lupo-de-mare
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Sappho gehört zu den berühmtesten Dichtern/in der menschlichen Geschichte und war auf Lesbos beheimatet. Sappho gilt als Ur Dichterin für die lesbische Liebe! Sappho lebte im 6/7 Jahrhundert vor Christi.
Die Gedichte der Sappho füllten im Altertum die Biblotheken der Mächtigen und umfassten 9 Bände.
Dies ist das vierte Gedicht, was wieder entdeckt werden konnte.
:!: :!:
Ein neues Gedicht von Sappho
Was soll man tun?
Ihr, meine Mädchen, strebt hin zu den schönen Gaben der duftenden Musen! Und hin zur sangesfreudigen, hellklingenden Lyra!
Mir hingegen hat die einstmals zarte Haut das Alter schon
ergriffen. Und weiß ist das Haar geworden. Es war einmal schwarz.
Schwer ist mir mein Lebensgeist geworden, die Knie tragen nicht mehr,
die einst flink waren zum Tanzen, Rehkitzen gleich.
Wie oft stöhne ich über all das. Aber was soll man tun?
Nicht alt zu werden: Das geht nicht, ist man ein Mensch.
Den Tithonus, so geht die Sage, brachte einst die rosenarmige Morgenröte
aus Liebe . . . fort zu den äußersten Enden der Erde.
Schön war er und jung; aber dann packte ihn doch
mit der Zeit das graue Alter, ihn, der eine unsterbliche Frau hatte.
Aus dem Griechischen von Johan Schloemann
(SZ vom 25.6.2005)
Das Altern der zehnten Muse
Ein Papyrusfund zeigt: Auch Sappho bekam weiße Haare
Je mehr Lücken man hat, desto besser kann man sie mit wunderbaren Mythen füllen. So ist es auch der Dichterin Sappho von Lesbos ergangen, die man in der Antike die zehnte Muse genannt hat. So bruchstückhaft ihr Werk überliefert ist, so blumig, farbig und voll hat man sie sich als Liebende, als Sängerin, als Erzieherin immer wieder in der Vorstellung ausgemalt. Der Kreis von Mädchen, dem Sappho offenbar, wie ihre erhaltenen Verse anzeigen, vorgestanden hat, wurde mal zur verruchten Pikanterie gleichgeschlechtlicher Liebe, mal zu einem Ort klassisch idealisierter musischer Gemeinschaft, mal, wie bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, dem großen Gräzisten der wilhelminischen Zeit, zu einem "Mädchenpensionat".
Ein wenig von all dem ist im Kreis Sapphos, die im späten siebten und frühen sechsten Jahrhundert lebte, wohl wirklich enthalten gewesen; jedoch haben wir aus Sapphos eigenem Mund dafür nur eine kleine Auswahl von Zeugnissen, aus denen die Philologie sich seit jeher anstrengt, so viel zu machen, wie sie kann. In der Antike waren die Gedichte der Sappho noch in einer Ausgabe in neun Büchern bekannt; heute haben wir nur eine verstreute Sammlung von Zitaten und Paraphrasen späterer antiker Schriftsteller sowie zumeist sehr kleinteilige Fragmente aus Papyrusrollen, die die moderne Altertumswissenschaft zutage gebracht hat.
Bislang waren nur drei ganze Gedichte Sapphos mehr oder weniger vollständig erhalten: Das berühmte, von Catull ins Lateinische übersetzte Eifersuchtsgedicht, das die physischen Aspekte unglücklicher Verliebtheit eindringlich schildert; sodann ein Gebet an die "buntthronende", die "listenflechtende" Liebesgöttin Aphrodite, die Sappho als "Mitkämpferin" bei der Eroberung von Herzen haben will; und drittens das Gedicht an Anaktoria, "deren holdes Schreiten ich lieber sähe / und des Lichtes Spiel auf dem blanken Antlitz / als der Lyder Wagen und hoch in den Waffen / kämpfende Krieger".
Nun kann, wenn man dem Urteil des englischen Altphilologen Martin L. West folgt, die Publikation eines weiteren, mithin des vierten vollständig erhaltenen Sappho-Gedichts vermeldet werden. Wir haben das Gedicht oben in einer Prosaübersetzung abgedruckt, die nicht das Versmaß des antiken Originals abzubilden versucht; die Übersetzung folgt dem griechischen Text, wie ihn Martin West konstituiert und an einigen lückenhaften Stellen ergänzt hat.
Der Text geht zurück auf ein Papyrusfragment in der Sammlung der Universität Köln, das im vergangenen Jahr Michael Gronewald und Robert Daniel als Teil einer Rolle mit Texten von Sappho identifiziert haben; die Zuweisung an die berühmte Dichterin ist durch die Überschneidung von Vers-Enden mit Fragmenten aus einem Oxforder Papyrus zweifelsfrei erwiesen. Martin West hat seine Textfassung zunächst in der Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik erläutert und sie nun, in der am gestrigen Freitag erschienenen jüngsten Ausgabe des Times Literary Supplement, dem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Die Überschrift des Gedichts übrigens steht, wie üblich, nicht im griechischen Original.
Über Martin Wests Auffassung, dass diese neuen Zeilen ein vollständiges, weder oben noch unten abgeschnittenes Gedicht darstellen, gibt es in der philologischen Gemeinschaft noch keinen Konsens. Die üblichen Zeichen für den Anfang eines neuen Gedichts haben sich in dem Papyrusfragment nicht erhalten.
Wie dem auch sei: Wir haben mit diesem Gedicht(fragment) in jedem Fall ein schönes Dokument der alternden Sappho bekommen, die bislang schon in einigen anderen Fragmenten aufschien (und von der Porträts des 19. Jahrhundert wie das links abgebildete wenig wissen wollen -- so wenig wie sie von Sapphos schwarzen Haaren wussten!). Die Verse zeigen: Auch auf Lesbos gab es in Sachen Liebe und Schönheit keine Generationengerechtigkeit. Die Jungen sollen schön weitertanzen, wo man selbst nicht mehr kann -- die Sängerin sieht keinen Anlass, ihre Wehmut darüber souverän zu verstecken, aber natürlich liegt auch ein Fingerzeig an die jungen Frauen darin, wie vergänglich ihr Glück ist.
Die Pointe in der Sage von Tithonus am Ende ist, dass sich dieser, vermittelt von seiner neuen Frau, der göttlichen Morgenröte, von den Göttern Unsterblichkeit gewünscht, aber vergessen hatte, ewige Jugend dazuzubestellen, so dass er immer älter und gebrechlicher wurde, ohne je zu sterben. JOHAN SCHLOEMANN
(SZ vom 25.6.2005)
Die Gedichte der Sappho füllten im Altertum die Biblotheken der Mächtigen und umfassten 9 Bände.
Dies ist das vierte Gedicht, was wieder entdeckt werden konnte.
:!: :!:
Ein neues Gedicht von Sappho
Was soll man tun?
Ihr, meine Mädchen, strebt hin zu den schönen Gaben der duftenden Musen! Und hin zur sangesfreudigen, hellklingenden Lyra!
Mir hingegen hat die einstmals zarte Haut das Alter schon
ergriffen. Und weiß ist das Haar geworden. Es war einmal schwarz.
Schwer ist mir mein Lebensgeist geworden, die Knie tragen nicht mehr,
die einst flink waren zum Tanzen, Rehkitzen gleich.
Wie oft stöhne ich über all das. Aber was soll man tun?
Nicht alt zu werden: Das geht nicht, ist man ein Mensch.
Den Tithonus, so geht die Sage, brachte einst die rosenarmige Morgenröte
aus Liebe . . . fort zu den äußersten Enden der Erde.
Schön war er und jung; aber dann packte ihn doch
mit der Zeit das graue Alter, ihn, der eine unsterbliche Frau hatte.
Aus dem Griechischen von Johan Schloemann
(SZ vom 25.6.2005)
Das Altern der zehnten Muse
Ein Papyrusfund zeigt: Auch Sappho bekam weiße Haare
Je mehr Lücken man hat, desto besser kann man sie mit wunderbaren Mythen füllen. So ist es auch der Dichterin Sappho von Lesbos ergangen, die man in der Antike die zehnte Muse genannt hat. So bruchstückhaft ihr Werk überliefert ist, so blumig, farbig und voll hat man sie sich als Liebende, als Sängerin, als Erzieherin immer wieder in der Vorstellung ausgemalt. Der Kreis von Mädchen, dem Sappho offenbar, wie ihre erhaltenen Verse anzeigen, vorgestanden hat, wurde mal zur verruchten Pikanterie gleichgeschlechtlicher Liebe, mal zu einem Ort klassisch idealisierter musischer Gemeinschaft, mal, wie bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, dem großen Gräzisten der wilhelminischen Zeit, zu einem "Mädchenpensionat".
Ein wenig von all dem ist im Kreis Sapphos, die im späten siebten und frühen sechsten Jahrhundert lebte, wohl wirklich enthalten gewesen; jedoch haben wir aus Sapphos eigenem Mund dafür nur eine kleine Auswahl von Zeugnissen, aus denen die Philologie sich seit jeher anstrengt, so viel zu machen, wie sie kann. In der Antike waren die Gedichte der Sappho noch in einer Ausgabe in neun Büchern bekannt; heute haben wir nur eine verstreute Sammlung von Zitaten und Paraphrasen späterer antiker Schriftsteller sowie zumeist sehr kleinteilige Fragmente aus Papyrusrollen, die die moderne Altertumswissenschaft zutage gebracht hat.
Bislang waren nur drei ganze Gedichte Sapphos mehr oder weniger vollständig erhalten: Das berühmte, von Catull ins Lateinische übersetzte Eifersuchtsgedicht, das die physischen Aspekte unglücklicher Verliebtheit eindringlich schildert; sodann ein Gebet an die "buntthronende", die "listenflechtende" Liebesgöttin Aphrodite, die Sappho als "Mitkämpferin" bei der Eroberung von Herzen haben will; und drittens das Gedicht an Anaktoria, "deren holdes Schreiten ich lieber sähe / und des Lichtes Spiel auf dem blanken Antlitz / als der Lyder Wagen und hoch in den Waffen / kämpfende Krieger".
Nun kann, wenn man dem Urteil des englischen Altphilologen Martin L. West folgt, die Publikation eines weiteren, mithin des vierten vollständig erhaltenen Sappho-Gedichts vermeldet werden. Wir haben das Gedicht oben in einer Prosaübersetzung abgedruckt, die nicht das Versmaß des antiken Originals abzubilden versucht; die Übersetzung folgt dem griechischen Text, wie ihn Martin West konstituiert und an einigen lückenhaften Stellen ergänzt hat.
Der Text geht zurück auf ein Papyrusfragment in der Sammlung der Universität Köln, das im vergangenen Jahr Michael Gronewald und Robert Daniel als Teil einer Rolle mit Texten von Sappho identifiziert haben; die Zuweisung an die berühmte Dichterin ist durch die Überschneidung von Vers-Enden mit Fragmenten aus einem Oxforder Papyrus zweifelsfrei erwiesen. Martin West hat seine Textfassung zunächst in der Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik erläutert und sie nun, in der am gestrigen Freitag erschienenen jüngsten Ausgabe des Times Literary Supplement, dem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Die Überschrift des Gedichts übrigens steht, wie üblich, nicht im griechischen Original.
Über Martin Wests Auffassung, dass diese neuen Zeilen ein vollständiges, weder oben noch unten abgeschnittenes Gedicht darstellen, gibt es in der philologischen Gemeinschaft noch keinen Konsens. Die üblichen Zeichen für den Anfang eines neuen Gedichts haben sich in dem Papyrusfragment nicht erhalten.
Wie dem auch sei: Wir haben mit diesem Gedicht(fragment) in jedem Fall ein schönes Dokument der alternden Sappho bekommen, die bislang schon in einigen anderen Fragmenten aufschien (und von der Porträts des 19. Jahrhundert wie das links abgebildete wenig wissen wollen -- so wenig wie sie von Sapphos schwarzen Haaren wussten!). Die Verse zeigen: Auch auf Lesbos gab es in Sachen Liebe und Schönheit keine Generationengerechtigkeit. Die Jungen sollen schön weitertanzen, wo man selbst nicht mehr kann -- die Sängerin sieht keinen Anlass, ihre Wehmut darüber souverän zu verstecken, aber natürlich liegt auch ein Fingerzeig an die jungen Frauen darin, wie vergänglich ihr Glück ist.
Die Pointe in der Sage von Tithonus am Ende ist, dass sich dieser, vermittelt von seiner neuen Frau, der göttlichen Morgenröte, von den Göttern Unsterblichkeit gewünscht, aber vergessen hatte, ewige Jugend dazuzubestellen, so dass er immer älter und gebrechlicher wurde, ohne je zu sterben. JOHAN SCHLOEMANN
(SZ vom 25.6.2005)