Aktuelles
  • Herzlich Willkommen im Balkanforum
    Sind Sie neu hier? Dann werden Sie Mitglied in unserer Community.
    Bitte hier registrieren

Die Drohnen der Zukunft

T

Taudan

Guest
Entwickler wollen die «fliegenden Augen» sicherer und selbständiger machen

Präsentation der britischen Tarnkappendrohne «Taranis» im Sommer 2010. Sie ist bewaffnet und hat eine Spannweite von 10 Metern. (Bild: PD)

Die Drohnen-Industrie boomt. Die Modelle werden technisch immer raffinierter und werden immer breiter eingesetzt – sowohl militärisch als auch zivil. Noch offen ist, wie sich die Flugobjekte in den Luftraum integrieren lassen.

Hanna Wick
Bei der Präsentation seiner neusten Drohne liess sich das britische Verteidigungsministerium nicht lumpen: Pompös musste es sein, effektvoll und laut, als trete gleich ein Rockstar auf die Bühne. Grund für die Show war Taranis, eine neue Tarnkappen-Drohne, deren Entwicklung knapp 150 Millionen Pfund gekostet hat. Mit dem Demonstrationsprojekt will die britische Industrie zeigen, dass auch sie – wie die USA und Israel – ein Fluggerät bauen kann, das ohne Pilot an Bord Kontinente überfliegt und Raketen abwirft.
Der Erstflug von Taranis ist für nächstes Jahr geplant. Gleiches gilt für Neuron, eine europäische Kampfdrohne, an deren Entwicklung Frankreich, Italien, Schweden, Spanien, Griechenland und die Schweiz beteiligt sind. Die Schweizer Firma Ruag liefert Teile des Waffensystems. Laut Medienberichten arbeiten auch Russland, China, die Türkei, Iran und Indien an waffenfähigen Drohnen. All diese Pläne unterliegen strenger Geheimhaltung. Das Bild, das man sich von der Drohnen-Industrie machen kann, bleibt deshalb vage.







Die Bandbreite als Engpass

Klar auf der Hand liegen hingegen die Vorteile von Kampfdrohnen: Mit ihnen kann ein «Feind» heute schon wenige Minuten nach der Ortung getötet werden. Alles, was es dafür braucht, ist ein Mausklick des Operateurs, der mit der Drohne von einer Basis aus via Satellit kommuniziert. Kein Soldat riskiert mehr sein Leben. Darum sind die Kampfdrohnen der USA – bekannt unter dem Namen Predator und Reaper – Grundpfeiler des «Kriegs gegen den Terror».
Die meiste Zeit verbringen diese Drohnen allerdings nach wie vor nicht in Kampfeinsätzen, sondern mit Aufklärungsarbeit. Mit verschiedenen Sensoren und Kameras bestückt, kreisen sie geduldig stundenlang über einem Gebiet, erfassen Gelände und verdächtige Bewegungen. Die Daten schicken sie per Satellit zur Basis. Die Mengen sind enorm: Die Predator-Reaper-Flotte in Afghanistan liefert etwa 400 Stunden Videomaterial pro Tag.

Die Solardrohne «Zephyr» bleibt 14 Tage in der Luft. (Bild: PD)

Die Übermittlung der Daten braucht viel Bandbreite; ihre Auswertung viel Personal. Dieses Problem dürfte sich noch verschärfen, denn Drohnen werden mit immer mehr und immer schärferen Kameras ausgerüstet. Kommt hinzu, dass die Anzahl Drohnen rapide wächst. Wurden im Irakkrieg 2003 erst eine Handvoll unbemannter Flugzeuge eingesetzt, so verfügen die USA heute über mehr als 7000 unbemannte Fluggeräte (unmanned aerial vehicles, UAV). Dazu gehören wohlgemerkt nicht nur die Predator-/Reaper-Serien, sondern auch Hunderte kleiner Aufklärungsdrohnen, die von Hand gestartet werden können, ebenso wie Drohnen von der Grösse eines Verkehrsflugzeugs, die aus vielen Kilometern Höhe ganze Landstriche überwachen (z. B. der Global Hawk). All das treibt den Aufwand nach oben. Bis in 5 Jahren dürfte sich die Datenmenge, die all diese Drohnen liefern, laut der amerikanischen Luftwaffe auf 1 Milliarde Gigabyte pro Tag steigern.


Die «Phantom Eye» fliegt bald erstmals mit Wasserstoff (Bild: PD)

Abhilfe gegen die Datenflut erhoffen sich die Hersteller von Systemen, welche die Daten direkt an Bord schon partiell aufbereiten, und von neuen Kompressionsverfahren. Diese reduzieren den Bedarf an Bandbreite. Auch Verschlüsselungstechniken sind gefragt. Es soll schon vorgekommen sein, dass Unbefugte den Videostream von Drohnen «mitschauten». Und schliesslich muss auch der Virenschutz besser werden: Laut der Zeitschrift «Wired» hat eine der US-Drohnen-Basen in Nevada seit zwei Wochen mit einem Virus zu kämpfen. Dieses sei zwar harmlos, macht aber die Verletzlichkeit der Technik deutlich. Je autonomer die Drohnen werden, desto wichtiger wird der Schutz vor Viren. Schon heute können viele Modelle ohne Fernsteuerung starten und landen, eine Flugroute einhalten und gewisse Ziele erkennen. Bald dürften weitere Funktionen dazukommen: zuerst die Fähigkeit, im Flug selbständig die Route zu ändern, dann die Koordination einer Gruppe von Drohnen und schliesslich das, was man als Schwarmintelligenz bezeichnet. Dabei trifft eine Gruppe von Drohnen selbständig strategische Entscheide. So zumindest beschreibt die britische Regierung die Zukunft in einem Dokument vom März 2011. Sie greift die Ideen nicht aus der Luft; entsprechende Konzepte werden rund um die Welt bereits erprobt.


Das wohl wichtigste Thema für die Zukunft der Drohnen ist derzeit aber die Integration in den zivilen Luftraum. Denn Drohnen sind eine Unfallgefahr. Ein Beispiel dafür lieferte jüngst die Kollision eines amerikanischen Transportflugzeugs mit einer kleinen Drohne über Afghanistan. Das Flugzeug wurde beschädigt, konnte aber noch landen. Die Drohne hingegen zerschellte. Das Problem ist, dass Piloten Drohnen am Himmel oft nicht erkennen können; den Drohnen wiederum fehlt die letzte Instanz des Piloten, der eine Kollision kommen sehen und ausweichen kann. Deshalb dürfen UAV heute nur mit Ausnahmebewilligung im zivilen Luftraum fliegen. (Kleine Drohnen darf man ohne spezielle Zulassung betreiben, aber nur mit permanentem Sichtkontakt und nur bis in geringe Höhen.)
Potenzial für zivile Nutzung

Die mangelnde Sicherheit ist vor allem ein Hindernis für die zivile Nutzung von Drohnen – man denke etwa an die Überwachung von Demonstrationen, an Katastrophenhilfe und die Sicherung kritischer Infrastrukturen. Hier orten Experten grosses Potenzial. Schon heute werden die Grenzen der USA und der Schweiz teilweise mit Drohnen überwacht. Auch an der EM 08 kreuzten hierzulande Drohnen über den Stadien. Und in Japan halfen UAV mit, die Schäden im AKW Fukushima zu erfassen.

Solche Einsätze sollen in Zukunft ohne Auflagen möglich sein. Das geht aber nur, wenn Drohnen andere Luftfahrzeuge mindestens gleich gut erkennen wie der Mensch, wie Roland Ledermann von der Schweizer Armasuisse erklärt. Dazu braucht es zusätzliche Sensorsysteme – wahrscheinlich eine Kombination von optischen und Infrarotkameras mit Bordradar. Jeder Drohnentyp werde seine eigenen Anforderungen haben, sagt Frederik Meysel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ein Szenario wäre, jedes Fluggerät – ob Drohne, Flugzeug oder Wetterballon – mit einem Transponder auszurüsten, mit dem es regelmässig seine Position bekanntgeben kann. Ähnliche Bestrebungen gibt es im zivilen Luftverkehr ohnehin (z. B. ADS-B).
Wann die Integration von UAV in den Luftraum geregelt sein wird, wagt niemand zu sagen. Es gebe zwar Unmengen von Studien in Bearbeitung sowie entsprechende Kommissionen, sagt Georges Bridel von der Schweizer Arbeitsgruppe für Luft- und Raumfahrt. «Aber ein Konsens ist nicht in Sicht.»

«Drohnen werfen völlig neue Fragen auf»

Herr Singer, Sie haben vor kurzem in einem Kommentar in der Fachzeitschrift «Nature» vor intelligenten Kriegsmaschinen gewarnt, zu denen auch Drohnen gehören. Warum?
Das «Gesicht» des Krieges ist nicht mehr human. Während 5000 Jahren Kriegsgeschichte setzten sich Menschen direkten Risiken aus. Heute sind wir in einem neuen Modus: Gewisse Kampfhandlungen werden aus einer Entfernung von Tausenden von Kilometern geführt. Und die Roboter werden immer autonomer. Das ist ein revolutionärer Wandel. Er wirft rechtliche, ethische und soziale Fragen auf, die eine Generation früher nicht gestellt wurden.
Drohnen werden immer öfter auch für zivile Zwecke eingesetzt, zum Beispiel für die Überwachung. Welche Probleme sehen Sie hier auf uns zukommen?
Unsere Gesetze zur Privatsphäre sind nicht gut auf die moderne Technologie zugeschnitten. Früher brauchte die Polizei einen Durchsuchungsbefehl wegen hinreichenden Verdachts, wenn sie in mein Haus oder über meinen Gartenzaun schauen wollte. Heute kann sie das einfach mit neuer Technologie tun. Ich rechne deswegen in Zukunft mit einem Fall vor dem Obersten Gericht.
Sie fordern eine bessere Ethik-Ausbildung von Ingenieuren, die mit intelligenten Maschinen arbeiten. Kann ein Crashkurs in Ethik wirklich etwas bewirken?
Sie verkürzen mein Argument. Ich plädiere für eine bessere ethische Ausbildung von Forschern und zugleich für eine bessere technische Ausbildung der Entscheidungsträger. Wir sind heute denkbar schlecht ausgerüstet, kluge Entscheidungen zu treffen, was den Einsatz von Drohnen betrifft. Ausserdem sollten wichtige technische Forschungsprogramme immer extern auf ihre möglichen Auswirkungen hin begutachtet werden, ähnlich wie das heute bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung geschieht. Man kann den Aufstieg einer neuen Technologie nicht verhindern, ebenso wenig wie ihre gesellschaftlichen Auswirkungen. Aber wir können uns besser vorbereiten auf zukünftige Probleme, statt einfach im Nachhinein zu reagieren.
Sie regen ausserdem einen Verhaltenskodex für Forscher und Entwickler auf dem Gebiet der Robotik an, ähnlich wie es ihn für Ärzte schon gibt. Was könnte in einem solchen Kodex stehen?
Das muss diese Berufsgruppe selbst entscheiden. Die Prinzipien des «primum nil nocere» (zuerst einmal nicht schaden) aus der Medizin und der «Befehlsverantwortung» aus dem Militär könnten gute Leitplanken sein.
Wird in den USA und in Europa anders über intelligente Kriegsgeräte diskutiert?
Ja, Europa tut gerne so, als sei das nur ein amerikanisches Problem. Wo doch in Wirklichkeit alle grossen europäischen Länder die Technologie selber bauen, kaufen und verwenden.
Peter W. Singer ist Autor des Buches «Wired for War» und Mitglied der Brookings Institution.
 
Zurück
Oben