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[h=2]Abdel-Samads BuchpremiereEinmal Islam, aber bitte ohne scharf![/h]26.03.2014 · Anfang April erscheint das neue Buch des deutsch-ägyptischen Publizisten Hamed Abdel-Samad. Es heißt „Der islamische Faschismus“. Im Berliner Gorki-Theater hat er es jetzt vorgestellt. Von HANNAH LÜHMANN ArtikelBilder (1)
Von einer Fatwa bedroht, gleichwohl unverdrossen: Hamed Abdel-Samad stellte in Berlin sein neues Buchs vor
Der junge Mann, der am Eingang die Taschen der Gäste öffnen muss, entschuldigt sich. Eine ältere Dame sagt, nein, das sei schon in Ordnung, das verstehe sie. Hamed Abdel-Samad ist zur Vorstellung seines neuen Buches im Berliner Maxim-Gorki-Theater mit Polizeischutz gekommen. Nachdem der deutsch-ägyptische Publizist im Juni des vergangenen Jahres den Muslimbrüdern „islamischen Faschismus“ vorgeworfen hatte, wurde gegen ihn eine Fatwa verhängt, ein Aufruf, ihn zu ermorden. Am 1. April erscheint sein Buch, es heißt: „Der islamische Faschismus – eine Analyse“. Hamed Abdel-Samad lässt sich nicht einschüchtern. Seine drastisch klingende These, der Islam trage als Religion faschistoide Züge in sich, die im Islamismus deutlich würden, diskutiert er im Gorki-Theater mit dem Publizisten Jakob Augstein. Zuerst stellt Augstein einige Fragen zum Aufwärmen, Ägypten und Deutschland, die der Politologe Abdel-Samad kühl und pflichtschuldigst beantwortet. Dann geht es los. Augstein fragt, ob der Faschismusvorwurf wirklich dem Islam als solchem gelte oder nicht doch seinem radikalisierten Abkömmling, dem Islamismus. Abdel-Samad antwortet, anders als im Christentum sei das Streben nach politischer Macht im Islam selbst angelegt. Das liege auch daran, dass das Wirken Jesu Christi auf Erden zeitlich sehr begrenzt gewesen sei, weswegen er keine wirtschaftlichen oder juristischen Aufgaben habe übernehmen können. Der Prophet hingegen habe Zeit gehabt, zum Feldherrn zu werden.
[h=2]Vor lauter Zustimmungslust wird gejohlt[/h]Der Islam strebe die Weltherrschaft an. Zu seinen Grundgedanken gehöre der Anspruch, die Nationen zu einen, die Feinde zu besiegen und die Welt in Gläubige und Ungläubige zu teilen. Ob das mit der Weltherrschaft eigentlich im Koran stehe, will Augstein wissen und meint es gar nicht mal ironisch, und da legt Abdel-Samad richtig los. Er habe gedacht, Augstein habe den Koran gelesen? Dieser hatte zuvor eine religionsfreiheitsfreundliche Sure zitiert, aber nie behauptet, in Islamkunde bewandert zu sein. Das sei so typisch; man versuche sofort, das Ganze zu einer deutschen Debatte zu machen, Augstein sitze wie der Schiedsrichter vor der Dönerbude, der sich einen Islam bestelle, aber „bitte ohne Zwiebeln, ohne Tomaten und ohne scharf“. Das Publikum jault fast vor kontroverser Zustimmungslust, immer wieder wird die Diskussion von Zurufen unterbrochen. Leider werden die zwei Begrifflichkeiten, aus denen sich der Titel von Abdel-Samads Buch zusammensetzt, nicht klar. Weder versteht man, wie genau er Faschismus definiert – Augsteins Frage, ob er nicht eher so etwas wie „Totalitarismus“ meine, fegt Abdel-Samad beiseite –, noch wird klar, was „der Islam“ für ihn eigentlich ist. Meint er die islamische Theologie? Den Koran? Einen Gesamtgeisteszustand?
Die Muslime jedenfalls meint er nicht, er habe auch nichts gegen Moscheebauten und freiwillig getragene Kopftücher. Eigentlich stellt Abdel-Samad zwei wichtige Grundforderungen, wobei er sich allerdings eines drastischen Vokabulars bedient: Die islamische Welt, auch die in Europa, müsse sich radikal säkularisieren, man müsse die totalitären Züge „neutralisieren“ und „entfernen“. Und es müsse möglich sein, Kritik gegenüber Muslimen zu formulieren, weil das davon zeuge, dass man sie ernst nehme und nicht paternalistisch über sie rede in der Hoffnung, ihnen nicht zu nahe zu treten.
„Der islamische Faschismus – eine Analyse“ :roll: und im Buch werden dann Muslime angesprochen, also meint er eigentlich "Der Muslimische Fachismus'" doch das wäre dann Gesetzlich strafbar.... sehr raffiniert.
Es gibt im islam keine verallgemeinerung im sinne der islam blabla Weltherrschaft sondern es wird von menschen so interpretiert.......und menschen sind fehlerhaft. ...
15:34[h=2]Hamed Abdel-Samad[/h][h=1]"Vor einer Schlacht mit apokalyptischer Dimension"[/h]Er attestiert dem Islam "faschistoide Züge" - und wird deswegen bedroht: Der deutsch-ägyptische Publizist Hamed Abdel-Samad rechnet mit der Religion ab, der er selbst zugehörig ist. Ein Interview. Von Dietrich Alexander
Der deutsch-ägyptische Politologe, Historiker und Autor Hamed Abdel-Samad geht mit der Religion hart ins Gericht, der er selbst entstammtBild teilenBild teilen
Der Autor Hamed Abdel-Samad lebt in Deutschland, aber sicher ist er hier nicht. Der 42-Jährige benötigt permanenten Polizeischutz, denn er hat Feinde. Gewaltbereite, fanatische Feinde, die seinen Tod wünschen, weil er den Islam beleidigt habe und den Propheten Mohammed. Der deutsch-ägyptische Schriftsteller sagt offen seine Meinung und kritisiert diejenigen Muslime, die sich selbst über andere erhöhen und für sich die Deutungshoheit beanspruchen darüber, was die einzig wahre Lehre, der wahre Islam sei. Sein Buch "Der Untergang der islamischen Welt" (Droemer, 2010, 18 Euro) brachte ihm viel Kritik ein. Sein neues Buch erscheint am 1. April und trägt den Titel: "Der islamische Faschismus" (Droemer, 18 Euro). In Kairo öffentlich geäußerte Thesen hatten eine Fatwa, ein "göttliches Rechtsgutachten" zur Folge: "Wanted Dead" – nicht: "Gesucht, tot oder lebendig", sondern nur "tot". Er musste untertauchen. Aber er schwieg nicht und hat auch in Zukunft nicht vor, sich einschüchtern zu lassen. Die Welt: Gerade sind 529 ägyptische Muslimbrüder von einem Gericht im oberägyptischen Minia in einem juristisch sehr bedenklichen Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden. Weiteren 683 Angeklagten droht das gleiche Schicksal. Was sagen Sie zu diesen Prozessen? Hamed Abdel-Samad: So schreckt man Terroristen nicht ab, sondern schafft neue Märtyrer, die ein Vorbild für eine neue Generation von Gotteskriegern werden! Die Muslimbrüder profitieren am meisten von diesem Urteil, denn plötzlich redet die Welt nicht mehr über ihre permanenten Terroranschläge, sondern über das Unrecht, das ihnen widerfährt. Solche Urteile sind symptomatisch für die Ratlosigkeit des ägyptischen Staates im Umgang mit dem Terrorismus. So unterbindet man nicht die Gewalt, sondern vertieft die Spaltung und die Polarisierung im Lande.
Religion Autor Hamed Abdel-Samad über Islam in Deutschland
Die Welt: Also belasten solche Prozesse die Zukunft Ägyptens und damit den wohl nächsten Präsidenten, Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, der gerade seine Kandidatur bekannt gegeben hat und klarer Favorit ist? Abdel-Samad: Al-Sisi gilt für viele Ägypter als der neue Heilsbringer. Die Erwartungen an ihn sind sehr hoch. Er weiß aber selber, dass das Land gravierende Probleme hat, die er nicht lösen kann. Er weiß auch, dass die gleichen Massen, die ihm jetzt frenetisch zujubeln, auch gegen ihn demonstrieren werden, wie sie gegen Husni Mubarak und Mohammed Mursi demonstriert haben, weil sie ihre Wünsche nach Stabilität und Wohlstand nicht erfüllen konnten. Die Zeit der Diktatur ist vorbei. Aber die Abwesenheit von Diktatur bedeutet nicht automatisch die Ankunft der Demokratie. Die Welt: Überhaupt sind Sie sehr pessimistisch, was die Zukunft der arabisch-islamischen Welt insgesamt angeht. Sie legen ein neues Buch vor, Ihr viertes. Mir scheint, Sie werden in Ihren Thesen immer radikaler. Würden Sie dem zustimmen? Abdel-Samad: Nein! Ich höre oft, dass ich ein radikaler Denker und ein Querkopf sei. Ich bin nur ein vernünftig denkender Mensch, der das Kind beim Namen nennt. Das war ich immer. Ich provoziere nicht, wenn ich sage, dass der Islam faschistoide Züge hat. Die Welt: Aber das ist doch mindestens semantisch schärfer als alles, was Sie zuvor geschrieben und gesagt haben. Der Begriff Faschismus in Verbindung mit dem politischen Islam ist jedenfalls neu... Abdel-Samad: ...für Deutsche klingt das vielleicht plakativ und provokant. Aber was ist Faschismus? Er ist eine politische Religion, mit Wahrheiten, mit Propheten, mit einem charismatischen Führer, der mit einem vermeintlich heiligen Auftrag ausgestattet ist, die Nation zu einen und die Feinde zu besiegen. Das ist der Islam auch, haargenau. Der Faschismus teilt die Welt auf in Freund und Feind, beim Islam sind es Gläubige und Ungläubige. Die Verschwörungstheorien im Faschismus, das Gefühl der Erniedrigung und des Zukurzgekommen-Seins, diese Rachlust und die Entmenschlichung der Feinde, sind allesamt im Islam zu finden, besonders in der Sprache des politischen Islam. Die Mischung von Minderwertigkeitskomplex und dem Streben nach Weltherrschaft; zwischen Ohnmacht und Allmachtsfantasien, das verbindet Islamismus und Faschismus. Ich schreibe ja in meinem Buch über die 14 Thesen von Umberto Eco zum Ur-Faschismus. Da finden wir alles: Den Kult der Überlieferung, die Haltung zur Moderne und die Konterrevolution gegen die Aufklärung, die Verschwörungstheorien, den Machismus. Alles was den Islamisten fehlt, ist die Vernichtungsmaschinerie wie sie dem Stalinismus und dem Nationalsozialismus zur Verfügung stand. Der Islamismus erlitt mehrere Niederlagen, wurde aber nie vernichtend geschlagen – anders als der Faschismus in Deutschland und Italien. Das ist der Grund, warum sich der islamische Faschismus so in die Länge zieht. Die Welt: Sie würden so weit gehen zu sagen, der politische, faschistische Islam würde die Welt mit einem dritten Weltkrieg überziehen, wenn er die Möglichkeit hätte, eine vernichtende Kriegsmaschinerie zu schaffen? Abdel-Samad: Ja, vielleicht nicht gleich Weltkrieg, aber wir werden eine Schlacht apokalyptischer Dimension erleben. Die Islamisten würden einen Rachefeldzug gegen die Ungläubigen führen. Man kann das im Kleinen dort beobachten, wo Islamisten die Macht in einem syrischen Ort übernehmen. Menschen werden dann getötet, nur weil sie Christen sind, sogar Kinder. Das ist purer Faschismus, dass Menschen nur aufgrund ihrer religiösen oder nationalen Zugehörigkeit hingerichtet werden. Wir können das überall dort beobachten, wo Islamisten die Macht übernehmen, im Irak, in Afghanistan, in Somalia, im Sudan, in Nigeria – egal wo. Die Welt: Und der so genannte "moderate Islam"? Gibt es den überhaupt? Abdel-Samad: Wir hatten lange Zeit dieses Paradebeispiel eines angeblich moderaten Islams in der Türkei mit Recep Tayyip Erdoganan der Spitze. Der politische Opportunismus des Westens hat verhindert, dass dieses System sein wahres Gesicht zeigen musste. Erst jetzt, in der Krise und im wirklichen politischen und demokratischen Test, erkennen wir auch dort faschistische Tendenzen. Die Welt: Ein Wolf im Schafspelz also? Oder wie Sie es in Ihrem Buch nennen: Demokratie als Trojanisches Pferd? Abdel-Samad: Genau. Der Islamist, der an die Macht kommen will, ist an Demokratie nicht interessiert. Er glaubt nicht an sie, er glaubt an die Herrschaft Gottes. Ihm liegt nichts daran, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern will eine bestimmte moralische Gesellschaftsordnung durchsetzen und dann in einem weiteren Schritt die Welt islamisieren. Die Welt: Also ein göttlicher Auftrag? Abdel-Samad: Ja. Das ist das Einzige, was ihn motiviert, in die Politik zu gehen. Er respektiert menschlich geschaffene Strukturen wie Parlament und Justiz nicht, weil Gott die Gesetze für ihn schon vor 1400 Jahren festgelegt hat. Sie müssen nur noch angewandt werden. Die Welt: Das bedeutet ja, dass mit diesen Leuten der Dialog gar nicht möglich ist... Abdel-Samad: ...Dialog ist in dieser Hinsicht eigentlich Zeitverschwendung. Es ist ja mit Erdogan ein Dialog geführt worden, aber er hat den Westen ausgetrickst. Seine so genannten Reformen glichen eher Ermächtigungsgesetzen und die ganze Zeit versteckte er sich hinter Europa. "Moderater Islam" ist eine Erfindung westlicher Islamwissenschaftler. Moderat und Islam ist ein Paradoxon, sie passen nicht zusammen. Die Wahrheiten der Islamisten stehen bereits fest. Auch das ist ein Kern des Faschismus. Die Welt: Was Sie sagen ist ja nicht ganz ungefährlich. Sie haben Morddrohungen erhalten, leben unter Polizeischutz, bringen Familie und Freunde in Gefahr. Sie riskieren in gewisser Weise Ihr Leben für Ihre Überzeugungen. Würden Sie sich selbst also auch als Märtyrer bezeichnen? Abdel-Samad: Nein. Ich mag weder den Begriff noch die Geisteshaltung, die dahinter steckt. Ich lebe sehr gern, trotz aller Schwierigkeiten und Probleme, die ich habe. Aber ich habe sehr lange einen Zugang zu diesem Leben gesucht und sehr viel dafür geopfert und verloren. Dieser Lebensentwurf heißt Freiheit. Es bedeutet, dass niemand über meine Moral bestimmen kann, meine Art und Weise zu denken und zu sprechen. Die Tatsache, dass es Menschen in dieser Welt gibt, die damit nicht leben können, ist wirklich nicht mein Problem. Ich habe niemandem die Kehle durchgeschnitten und auch nicht vor es zu tun. Ich habe niemals das Existenzrecht irgendeines Menschen in Frage gestellt. Ich glaube nicht, dass es sich lohnt, für irgendeine Sache zu sterben. Aber ich werde mich nicht mäßigen oder einschränken in meinen Gedanken und Äußerungen, nur weil es anderen nicht gefällt was ich sage. Dieses "kleine Leben" will und brauche ich nicht. Die Welt: Kommen wir noch einmal zurück auf Islam und Demokratie. Der ägyptische Präsident von Gnaden der Muslimbruderschaft Mohammed Mursi ist demokratisch gewählt und dann undemokratisch gestürzt worden. Was stimmte mit der Mursi-Herrschaft nicht? Abdel-Samad: Mursi hatte keinen Plan für Ägypten. Die Muslimbrüder hatten nur Parolen. Doch plötzlich mussten sie sich mit Wirtschaft, Außenpolitik und Tourismus auseinandersetzen. Das haben sie sehr amateurhaft gemacht, sie konzentrierten sich auf die Moral der Gesellschaft. Der Islamist hat keinen Plan, sondern ein moralisches Korsett. Dazu grenzten sie die Freiheiten insbesondere der Frauen ein und unterwanderten die Institutionen. Die Welt: Ist das, was wir jetzt in Ägypten erwarten dürfen, besser? Oder ist ein vom Militär dominiertes Regime, quasi ein Mubarak II., nur das kleinere Übel? Abdel-Samad: Es ist auf jeden Fall das kleinere Übel, aber es ist auch nicht Mubarak II., sondern vielleicht "Mubarak light". Es ist auch nicht demokratisch, denn Demokratie entsteht nicht im luftleeren Raum. Die arabisch-islamische Welt ist insgesamt noch nicht reif für demokratische Strukturen. Die Militärs haben aber zumindest mit der Wirtschaft und der Gesellschaft einen gemeinsamen Nenner. Wirtschaft, Industrie, Tourismus – Dinge über die man reden und Kompromisse finden kann. Die Muslimbrüder waren in einer ganz anderen Welt. Ihr fatalster Fehler war es zu denken, aus Ägypten einen zweiten Iran machen zu können. Der Sieg in einer demokratischen Wahl ist kein Blankoscheck. Die Welt: Das ist sicher richtig, Demokratie muss mit Inhalt gefüllt werden. Ist denn irgendein arabisch-islamisches Land in der Lage, in die Rolle eines Vorreiters in dieser Hinsicht zu schlüpfen? Abdel-Samad: Nein. Vielleicht in absehbarer Zeit Tunesien, weil es klein und zivilgesellschaftlich recht gut organisiert ist und der Westen die Entwicklung ziviler und demokratischer Strukturen unterstützt. Die Welt: Sie danken in Ihrem Buch einem Jungen, der Ihnen geschrieben hat, er sei den Islamisten dankbar, dass deren Todesdrohung gegen Sie ihn erst mit Ihrem Gedankengut in Berührung gebracht habe. Hat die Todesdrohung der Verbreitung Ihrer Botschaft also genutzt? Abdel-Samad: Im Grunde schon, und das zeigt eben auch die Dummheit der Fanatiker. Sie verstehen nicht: Wenn sie ein Buch verbieten oder einen Autor zum Schweigen bringen wollen, schlägt das ins Gegenteil um. Sie sagen: Der muss getötet werden! Dann aber beginnen die Leute doch erst zu fragen, warum? Was sagt er? Wer ist er? Nur weil die Islamisten in ihrer geschlossenen Welt leben und nur zueinander reden, glauben sie, ihre Drohungen könnten jemanden zum Schweigen bringen. Das ist lächerlich und naiv. Die Welt: Sie sagen, sie hätten mit Ihrem Buch in ein Wespennest gestochen. Wespennester räuchert man für gewöhnlich aus, man verbrennt sie. Wie sieht Ihre Strategie aus, den politischen Islam zu bekämpfen? Gibt es ein Mittel, vielleicht der wirtschaftliche Erfolg eines rivalisierenden, eines womöglich demokratischen Systems? Abdel-Samad: Die Krankheit muss korrekt diagnostiziert werden. Eine klare Diagnose hat man in der Vergangenheit aber nicht zugelassen. Ich sehe mich als diagnostizierenden Arzt. Wie Karl Kraus gesagt hat: "Ich kann keine Eier legen aber ich erkenne, wenn eines faul ist." Es geht um die chronischen Krankheiten der arabischen Gesellschaften: fehlende Bildung, mangelhafte wirtschaftliche Strukturen, Korruption, Paternalismus...die Liste ist lang. Das ist der Sumpf, in dem der faschistoide Islamismus versucht, Leute zu fischen, die in diesem Frustrationssumpf stecken geblieben sind. Sie sind von der modernen Welt Lichtjahre entfernt. Es ist viel einfacher für sie, sich auf eine ideologische Ebene zurückzuziehen, anstatt die Probleme anzupacken und zu lösen. Ein Prediger, der im Westen als moderat angesehen wird, meinte ernsthaft, der wirtschaftliche Niedergang habe erst eingesetzt, seit wir den Dschihad nicht mehr ernst nehmen. Er schlägt ernsthaft neue Eroberungskriege gegen christliche Länder vor, Kopfsteuer für Christen und Juden, Versklavung der Gegner. Das sind erschreckend deutliche Parallelen zum Faschismus, das ist menschenverachtend. Die hilflosen Führer sind überfordert und erzählen Märchen. So wie ein ägyptischer General, der lauthals verkündet hat, man habe eine Wunderwaffe gegen Aids entdeckt. Alles speist sich aus den gleichen Mythen, ist weltfremd und schmort im eigenen Saft. So entsteht ein verklärtes Weltbild, aus dem man nicht mehr ausbrechen kann. Die Welt: Sind Islam und Demokratie also nicht kompatibel? Abdel-Samad: Natürlich nicht. Wenn man das behauptet, verlängert man die Krankheit und verzögert den Heilungsprozess. Der wahre Islam ist wie der wahre Sozialismus: So toll, aber leider wird er nirgends auf der Welt praktiziert. Es ist eine Selbstlüge der islamischen Welt zu denken, ein islamisches System könne demokratisch sein. Demokratie bedeutet: Das Volk entscheidet. Islam bedeutet, Gott ist der Gesetzgeber. Die Welt: Das klingt aussichtslos und ist nicht gerade ermutigend für die 1,5 Milliarden Muslime auf der Welt... Abdel-Samad: Die arabisch-islamischen Gesellschaften wollen modern und erfolgreich sein. Aber wenn ich ein Auto bauen will, muss ich mich zunächst mit den physikalischen Gesetzmäßigkeiten vertraut machen, mit der Mechanik und sogar mit den Umweltauflagen, die in der übrigen, der modernen Welt gelten. Dann muss ich sehen, welche Materialien mir zur Verfügung stehen. Aber ich muss das Rad nicht neu erfinden, ich muss doch nur schauen, welche meiner Materialien zum Autobau passen und welche nicht. Kuhmist und Auto passen nicht zusammen. Darauf zu bestehen, dass Kuhmist Bestandteil des Autos sein müsse, ist ein fataler Denkfehler. Übertragen auf die Islam-Demokratie-Diskussion: Es gibt westliche Intellektuelle, die sagen, es wird schon klappen mit dem Kuhmist. Das ist keine Hilfe zur Selbsthilfe, sondern Betäubung. Die Muslime haben das Auto nicht erfunden, kaufen es aber trotzdem. Warum sollte das mit der Demokratie nicht gehen? Wir beharren auf unserem kulturellen Anteil, auch wenn das hinderlich ist. Die Welt: Sie bezeichnen den Islam als "verspätete Religion", der gerade das Jahr 1435 zählt und somit das eigene Mittelalter durchlebt. Heißt das, die islamische Welt wird all das durchmachen müssen, was Europa in seinem Mittelalter durchlebt hat? Abdel-Samad: Absolut. Wir steuern auf einen Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten von globaler Dimension zu. Und wir können nur hoffen, dass wir danach dann auch eine Reformation haben werden wie es in Europa der Fall war. Wir kommen daran nicht vorbei, aber der Preis wird hoch sein. Die jugendlichen Massen ohne Perspektive und Hoffnung sind nur durch Religionskriege zu füttern, zu beschäftigen – und zu verbrennen. Die Welt: Samuel Huntington sprach einst vom "Kampf der Kulturen" und meinte den Islam gegen die westliche Kultur. Sie sprechen von einem "inneren Kampf der Kulturen", einem innerarabischen Kampf. Um was? Abdel-Samad: Der ideologische Krieg tobt zwischen einer modernen, westlich orientierten Klasse, die sich vom offiziellen Wissen und der religiösen Übermacht des Islams zum Teil unabhängig gemacht hat, und den traditionellen Kräften, die Angst vor der Freiheit haben. Aus dieser Angst hat sich immer auch der Faschismus gespeist. Der Krieg gilt als Chance der Wiedergeburt, bei Faschisten wie auch bei Islamisten. Der Frieden auf der Welt könne nur wieder hergestellt werden, wenn alle Menschen dem Islam angehören. Das ist nicht Islamismus, das steht schon im Koran. Wir können dem nur entgegenwirken, indem wir uns ohne Tabus an die Wurzeln dieser Ideologie machen und sie ausreißen. Wer das radikal nennt, verniedlicht das Problem. Die Welt: Viele Menschen haben sich um Sie gesorgt, als sie Ende November vorigen Jahres in Kairo spurlos für zwei Tage verschwanden. Was ist damals geschehen? Abdel-Samad: Ich wurde einfach auf der Straße von vier Leuten in einem Auto entführt und zwei Tage festgehalten. Ich wurde misshandelt, geschlagen und mit einer Waffe am Kopf gezwungen, irgendwelche Papiere zu unterschreiben, deren Inhalte ich nicht lesen durfte. Als die Kidnapper mich frei ließen, stieß ich auf die dümmsten Polizisten der Welt. Die ägyptische Polizei will nur beweisen, dass sie alles richtig gemacht hat. Doch die zuständigen Stellen haben nicht ausreichend für meinen Personenschutz gesorgt, ich habe sie verklagt. Die Ermittlungen laufen noch, aber für eben diese Ermittlungen ist jene Abteilung der Polizei verantwortlich, die ich verklagt habe, deshalb passiert nichts. Die Welt: Und hatte dieser Fall mit der Morddrohung der Islamisten gegen Sie zu tun? Abdel-Samad: Nein, es ging um Geld. Es waren Kriminelle, die offenbar im Auftrag gehandelt haben. Ich hatte nach der Revolution in der Phase der Aufbruchstimmung meine gesamten Ersparnisse in eine ägyptische Firma investiert, die heute 100 Menschen beschäftigt und an deren Führung mein Bruder maßgeblich beteiligt war. Doch die Partner meines Bruders schleusten nach und nach ihre Angehörigen in die Firma. Sie wurden immer korrupter und machten auch kriminelle und gefährliche Geschäfte. Mein Bruder ist dann aus der Firmenführung ausgestiegen und ich wollte meine Einlagen wieder herausnehmen. Ein erster Scheck über 27.000 Euro wurde fällig und ich sagte den Schuldnern, entweder ihr zahlt oder ich zeige euch an. Ich habe nichts bekommen, auch der Fall läuft noch. Die Welt: Belasten Sie diese Ereignisse noch heute?
Abdel-Samad: Ja. Ich war nach meiner Rückkehr nach Deutschland eine Woche in psychiatrischer Behandlung. Ich konnte mit dem Alltag nicht mehr umgehen, hatte einen großen Vertrauensverlust in alles. Ich dachte, die Morddrohung sei das Schlimmste, was man in Ägypten erleben könne. Aber ich hatte mich getäuscht. Der ägyptische Staat verliert die Kontrolle über die Menschen und die Menschen verlieren die Kontrolle über sich selbst. Und die Geistlichkeit sitzt da und beschäftigt sich mit der Frage, ob der Prophet in einem Film dargestellt werden darf oder nicht. Das ist Realitätsferne. Und irgendwann kommt dann jemand und sagt, ich weiß, wo es lang geht. So funktioniert Faschismus
Wahabs. Und 17-jährige bis knapp-vor-dem-30. Lebensjahr stehende Muslime, die post 2001 über Foren zur Erleuchtung fanden und seitdem täglich 6 Stunden im Internet verbringen.