Rrushja
♥♥♥
For Free Hands aus Berlin spielten im KulturForum zeitgenössischen World Jazz
Die fantastischen Vier im Balkanrausch
Kiel - Im weltgewandten Ethnopop steht die Balkanwelle hoch im Kurs. Ganz gleich ob als "Gypsy Groove", "Bucovina-Dub" oder "R'n'Balkan": Die Folkloremusik des europäischen Ostens ist längst angekommen im westlichen Dancefloor-Bewusstsein, dank Künstlern wie Shantel, Emir Kusturicas No Smoking Orchestra oder Balkan Beat Box. Nicht zu vergessen: Wladimir Kaminers "Russendisko".
Im von Haus aus eh globaler und eklektischer ausgerichteten Jazz kennt man derlei Einflüsse schon viel länger, spätestens seit dem König des "Sinti und Romajazz", Django Reinhardt, oder den frühen Alben des jugoslawischen Trompeters Dusko Goykovich aus den 60er-Jahren: Swinging Macedonia hieß eines von ihnen und versprach ideologiefreie Entgrenzung und Lebensfreude.
Transversal, also "quer zur Hauptrichtung", heißt hingegen das aktuelle Album eines der momentan fruchtbarsten und spannendsten East-meets-West-Jazzprojekte, das sich auf deutschem Boden finden lässt. For Free Hands ist dabei nur eine von zahlreichen Kombinationen, in denen die beteiligten Musiker miteinander zu spielen pflegen. Mastermind des Ganzen: der Berliner Gitarrist Andreas Brunn, der mit den Jahren einen internationalen Stamm Gleichgesinnter um sich geschart hat, die seine fusionären Visionen teilen. Einige sind inzwischen auch wieder abgesprungen, der Schweizer Chapmanstick-Virtuose Hans Hartmann etwa, für den nun der New Yorker Kontrabassist Jonathan Robinson auf der Bühne steht. Der Bulgare Vladimir Karparov (Sopran- und Tenorsaxofon) und der Grieche Dimitris Christides (Schlagzeug, Percussion) komplettieren die momentane Bandbesetzung. Christides, der vor seinem Einstieg bei For Free Hands in der Londoner Drum & Bass- und Nu-Jazz-Szene umtriebig war, liefert mit seinem filigranen, detailverliebten Spiel den idealen rhythmischen Nährboden für das furiose Stilgebräu des Quartetts. Ein vertrackter 13/16-Beat, wie im Stück
Magic Friday, ist für ihn alles andere als ein Problem. Jonathan Robinson überzeugt derweil mit zurückhaltendem und dennoch prägnantem Bassspiel: Behände wechselt er zwischen Zupfen, Schlagen und Streichen und stiftet Basis und Zusammenhalt. Der Ausnahmesaxofonist Karparov versteht es auf einzigartige Weise, die traditionelle, zuweilen orientalisch anmutende Spielweise seiner Heimat mit innovativer Jazztechnik zu verknüpfen. Stücke wie "Blood & Honey" oder "Sofia" gedeihen durch Karparovs schier atemlose Melodiekaskaden mehr und mehr zum rauschhaften Hörerlebnis, und auch gemäßigtere Titel, etwa "Thracian Dance" oder die Ballade "Das fünfte Element", leben maßgeblich vom Einfühlvermögen des Bulgaren. Bandleader Andreas Brunn, abwechselnd gewappnet mit 7-saitiger Akustikgitarre und E-Gitarre, ruft immer wieder Erinnerungen an John McLaughlin wach. Sein Spiel und sein Kompositionstalent sind hintergründig und von intelligentem Witz; eine Jazzfuge wie "Wizards' Cube" schreibt sich schließlich nicht von selbst.
Schade allein, dass sich nicht mehr Kieler davon überzeugen wollen: Klägliche anderthalb Dutzend lassen sich von For Free Hands berauschen. Der Rest erledigt das draußen bei Glühwein und Punsch. Jedem das Seine.
Die fantastischen Vier im Balkanrausch | Kieler Nachrichten - Kultur
Die fantastischen Vier im Balkanrausch
Kiel - Im weltgewandten Ethnopop steht die Balkanwelle hoch im Kurs. Ganz gleich ob als "Gypsy Groove", "Bucovina-Dub" oder "R'n'Balkan": Die Folkloremusik des europäischen Ostens ist längst angekommen im westlichen Dancefloor-Bewusstsein, dank Künstlern wie Shantel, Emir Kusturicas No Smoking Orchestra oder Balkan Beat Box. Nicht zu vergessen: Wladimir Kaminers "Russendisko".
Im von Haus aus eh globaler und eklektischer ausgerichteten Jazz kennt man derlei Einflüsse schon viel länger, spätestens seit dem König des "Sinti und Romajazz", Django Reinhardt, oder den frühen Alben des jugoslawischen Trompeters Dusko Goykovich aus den 60er-Jahren: Swinging Macedonia hieß eines von ihnen und versprach ideologiefreie Entgrenzung und Lebensfreude.
Transversal, also "quer zur Hauptrichtung", heißt hingegen das aktuelle Album eines der momentan fruchtbarsten und spannendsten East-meets-West-Jazzprojekte, das sich auf deutschem Boden finden lässt. For Free Hands ist dabei nur eine von zahlreichen Kombinationen, in denen die beteiligten Musiker miteinander zu spielen pflegen. Mastermind des Ganzen: der Berliner Gitarrist Andreas Brunn, der mit den Jahren einen internationalen Stamm Gleichgesinnter um sich geschart hat, die seine fusionären Visionen teilen. Einige sind inzwischen auch wieder abgesprungen, der Schweizer Chapmanstick-Virtuose Hans Hartmann etwa, für den nun der New Yorker Kontrabassist Jonathan Robinson auf der Bühne steht. Der Bulgare Vladimir Karparov (Sopran- und Tenorsaxofon) und der Grieche Dimitris Christides (Schlagzeug, Percussion) komplettieren die momentane Bandbesetzung. Christides, der vor seinem Einstieg bei For Free Hands in der Londoner Drum & Bass- und Nu-Jazz-Szene umtriebig war, liefert mit seinem filigranen, detailverliebten Spiel den idealen rhythmischen Nährboden für das furiose Stilgebräu des Quartetts. Ein vertrackter 13/16-Beat, wie im Stück
Magic Friday, ist für ihn alles andere als ein Problem. Jonathan Robinson überzeugt derweil mit zurückhaltendem und dennoch prägnantem Bassspiel: Behände wechselt er zwischen Zupfen, Schlagen und Streichen und stiftet Basis und Zusammenhalt. Der Ausnahmesaxofonist Karparov versteht es auf einzigartige Weise, die traditionelle, zuweilen orientalisch anmutende Spielweise seiner Heimat mit innovativer Jazztechnik zu verknüpfen. Stücke wie "Blood & Honey" oder "Sofia" gedeihen durch Karparovs schier atemlose Melodiekaskaden mehr und mehr zum rauschhaften Hörerlebnis, und auch gemäßigtere Titel, etwa "Thracian Dance" oder die Ballade "Das fünfte Element", leben maßgeblich vom Einfühlvermögen des Bulgaren. Bandleader Andreas Brunn, abwechselnd gewappnet mit 7-saitiger Akustikgitarre und E-Gitarre, ruft immer wieder Erinnerungen an John McLaughlin wach. Sein Spiel und sein Kompositionstalent sind hintergründig und von intelligentem Witz; eine Jazzfuge wie "Wizards' Cube" schreibt sich schließlich nicht von selbst.
Schade allein, dass sich nicht mehr Kieler davon überzeugen wollen: Klägliche anderthalb Dutzend lassen sich von For Free Hands berauschen. Der Rest erledigt das draußen bei Glühwein und Punsch. Jedem das Seine.
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