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Es geht uns gut!

skorpion

Der Neurosenkavalier
Ich habe es mal bei Geschichte und Kultur reingestellt, weil vor 25 Jahren in diesem Falle auch schon "Geschichte" ist und weil es um Alltagskultur geht.

Vielleicht hängt der eine oder andere ja im Moment gerade etwas durch, die Tage sind kurz, trüb und naß und der übliche Jahresendstreß naht. Der letzte Urlaub ist lange her und man sehnt sich nach einem trockenen, heißen Sommertag auf dem Balkan, nach Käffchen und Slivo, nach Strand oder Café und nach dem leckeren, fetten und schwer gewürzten Essen. Vielleicht spielt auch die Sehnsucht mit rein, nach lieben Verwandten oder nach der Sommerliebe, wer weiß...? Ist ja auch alles Scheiße...

Aber man muß es mal anders sehen: Vor 25 Jahren war (fast) alles noch viel beschissener!

Heute fahre ich von Eckernförde bis nach Ostslawonien gute 16 Stunden, wenn alles glatt geht und ich fit bin. Damals sind wir schon von Berlin aus mühelos 24 Stunden unterwegs gewesen, oft auch 30. Die DDR existiert nicht mehr und die Grenzen, an denen man oft stundenlang gewartet hat (in Autos ohne Klimaanlage!) bestehen heute weitgehend nur mehr aus einem Hinweisschild und 2 Flaggenmasten. Und selbst die Einreise von Ungarn nach Kroatien ist eine schnelle Nummer, 2 Autos vor mir, dann ein Blick in die Pässe, Stempel und weiter. Wer erinnert sich noch an Grenzübergänge mit 20 Spuren, die man nach kilometerlangem Stau endlich erreicht hat? Penible Kontrollen. Und wehe, man sagte was falsches...

Es gibt Autobahnen fast überall inzwischen und man darf 130 km/h fahren- statt nur 100 km/h. Das macht sich bemerkbar. Und dann diese Kamikazefahrten auf dem alten Autoput- man muß es erlebt haben...

Und wenn es mal ganz schnell gehen muß: per Billigflieger nach Zagreb, Beograd oder Athen, in zwei Stunden ist man da und es hat kaum mehr gekostet, als mit dem Auto. So ist auch mal ein Kurztrip zur Hochzeit von Onkel Dragan und Tante Ljubica oder zur Taufe der kleinen Biljana möglich- sogar im Winter!

Aber manchmal tut es ja auch schon ein Anruf. Heute kein Problem, das Handy gilt auch am Balkan längst als Statussymbol und jeder hat eines. Früher hatte man nur Festnetz- wenn man Bürgermeister, Fabrikchef, Miliz oder sonst etwas bedeutendes war, ansonsten vielleicht in der Kneipe. Und so ein Festnetztelefonat nach Jugoslawien hat schnell mal 50 DM gekostet, ohne daß man besonders viel erzählt hätte.

Heute muß man sich ja auch nicht mehr alles erzählen. War man früher schon froh, wenn es am Bahnhofskiosk oder anderen gut bestückten Zeitschriftenläden überhaupt mal eine Zeitung aus der Heimat im weiteren Sinne (meistens aus der Hauptstadt) gab und man grob wußte, worum es in der Heimat ging, denn so richtig objektiv waren diese Zeitungen meist auch nicht so richtig, hat man heute ganz andere Möglichkeiten. Längst werden Ableger der Heimatzeitungen speziell für die Diaspora im Ausland gedruckt, das macht sie billiger und aktueller und man kann sie in den einschlägigen Gegenden auch mühelos erwerben. Muß man aber nicht- man kann sie auch einfach zuhause online lesen. Jedes noch so bedeutungslose Provinzblatt. Damit man weiß, daß bei Bauer Josipović in Poljevac zwar die Scheune niedergebrannt ist, der Weinkeller aber Gott sei Dank verschont geblieben ist.

Außerdem hat man die Möglichkeit, nahezu das gesamte heimische TV-Programm via Satellit frei Haus zu bekommen. Und das bedeutet, wesentlich mehr und interessantere Programme, als es das jugoslawische Staatsfernsehen je angeboten hat.

Wer immer noch Informationslücken hat oder einfach persönliches austauschen will, der schreibt eben eMail. Früher brauchte ein Brief etwa 1-2 Wochen, wenn er überhaupt ankam. Und, last, but not least, bietet das Internet auch noch andere neue Möglichkeiten, wie bspw. dieses großartige Forum oder auch etliche Onlineshops, wo man die ultimative Serbien-Schürze, das heißeste Bosnien-T-Shirt oder das geilste Kroatien-Basecap einfach bestellen kann. Oder was das Herz sonst begehrt. Die Importeure, z. B. TRIVO in Berlin, der früher nur die Gastronomie beliefert und am S-Bhf Gesundbrunnen einen jämmerlichen kleinen "Laden" betrieben hat, nehmen mittlerweile auch Online-Bestellungen an. Eingelegte Paprika aus Serbien, Sauerkraut aus Varaždin, Wein aus Mostar oder das gute Bier aus Nikšić, alles kein Problem.

Auch kulturell muß niemand mehr darben. Gab es früher in diesen kleinen Läden eine Handvoll Audio- und VHS-Cassetten, die im günstigsten Fall dem Geschmack des Ladenbesitzers entsprachen (in ungünstigeren Fällen waren sie einfach nur billig...), kann man heute online fast das gesamte Repertoire bestellen, wenn man sich nicht gleich die mp3-Dateien einzeln runterlädt.

Eigentlich ist es also alles schon fast wie daheim, nur das Wetter, das bleibt beschissen...
 
Na ja, ist wie alles; wenn man zurückblickt, war es immer irgendwie schön. Aber heute ist es eindeutig leichter.
 
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