BosnaHR
Bozz
Feinde fürs Leben
Die Bad Blue Boys von Dinamo Zagreb gelten als die schlimmsten Hooligans der Welt. Ein Treffen im Stadion.
Es kann so beschissen sein, ein Fußballfan zu sein: Was für ein armseliges Gekicke an diesem nieseligen Sonntagabend in der Hauptstadt Kroatiens. Die eigene Mannschaft Dinamo Zagreb liegt hinten. 0:1. Ausgerechnet gegen den Intimfeind, die verdammten Drecksäcke von Hajduk Split.
Dennis ist sauer. Er nimmt das Megafon und brüllt hinein: „Bijclol Polje!“ Aus tausend Kehlen schallt es durch das Stadion zurück: „Bijclol Polje!“
Sonntagsschlägerei
Das ist ein Geheimcode. Die da drüben in der Südkurve wissen, was es bedeutet: Voriges Jahr haben die Bad Blue Boys die verfeindeten Fans von Hajduk Split so richtig drangekriegt. Sie wussten, dass die Jungs durch das kleine Dorf Bijclol Polje fahren müssen. Sie blockierten die Straße mit ihren Autos und rissen die Hajduk-Fans einfach aus ihren Wagen. Es gab eine üble Schlägerei mit Schwerverletzten. „Ein Massaker“, sagt Dennis nicht ohne Stolz. Er ist ein kleiner, drahtiger Kerl. 33 Jahre alt. Der Chef der Bad Blue Boys. Sie haben ihn gewählt, weil er nicht zurückweicht. Nie.
„Ich hoffe, dass wir sie heute Abend wieder erwischen“, sagt Dennis. So kann der Sonntag nicht enden. So ganz ohne Schlägerei.
Die Bad Blue Boys haben einen Ruf zu verteidigen — den Ruf als die schlimmsten Hooligans der Welt. Die Kroaten sind eine Promenadenmischung aus englischen und italienischen Hooligans: Die Engländer saufen und prügeln, die Italiener sind berühmt für ihre Feuerwerkskörper und die Arrangements ihrer Fangesänge. Die Bad Blue Boys vereinen beides. Nur viel schlimmer.
Sie vermöbeln jeden, der es wagt, ihr Territorium zu betreten. Polizei reicht zum Schutz der gegnerischen Fans nicht aus, da müssen schon Sondereinsatzkräfte anrücken. Die Bad Blue Boys entzünden Feuerwerkskörper im Stadion, obwohl ihr Verein dauernd Strafe dafür zahlen muss. Sie sind paramilitärisch organisiert. Sie sind eine Armee hemmungsloser Fußballfans. Und manchmal entfachen sie sogar einen Krieg.
56. Minute, es explodieren gleichzeitig Dutzende bengalische Feuer. Die Polizei hatte vorher mit Hunden nach den Feuerwerkskörpern gesucht. Aber irgendwie haben die Hooligans sie reingeschmuggelt. So heftig zieht der Qualm jetzt durchs Stadion, dass das Spiel unterbrochen werden muss. Die Nordkurve strahlt wie eine verglühende Sonne. Alle brüllen: „Di-na-mo!“
Es gibt keine Sekunde, in der die Bad Blue Boys Ruhe geben. „Wir stehen immer hinter unserer Mannschaft, auch wenn wir aussichtslos hinten liegen“, sagt Dennis. Dinamo ist die Konstante im Leben einer Generation, für die so ziemlich alles zerfallen ist: das Land, die Werte, die Gesellschaftsordnung.
Saat der Aggression
Die meisten Fans werden in Novi Zagreb rekrutiert. Ein tristes Wohnareal aus Plattenbauten. Manche Häuser haben noch Einschusslöcher vom Krieg. Ein Museum des immerwährenden Sozialismus. Über 200 000 Leute leben hier — allein 6000 in einem einzigen Monsterwohnblock, den sie liebevoll „Mammutchen“ nennen. Hier wird die Saat der Aggression gepflanzt. Hier wachsen Jungs auf, die keine Zukunft haben.
Neno und seine Freunde sitzen vor dem „Azzurro“. Eine kleine Bar im Schatten eines Hochhauses. Die Stimmung ist schlecht. Die Polizei hat 500 Fans Stadionverbot erteilt. Sie müssen sich gemäß einer Auflage des Gerichts vor, während und nach den Spielen jedes Wochenende bei der Polizei melden, sonst wandern sie für drei Jahre ins Gefängnis.
Neben dem „Azzurro“ hat jemand ein kleines blaues Graffito gesprayt: „Bad Blue Boys“, nach dem Film „Bad Boys“ mit Sean Penn, der Anfang der 80er-Jahre lief. Damals hatten sie einen Feind, der noch schlimmer war als die ewigen Konkurrenten von Split. Die Serben aus Belgrad.
Neno, mittlerweile 40 Jahre alt, war am 13. Mai 1990 dabei. Jenem Tag, als klar wurde, dass mehr in der Luft liegt als die übliche Rivalität zwischen Roter Stern Belgrad und Dinamo Zagreb. Jugoslawien stand damals vor dem Zusammenbruch. Die Kroaten strebten nach Unabhängigkeit. Sie fühlten sich unterdrückt und gegängelt von den Serben aus Belgrad.
Kurz vor dem Anpfiff reißen die Bad Blue Boys die Absperrungen nieder und rasen in den anderen Block. Sie werden von den Polizisten verprügelt — meist Serben. Dennis ist damals 15 Jahre alt. „Ich war noch zu jung, um zu kämpfen, aber ich habe Steine geworfen“, sagt er. Sogar Dinamo-Kapitän Zvonimir Boban säbelte einen Polizisten um, der gerade einen Fan verprügelte. Boban wurde dafür neun Monate gesperrt — und kroatischer Volksheld. Auf Lebenszeit.
Das Spiel wurde nie angepfiffen.
Die Belgrader Spieler wurden mit Hubschraubern ausgeflogen. Vor dem Stadion steht heute ein Mahnmal: „Allen Fans von Dinamo, für die der Krieg am 13.5.1990 im Maksimir-Stadion begann und mit der Hingabe ihres Lebens am Altar der Heimat Kroatien endete.“
Plötzlich waren die Bad Blue Boys keine Fans mehr, sondern eine Armee. Anfangs fehlten den Kroaten noch militärische Strukturen. Also nahmen Neno und seine Jungs den Kampf selbst in die Hand: auf dem linken Ärmel eine Binde mit der kroatischen Flagge, rechts die Bulldogge der Bad Blue Boys, in der Hand eine Knarre.
Als die Kroaten endlich die Unabhängigkeit erkämpft hatten, wurde im nationalistischen Taumel ausgerechnet ihr geliebter Verein umgetauft: Auf persönliche Weisung von Präsident Franjo Tudjman hieß Dinamo nun Croatia Zagreb. „Aber Dinamo ist für uns ein heiliger Name. Den kann nicht mal Gott ändern“, sagt Dennis.
Deshalb standen sie im Stadion von Croatia Zagreb und brüllten: „Di-na-mo!“ Acht lange Jahre lang. Bei jedem Spiel. In jeder Minute. Am 14. Februar 2000 hatte der Verein ein Einsehen und änderte den Namen zurück in Dinamo.
Hier könnt ihr weiterlesen -> Dinamo-Kapitän säbelte Polizisten um - Hooligans - FOCUS Online
Die Bad Blue Boys von Dinamo Zagreb gelten als die schlimmsten Hooligans der Welt. Ein Treffen im Stadion.
Es kann so beschissen sein, ein Fußballfan zu sein: Was für ein armseliges Gekicke an diesem nieseligen Sonntagabend in der Hauptstadt Kroatiens. Die eigene Mannschaft Dinamo Zagreb liegt hinten. 0:1. Ausgerechnet gegen den Intimfeind, die verdammten Drecksäcke von Hajduk Split.
Dennis ist sauer. Er nimmt das Megafon und brüllt hinein: „Bijclol Polje!“ Aus tausend Kehlen schallt es durch das Stadion zurück: „Bijclol Polje!“
Sonntagsschlägerei
Das ist ein Geheimcode. Die da drüben in der Südkurve wissen, was es bedeutet: Voriges Jahr haben die Bad Blue Boys die verfeindeten Fans von Hajduk Split so richtig drangekriegt. Sie wussten, dass die Jungs durch das kleine Dorf Bijclol Polje fahren müssen. Sie blockierten die Straße mit ihren Autos und rissen die Hajduk-Fans einfach aus ihren Wagen. Es gab eine üble Schlägerei mit Schwerverletzten. „Ein Massaker“, sagt Dennis nicht ohne Stolz. Er ist ein kleiner, drahtiger Kerl. 33 Jahre alt. Der Chef der Bad Blue Boys. Sie haben ihn gewählt, weil er nicht zurückweicht. Nie.
„Ich hoffe, dass wir sie heute Abend wieder erwischen“, sagt Dennis. So kann der Sonntag nicht enden. So ganz ohne Schlägerei.
Die Bad Blue Boys haben einen Ruf zu verteidigen — den Ruf als die schlimmsten Hooligans der Welt. Die Kroaten sind eine Promenadenmischung aus englischen und italienischen Hooligans: Die Engländer saufen und prügeln, die Italiener sind berühmt für ihre Feuerwerkskörper und die Arrangements ihrer Fangesänge. Die Bad Blue Boys vereinen beides. Nur viel schlimmer.
Sie vermöbeln jeden, der es wagt, ihr Territorium zu betreten. Polizei reicht zum Schutz der gegnerischen Fans nicht aus, da müssen schon Sondereinsatzkräfte anrücken. Die Bad Blue Boys entzünden Feuerwerkskörper im Stadion, obwohl ihr Verein dauernd Strafe dafür zahlen muss. Sie sind paramilitärisch organisiert. Sie sind eine Armee hemmungsloser Fußballfans. Und manchmal entfachen sie sogar einen Krieg.
56. Minute, es explodieren gleichzeitig Dutzende bengalische Feuer. Die Polizei hatte vorher mit Hunden nach den Feuerwerkskörpern gesucht. Aber irgendwie haben die Hooligans sie reingeschmuggelt. So heftig zieht der Qualm jetzt durchs Stadion, dass das Spiel unterbrochen werden muss. Die Nordkurve strahlt wie eine verglühende Sonne. Alle brüllen: „Di-na-mo!“
Es gibt keine Sekunde, in der die Bad Blue Boys Ruhe geben. „Wir stehen immer hinter unserer Mannschaft, auch wenn wir aussichtslos hinten liegen“, sagt Dennis. Dinamo ist die Konstante im Leben einer Generation, für die so ziemlich alles zerfallen ist: das Land, die Werte, die Gesellschaftsordnung.
Saat der Aggression
Die meisten Fans werden in Novi Zagreb rekrutiert. Ein tristes Wohnareal aus Plattenbauten. Manche Häuser haben noch Einschusslöcher vom Krieg. Ein Museum des immerwährenden Sozialismus. Über 200 000 Leute leben hier — allein 6000 in einem einzigen Monsterwohnblock, den sie liebevoll „Mammutchen“ nennen. Hier wird die Saat der Aggression gepflanzt. Hier wachsen Jungs auf, die keine Zukunft haben.
Neno und seine Freunde sitzen vor dem „Azzurro“. Eine kleine Bar im Schatten eines Hochhauses. Die Stimmung ist schlecht. Die Polizei hat 500 Fans Stadionverbot erteilt. Sie müssen sich gemäß einer Auflage des Gerichts vor, während und nach den Spielen jedes Wochenende bei der Polizei melden, sonst wandern sie für drei Jahre ins Gefängnis.
Neben dem „Azzurro“ hat jemand ein kleines blaues Graffito gesprayt: „Bad Blue Boys“, nach dem Film „Bad Boys“ mit Sean Penn, der Anfang der 80er-Jahre lief. Damals hatten sie einen Feind, der noch schlimmer war als die ewigen Konkurrenten von Split. Die Serben aus Belgrad.
Neno, mittlerweile 40 Jahre alt, war am 13. Mai 1990 dabei. Jenem Tag, als klar wurde, dass mehr in der Luft liegt als die übliche Rivalität zwischen Roter Stern Belgrad und Dinamo Zagreb. Jugoslawien stand damals vor dem Zusammenbruch. Die Kroaten strebten nach Unabhängigkeit. Sie fühlten sich unterdrückt und gegängelt von den Serben aus Belgrad.
Kurz vor dem Anpfiff reißen die Bad Blue Boys die Absperrungen nieder und rasen in den anderen Block. Sie werden von den Polizisten verprügelt — meist Serben. Dennis ist damals 15 Jahre alt. „Ich war noch zu jung, um zu kämpfen, aber ich habe Steine geworfen“, sagt er. Sogar Dinamo-Kapitän Zvonimir Boban säbelte einen Polizisten um, der gerade einen Fan verprügelte. Boban wurde dafür neun Monate gesperrt — und kroatischer Volksheld. Auf Lebenszeit.
Das Spiel wurde nie angepfiffen.
Die Belgrader Spieler wurden mit Hubschraubern ausgeflogen. Vor dem Stadion steht heute ein Mahnmal: „Allen Fans von Dinamo, für die der Krieg am 13.5.1990 im Maksimir-Stadion begann und mit der Hingabe ihres Lebens am Altar der Heimat Kroatien endete.“
Plötzlich waren die Bad Blue Boys keine Fans mehr, sondern eine Armee. Anfangs fehlten den Kroaten noch militärische Strukturen. Also nahmen Neno und seine Jungs den Kampf selbst in die Hand: auf dem linken Ärmel eine Binde mit der kroatischen Flagge, rechts die Bulldogge der Bad Blue Boys, in der Hand eine Knarre.
Als die Kroaten endlich die Unabhängigkeit erkämpft hatten, wurde im nationalistischen Taumel ausgerechnet ihr geliebter Verein umgetauft: Auf persönliche Weisung von Präsident Franjo Tudjman hieß Dinamo nun Croatia Zagreb. „Aber Dinamo ist für uns ein heiliger Name. Den kann nicht mal Gott ändern“, sagt Dennis.
Deshalb standen sie im Stadion von Croatia Zagreb und brüllten: „Di-na-mo!“ Acht lange Jahre lang. Bei jedem Spiel. In jeder Minute. Am 14. Februar 2000 hatte der Verein ein Einsehen und änderte den Namen zurück in Dinamo.
Hier könnt ihr weiterlesen -> Dinamo-Kapitän säbelte Polizisten um - Hooligans - FOCUS Online