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Europäischer Islam
Der Euro-Islam
Europa wandelt sich durch den Islam, und auch der Islam verändert sich durch Europa. Wie aber lassen sich Europa und der Islam in Einklang bringen? Hinter dem Begriff des "Euro-Islam" steht der fromme Wunsch, den Islam mit europäischen Werten zu vereinbaren. Europa und der Islam - prallen hier aber nicht zwei Kulturen, Mentalitäten und nicht zuletzt Religionsauffassungen aufeinander? In der Frage, wie ein "Euro-Islam" aussehen könnte, gibt es kontroverse Positionen.
Der Begriff "Euro-Islam" stammt ursprünglich vom Göttinger Politikprofessor Bassam Tibi. Er fordert, Muslime müssten die Grundwerte liberaldemokratischer politischer und gesellschaftlicher Ordnungen in Europa übernehmen. In seinem Buch "Europa ohne Identität - die Krise der multikulturellen Gesellschaft" fordert er weiterhin, Migranten sollten sich einer "Leitkultur" unterordnen.
"Zum inneren Frieden einer Gesellschaft gehört die Akzeptanz einer Leitkultur, die Orientierung für ein demokratisches Gemeinwesen bietet, dessen Angehörige unabhängig von Ihrer Herkunft und Religion säkulare Normen und Werte als Voraussetzung für den inneren Frieden teilen." Der "Euro-Islam sei ohne "kulturelle Anpassung" nicht möglich.
Bassam Tibi gegen Tariq Ramadan
Diese Haltung wird jedoch von Kritikern als Aufforderung zur "Assimilation" verstanden. Sie sehen die Variante eines "Islam light" skeptisch und befürchten, das Konzept des Euro-Islam zwinge sie, sich einem westlichen Wertesystem unterzuordnen und ihre muslimische Identität schrittweise aufzugeben. Tibis Ansatz eines Euro-Islam steht dem des Philosophielehrers, Islamwissenschaftlers und Publizisten Tariq Ramadan gegenüber. Tariq Ramadan besetzt den "Euro-Islam" Begriff anders. In seinem Denken spielt die Identität eine entscheidende Rolle. Von vielen als "Islamischer Luther" bezeichnet, zieht Ramadan gegen die "Traditionalisten", die Befürworter einer wörtlichen Exegese des Koran zu Felde.
In seinem Hauptwerk "To be a European Muslim" tritt Tariq Ramadan für eine neue europäisch-muslimische Identität ein. Für Ramadan erfordert dies die Partizipation am gesellschaftlichen Leben, an der Ausrichtung kultureller Projekte im Einklang mit der europäischen Kultur und der muslimischen Ethik. Als Konsequenz sollten Muslime in Europa kein "Immigranten-Dasein" mehr führen, wie es der Orientalist und ehemalige Direktor des Deutschen Orient-Institutes in Hamburg, Professor Steinbach, nennt. Migranten sollten neue Antworten auf die Herausforderungen der Zeit finden. Das Fundament sei jedoch, so die Auffassung Ramadans, die "universal gültigen" Grundwerte des Islam.
Partizipation statt Assimilation
Ramadan will Europas Muslimen Selbstbewusstsein einimpfen und Europas christlichen Eliten seinen "Europäischen Islam" erklären. Mit seinem Credo der "Partizipation statt Assimilation" findet Ramadan zwar großes Gehör besonders bei jungen Muslimen in europäischen Vorstädten. Doch Ramadans Euro-Islam ist kein laizistischer, wie viele im Westen es gerne sehen würden. Daher wird Ramadans Haltung gegenüber europäischen Grundwerten auch kritisiert. Zwar betont er in der International Herald Tribune vom 4.2.07 die rechtliche Gleichstellung von Frauen, allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass die Frau in der islamischen Tradition über ihre Rolle als Mutter, Ehefrau oder Tochter definiert werde.
Kritiker sehen in ihm daher eine sich nur scheinbar aufgeklärt gebende Stimme des im Kern antiwestlich orientierten Islamismus. Ramadan ist der Enkel des Gründers der Muslimbruderschaft Hassan al-Banna. Die Muslimbruderschaft gilt als quasi-Vorläufer des modernen Islamismus, der politisch-ideologischen Spielart des Islam. Ramadan spreche daher mit doppelter Zunge, sei ein "Wolf im Schafspelz", der dem orthodoxen Islam lediglich ein europäisches Antlitz geben wolle.
Ein islamisiertes Europa?
Wo beginnt die Kompromittierung europäischer Werte - und kann die religiös begründete Weltsicht des Islam mit dem säkularisierten Europa in Einklang gebracht werden? Ist der Islam wiederum reformfähig im Sinne einer Anpassung an europäische Grundwerte? Diese Frage ist zentral auch an die Deutung des Koran geknüpft. Ist der Koran die unabänderliche Botschaft Gottes oder sollte er, wie viele muslimische Reformer wie Tariq Ramadan es fordern, kontextuell in unserer heutigen Zeit gedeutet und den Erfordernissen der Zeit angepasst werden?
Daneben bleiben viele Fragen, besonders wenn es um Kernfragen des Islam auf der einen Seite und den Grundsätzen europäischer Verfassungen geht: wie zum Beispiel steht es um die Frage der Menschenrechte im Islam? Was sagt der Islam zur Frage der freien Religionsausübung oder des Religionswechsels? Wie steht es um die Kopftuchfrage oder auch die Teilnahme jugendlicher Musliminnen am Sportunterricht, dem islamischen Religionsunterricht und nicht zuletzt der zentralen Frage der Trennung von Staat und Religion?
Zukunft des Islam in Europa
Frankreich hat das eindeutigste Konzept eines laizistischen Staates, Religion und Staat sind getrennt - Religion darf im öffentlichen Raum keine Rolle spielen. Andere europäische Staaten tolerieren Sonderregelungen für Muslime. In Deutschland werden immer wieder Schülerinnen vom Schwimm- oder Sexualkundeunterricht befreit, in Großbritannien dürfen Muslime auch im Staatsdienst ihre Religion durch ihre Kleidung betonen.
Heute leben 15 Millionen Muslime in Europa - Tendenz steigend. Die Zukunft Europas und somit auch das Thema "Euro-Islam" wird also auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Ob jedoch Integration einer Assimilation gleichkommt oder eher in einer Partizipation besteht, bleibt eine der Schlüsselfragen. Denn die Unterschiede bleiben. Während der Islam in Deutschlands als Religionsgemeinschaft nicht anerkannt ist, ist dies im Nachbarland Österreich aufgrund der Stellung der bosnischen Muslime Realität.
Auch die zunehmende Gründung von theologischen Lehrstühlen an europäischen Universitäten wie dem Lehrstuhl für Religiöse Studien in Münster oder die Stiftungsprofessur "Islamische Religion" an der Universität Frankfurt verleiht einer "Europäisierung des Islam" und somit auch einem besseren Verständnis einen Schub. Nicht zuletzt am Beispiel der Türkei und einer möglichen Mitgliedschaft in Europa wird sich entscheiden, wie die Variante eines säkularen, demokratischen und modernen Islam in Europa Fuß fassen wird.
Der Euro-Islam
Europa wandelt sich durch den Islam, und auch der Islam verändert sich durch Europa. Wie aber lassen sich Europa und der Islam in Einklang bringen? Hinter dem Begriff des "Euro-Islam" steht der fromme Wunsch, den Islam mit europäischen Werten zu vereinbaren. Europa und der Islam - prallen hier aber nicht zwei Kulturen, Mentalitäten und nicht zuletzt Religionsauffassungen aufeinander? In der Frage, wie ein "Euro-Islam" aussehen könnte, gibt es kontroverse Positionen.
Der Begriff "Euro-Islam" stammt ursprünglich vom Göttinger Politikprofessor Bassam Tibi. Er fordert, Muslime müssten die Grundwerte liberaldemokratischer politischer und gesellschaftlicher Ordnungen in Europa übernehmen. In seinem Buch "Europa ohne Identität - die Krise der multikulturellen Gesellschaft" fordert er weiterhin, Migranten sollten sich einer "Leitkultur" unterordnen.
"Zum inneren Frieden einer Gesellschaft gehört die Akzeptanz einer Leitkultur, die Orientierung für ein demokratisches Gemeinwesen bietet, dessen Angehörige unabhängig von Ihrer Herkunft und Religion säkulare Normen und Werte als Voraussetzung für den inneren Frieden teilen." Der "Euro-Islam sei ohne "kulturelle Anpassung" nicht möglich.
Bassam Tibi gegen Tariq Ramadan
Diese Haltung wird jedoch von Kritikern als Aufforderung zur "Assimilation" verstanden. Sie sehen die Variante eines "Islam light" skeptisch und befürchten, das Konzept des Euro-Islam zwinge sie, sich einem westlichen Wertesystem unterzuordnen und ihre muslimische Identität schrittweise aufzugeben. Tibis Ansatz eines Euro-Islam steht dem des Philosophielehrers, Islamwissenschaftlers und Publizisten Tariq Ramadan gegenüber. Tariq Ramadan besetzt den "Euro-Islam" Begriff anders. In seinem Denken spielt die Identität eine entscheidende Rolle. Von vielen als "Islamischer Luther" bezeichnet, zieht Ramadan gegen die "Traditionalisten", die Befürworter einer wörtlichen Exegese des Koran zu Felde.
In seinem Hauptwerk "To be a European Muslim" tritt Tariq Ramadan für eine neue europäisch-muslimische Identität ein. Für Ramadan erfordert dies die Partizipation am gesellschaftlichen Leben, an der Ausrichtung kultureller Projekte im Einklang mit der europäischen Kultur und der muslimischen Ethik. Als Konsequenz sollten Muslime in Europa kein "Immigranten-Dasein" mehr führen, wie es der Orientalist und ehemalige Direktor des Deutschen Orient-Institutes in Hamburg, Professor Steinbach, nennt. Migranten sollten neue Antworten auf die Herausforderungen der Zeit finden. Das Fundament sei jedoch, so die Auffassung Ramadans, die "universal gültigen" Grundwerte des Islam.
Partizipation statt Assimilation
Ramadan will Europas Muslimen Selbstbewusstsein einimpfen und Europas christlichen Eliten seinen "Europäischen Islam" erklären. Mit seinem Credo der "Partizipation statt Assimilation" findet Ramadan zwar großes Gehör besonders bei jungen Muslimen in europäischen Vorstädten. Doch Ramadans Euro-Islam ist kein laizistischer, wie viele im Westen es gerne sehen würden. Daher wird Ramadans Haltung gegenüber europäischen Grundwerten auch kritisiert. Zwar betont er in der International Herald Tribune vom 4.2.07 die rechtliche Gleichstellung von Frauen, allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass die Frau in der islamischen Tradition über ihre Rolle als Mutter, Ehefrau oder Tochter definiert werde.
Kritiker sehen in ihm daher eine sich nur scheinbar aufgeklärt gebende Stimme des im Kern antiwestlich orientierten Islamismus. Ramadan ist der Enkel des Gründers der Muslimbruderschaft Hassan al-Banna. Die Muslimbruderschaft gilt als quasi-Vorläufer des modernen Islamismus, der politisch-ideologischen Spielart des Islam. Ramadan spreche daher mit doppelter Zunge, sei ein "Wolf im Schafspelz", der dem orthodoxen Islam lediglich ein europäisches Antlitz geben wolle.
Ein islamisiertes Europa?
Wo beginnt die Kompromittierung europäischer Werte - und kann die religiös begründete Weltsicht des Islam mit dem säkularisierten Europa in Einklang gebracht werden? Ist der Islam wiederum reformfähig im Sinne einer Anpassung an europäische Grundwerte? Diese Frage ist zentral auch an die Deutung des Koran geknüpft. Ist der Koran die unabänderliche Botschaft Gottes oder sollte er, wie viele muslimische Reformer wie Tariq Ramadan es fordern, kontextuell in unserer heutigen Zeit gedeutet und den Erfordernissen der Zeit angepasst werden?
Daneben bleiben viele Fragen, besonders wenn es um Kernfragen des Islam auf der einen Seite und den Grundsätzen europäischer Verfassungen geht: wie zum Beispiel steht es um die Frage der Menschenrechte im Islam? Was sagt der Islam zur Frage der freien Religionsausübung oder des Religionswechsels? Wie steht es um die Kopftuchfrage oder auch die Teilnahme jugendlicher Musliminnen am Sportunterricht, dem islamischen Religionsunterricht und nicht zuletzt der zentralen Frage der Trennung von Staat und Religion?
Zukunft des Islam in Europa
Frankreich hat das eindeutigste Konzept eines laizistischen Staates, Religion und Staat sind getrennt - Religion darf im öffentlichen Raum keine Rolle spielen. Andere europäische Staaten tolerieren Sonderregelungen für Muslime. In Deutschland werden immer wieder Schülerinnen vom Schwimm- oder Sexualkundeunterricht befreit, in Großbritannien dürfen Muslime auch im Staatsdienst ihre Religion durch ihre Kleidung betonen.
Heute leben 15 Millionen Muslime in Europa - Tendenz steigend. Die Zukunft Europas und somit auch das Thema "Euro-Islam" wird also auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Ob jedoch Integration einer Assimilation gleichkommt oder eher in einer Partizipation besteht, bleibt eine der Schlüsselfragen. Denn die Unterschiede bleiben. Während der Islam in Deutschlands als Religionsgemeinschaft nicht anerkannt ist, ist dies im Nachbarland Österreich aufgrund der Stellung der bosnischen Muslime Realität.
Auch die zunehmende Gründung von theologischen Lehrstühlen an europäischen Universitäten wie dem Lehrstuhl für Religiöse Studien in Münster oder die Stiftungsprofessur "Islamische Religion" an der Universität Frankfurt verleiht einer "Europäisierung des Islam" und somit auch einem besseren Verständnis einen Schub. Nicht zuletzt am Beispiel der Türkei und einer möglichen Mitgliedschaft in Europa wird sich entscheiden, wie die Variante eines säkularen, demokratischen und modernen Islam in Europa Fuß fassen wird.