Ricky
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[h=1]enthauptete Leiche fanden Charite-Professor Michael Tsokos. Was die Toten mir verraten: Der Fahrer ohne Kopf[/h]Es war ein trüber Tag. Schnee hatte sich in Eis verwandelt, die Luft war feucht, der Himmel trist und grau. Es war noch dunkel, als Michael Tsokos das Haus verließ. Er dachte einen Augenblick daran, sein Auto stehen zu lassen und mit der Bahn ins Institut zu fahren. Er entschied sich doch für den Wagen. Auf den Straßen rollte gemächlich der Frühverkehr. Aus den Boxen erklang Pink Floyd. Für Professor Tsokos fing der Tag gut an ... Auf dem Schreibtisch seines Büros lagen eine Menge Akten, eine Liste mit Namen von Personen, die um Rückruf gebeten hatten, viel Bürokram. Fachgesellschaften baten um Grußworte, ein Artikel musste noch überarbeitet werden. Danach die erste Sektion des Tages. Etwa zur selben Zeit fuhr ein Streifenwagen eine Landstraße in Norddeutschland entlang. Ein Kastenwagen war von der Straße abgekommen und steckte mit den Vorderrädern im Straßengraben. Kein großer Schaden, das sahen die beiden Beamten auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick jedoch erstarrten sie vor Schreck. Der Mann auf dem Fahrersitz ist ordnungsgemäß angeschnallt, die Hände liegen auf dem Lenkrad. Doch wo ein Kopf sein sollte, gab es nur noch einen blutigen Stumpf. Blaue Jacke und beigefarbener Pullover waren voller Blut. Der Kopf des Toten lag hinter dem Sitz. Während Professor Tsokos noch den Bericht der eben beendeten Leichenschau diktierte, klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch. Der nächste Fall wartete im Keller. "Was mich im Sektionssaal erwartete, hatte ich zuvor so noch nie gesehen. Ein Körper ohne Kopf. Der Mann war offensichtlich enthauptet worden. Die Kripo spekulierte über Milieumord und Enthauptung durch einen sadistischen Killer. Hatte die Unterwelt auf bestialische Weise wieder zugeschlagen?" Michael Tsokos schloss sich den Spekulationen nicht an. Für ihn gilt bei jedem Fall die Devise: Alles ist offen. Keine voreiligen Schlüsse. Nur so werden alle Möglichkeiten berücksichtigt und keine vernachlässigt. "Abgesehen von den Mutmaßungen, die umherschwirrten, hatte ich jedoch auch noch nie gehört, dass ein Mensch durch einen Autounfall enthauptet wurde. Zumal das Auto unbeschädigt war. Doch auch als Mordmethode ist Enthauptung höchst selten und ungewöhnlich. Mir ist eine solche Tat nur einmal vorgekommen. Ein Mann hatte einer Frau, nachdem er sie ans Bett gefesselt hatte, bei lebendigem Leib mit dem Küchenmesser den Kopf abgetrennt. Doch so etwas erschien mir in diesem Fall mehr als unwahrscheinlich. Warum sollte jemand einen solchen Mord auf offener Straße begehen? Der Tote saß angeschnallt und aufrecht am Steuer, der Kopf lag im hinteren Teil des Wagens. Viele Fragen, auf die es keine Antworten gab. Eine Menge Rätsel, die noch gelöst werden mussten." Auch eine postmortale Enthauptung erschien ihm und seinem Team höchst unwahrscheinlich. So etwas wird in erster Linie begangen, um die Identifizierung des Opfers zu verhindern. Doch dies war hier nicht der Fall, denn der Kopf lag am Tatort. Auch dass der Mann erst nach seinem Tod hinter das Steuer gesetzt worden war, konnte Tsokos mit Gewissheit ausschließen. Die Untersuchungen ergaben einwandfrei, dass der Mann bei der Dekapitation (Enthauptung) auf dem Fahrersitz gesessen hatte. Das bewiesen Blutspurenmuster sowie Verteilung und Aussehen der Spritzer im Fahrzeuginneren. Anhand der Ausweispapiere in seiner Jacke hatte die Kripo den Toten inzwischen als Dieter H., 43, Heizungsmonteur aus einem Dorf in der Nähe des Fundortes identifiziert. "Auch aufgrund einer charakteristischen Tätowierung am linken Unterarm, die uns seine Frau bestätigte, konnte zweifelsfrei geklärt werden, dass Kopf und Körper zusammengehörten. Weitere Untersuchungen ergaben, dass Dieter H. zum Zeitpunkt seiner Enthauptung noch gelebt hatte. Wir entdeckten Blut in den Atemwegen, so genannte Vitalspuren, konnten damit Theorien einer nachträglichen Enthauptung ausschließen. Allerdings stellten wir an der Abtrennstelle von Körper und Kopf am Halsstumpf feine staubartige Ablagerungen fest, wie sie durch Bearbeitung von Metall entstehen. Doch wie kamen die Partikel dorthin und wie waren sie entstanden? Im Übrigen war die Wunde auch untypisch für einen Schnitt." Erst die Zusammenarbeit von Rechtsmedizin und Mordkommission ergab ein vollständigeres Bild. Nach Aussagen von H.s Frau hatte sie sich von ihm getrennt und vom Familiengericht die beiden Kinder zugesprochen bekommen. Ein schwerer Schock für den 43-Jährigen. Sein Hausarzt bestätigte schwere Depressionen. Kurz vor seinem Tod hatte er seinen Job verloren. Handelte es sich um einen Suizid? Rechtsmediziner sprechen generell nicht von Selbstmord. Denn die Voraussetzung, ein Mörder zu sein, ist, dass der Täter nach § 211 des Strafgesetzbuches aus den Motiven Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier oder sonstigen niederen Beweggründen handelt. Solche Motive wird man einem Lebensmüden kaum unterstellen können. Damit ist er kein Selbstmörder im rechtlichen Sinne. "Wir nennen sie deshalb Suizidenten. Aber ein Suizid durch Enthauptung? Das ist sehr selten. Doch alles deutete darauf hin. Als die Spurensicherung die weitere Umgebung des Tatortes untersuchte, entdeckten die Spezialisten an einem hölzernen Weidezaun ein 40 Meter langes Stahlseil, das mehrmals fest um die Holzplanken geknotet war. Am anderen Ende des Seil, von Schnee bedeckt, eine Schlinge von 15 Zentimeter Durchmesser." Dieter H. hatte sich in seiner Verzweiflung selbst enthauptet. Er hatte das Seil am Zaun befestigt, durch das Rückfenster seines Kastenwagens geführt und sich anschließend die Schlinge um den Hals gelegt. Er startete, trat die Kupplung, legte einen Gang ein, gab Vollgas. Das Auto raste los. Nach wenigen Metern wurde ihm der Kopf abgerissen. "Ich fragte mich, was muss diesem Menschen in den letzten Sekunden vor seinem Tod durch den Kopf gegangen sein? Hatte er vielleicht noch einen Moment gezögert, an seine Kinder gedacht, deren Fotos er in der Brieftasche hatte? Wollte er, nachdem er das Gaspedal durchgedrückt hatte, vielleicht noch zurück? Der Wagen schoss nach vorn ... Es war ein Suizid, der die tiefe Verzweiflung zeigte, in die ein Mensch fallen kann. Einsamkeit ..." ------------------------------ Zwischenzeile: ENTHAUPTET. WAR ES MORD, EIN SCHRECKLICHER UNFALL? Zwischenzeile: "WIR ENTDECKTEN BLUT IN DEN ATEMWEGEN ..." Zwischenzeile: DIE SPURENSICHERUNG FAND DEN WICHTIGEN HINWEIS BU: So fanden Polizisten den Wagen von Dietmar H. Erst sah es aus wie ein ganz normaler Bagatell-Unfall. Doch als die Beamten in das Innere des Wagens schauten, stockte ihnen der Atem. Auf dem Fahrersitz saß eine enthauptete Leiche.
Quelle: Es sah aus wie ein Bagatell-Unfall. Bis die Polizisten in dem Wagen eine enthauptete Leiche fanden Charite-Professor Michael Tsokos. Was die Toten mir verraten: Der Fahrer ohne Kopf | Archiv - Berliner Kurier
Quelle: Es sah aus wie ein Bagatell-Unfall. Bis die Polizisten in dem Wagen eine enthauptete Leiche fanden Charite-Professor Michael Tsokos. Was die Toten mir verraten: Der Fahrer ohne Kopf | Archiv - Berliner Kurier