Albanesi2
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Alpbach. Europa ist — wieder einmal bzw. noch immer — auf der Suche nach seiner Identität. Im Rahmen der politischen Gespräche beim Europäischen Forum Alpbach, die am Sonntagnachmittag begonnen haben, erhalten die Zuhörer eine Ahnung davon, wie schwierig dieses Unterfangen in der Praxis ist. Nicht zuletzt wohl deshalb hat man sich hier für eine gewisse Methodenvielfalt entschieden. Historisch-deduktiv versuchte es beispielsweise am späten Sonntagabend Vuk Draskovic.
Der Serbe, Nationalist, Schriftsteller und heutige Außenminister Serbien-Montenegros bemühte sich unter dem Motto "Geschichte, Mythen und Politik", die Verbindung aufzuzeigen, die die Vergangenheit über die Gegenwart mit der Zukunft zusammenschweißt. Immerhin ist am Balkan — aber beileibe nicht nur dort — die Last der Geschichte, die tatsächlich Geschichten sind, und ihrer Mythen auch heute noch im politischen Alltag allgegenwärtig. Was längst überwunden geglaubt wurde, erlebte mit dem Untergang des Kommunismus seine Auferstehung: ein zerstörerischer Nationalismus. Draskovic musste weit ausholen, um Verständnis für die Sache der Serben zu wecken. Immerhin gelten diese heute als Tätervolk. Dabei waren sie doch auch Opfer. 1389 unterlagen die Serben den Türken auf dem Amselfeld — und verloren so mit dem Kosovo ihr Kernland. Die Niederlage gerann zum Mythos, der Kosovo zum gelobten Land, untrennbar mit dem serbischen Volk verbunden. Nun ist der Kosovo längst wieder ein Teil Serbiens.
Allerdings haben die Wechselfälle der Geschichte dazu geführt, dass dort heute kaum mehr Serben, dafür umso mehr Albaner leben. Ein Umstand, den Serbien unter Slobodan Milosevic, einst Diktator und mittlerweile auf der Anklagebank des Menschenrechtsgerichtshofes in Den Haag, unter allen Umständen wieder rückgängig zu machen versuchte. Ethnische Säuberungen, Massaker und die Niederlage Serbiens gegen die NATO waren die Folgen.
Heute betrachten Albaner wie Serben den Kosovo immer noch als ihr eigen. Nur würden sich die Serben heute bereits mit einem Zurück zu jenem multiethnischen Zusammenleben zufrieden stellen, das Milosevic nicht genug war. Die Kosovo-Albaner wollen die volle Souveränität.
Spiegelbild der
ethnischen Spaltungen
Wer hat Recht bzw. wem soll zu seinem Recht verholfen werden? Darüber konnte man sich nicht einmal in der klaren Bergluft Tirols einigen. Der Zuschauerraum geriet zum Spiegelbild der ethnischen Zerklüftungen am Balkan. Entsprechend unversöhnlich prallten die nationalen Wahrheiten aufeinander. Der Verweis auf die gemeinsamen europäischen Werte als Basis einer gemeinsamen Identität griff hier nicht. Die Geschichte steht dem nach wie vor entschlossen entgegen. Auch in Alpbach.
Rational-induktiv versuchte es mit der europäischen Identität dann am Montag der italienische Philosoph Furio Cerruti. Seine These: Es gibt keine kulturelle Identität Europas! Es kann sie gar nicht und es wird sie auch niemals geben. Weshalb man sich mit der Schaffung einer politischen Identität Europas begnügen muss.
Cerutti definiert politische Identität als "ein Ensemble an gemeinsamen Werten, die wir anerkennen. Dazu zählen ein Mindestmaß an sozialer Solidarität und eine gewisse Vorliebe für friedliche Konfliktlösungen. Diese Werte müssen im politischen Alltag diskutiert, anerkannt und vor allem angewendet werden." Die Werte, und damit die Voraussetzung für die Schaffung einer solchen gemeinsamen Identität sind für den an der Universität Florenz lehrenden Cerruti seit 1989 vorhanden. Ob diese allerdings auch zur Grundlage der politischen Entscheidungen werden, ist für ihn mehr als ungewiss. Dem stehe nach wie vor die Dominanz nationaler Perspektiven von Eliten wie Bürgern entgegen.
Zu ändern sei dies allenfalls dann, wenn die Globalisierung die reale nationale Ohnmacht noch schärfer zur Schau stelle. Dazu bedürfe es jedoch auch einer EU-Führung, die endlich Führungsstärke an den Tag lege. Beide Bedingungen für die Etablierung einer europäischen politischen Identität sind derzeit allerdings nicht in Sicht. Dem steht nämlich die europäische Realität entgegen. Auch in der klaren Bergluft von Alpbach.
Alpbach. Europa ist — wieder einmal bzw. noch immer — auf der Suche nach seiner Identität. Im Rahmen der politischen Gespräche beim Europäischen Forum Alpbach, die am Sonntagnachmittag begonnen haben, erhalten die Zuhörer eine Ahnung davon, wie schwierig dieses Unterfangen in der Praxis ist. Nicht zuletzt wohl deshalb hat man sich hier für eine gewisse Methodenvielfalt entschieden. Historisch-deduktiv versuchte es beispielsweise am späten Sonntagabend Vuk Draskovic.
Der Serbe, Nationalist, Schriftsteller und heutige Außenminister Serbien-Montenegros bemühte sich unter dem Motto "Geschichte, Mythen und Politik", die Verbindung aufzuzeigen, die die Vergangenheit über die Gegenwart mit der Zukunft zusammenschweißt. Immerhin ist am Balkan — aber beileibe nicht nur dort — die Last der Geschichte, die tatsächlich Geschichten sind, und ihrer Mythen auch heute noch im politischen Alltag allgegenwärtig. Was längst überwunden geglaubt wurde, erlebte mit dem Untergang des Kommunismus seine Auferstehung: ein zerstörerischer Nationalismus. Draskovic musste weit ausholen, um Verständnis für die Sache der Serben zu wecken. Immerhin gelten diese heute als Tätervolk. Dabei waren sie doch auch Opfer. 1389 unterlagen die Serben den Türken auf dem Amselfeld — und verloren so mit dem Kosovo ihr Kernland. Die Niederlage gerann zum Mythos, der Kosovo zum gelobten Land, untrennbar mit dem serbischen Volk verbunden. Nun ist der Kosovo längst wieder ein Teil Serbiens.
Allerdings haben die Wechselfälle der Geschichte dazu geführt, dass dort heute kaum mehr Serben, dafür umso mehr Albaner leben. Ein Umstand, den Serbien unter Slobodan Milosevic, einst Diktator und mittlerweile auf der Anklagebank des Menschenrechtsgerichtshofes in Den Haag, unter allen Umständen wieder rückgängig zu machen versuchte. Ethnische Säuberungen, Massaker und die Niederlage Serbiens gegen die NATO waren die Folgen.
Heute betrachten Albaner wie Serben den Kosovo immer noch als ihr eigen. Nur würden sich die Serben heute bereits mit einem Zurück zu jenem multiethnischen Zusammenleben zufrieden stellen, das Milosevic nicht genug war. Die Kosovo-Albaner wollen die volle Souveränität.
Spiegelbild der
ethnischen Spaltungen
Wer hat Recht bzw. wem soll zu seinem Recht verholfen werden? Darüber konnte man sich nicht einmal in der klaren Bergluft Tirols einigen. Der Zuschauerraum geriet zum Spiegelbild der ethnischen Zerklüftungen am Balkan. Entsprechend unversöhnlich prallten die nationalen Wahrheiten aufeinander. Der Verweis auf die gemeinsamen europäischen Werte als Basis einer gemeinsamen Identität griff hier nicht. Die Geschichte steht dem nach wie vor entschlossen entgegen. Auch in Alpbach.
Rational-induktiv versuchte es mit der europäischen Identität dann am Montag der italienische Philosoph Furio Cerruti. Seine These: Es gibt keine kulturelle Identität Europas! Es kann sie gar nicht und es wird sie auch niemals geben. Weshalb man sich mit der Schaffung einer politischen Identität Europas begnügen muss.
Cerutti definiert politische Identität als "ein Ensemble an gemeinsamen Werten, die wir anerkennen. Dazu zählen ein Mindestmaß an sozialer Solidarität und eine gewisse Vorliebe für friedliche Konfliktlösungen. Diese Werte müssen im politischen Alltag diskutiert, anerkannt und vor allem angewendet werden." Die Werte, und damit die Voraussetzung für die Schaffung einer solchen gemeinsamen Identität sind für den an der Universität Florenz lehrenden Cerruti seit 1989 vorhanden. Ob diese allerdings auch zur Grundlage der politischen Entscheidungen werden, ist für ihn mehr als ungewiss. Dem stehe nach wie vor die Dominanz nationaler Perspektiven von Eliten wie Bürgern entgegen.
Zu ändern sei dies allenfalls dann, wenn die Globalisierung die reale nationale Ohnmacht noch schärfer zur Schau stelle. Dazu bedürfe es jedoch auch einer EU-Führung, die endlich Führungsstärke an den Tag lege. Beide Bedingungen für die Etablierung einer europäischen politischen Identität sind derzeit allerdings nicht in Sicht. Dem steht nämlich die europäische Realität entgegen. Auch in der klaren Bergluft von Alpbach.