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Aus dem neuen Spiegel 15/2005. Die Balkan Mafia Fussball Vereine, können noch viel lernen, von Abramowitz und Co.!
Das Abramowitsch Mafia Imperium besitzt bekanntlich auch den Englischen Fussball Club Chelsea.
FUSSBALL Seite 146
Wolke von Geheimnissen
Für 52 Millionen Dollar kaufte der brasilianische Traditionsclub SC Corinthians Topspieler aus Europa und Argentinien. Woher der Geldsegen kommt, mögen die Investoren jedoch nicht preisgeben. Die Staatsanwaltschaft tippt auf die russische Mafia - und ermittelt wegen Geldwäsche.
Der junge Iraner mit dem offenen Seidenhemd wirkt fremd auf der Ehrentribüne im Pacaembu-Stadion, der Spielstätte des SC Corinthians in São Paulo. Fußball ist nicht seine Welt, in der Halbzeitpause gesellt sich Kia Joorabchian, 33, lieber zu den Models und Neureichen der Schickeria in der Zehn-Millionen-Metropole.
Das Publikum jubelt ihm trotzdem zu. "Kia, Kia, Stadium, Stadium!", skandieren die Fans, wenn er sich während eines Spiels sehen lässt - auf Englisch, denn Joorabchian spricht nur wenige Brocken Portugiesisch. Sie fordern das neue Stadion ein, das er ihnen versprochen hat.
Seit Ende vergangenen Jahres beherrscht der smarte Yuppie Brasiliens zweitbeliebtesten Fußballverein. Joorabchian hat eine Reihe von Topspielern eingekauft, mit deren Hilfe das "Timão", das Superteam, wie die Elf von Corinthians bei ihren Fans heißt, Landesmeister werden will: die Argentinier Carlos Tevez (Boca Juniors) und Sebastián Domínguez (Newell's Old Boys) sowie die Brasilianer Carlos Alberto (FC Porto), Roger (Benfica Lissabon) und Gustavo Nery (Werder Bremen). Zuletzt heuerte Joorabchian gar Argentiniens ehemaligen Nationaltrainer Daniel Passarella an.
Die 52-Millionen-Dollar-Investition in neues Personal - allein Stürmerstar Tevez soll 22,5 Millionen gekostet haben - kehrt einen Trend um, unter dem die Qualität der nationalen Meisterschaft mit ihren chronisch klammen Vereinen im letzten Jahrzehnt arg gelitten hat: Nach jeder Saison verließen die besten Talente das Land, abgeworben von den reichen europäischen Clubs.
Nun registriert die Fußballbranche mit Staunen, dass der SC Corinthians Profis aus Europa zurückholt oder gar Stars aus Argentinien importiert. Geld scheint kein Problem zu sein, denn Joorabchian operiert mit dem Kapital der Firma Media Sport Investments (MSI), die als Geschäftspartner bei Corinthians eingestiegen ist.
Merkwürdig nur, dass Kia Joorabchian partout nicht verraten will, woher die MSI-Millionen stammen: "Die Investoren möchten ihre Namen nicht in der Presse sehen." Der plötzliche Geldsegen - bis Jahresende will Joorabchian weitere 40 Millionen Dollar in die "Globalisierung von Corinthians" stecken - hat deshalb das Interesse der Staatsanwaltschaft geweckt. Fahnder einer Spezialtruppe zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität haben die Spur des Geldes nach New York und in die
... Fortsetzung von Seite 147
Karibik, nach England und in den Kaukasus verfolgt. Sie hegen den Verdacht, dass die Millionen von der russischen Mafia kommen.
"Der Transfer von Fußballstars eignet sich ideal zur Geldwäsche", sagt Staatsanwalt José Reinaldo Guimarães Carneiro, "bei dem Spieler-Monopoly lässt sich die Herkunft der Millionen leicht verwischen." Ist Brasiliens Traditionsverein Corinthians, der Lieblingsclub von Staatspräsident Lula da Silva und Millionen Brasilianern, zu einer Wechselstube für schmutzige Dollars aus der ehemaligen Sowjetunion verkommen? Indizien deuten darauf hin.
Brasilien und Argentinien bieten sich für dunkle Deals an: Die meisten Clubs sind in finanziellen Schwierigkeiten, die Verbandsfunktionäre anfällig für undurchsichtige Geschäfte. Die Justiz funktioniert nur langsam und schwerfällig, die Gesetze zum Schutz vor Geldwäsche reichen oft nicht aus. "Für reiche Russen, die ihre Millionen reinwaschen wollen und an Fußball interessiert sind, ist der Schritt nach Südamerika nur logisch", sagt der angesehene Sportjournalist Juca Kfouri. Wie "Freibeuter" seien die neuen Investoren über Corinthians hergefallen, klagt Vizepräsident Antonio Roque Citadini, der Anführer der vereinsinternen Opposition.
Die Staatsanwälte interessieren sich vor allem für eine Reise der Corinthians-Spitze im August vergangenen Jahres. Joorabchian hatte den Trip organisiert, der greise Vereinspatriarch Alberto Dualib, 80, hatte die Teilnehmer handverlesen. In London speisten sie fürstlich mit dem russischen Milliardär Boris Beresowski, der eine finanzielle Beteiligung vorerst jedoch ablehnte, so Joorabchian: "Er ist interessiert, vielleicht steigt er später ein." Zugesagt habe Beresowski immerhin, den Corinthians ein neues Stadion zu bauen.
Zudem vermittelte der Oligarch, gegen den in Moskau ein Haftbefehl vorliegt, die brasilianische Delegation an seinen georgischen Freund und Geschäftspartner: Badri Patarkatsischwili, einen fußballbegeisterten Milliardär, dem halb Georgien gehört, darunter auch der Rekordmeister Dynamo Tiflis. Mit Beresowskis Privatjet flog die Funktionärsriege von London in den Kaukasus. Mehrmals trafen sich die Corinthians-Manager mit Patarkatsischwili in dessen luxuriöser Residenz, dem sogenannten Hochzeitspalast. Als ersten Schritt schlossen sie ein Abkommen mit Dynamo Tiflis über den Austausch von Spielern. Denn auch Patarkatsischwili sei an einer "zukünftigen Investition" in den südamerikanischen Traditionsclub interessiert, betont Joorabchian.
Alberto Dualib, der Corinthians-Präsident, war begeistert von den neuen Freunden. "Die schwimmen im Geld" , schwärmte er nach seiner Rückkehr. Joorabchian stellte ihm eine Millionenspritze für den hochverschuldeten Club in Aussicht, wenn er MSI als Partner akzeptiere. Er werde den Verein in eine südamerikanische Variante der "Galácticos" von Real Madrid verwandeln, versprach der Iraner. Gegen Widerstand in der Vereinsführung boxte Dualib den Vertrag durch. Seither ist der Club in zwei unversöhnliche Fraktionen gespalten.
Corinthians-Berater Romeu Tuma, Parlamentsabgeordneter und ehemals Interpol-Chef in São Paulo, setzte den Geheimdienst auf die mysteriöse Firma an. Der Staatsanwaltschaft legte er ein Dossier mit 3000 Dokumenten über die mutmaßlichen Investoren vor. "Alle haben Kontakte zur Mafia", meint er.
Inzwischen haben sich die Staatsanwälte ein eigenes Bild über den Geschäftszweck von MSI gemacht. Sie glauben, dass die Firma mit heißem Geld aus Osteuropa, Russland oder dem Kaukasus Fußballprofis für Corinthians kauft, die dort nur einige Monate spielen, um dann wieder veräußert zu werden. Selbst wenn MSI beim Weiterverkauf einen geringeren Wert erzielen würde, wäre das immer noch ein gutes Geschäft: Beim Transfer verwandelt sich das schmutzige Geld in saubere Dollar oder Euro. Der eigentliche Bestimmungsort der Corinthians-Spieler sei Europa, so Staatsanwalt Guimarães Carneiro.
Ziel könnte der FC Chelsea sein, der einem weiteren russischen Mogul gehört: Roman Abramowitsch, ein ehemaliger Geschäftspartner von Boris Beresowski. Superstürmer "Carlitos" Tevez, so berichtet die Zeitung "O Estado de São Paulo", soll spätestens im nächsten Jahr nach Chelsea wechseln.
Als so gut wie abgemacht bezeichnet Joorabchian die Rückkehr des brasilianischen Stürmers Vágner Love von ZSKA Moskau nach São Paulo. Abramowitsch, der Ende 2004 tagelang mit seiner Yacht "Le Grand Bleu" in der Bucht von Rio de Janeiro lag und sich bei Landausflügen von einer Riege früherer KGB-Leute eskortieren ließ, ist Großsponsor des ehemaligen Armeesportklubs ZSKA.
Die Staatsanwaltschaft vermutet deshalb, Corinthians diene als Verschiebebahnhof innerhalb des Abramowitsch-Imperiums. Joorabchian behauptet hingegen, "keine Kontakte zu Abramowitsch" zu haben.
orinthians-Präsident Dualib bestritt zwar bei seiner Vernehmung durch den Staatsanwalt, dass sich Oligarchen der ehemaligen Sowjetunion hinter der dubiosen MSI verbergen. Das "Missverständnis" - nach seinem Trip nach Tiflis hatte er Beresowski und Patarkatsischwili als Partner genannt - sei auf einen Dolmetscherfehler zurückzuführen. Doch die Anzeichen, dass es anders sein könnte, sind beträchtlich.
Der Iraner Joorabchian hat schon einmal als Strohmann für einen russischen Großinvestor agiert: Vor sechs Jahren kaufte er im Auftrag von Boris Beresowski die russische Zeitung "Kommersant" . Seither preist Beresowski seinen Vertrauten als großes Geschäftstalent.
Der Sohn einer Exilantenfamilie, die nach dem Sturz des Schahs nach England geflohen war, besitzt einen britischen Pass; in London ist er als Teilhaber von neun Firmen registriert. Sicher ist zudem, dass er Chemie und Ökonomie studierte und in der Firma seines Vaters mit Mercedes-Limousinen handelte.
Den Kontakt zu Corinthians stellte eine schillernde Figur aus dem brasilianischen Fußballmilieu her: Renato Duprat. Der windige Unternehmer, ein ehemaliger Geschäftspartner von Nationalheld Pelé, soll Tausende Anleger einer privaten Krankenversicherung um ihr Geld geprellt haben und hatte sich deshalb nach London abgesetzt, wo er Joorabchian kennen lernte. Zuvor hatte der Iraner vergebens versucht, mit anderen Vereinen ins Geschäft zu kommen.
Heute residiert Joorabchian im zehnten Stock eines Hochhauses in einem der nobelsten Viertel von São Paulo. Die Firma MSI nimmt fast die gesamte Etage ein. Der Manager wirkt ständig angespannt, vier Handys hat er vor sich auf dem Konferenztisch platziert. Er fühlt sich von den Gegnern seines Engagements bei Corinthians verfolgt. "Das ist eine kleine Gruppe, die eine politische Kampagne gegen mich führt." Im Übrigen seien die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn "vollkommen illegal". Eigentlich, so glaubt er, sei die Bundespolizei zuständig: "Aber gegen mich liegt nichts vor."
MSI do Brasil wurde eigens für den Deal mit Corinthians gegründet, das Startkapital betrug nur 1000 Real, rund 300
Euro. Die Eigentümer sind drei Briefkastenfirmen mit Sitz auf den britischen Jungferninseln und in London. Als Geschäftsführer wurde ein Brasilianer eingesetzt, der vor der Staatsanwaltschaft bekannte, dass er keine Ahnung habe, woher das Geld für die Geschäfte von MSI komme. "Niemand versteht die Buchhaltung dieser Firma", sagt Staatsanwalt Guimarães Carneiro.
Der wichtigste Deal der MSI, der Kauf des auch von Bayern München umworbenen Argentiniers Tevez, sei von einer "Wolke von Geheimnissen" umgeben, so der Staatsanwalt. Laut Joorabchian erwarb die Firma den Spieler für 22,5 Millionen Dollar, doch im Vertrag sind nur 16 Millionen ausgewiesen. Das Geld kam von mehreren Offshore-Firmen und wurde auf ein Konto von Boca Juniors bei einer kanadischen Bank in New York eingezahlt.
Ein iranischer Geschäftsfreund von Kia gab das Geld per E-Mail frei - so lässt sich der Ursprung der Millionen am einfachsten verwischen. Allerdings verstößt der teuerste Transfer in der Geschichte des brasilianischen Fußballs wahrscheinlich gegen das Geldwäschegesetz: Der Transfer hätte von der Zentralbank registriert werden müssen.
Bei der Vereinsführung wächst jetzt das Misstrauen gegen MSI und den geschmeidigen Iraner. Denn die angeblich so reichen Investoren, berichten Clubangestellte, hätten bislang nur bei Spielerkäufen prompt bezahlt, auf die versprochene Begleichung der laufenden Kosten warte der Verein bislang vergebens.
Joorabchian hingegen behauptet, seine Gesellschaft habe bisher rund sieben Millionen Dollar für Gehälter und Ähnliches aufgebracht. Umso erstaunlicher ist, dass Anfang des Jahres Nationalspieler Gustavo Nery nur auf Leihbasis von Werder Bremen nach São Paulo heimgeholt wurde. Die Hanseaten verlangten an Ablöse rund 1,5 Millionen Dollar - eine Summe, die Corinthians nicht aufbringen mochte. Jetzt soll im Sommer neu verhandelt werden.
Joorabchian baut offenbar darauf, dass die riesige Corinthians-Fangemeinde ihm seine undurchsichtigen Geschäfte nachsieht, wenn die neuen Spieler für ihren Club nur ordentlich Tore schießen und die brasilianische Meisterschaft holen. Scheinbar unbekümmert von den Anschuldigungen fädelt der Iraner jetzt einen neuen Coup ein: Vergangene Woche führte er in Rio de Janeiro Gespräche mit der Vereinsspitze von Flamengo, dem beliebtesten Fußballverein Brasiliens.
Wenn MSI auch bei den Schwarz-Roten einsteigt, die in einer schweren spielerischen und finanziellen Krise stecken, hätten Joorabchian und seine Hintermänner die beiden wichtigsten Vereine Brasiliens in ihrer Hand - und das Geschäft mit den Spielertransfers könnte sich verdoppeln.
JENS GLÜSING
Das Abramowitsch Mafia Imperium besitzt bekanntlich auch den Englischen Fussball Club Chelsea.
FUSSBALL Seite 146
Wolke von Geheimnissen
Für 52 Millionen Dollar kaufte der brasilianische Traditionsclub SC Corinthians Topspieler aus Europa und Argentinien. Woher der Geldsegen kommt, mögen die Investoren jedoch nicht preisgeben. Die Staatsanwaltschaft tippt auf die russische Mafia - und ermittelt wegen Geldwäsche.
Der junge Iraner mit dem offenen Seidenhemd wirkt fremd auf der Ehrentribüne im Pacaembu-Stadion, der Spielstätte des SC Corinthians in São Paulo. Fußball ist nicht seine Welt, in der Halbzeitpause gesellt sich Kia Joorabchian, 33, lieber zu den Models und Neureichen der Schickeria in der Zehn-Millionen-Metropole.
Das Publikum jubelt ihm trotzdem zu. "Kia, Kia, Stadium, Stadium!", skandieren die Fans, wenn er sich während eines Spiels sehen lässt - auf Englisch, denn Joorabchian spricht nur wenige Brocken Portugiesisch. Sie fordern das neue Stadion ein, das er ihnen versprochen hat.
Seit Ende vergangenen Jahres beherrscht der smarte Yuppie Brasiliens zweitbeliebtesten Fußballverein. Joorabchian hat eine Reihe von Topspielern eingekauft, mit deren Hilfe das "Timão", das Superteam, wie die Elf von Corinthians bei ihren Fans heißt, Landesmeister werden will: die Argentinier Carlos Tevez (Boca Juniors) und Sebastián Domínguez (Newell's Old Boys) sowie die Brasilianer Carlos Alberto (FC Porto), Roger (Benfica Lissabon) und Gustavo Nery (Werder Bremen). Zuletzt heuerte Joorabchian gar Argentiniens ehemaligen Nationaltrainer Daniel Passarella an.
Die 52-Millionen-Dollar-Investition in neues Personal - allein Stürmerstar Tevez soll 22,5 Millionen gekostet haben - kehrt einen Trend um, unter dem die Qualität der nationalen Meisterschaft mit ihren chronisch klammen Vereinen im letzten Jahrzehnt arg gelitten hat: Nach jeder Saison verließen die besten Talente das Land, abgeworben von den reichen europäischen Clubs.
Nun registriert die Fußballbranche mit Staunen, dass der SC Corinthians Profis aus Europa zurückholt oder gar Stars aus Argentinien importiert. Geld scheint kein Problem zu sein, denn Joorabchian operiert mit dem Kapital der Firma Media Sport Investments (MSI), die als Geschäftspartner bei Corinthians eingestiegen ist.
Merkwürdig nur, dass Kia Joorabchian partout nicht verraten will, woher die MSI-Millionen stammen: "Die Investoren möchten ihre Namen nicht in der Presse sehen." Der plötzliche Geldsegen - bis Jahresende will Joorabchian weitere 40 Millionen Dollar in die "Globalisierung von Corinthians" stecken - hat deshalb das Interesse der Staatsanwaltschaft geweckt. Fahnder einer Spezialtruppe zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität haben die Spur des Geldes nach New York und in die
... Fortsetzung von Seite 147
Karibik, nach England und in den Kaukasus verfolgt. Sie hegen den Verdacht, dass die Millionen von der russischen Mafia kommen.
"Der Transfer von Fußballstars eignet sich ideal zur Geldwäsche", sagt Staatsanwalt José Reinaldo Guimarães Carneiro, "bei dem Spieler-Monopoly lässt sich die Herkunft der Millionen leicht verwischen." Ist Brasiliens Traditionsverein Corinthians, der Lieblingsclub von Staatspräsident Lula da Silva und Millionen Brasilianern, zu einer Wechselstube für schmutzige Dollars aus der ehemaligen Sowjetunion verkommen? Indizien deuten darauf hin.
Brasilien und Argentinien bieten sich für dunkle Deals an: Die meisten Clubs sind in finanziellen Schwierigkeiten, die Verbandsfunktionäre anfällig für undurchsichtige Geschäfte. Die Justiz funktioniert nur langsam und schwerfällig, die Gesetze zum Schutz vor Geldwäsche reichen oft nicht aus. "Für reiche Russen, die ihre Millionen reinwaschen wollen und an Fußball interessiert sind, ist der Schritt nach Südamerika nur logisch", sagt der angesehene Sportjournalist Juca Kfouri. Wie "Freibeuter" seien die neuen Investoren über Corinthians hergefallen, klagt Vizepräsident Antonio Roque Citadini, der Anführer der vereinsinternen Opposition.
Die Staatsanwälte interessieren sich vor allem für eine Reise der Corinthians-Spitze im August vergangenen Jahres. Joorabchian hatte den Trip organisiert, der greise Vereinspatriarch Alberto Dualib, 80, hatte die Teilnehmer handverlesen. In London speisten sie fürstlich mit dem russischen Milliardär Boris Beresowski, der eine finanzielle Beteiligung vorerst jedoch ablehnte, so Joorabchian: "Er ist interessiert, vielleicht steigt er später ein." Zugesagt habe Beresowski immerhin, den Corinthians ein neues Stadion zu bauen.
Zudem vermittelte der Oligarch, gegen den in Moskau ein Haftbefehl vorliegt, die brasilianische Delegation an seinen georgischen Freund und Geschäftspartner: Badri Patarkatsischwili, einen fußballbegeisterten Milliardär, dem halb Georgien gehört, darunter auch der Rekordmeister Dynamo Tiflis. Mit Beresowskis Privatjet flog die Funktionärsriege von London in den Kaukasus. Mehrmals trafen sich die Corinthians-Manager mit Patarkatsischwili in dessen luxuriöser Residenz, dem sogenannten Hochzeitspalast. Als ersten Schritt schlossen sie ein Abkommen mit Dynamo Tiflis über den Austausch von Spielern. Denn auch Patarkatsischwili sei an einer "zukünftigen Investition" in den südamerikanischen Traditionsclub interessiert, betont Joorabchian.
Alberto Dualib, der Corinthians-Präsident, war begeistert von den neuen Freunden. "Die schwimmen im Geld" , schwärmte er nach seiner Rückkehr. Joorabchian stellte ihm eine Millionenspritze für den hochverschuldeten Club in Aussicht, wenn er MSI als Partner akzeptiere. Er werde den Verein in eine südamerikanische Variante der "Galácticos" von Real Madrid verwandeln, versprach der Iraner. Gegen Widerstand in der Vereinsführung boxte Dualib den Vertrag durch. Seither ist der Club in zwei unversöhnliche Fraktionen gespalten.
Corinthians-Berater Romeu Tuma, Parlamentsabgeordneter und ehemals Interpol-Chef in São Paulo, setzte den Geheimdienst auf die mysteriöse Firma an. Der Staatsanwaltschaft legte er ein Dossier mit 3000 Dokumenten über die mutmaßlichen Investoren vor. "Alle haben Kontakte zur Mafia", meint er.
Inzwischen haben sich die Staatsanwälte ein eigenes Bild über den Geschäftszweck von MSI gemacht. Sie glauben, dass die Firma mit heißem Geld aus Osteuropa, Russland oder dem Kaukasus Fußballprofis für Corinthians kauft, die dort nur einige Monate spielen, um dann wieder veräußert zu werden. Selbst wenn MSI beim Weiterverkauf einen geringeren Wert erzielen würde, wäre das immer noch ein gutes Geschäft: Beim Transfer verwandelt sich das schmutzige Geld in saubere Dollar oder Euro. Der eigentliche Bestimmungsort der Corinthians-Spieler sei Europa, so Staatsanwalt Guimarães Carneiro.
Ziel könnte der FC Chelsea sein, der einem weiteren russischen Mogul gehört: Roman Abramowitsch, ein ehemaliger Geschäftspartner von Boris Beresowski. Superstürmer "Carlitos" Tevez, so berichtet die Zeitung "O Estado de São Paulo", soll spätestens im nächsten Jahr nach Chelsea wechseln.
Als so gut wie abgemacht bezeichnet Joorabchian die Rückkehr des brasilianischen Stürmers Vágner Love von ZSKA Moskau nach São Paulo. Abramowitsch, der Ende 2004 tagelang mit seiner Yacht "Le Grand Bleu" in der Bucht von Rio de Janeiro lag und sich bei Landausflügen von einer Riege früherer KGB-Leute eskortieren ließ, ist Großsponsor des ehemaligen Armeesportklubs ZSKA.
Die Staatsanwaltschaft vermutet deshalb, Corinthians diene als Verschiebebahnhof innerhalb des Abramowitsch-Imperiums. Joorabchian behauptet hingegen, "keine Kontakte zu Abramowitsch" zu haben.
orinthians-Präsident Dualib bestritt zwar bei seiner Vernehmung durch den Staatsanwalt, dass sich Oligarchen der ehemaligen Sowjetunion hinter der dubiosen MSI verbergen. Das "Missverständnis" - nach seinem Trip nach Tiflis hatte er Beresowski und Patarkatsischwili als Partner genannt - sei auf einen Dolmetscherfehler zurückzuführen. Doch die Anzeichen, dass es anders sein könnte, sind beträchtlich.
Der Iraner Joorabchian hat schon einmal als Strohmann für einen russischen Großinvestor agiert: Vor sechs Jahren kaufte er im Auftrag von Boris Beresowski die russische Zeitung "Kommersant" . Seither preist Beresowski seinen Vertrauten als großes Geschäftstalent.
Der Sohn einer Exilantenfamilie, die nach dem Sturz des Schahs nach England geflohen war, besitzt einen britischen Pass; in London ist er als Teilhaber von neun Firmen registriert. Sicher ist zudem, dass er Chemie und Ökonomie studierte und in der Firma seines Vaters mit Mercedes-Limousinen handelte.
Den Kontakt zu Corinthians stellte eine schillernde Figur aus dem brasilianischen Fußballmilieu her: Renato Duprat. Der windige Unternehmer, ein ehemaliger Geschäftspartner von Nationalheld Pelé, soll Tausende Anleger einer privaten Krankenversicherung um ihr Geld geprellt haben und hatte sich deshalb nach London abgesetzt, wo er Joorabchian kennen lernte. Zuvor hatte der Iraner vergebens versucht, mit anderen Vereinen ins Geschäft zu kommen.
Heute residiert Joorabchian im zehnten Stock eines Hochhauses in einem der nobelsten Viertel von São Paulo. Die Firma MSI nimmt fast die gesamte Etage ein. Der Manager wirkt ständig angespannt, vier Handys hat er vor sich auf dem Konferenztisch platziert. Er fühlt sich von den Gegnern seines Engagements bei Corinthians verfolgt. "Das ist eine kleine Gruppe, die eine politische Kampagne gegen mich führt." Im Übrigen seien die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn "vollkommen illegal". Eigentlich, so glaubt er, sei die Bundespolizei zuständig: "Aber gegen mich liegt nichts vor."
MSI do Brasil wurde eigens für den Deal mit Corinthians gegründet, das Startkapital betrug nur 1000 Real, rund 300
Euro. Die Eigentümer sind drei Briefkastenfirmen mit Sitz auf den britischen Jungferninseln und in London. Als Geschäftsführer wurde ein Brasilianer eingesetzt, der vor der Staatsanwaltschaft bekannte, dass er keine Ahnung habe, woher das Geld für die Geschäfte von MSI komme. "Niemand versteht die Buchhaltung dieser Firma", sagt Staatsanwalt Guimarães Carneiro.
Der wichtigste Deal der MSI, der Kauf des auch von Bayern München umworbenen Argentiniers Tevez, sei von einer "Wolke von Geheimnissen" umgeben, so der Staatsanwalt. Laut Joorabchian erwarb die Firma den Spieler für 22,5 Millionen Dollar, doch im Vertrag sind nur 16 Millionen ausgewiesen. Das Geld kam von mehreren Offshore-Firmen und wurde auf ein Konto von Boca Juniors bei einer kanadischen Bank in New York eingezahlt.
Ein iranischer Geschäftsfreund von Kia gab das Geld per E-Mail frei - so lässt sich der Ursprung der Millionen am einfachsten verwischen. Allerdings verstößt der teuerste Transfer in der Geschichte des brasilianischen Fußballs wahrscheinlich gegen das Geldwäschegesetz: Der Transfer hätte von der Zentralbank registriert werden müssen.
Bei der Vereinsführung wächst jetzt das Misstrauen gegen MSI und den geschmeidigen Iraner. Denn die angeblich so reichen Investoren, berichten Clubangestellte, hätten bislang nur bei Spielerkäufen prompt bezahlt, auf die versprochene Begleichung der laufenden Kosten warte der Verein bislang vergebens.
Joorabchian hingegen behauptet, seine Gesellschaft habe bisher rund sieben Millionen Dollar für Gehälter und Ähnliches aufgebracht. Umso erstaunlicher ist, dass Anfang des Jahres Nationalspieler Gustavo Nery nur auf Leihbasis von Werder Bremen nach São Paulo heimgeholt wurde. Die Hanseaten verlangten an Ablöse rund 1,5 Millionen Dollar - eine Summe, die Corinthians nicht aufbringen mochte. Jetzt soll im Sommer neu verhandelt werden.
Joorabchian baut offenbar darauf, dass die riesige Corinthians-Fangemeinde ihm seine undurchsichtigen Geschäfte nachsieht, wenn die neuen Spieler für ihren Club nur ordentlich Tore schießen und die brasilianische Meisterschaft holen. Scheinbar unbekümmert von den Anschuldigungen fädelt der Iraner jetzt einen neuen Coup ein: Vergangene Woche führte er in Rio de Janeiro Gespräche mit der Vereinsspitze von Flamengo, dem beliebtesten Fußballverein Brasiliens.
Wenn MSI auch bei den Schwarz-Roten einsteigt, die in einer schweren spielerischen und finanziellen Krise stecken, hätten Joorabchian und seine Hintermänner die beiden wichtigsten Vereine Brasiliens in ihrer Hand - und das Geschäft mit den Spielertransfers könnte sich verdoppeln.
JENS GLÜSING