Türkei-Update, 29.07.15, 23:00 Uhr
Hier mal wieder ein, diesmal etwas kürzeres, Update. Es kocht immer noch in der Türkei, aber langsam kehrt ein gewisser Alltag in die schrecklichen Nachrichten ein - so zynisch sich das auch anhört.
- Mittlerweile wurden in 39 Bezirken der
#Türkei (insgesamt gibt es 81 Bezirke) 1302 Menschen festgenommen. Ein Teil davon ist immer noch in Haft, ein anderer wurde wieder freigelassen. Wie genau die Zusammensetzung dieser Inhaftierten genau ist, weiß man nicht. Der stellv. Ministerpräsident Bülent Arinc (der heute im türkischen Parlament eine Politikerin der HDP mit den Worten "Frau, halt deinen Mund" versuchte mundtot zu machen) äußerte heute früh, dass insgesamt 1061 Menschen festgenommen wurden bisher (er hat anscheinend noch veraltete Zahlen). Von diesen wurden 156 wieder freigelassen. 847 der Inhaftierten sind Linke, also aus der kurdischen Befreiungsbewegung oder der DHKP-C. 136 sind vermutliche
#IS-Sympathisanten. Es wird wieder mal ersichtlich, wer für die Türkei der Hauptfeind ist.
- Bezüglich der Bombardierung des IS in
#Syrien hat die syrische Regierung eine Erklärung veröffentlicht, in der sie bezweifeln, dass die Türkei es ernst meint mit dem Kampf gegen den IS: "Besser spät, als nie. Aber ist es der Türkei ernst im Kampf gegen Gruppierungen wie den IS, Al-Nusra und weitere an Al-Kaida gebundene Gruppen?" Denn auch wenn der IS nun pro forma bekämpft wird, erhalten andere dschihadistische Gruppieren, wie eben Al-Nusra, Unterstützung seitens der Türkei. In ihrer Grausamkeit und Menschenverachtung nehmen sich diese Gruppen nichts im Vergleich zum IS. Übigens sind anscheinend Dokumente aufgetaucht, die den Ölhandel zwischen IS und Türkei einwandfrei belegen sollen.
(Link:
http://finance.yahoo.com/…/links-between-turkey-isis-now-19…)
- Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der
#HPG (militärischer Arm der KCK/PKK für Nordkurdistan) halten derweil an: In Elih wurden drei Soldaten getötet, in Bitlis 1, in Erzurum ebenfalls ein Soldat. Diese Infos sind bestimmt nicht vollständig, aber es ist schwierig das alles zu erfassen, vor allem wenn viele wichtige Info-Seiten in der Türkei gesperrt sind. Währenddessen scheint sich auch die kurdische Jugendbewegung
#YDG-H in den kurdischen Städten militant und noch organisierter zu formieren, auch wenn ich nicht weiß, ob das Bild aktuellen Datums ist.
- Unterdessen wird die kurdisch/türkische Friedensbewegung im Land aktiv. Dabei sind die Bedingungen ziemlich schwierig: Fast jegliche öffentliche Friedensäußerung in Form von Kundgebungen oder Demonstrationen wird momentan verboten oder mit Polizeigewalt auseinandergetrieben. Trotzdem schaffte es die Friedenfrauensbewegung heute in drei Vierteln Istanbuls Sitzstreiks für den Frieden durchzuführen (siehe Bild). Dabei riefen sie Slogans wie "Wir wollen keine Kriegsregierung". Auch
Selahattin Demirtaş forderte den türkischen Staat, aber auch die PKK auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und Bedingungen dafür zu schaffen, die Gespräche wieder aufzunehmen. In einem langen Interview erzählte er von den vorangegangenen Friedensgesprächen und wie jeder Schritt von Erdogan persönlich torpediert wurde. Leider gibt es das Interview nicht auf deutsch. Dafür aber auf englisch:
http://www.hurriyetdailynews.com/hdp-co-chair-demirtas-reve…
(Danke,
Axel Gehring, für den Link)
- Die türkische Regierungslinie im Kampf gegen die Kurden macht sich jetzt anscheinend auch das Mainzer Ordnungsamt zu eigen (Deutschland als Ganzes ist eh schon lange auf Nato/Türkei-Linie). Fahnen des legalen
Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V. (YXK), der kurdisch-syrischen Selbstverteidungskräfte
YPG/YPJ und der PYD (Partei der demokratischen Einheit) sind auf Demonstrationen in Mainz anscheinend verboten (siehe Bild). Eine sehr eigenwillige Rechtsauslegung.
Von einem Genossen