Y
Yunan
Guest
25.05.2011
Schuldenkrise
Griechische EU-Kommissarin fürchtet Drachme-Comeback
Maria Damanaki (Archivbild): Dramatischer Appell an ihre Landsleute
Es sind drastische Worte: Die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki warnt ihre Landsleute vor dem Euro-Ausstieg. Ein solches Szenario läge auf dem Tisch, man stehe am Scheideweg. In Griechenland wächst der Widerstand gegen den harten Sparkurs der Regierung.
Brüssel - Erstmals hat ein griechischer Politiker das Tabu gebrochen und offen über einen möglichen Austritt des Landes aus der Euro-Zone gesprochen. Die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki fürchtet demnach einen Ausstieg ihres Landes aus dem gemeinsamen Währungsraum.
"Das Szenario einer Distanzierung Griechenlands vom Euro liegt auf dem Tisch", warnte Damanaki in einer Erklärung, die am Mittwoch auf ihrer griechischen Internetseite veröffentlicht wurde. SPIEGEL ONLINE hatte bereits berichtet, dass das Land den Austritt erwäge.
Um dieses Szenario nicht wahr werden zu lassen, schwor die sozialistische Politikerin ihr Land auf einen drastischen Sparkurs ein: "Entweder einigen wir uns mit unseren Gläubigern auf ein Programm mit großen Opfern, das Ergebnisse bringt, und wir übernehmen die Verantwortung für unsere Vergangenheit, oder wir kehren zur Drachme zurück", so Damanaki.
Sie müsse das "offen aussprechen", fügte die Griechin hinzu, die sich in Brüssel um Fischereipolitik kümmert. Griechenland stehe an einem Scheideweg, sagte sie und warnte: "Die größte Errungenschaft im Nachkriegs-Griechenland - der Euro und der europäische Kurs - sind in Gefahr."
Frankfurter Flughafen hat Interesse an Athener Airport
Ein Austritt des hochverschuldeten Griechenlands aus der Euro-Zone wird von der Regierung in Athen aufs Schärfste abgelehnt. Eine neue griechische Drachme wäre deutlich schwächer als der Euro. Damit würden sich zwar einerseits griechische Produkte auf dem Weltmarkt billiger und einfacher verkaufen, was der kranken Wirtschaft des Landes zugute käme. Andererseits könnten sich die Schulden des Landes so auf einen Schlag verdoppeln.
Griechenland hatte im vergangenen Jahr bereits internationale Notkredite von EU und IWF über 110 Milliarden Euro zugesprochen bekommen, inzwischen wird aber bereits über ein weiteres Hilfspaket spekuliert. Möglich ist auch eine sogenannte weiche Umschuldung, bei der die Gläubiger den Griechen längere Rückzahlfristen sowie niedrigere Zinssätze einräumen.
Die Bundesbank hat ihre Ablehnung einer weichen Umschuldung jetzt bekräftigt. Der neue Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Grundsätzlich dürfen die Folgen finanzpolitischer Fehler nicht auf die Notenbanken abgewälzt werden." Die Bundesbank spreche sich allerdings nicht grundsätzlich gegen eine Umschuldung und schon gar nicht gegen eine Beteiligung der privaten Gläubiger aus, sagte Weidmann weiter. Eine Umschuldung werde es geben, sofern ein Land sich entscheiden sollte, seine Schulden nicht mehr zu bedienen, oder sich weigere, ein vereinbartes Anpassungsprogramm umzusetzen.
Erst am Montag hat die Regierung in Athen weitere Sparmaßnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro beschlossen, um das Haushaltsdefizit 2011 auf die vereinbarten 7,5 Prozent zu drücken. Zudem sollen zügig Staatsunternehmen oder Staatsbeteiligungen veräußert werden. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport meldete bereits Interesse am Flughafen Athen an. "Sollte Griechenland seine Flughäfen privatisieren, würden wir uns das als einer der größten Flughafenbetreiber weltweit natürlich anschauen", sagte Fraport-Vorstandschef Stefan Schulte dem "Handelsblatt" laut Vorabbericht.
Proteste gegen Sparkurs
Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte am Mittwoch seinen Reformwillen erneut betont. Nach einem Treffen mit Präsident Karolos Papoulias sprach er sich auf einer Pressekonferenz für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus. Auf die Frage, ob er ein Referendum über die von der sozialistischen Regierung geplanten Sparmaßnahmen erwäge, wie in Medienberichten angedeutet worden war, antwortete er nicht.
Stattdessen betonte er nochmals, wie viel ihm an einer nationalen, parteiübergreifenden Zusammenarbeit liege: "Ich bin völlig offen für jede neue Idee, jeden neuen Vorschlag, der realistisch und effektiv ist." Bei einem Treffen mit Oppositionsvertretern am Dienstag wurde ihm die Unterstützung für sein Sparprogramm verweigert.
Der Widerstand gegen den Sanierungskurs wächst. Mehrere tausend Menschen haben am Mittwoch nach dem Vorbild der spanischen Protestbewegung wichtige Plätze in griechischen Städten besetzt. Die Aktionen wurden im Internet organisiert. Dem Aufruf schlossen sich auch zahlreiche griechische Medien an. Das Motto lautete: "Ohne Parteien und Ideologien verkünden wir friedlich unsere Empörung." Als Replik auf den spanischen Slogan "Pssst, die Griechen schlafen" prangte auf einem Transparent in Athen: "Wir sind wach geworden".
Allein in der griechischen Hauptstadt strömten nach Schätzungen von Medien mehr als 20.000 Menschen zum zentralen Syntagma-Platz vor dem Parlament. Einige wollten sogar auf dem Platz übernachten. Richtung Volksvertretung skandierten sie Parolen wie "Diebe, Diebe". Auch in den Hafenstädten Thessaloniki und Patras sowie auf Kreta und der Halbinsel Peloponnes gingen Tausende Menschen auf die Straße, berichtete das Staatsradio weiter. Die Proteste verliefen friedlich.
OECD erwartet kleines Wachstumsplus
Ein Hoffnungsschimmer für Griechenland kommt von der OECD. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht für das gebeutelte Euro-Land nach drei schweren Rezessionsjahren nun von einem geringen Wachstum von 0,6 Prozent für 2012 aus. Investitionen und Exporte dürften sich unter dem Einfluss der wettbewerbssteigernden Investitionen und Exporte und einer anziehenden Auslandsnachfrage wieder beleben, schreiben die OECD-Experten in ihrem jüngsten Ausblick.
Laut OECD macht Griechenland schon erhebliche Sparfortschritte. Demnach drückte das südeuropäische Land sein um konjunkturelle Einflüsse bereinigtes Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr um 7,5 Punkte auf noch 6,5 Prozent der Wirtschaftsleistung: "Diese Defizitreduktion ist enorm. Kein OECD-Land hat in den letzten 25 Jahren sein strukturelles Defizit binnen eines Jahres so stark gesenkt", sagte Eckhard Wurzel, leitender Ökonom bei der OECD in Paris, dazu der "Financial Times Deutschland".
lgr/AFP/Reuters
Schuldenkrise
Griechische EU-Kommissarin fürchtet Drachme-Comeback
Maria Damanaki (Archivbild): Dramatischer Appell an ihre Landsleute
Es sind drastische Worte: Die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki warnt ihre Landsleute vor dem Euro-Ausstieg. Ein solches Szenario läge auf dem Tisch, man stehe am Scheideweg. In Griechenland wächst der Widerstand gegen den harten Sparkurs der Regierung.
Brüssel - Erstmals hat ein griechischer Politiker das Tabu gebrochen und offen über einen möglichen Austritt des Landes aus der Euro-Zone gesprochen. Die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki fürchtet demnach einen Ausstieg ihres Landes aus dem gemeinsamen Währungsraum.
"Das Szenario einer Distanzierung Griechenlands vom Euro liegt auf dem Tisch", warnte Damanaki in einer Erklärung, die am Mittwoch auf ihrer griechischen Internetseite veröffentlicht wurde. SPIEGEL ONLINE hatte bereits berichtet, dass das Land den Austritt erwäge.
Um dieses Szenario nicht wahr werden zu lassen, schwor die sozialistische Politikerin ihr Land auf einen drastischen Sparkurs ein: "Entweder einigen wir uns mit unseren Gläubigern auf ein Programm mit großen Opfern, das Ergebnisse bringt, und wir übernehmen die Verantwortung für unsere Vergangenheit, oder wir kehren zur Drachme zurück", so Damanaki.
Sie müsse das "offen aussprechen", fügte die Griechin hinzu, die sich in Brüssel um Fischereipolitik kümmert. Griechenland stehe an einem Scheideweg, sagte sie und warnte: "Die größte Errungenschaft im Nachkriegs-Griechenland - der Euro und der europäische Kurs - sind in Gefahr."
Frankfurter Flughafen hat Interesse an Athener Airport
Ein Austritt des hochverschuldeten Griechenlands aus der Euro-Zone wird von der Regierung in Athen aufs Schärfste abgelehnt. Eine neue griechische Drachme wäre deutlich schwächer als der Euro. Damit würden sich zwar einerseits griechische Produkte auf dem Weltmarkt billiger und einfacher verkaufen, was der kranken Wirtschaft des Landes zugute käme. Andererseits könnten sich die Schulden des Landes so auf einen Schlag verdoppeln.
Griechenland hatte im vergangenen Jahr bereits internationale Notkredite von EU und IWF über 110 Milliarden Euro zugesprochen bekommen, inzwischen wird aber bereits über ein weiteres Hilfspaket spekuliert. Möglich ist auch eine sogenannte weiche Umschuldung, bei der die Gläubiger den Griechen längere Rückzahlfristen sowie niedrigere Zinssätze einräumen.
Die Bundesbank hat ihre Ablehnung einer weichen Umschuldung jetzt bekräftigt. Der neue Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Grundsätzlich dürfen die Folgen finanzpolitischer Fehler nicht auf die Notenbanken abgewälzt werden." Die Bundesbank spreche sich allerdings nicht grundsätzlich gegen eine Umschuldung und schon gar nicht gegen eine Beteiligung der privaten Gläubiger aus, sagte Weidmann weiter. Eine Umschuldung werde es geben, sofern ein Land sich entscheiden sollte, seine Schulden nicht mehr zu bedienen, oder sich weigere, ein vereinbartes Anpassungsprogramm umzusetzen.
Erst am Montag hat die Regierung in Athen weitere Sparmaßnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro beschlossen, um das Haushaltsdefizit 2011 auf die vereinbarten 7,5 Prozent zu drücken. Zudem sollen zügig Staatsunternehmen oder Staatsbeteiligungen veräußert werden. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport meldete bereits Interesse am Flughafen Athen an. "Sollte Griechenland seine Flughäfen privatisieren, würden wir uns das als einer der größten Flughafenbetreiber weltweit natürlich anschauen", sagte Fraport-Vorstandschef Stefan Schulte dem "Handelsblatt" laut Vorabbericht.
Proteste gegen Sparkurs
Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte am Mittwoch seinen Reformwillen erneut betont. Nach einem Treffen mit Präsident Karolos Papoulias sprach er sich auf einer Pressekonferenz für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus. Auf die Frage, ob er ein Referendum über die von der sozialistischen Regierung geplanten Sparmaßnahmen erwäge, wie in Medienberichten angedeutet worden war, antwortete er nicht.
Stattdessen betonte er nochmals, wie viel ihm an einer nationalen, parteiübergreifenden Zusammenarbeit liege: "Ich bin völlig offen für jede neue Idee, jeden neuen Vorschlag, der realistisch und effektiv ist." Bei einem Treffen mit Oppositionsvertretern am Dienstag wurde ihm die Unterstützung für sein Sparprogramm verweigert.
Der Widerstand gegen den Sanierungskurs wächst. Mehrere tausend Menschen haben am Mittwoch nach dem Vorbild der spanischen Protestbewegung wichtige Plätze in griechischen Städten besetzt. Die Aktionen wurden im Internet organisiert. Dem Aufruf schlossen sich auch zahlreiche griechische Medien an. Das Motto lautete: "Ohne Parteien und Ideologien verkünden wir friedlich unsere Empörung." Als Replik auf den spanischen Slogan "Pssst, die Griechen schlafen" prangte auf einem Transparent in Athen: "Wir sind wach geworden".
Allein in der griechischen Hauptstadt strömten nach Schätzungen von Medien mehr als 20.000 Menschen zum zentralen Syntagma-Platz vor dem Parlament. Einige wollten sogar auf dem Platz übernachten. Richtung Volksvertretung skandierten sie Parolen wie "Diebe, Diebe". Auch in den Hafenstädten Thessaloniki und Patras sowie auf Kreta und der Halbinsel Peloponnes gingen Tausende Menschen auf die Straße, berichtete das Staatsradio weiter. Die Proteste verliefen friedlich.
OECD erwartet kleines Wachstumsplus
Ein Hoffnungsschimmer für Griechenland kommt von der OECD. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht für das gebeutelte Euro-Land nach drei schweren Rezessionsjahren nun von einem geringen Wachstum von 0,6 Prozent für 2012 aus. Investitionen und Exporte dürften sich unter dem Einfluss der wettbewerbssteigernden Investitionen und Exporte und einer anziehenden Auslandsnachfrage wieder beleben, schreiben die OECD-Experten in ihrem jüngsten Ausblick.
Laut OECD macht Griechenland schon erhebliche Sparfortschritte. Demnach drückte das südeuropäische Land sein um konjunkturelle Einflüsse bereinigtes Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr um 7,5 Punkte auf noch 6,5 Prozent der Wirtschaftsleistung: "Diese Defizitreduktion ist enorm. Kein OECD-Land hat in den letzten 25 Jahren sein strukturelles Defizit binnen eines Jahres so stark gesenkt", sagte Eckhard Wurzel, leitender Ökonom bei der OECD in Paris, dazu der "Financial Times Deutschland".
lgr/AFP/Reuters