hauptstadt Konstantinopel zu verbinden.
Aber dafür brauchte der Sultan Partner. Adolf Freiherr Marschall von Biberstein, deutscher Botschafter in Konstantinopel, erreichte mit diplomatischem Geschick, dass die Konzession zum Bau der Bahn an die Deutschen ging. Deutsche Banken übernahmen die Finanzierung, deutsche Unternehmen stellten die Ingenieure und leiteten den Bau. Ob Lokomotiven, Schienen oder Nieten, alles wurde aus dem Deutschen Reich per Schiff in den Orient transportiert.
Auch die Lokomotiven auf der Fotografie von 1912: Sie sind die Strecke von Konstantinopel nie gefahren. Denn zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird an mehreren Stellen der Bagdadbahn immer noch fieberhaft gebaut. Richtig ist aber, dass 1912 die ersten deutschen Lokomotiven im Bahnhof von Bagdad stehen. Doch sie sind per Schiff aus Hamburg - in Einzelteilen verladen - angekommen und in Bagdad zusammengesetzt worden. Mit Hilfe dieser Loks konnte nun auch die Bahnstrecke von Bagdad aus nach Norden vorangetrieben werden. In dem unwegsamen Gelände war es nur per Bahn möglich die tonnenschweren Schienen zu transportieren.
Die abenteuerliche Reise der beiden 1912 nach Bagdad transportierten Lokomotiven spiegelt die tatsächlichen Machtverhältnisse in Europa und dem Orient vor dem Ersten Weltkrieg wider. Der Frachter aus Hamburg lief durch das Mittelmeer bis an den von den Briten kontrollierten Suezkanal, durchquerte ihn, umrundete das Südende des Osmanischen Reiches – heute Saudi-Arabien und Kuweit – und fuhr bis zur Hafenstadt Basra im Persischen Golf. In Basra wurden die Loks auf Flussdampfer umgeladen, um über den wiederum britisch kontrollierten Tigris hinauf bis nach Bagdad zu gelangen.
Tatsächlich hat die Geschichte der Bagdadbahn, welche die Hauptstadt des Osmanischen Reiches Konstantinopel mit Bagdad verbinden sollte, bis zur Entstehung dieses Fotos bereits die Gemüter in den mächtigsten Staaten Europas und auch in Russland erregt. Der Bau der Bahn bis nach Bagdad wurde zum Prestigeobjekt für das deutsche Kaiserreich und gleichzeitig zum Stolz des Osmanischen Reiches. Diese strategisch bedeutende Eisenbahnlinie sollte die entfernten Provinzen mit der Hauptstadt am Bosporus verbinden. Damit sahen Frankreich, Russland und besonders das Britische Königreich ihre Kolonialinteressen in der Region gefährdet. Würde der „kranke Mann am Bosporus“ nun mit Hilfe der Eisenbahn seine Herrschaft über den Nahen Osten fortsetzen können? Die Gegner der Bahn sahen in ihr ein Werkzeug der Macht, das um jeden Preis verhindert werden musste. Speziell für Großbritannien begann die gute Verbindung des Kaisers mit dem osmanischen Sultan sowie der Bahnbau nach Bagdad und Medina zu einer ernsten Bedrohung anzuwachsen. Die Deutschen in der Nähe der arabischen Ölquellen, das wollten sie unter allen Umständen vermeiden und hatten damit ein gemeinsames Ziel mit Frankreich und Russland.