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Einfach ein Kind kaufen

DZEKO

Besa Bese
1. Teil: Kinder stehlen, Kinder kaufen.

In China ist Menschenhandel an der Tagesordnung. Die Polizei ist machtlos, verzweifelte Eltern schließen sich zusammen, fahnden nach ihren Söhnen und Töchtern. Doch meist suchen sie erfolglos - weil das Geschäft so profitabel ist wie der Drogenhandel.

Guo Gangtang verkauft Kürbis-Kalebassen im Yiwu-City-Einkaufszentrum von Peking. Die gelben Behälter sind mit historischen Figuren, Feen oder Sinnsprüchen bedruckt, die Motive findet seine Frau im Internet.

Das Geschäft läuft nicht besonders, der Stand liegt zu versteckt in der hinteren Ecke, aber dort ist die Miete billiger. Mehr als 1000 Yuan, umgerechnet etwa 120 Euro im Monat, verdient Guo selten. Deshalb kann er sich nur einen Quadratmeter-Kellerraum unter dem Einkaufszentrum als Schlafstätte leisten. Dafür zahlt er monatlich rund 35 Euro.

Der Vermieter hat ihm aus Mitleid neulich die Standmiete erlassen. Denn Guo ist ein vom Schicksal schwer geschlagener Mann: Ihm ist sein Kind gestohlen worden. Seit 13 Jahren treibt ihn nur ein Wunsch um: es wiederzufinden.

Immer wenn der 40-Jährige genug Geld gespart hat, schraubt er zwei Fahnen auf den Rücksitz seines Mopeds und fährt hinaus ins Land. Auf dem Stoff ist das Bild eines kleinen Jungen zu sehen, sein Sohn Xinzhen.

Der Tag, an dem die Welt von Guo und seiner Frau zerbricht, hat ganz normal begonnen. Damals lebt er in einem Dorf in der Küstenprovinz Shandong, er transportiert auf einem Traktor Baumaterialen. Es ist der 21. September 1997. Söhnchen Xinzhen, zweieinhalb Jahre alt, und ein Nachbarmädchen spielen vor der Haustür, als eine Frau auf die Kinder zugeht. Die Unbekannte streicht mit einem Tuch über das Gesicht des Jungen, berichten Zeugen später. Dann wendet sie sich langsam zur Straße, die rund 100 Meter entfernt liegt.

"Ich ahnte sofort, dass etwas mit Xinzhen passiert war"

Der Kleine muss ihr gefolgt sein - seither ist er wie vom Erdboden verschluckt. "Als ich nach Hause kam, stand eine Menschenmenge vor meinem Haus", entsinnt sich Guo. "Ich ahnte sofort, dass etwas mit Xinzhen passiert war."

Guo rennt zur Polizeiwache. Nachbarn helfen ihm, nach dem Söhnchen zu fahnden. In den nächsten Wochen geben Guo und seine Frau viel Geld aus: Sie kleben Anschläge an Laternenmasten, lassen Flugblätter drucken, bezahlen Helfern circa einen Euro pro Tag dafür, in den umliegenden Ortschaften nach dem Kind zu suchen.

Bald treibt es Guo immer weiter durch das Land: "Außer in Tibet, Taiwan, Qinghai und in der Inneren Mongolei war ich in jeder Provinz", sagt er. Zeitungen und das Fernsehen werden aufmerksam und berichten über sein Unglück.

Der Raub von Kindern ist in der Volksrepublik an der Tagesordnung. Deshalb stehen vor Schulschluss im ganzen Land Großeltern oder Eltern am Tor. Sie wollen Menschenräubern keine Chance geben.

Es ist eines der ganz traurigen Kapitel des modernen Chinas. Zwischen 30.000 und 60.000 Babys, Kinder und Jugendliche verschwinden jedes Jahr, schätzen Experten. Sie werden entführt und verkauft, nicht selten als Sklaven in Werkstätten und Ziegelbrennereien missbraucht oder in Bordellen Freiern vorgesetzt.

"Sie haben mich gefragt, ob ich ein Kind zu verkaufen hätte"

Auf dem Weg zum Käufer betäuben die Menschenhändler oft ihre Beute, um sie am Schreien zu hindern. Manchmal überstehen die Kinder die Strapazen nicht. Chinas Medien berichten dann, man habe in Bussen oder Eisenbahnen kleine Leichname gefunden.

Zwei Flugstunden von Peking entfernt, in der Küstenstadt Lianyungang, spielt elf Jahre nach dem Verschwinden von Xinzhen am 30. November 2008 der zweijährige Baotong vor der Tür in einer Gasse. Vater Li Shouquan stellt in seiner kleinen Fabrik Sportschuhe her und verkauft sie aus dem Flur seines Wohnhauses heraus.

Im Hof drängt sich an diesem Tag die Kundschaft. An der Mauer lauert der Mann, der das Kind in einem unbeobachteten Moment mitnimmt. Zurück bleiben nur ein paar Zigarettenstummel unter einem mickrigen Bäumchen.

Li vermutet seinen Sohn irgendwo in der Nachbarprovinz Shandong. "Im Ort Tanshan gibt es einen Kindermarkt", erfährt er von Polizisten. Als er sich in einem der Dörfer in der Nähe umschaut, halten ihn die Leute selbst für einen Menschenhändler. "Sie haben mich gefragt, ob ich ein Kind zu verkaufen hätte und wie viel ich dafür wolle", berichtet er. "In deren Augen ist Menschenhandel nicht kriminell, er hat Tradition in China".

2. Teil: "Kinder gebären statt Schweine zu züchten".

http://m.spiegel.de/panorama/gesellschaft/a-695858-2.html

3. Teil: Wie Krankenschwestern den Verkauf von Kindern einfädeln.

http://m.spiegel.de/panorama/gesellschaft/a-695858-3.html

4. Teil: Was die Polizei gegen den Kinderklau tut.

http://m.spiegel.de/panorama/gesellschaft/a-695858-4.html
 
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